Gewerhrcbaftlichca. Hn clle werktätige Bevölkerung Berlins ! Wie schon am Freitag mitgeteilt wurde, ist der heutigen Nummer die Liste der tariftreuen Bäckereien beigelegt. Die Arbeiter, Hansfrauen sowie die gesamte Bevölkerung werden gebeten, sich bei Bedarf an Brot und Backwaren nur an diese Liste halten zu wollen. Die Bäckermeister scheinen die gegenwärtige Zeit für autzerordentlich günstig zu halten, um den Tarif zu durchbrechen. Eine allgemeine Bäckereikontrolle, die im September vor- genommen wurde, ergab, daß eine ganze Anzahl Bäckermeister sich wenig um die tariflichen Bestimmungen zu kümmern scheint. Besonders der paritätische Arbeitsnachweis wird fort- gesetzt umgangen. Man rechnet eben damit, daß Gesellen, die für die Arbeit beim Kommissionär erst 3, 3 und 8 M. bezahlt haben, viel eher bereit zu finden sind, auf ihre tariflichen Rechte nach dem Minimallohn und den 36stündigen Ruhetag zu verzichten; ja selbst vor der Wiedereinführung des Kost- und Logiswesens schrecken manche Biedermänner nicht zurück. Bei diesem Bestreben, die Gesellen um ihre tariflichen Rechte zu bringen, rechnen die Herren auch damit, daß der Winter im Anzüge ist, wo naturgemäß die Arbeitslosigkeit im Bäckergcwerbe größer ist als im Sommer. In die Werktätige Bevölkerung Berlins setzen wir das Vertrauen, daß sie uns im Kampfe um unsere tariflichen Rechte auch weiter tatkräftig unterstützen wird. Der Vertrauensmann der Bäcker Berlins nmd Umgegend. verlin und Umgegend. Wie die Firma Maffey Ausländer behandelt. Bei der genannten Firma arbeitete seit einiger Zeit ein Dreher, der, weil Franzose, der deutschen Sprache nicht recht mächtig ist. Troydem hat er seine Arbeiten zur Zufriedenheit der Firma ge- macht, und hätte man deshalb annehmen sollen, daß die Firma dem Dreher, der zufällig Ausländer ist, nichts weiter in den Weg legt. So lange der Dreher seine Arbeit machte und sich im übrigen um sonstige Angelegenheiten nicht kümmerte, war ja das auch gut. Als aber der Dreher eines Tages sich den Abzug einer Strafe nicht ge- fallen lassen wollte, die ihm auferlegt wurde, weil er seine Karte eine Minute zu früh abgestempelt hatte, da zeigte es sich, daß die Leitung des Betriebes glaubt, mit Ausländern sich mehr erlauben zu können, als mit solchen Arbeitern, die der deutschen Sprache mächtig sind. Der Dreher geriet über den Abzug mit dem Meister in Differenzen. Schließlich führte die Aus- einandersetzung zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses. Der Dreher bestand nun darauf, daß ihm der unberechtigte Abzug der Strafe nicht gemacht würde. Darauf wurde ihm erklärt, daß das auch nicht geschehen solle, aber er müsse erst unterschreiben. Dies tat der Dreher, vertrauend aus die Aufrichtigkeit des Meisters. Doch er hatte sich getäuscht. Als er unterschrieben hatte, wurde ihm sein Geld abzüglich der Strafe aus- gezahlt. Hierüber gab es wieder eine Auseinandersetzung, die schließlich dazu führte, daß der Dreher den Betriebsleiter aufsuchte, um von diesem sein Recht zu fordern. Doch da kam unser Dreher an die richtige Adresse. Dieser Herr war augenscheinlich bereits informiert und wies den Arbeiter mit barschen Worten in franzö- sischer Sprache ab. Das rief naturgemäß eine scharfe Entgegnung des Drehers hervor, worauf der Betriebsleiter meinte, er könne den französischen Dreher innerhalb 24 Stunden aus Deutschland aus- weisen lassen. Auch drohte er dem Mann mit der Polizei, wenn er weiter darauf bestehen sollte, daß ihm die Strafe ausgehoben würde. Der Dreher ist natürlich nicht erbaut über die Art wie deutsche Fabrikanten die Rechte der Arbeiter respektieren. Die Mühe der Ausweisung bleibt freilich den deutschen Behörden erspart. Der Mann hat genug und verläßt die gastlichen Gefilde, wo eine derartige Behandlung und Mißachtung der Rechte der Arbeiter möglich ist._ Der Streik in der Kartonindnstrie beendet. Zwischen Vertretern der streikenden Kartonarbeiter und-Ar- beiterinnen sowie Vertretern der bestreikten Unternehmer fanden am Donnerstagabend erneut Verhandlungen zur Beilegung des Konflikts statt. Den Verhandlungen lag der von der Tarifkommission aus- gearbeitete Minimaltarif zugrunde, dem die Unternehmervertreter nach unerheblichen Aenderungen schließlich ihre Zustimmung gaben. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt danach für männliche Arbeiter b2Vz und für weibliche 50 Stunden; die Minimallöhne erfahren eine allgemeine Erhöhung, ebenso die Akkordpreise, die sich für glatte Post um 10 Proz., sür Leistenkasten um 5 Proz, erhöhen. Die Akkordpreise für Arbeiterinnen erfahren eine Aufbesserung von 5 Proz.— Maßregelungen dürfen nicht vorgenommen werden und müssen den Streikenden ihre früher eingenommenen Arbeitsplätze wieder zur Verfügung gestellt werden, sofern �fie sich Montag früh zur Arbeil einfinden. Die während des Streiks eingestellten Arbeits- willigen miissen sofort entlassen werden. Nachdem sich am Freilag die Vertrauensmänner gegen zwei Stimmen für Annahme des neuen Vorschlages ausgesprochen hatten, fand am Sonnabendnachmittag eine gutbesuchie Versammlung der Streikenden statt, um über Abbruch oder Fortsetzung des Kampfes Beschluß zu fassen. Würzberger gab einen kurzen Bericht über den Verlauf der Verhandlungen; er empfahl, dem neuen Vorschlage zuzustimmen und am Montag die Arbeit wieder auf- zunehmen. In einer längeren, teils recht stürmischen Diskussion wurden die Zugeständnisse der Unternehmer als zu gering bezeichnet und die Forisetzung des Kampfes gefordert. Die Mehrzahl der Redner sprach sich jedoch für A n n a h m e des Tarifes auS; wenn auch die materiellen Vorteile manches zu wünschen übrig ließen, so sei der moralische Erfolg des sünflägigen Streiks um so höher an- zuschlagen.— Hierauf wurde der Tarif, auf dessen Einzelheiten wir noch zurückkommen, gegen etwa 20 Stimmen angenommen. Somit hat der Streik sein Ende erreicht und wird Montag früh die Arbeit allgemein wieder aufgenommen. Der Zuckerwarenfabrik von Seifert u. Haake, Lietzmannstr. 20/21, bleibt jetzt die Knndichaft in immer größerem Maße fern. Die Firma sucht nun das Gerücht auszustreuen und weist vor allem ihre Reisenden an, der Kundichafl zu erzählen, ein Streik bestände nicht mehr und die Angaben über die Lohnverhältnisse seien Ueber- lreibungen. Die Firma ist aber wegen ihrer schlechten Löhne so be- rüchligt. daß alle diese Bemühungen nichts nützen. In einer Ver- fammlung der Konfitllrenhändler am 23. September bettelte Herr Haake um Unleriliitzung und malte das Schreckgespenst an die Wand, daß die Konfilnrengeichäsle einmal eme Saison ohne Waren sein würden, wenn sie jetzt der Firma nicht beiständen. Herr Haake aber erfuhr eine glänzeiide Abfuhr. Man gab ihm den Rat, sich mit seinen Arbeitern i'o schnell wie möglich zu einigen. Einige Inhaber von Zuckerwarenfabriken, welche die Schundlöhne dieser Firma ohne weiteres verurteilten, versuchten in einer Sitzung des Fabrikanten- Verbandes am 3. d. Mls. eine Vermittelungsaklion einzuleiten. Aber die Protzigkeit der Zuckerwarenfabrikanten scheint bisher jede Ver- ständigung zu vereiteln._ Ter Kampf der Dachdecker. In einer Versammlung der Dachdecker und Hilfsarbeiter, die am Freitagabend im Gewerkschaftshause stattfand, wurde der be- stehende Kampf im Gewerbe, der jetzt zehn Wochen währt, eifrig besprochen. Der Referent H ö p p n e r wandte sich scharf gegen einen Artikel des Organs der Unternehmer, der„Deutschen Dach- deckerzeitung", vom 29. September. Die Arbeitenden sollten den ausgesperrten Kollegen auch ferner jede Unterstützung leihen. Unter Berantw. Redakt.: Alfred Wielepp. Neukölln. Inseratenteil verantw.: anderem wurde auch gewünscht, daß diejenigen, die auf einem neuen Bau anfangen, der Leitung sofort Kenntnis von den Verhältnissen auf dem Bau geben. Di« bisherige Taftik habe sich bewährt und sollte sortgesetzt werden. Wenn die Unternehmer hofften, die Kassen des Verbandes bald zu erschöpfen, so sei diese Hoffnung trügerisch. Die Dachdecker wüßten wohl, daß der Ausgang dieses Kampfes nicht nur für Berlin wichtig sei. sondern für die Verhältnisse in ganz Deutschland seine Bedeutung habe. Die Haltung der Ausstän- digen sei derart, daß sie sich den Dank der arbeitenden Kollegen verdient hätten.— Dem Referat folgte eine sehr rege Diskusston, welche die volle Uebereinsftmmung der Versammelten in bezug auf eine mutige Fortsetzung des Kampfes gegen die Unternehmer zeigte. Eine Reihe von Anträgen forderte eine bessere Unterstützung der Ausständigen. Angenommen wurde schließlich ein Antrag, nach dem die Dachdecker 4,20 M. und die Hilfsarbeiter 3 M. wöchentlich (inklusive Beiträge) zu zahlen haben, und zwar von Montag ab. Ein anderer Antrag verbot das Umschauen nach Arbeit sowie die Annahme von Stellungen, die durch Postkarten usw. angeboten werden. Görnitz machte bekannt, daß gegenwärtig noch 326 Ausständige gezählt werden und daß rund 60 Firmen den Tarif- vertrag unterzeichnet haben, darunter Mitglieder der Innung und des Arbeitgeberverbandes. _ Achtung, Glasbläser! Bei der Firma Kosmos. Kurfürsten- straße 146/147, stehen die Glasbläser und Pumper wegen Lohnabzug bereits drei Wochen im Streik. Die Firma weigert sich beharrlich, den Abzug zurückzunehmen. Sie glaubt vielmehr, durch den Arbeits- Nachweis in der Gormannstraße die Plätze mit ungelernten Leuten besetzen zu können. Es wurden der Firma auch einige Leute zu- gewiesen. Als diese aber erfahren hatten, daß dort gestreikt wird, gaben sie sich trotz sechswöchiger Arbeitslosigkeit nicht als Streik- brecher her, sondern verlangten von der Firma das Fahrgeld wieder, was aber abgelehnt wurde. Es haben sich bis jetzt noch keine Arbeitswilligen gefunden. Die Streikenden sind gewillt auszuharren, bis der Sieg erfochten ist. Es wird daher von jedem Arbeiter strengste Solidarität verlangt. Die Ortsverwaltung. Veutfckes Reich. Wofür die Unternehmer zu haben find! Beim großen Lohnkampf in der Görlitzer Waggonfabrik ver- suchte die Direktion bekanntlich, durch Inserate in allen bürger- lichen Zeitungen Schlesiens Arbeitswillige nach dort zu locken. Diese Situation machte sich der sonst von der Arbeit nicht viel haltende Arbeiter Schubert aus Landeshut zunutze, um sich aus leichte Weise Geld zu Schnaps zu verschaffen. Er besuchte hinter- einander drei Textilbarone und bat um Reisegeld nach Görlitz , weil dort gestreikt würde und er Arbeit erhalten könne. Was manchem armen Weber oder einer mit ihren Kindern hungernden Witwe bisher noch selten gelungen ist, das brachte der angeblich Arbeits- willige binnen wenigen Minuten fertig; er bekam von drei Unter- nehmern insgesamt über 9 M. Reisegeld. Hier galt es ja, für die Gebenden Solidarität zu üben. Als die Unternehmer erfuhren, daß sie geprellt worden waren, stellten sie Strasantrag. Der Be- trüger wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Bezeichnend war die Aussage eines der Geprellten auf die Frage des Vor- sitzenden: Hätten Sie auch einen so hohen Betrag gegeben, wenn der Angeklagte um Almosen angesprochen hätte? Die Antwort war ein glattes Nein! Ein anderer Zeuge sagte auf die gleiche Frage:„Da gibt man doch höchstens 10 Pfennige." Also weil einer Staatsstütze unter die Arme gegriffen werden sollte, lohnt« es sich schon, tiefer in den Beutel zu greifen. Ein ehrlicher, in Not geratener Arbeiter wäre unbarmherzig abgewiesen worden. Der Streikverzicht des Süddeutschen Eisenbahner- Verbandes. Die bayerische Zentrumspresse ist, wie zu erwarten war, durch die Erklärung der Leitung des Süddeutschen EisenbahnerverbandeS in ihrer Eingabe an das Verkehrsministerium keineswegs befriedigt. Sie verlangt noch viel mehr. Das Organ des Zentrumsministeriums, der.Bayerische Kurier" sagt kurz und bündig: .Solange sich der Verband nicht statutarisch festlegt, ist mit einer solchen Deklaration nicht viel anzufangen." Und die.Augsb. Postzeitung" schreibt: .Zunächst darf konstatiert werden, daß das Schriftstück einen irgendwie ausdrücklichen Streikverzicht nicht enthält. Es ist in Wendungen abgefaßt, denen man es deutlich anmerkt, daß eS die Absicht der Verfasser war, für gut Wetter bei der Regierung zu bitten, ohne sich auf einen formellen Verzicht festzulegen." Das Blatt findet es weiter auffällig, daß die Sozialdemokratie am 23. September im Landtage den scharfen Vorstoß unternommen, ohne daß mit einer Silbe dieser Eingabe gedacht worden wäre, die schon am 26. September in der Kammer eingegangen war. Dann heißt es weiter: „Wir müssen gestehen: so wenig geklärt, so Widerspruchs- voll uns an der ganzen Geschichte so manches erscheint, ganz un« heimlich kommt uns diese scheinbare Unabhängigkeit zwischen zw-i Faktoren vor. die sich sonst durchaus nicht so fremd sind." Man sieht, die schwarze Regierungspresse hat für die feierliche Verzichlleistung der Verbandsleitung nur ein ungläubig-höhnisches Lächeln. Das Zentrum will keinen gezähmten Süddeutschen Eisenbahnerverband, sondern dessen völlige Vernichtung, um dem schwarzen Verband die Konkurrenz aus dem Wege zu räumen. TiusUnd. Die britischen Bergarbeiter. Swansea , 4. Oktober 1912.(Eig. Ber.) Mit großem Interesse und nicht wenig Besorgnis verfolgt man in Großbritannien die 23. Jahreskonferenz der britischen Bergarbeiterföderation, die hier diese Woche tagt. Es stehen zwar keine großen wirtschaftlichen Kämpfe im Bergbau bevor, aber man ist doch begierig zu erfahren, welchen Eindruck der Ausgang des großen Streiks zu Anfang des Jahres auf die Bergknappen gemacht hat und was der nächste Schritt der Bergarbeiter sein wird. Auch die bürgerlichen Beob- achter können sich nicht mehr der Erkenntnis verschließen, daß die Führung der Föderation in die Hände der Sozialisten ubergegangen ist. Das tritt jetzt ganz klar zutage in der Wahl des Genossen S m i l l i e zum Vorsitzenden der Föderation, die zweifellos statt- finden wird, da kein anderer Kandidat als der bisherige Vize- Präsident ini Felde ist und kein anderer in dem Maße das Ver- trauen der Bergarbeiter besitzt. Daß sich mit diesem Personen- Wechsel ein großer Unischwung in dem ganzen Lehen der Berg- arbeiterföderation vollziehen wird, kann kaum bestritten iverden. Schon während der kurzen Zeit seit dem Tode Enoch Edwards, in der der Vizepräsident die Stelle des Vorsitzenden einnahm, hat man ein schnelleres Tempo in den Bewegungen des sonst so schwer- falligen Riesenverbandes wahrnehmen können. Die Frage der Verstaatlichung der Bergwerke ist aus dem Stadium des Studiums in das der Propaganda getreten. Die Föderation hat einen Gesetz- entwurf zur Verstaatlichung des britischen Bergbaus ausgearbeitet, und nach der Konferenz soll im ganzen Lande eine großzügige Propaganda zugunsten dieses Entwurfs entfaltet werden. Auch die Rede, mit der der Vorsitzende die Konferenz dieses Jahres eröffnete, deutet daraus hin, daß die erwähnte EntWickelung im Gange ist. Zum erstenmal in ihrer Geschichte konnte die Berg- arbeiterkonferenz eine Präsidentenrede hören, die nicht aus abge- droschenen Gemeinplätzen bestand, in der vielmehr versucht wurde, dem Denken und Handeln der organisierten Bergknappen Richtung und Ziel zu geben. Beachtenswert waren besonders der Hinweis auf die Notwendigkeit, den Bergbau im Interesse der Arbeiterschaft und des ganzen Gemeinwesens zu verstaatlichen, wie auch die An- kündigung der Propaganda, die der Verband beschlossen hat.„Wir haben seit vielen Jahren," bemerkte der Präsident,„in unseren Jahresversammlungen Resolutionen angenommen, in denen er- klärt wurde, daß die Zeit reif sei, daß der Bergbau in die Hände der Regierung übergehe und von der Regierung im Interesse der ganzen Nation betrieben werde. Ich glaube, der Streik muß oder Th. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u, Verlagsanstalt sollte wenigstens die Nation der Verstaakkichung ber Bergwerke ein wenig näher gebracht haben." Auch über den Syndikalismus ließ sich Genosse S m i l I i e aus. Ein Teil der Press« hat seine Ausführungen so gänzlich falsch interpretiert, daß aus dem Befürworter der Verstaatlichung ein Freund oder Apologet des Syndikalismus geworden ist. Was der Porsitzendc der Bergarbeiter wirklich sagte und was er uns im Privatgespräch auch bestätigte, war, daß man den Syndikalismus nicht leichthin verurteilen sollte, weil das Wort in Großbritannien einen schlechten Klang habe. Was man in Großbritannien unter Syndikalismus verstehe, sei etwas sehr Unklares. Wenn man darunter eine Bewegung verstehe, die sich zum Ziele gesetzt, durch Sabotage die Produktionsmittel einer Industrie in die Hände der Arbeiter dieser Industrie zu bringen, so sei er ein Gegner des Syndikalismus; das sei ein verrückt gewordener Individualismus. Verstehe man aber unter Syndikalismus die Vereinigung der Ge- werkschaften zu Jndustrieverbänden und den nationalen und inter - nationalen Zusammenschluß dieser Verbände, dann, glaube er, gebe es wohl wenig Delegierte, die Gegner dieser Forderung seien. Es möge dies hiermit besonders festgenagelt werden, um einer Legendenbildung vorzubeugen, die von gewissen kapitalistische« Organen nur allzu gern begünstigt wird. Die Läge auf dem ßalhan. Uneinigkeit über die Fassung des Ultimatums. Wien , 5. Oktober. (P.-C.) Aus London wird der„Wiener All» gemeinen Zeiwng" von bestinformierder und besonderer Seite mit» geteilt, daß nach Informationen, die an dortiger zuständiger Stelle eingetroffen sind, es noch keineswegs sicher ist, daß die Balkanmächte der Türkei ein gemeinsames Memorandum über- reichen werden. Es ist nämlich den Regierungen der Balkan » staaten bisher nicht gelungen, sich über den Inhalt de» Memo- randums zu einigen. Während einerseits die Forderung aufge- stellt wird, daß, wenn auch nicht ausdrücklich das Wort„Autonomie" verwandt wird, eine solche doch durch das Verlangen eine? christ» lichen Generalgouverncurs für Mazedonien dem Wesen nach ge» kemyeichnet wird, begnügt man sich auf der anderen Seite damit, als Postulat die Ernennung christlicher Gouverneure in jenen Wilajets der Türkei zu verlangen, in denen sich die christliche Be- völkerung in der Mehrzahl befindet. Di« Ausdrücke„Autonomie Mazedoniens " und.Generalgouverneur" sollen vermieden werden. Hierüber scheint keine Einigung erzielt worden zu sein, und es ist daher möglich, daß die Ueberreichung eine? Kollektiv-Memo- randums an die Pforte unterbleibt. Kabinettwechsel in der Türkei . Konstantinopel , 5. Oktober. (W. T. B.) Der Senat wurde heute nachmittag zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen, zu der aber nur etwa ein Dutzend Sena- toren erschienen, da die Mehrzahl nicht in Konstantinopel an- wesend ist. In Gegenwart des Scheich ul Islam wurde von den versammelten Senatoren in die Beratung einer wichti- gen Frage eingetreten. Es geht das Gerücht, daß Kia- m i l Pascha mit der Neubildung des Kabinetts beauftragt werden solle._ Oesterreichs -Ungarns Rüstungen. Budapest , 3. Oktober. (W. T. B.) Bezüglich der Meldung, daß der Kriegsminister demnächst für die Ausrüstung der Armee eine Nachtragsforderung von 200— 250 Millionen stellen werde, teilt der„Pester Lloyd" mit, daß die gemeinsame Ministerkonferenz, die vorgestern stattgefunden hat, hierüber keinen Beschluß gefaßt hat, daß jedoch die ungarische und öster- reichische Regierung, da die auswärtige Situation die größte Vorsicht gebietet, sich den unerläßlichen Anforderungen der Heeresverwaltung nicht werde verschließen können. Englands Flotte im Orient. Malta , 3. Oktober. (W. T. B.) Die erwartete englische Flotte soll hier am 7. d. Mts. eintreffen und, wie es heißt, nach Auffüllung von Kohlen und Proviant sogleich nach den Gewässern des nahen Orients weitergehen. Mangelnde Kriegsbcgeisterung in Serbien . Belgrad , 6. Oktober. (P.-C.) Die Erwartung, daß in den ersten Tagen der Mobilisierungsorder sich Freiwillig-« auS Ungarn , Bosnien , Dalmatien und der Herzogewina melden werden, um ins Feld zu ziehen, hat sich nicht erfüllt. Bis heute hat sich nicht ein einziger gemeldet. Such die russischen Freiwilligen sind bisher ausgeblieben. Die reichen Serben im Lande zeigen ebenfalls wenig Geneigtheit, zu den Kriegskosten bei- zusteuern und werden deshalb von den Blättern heftig angegriffen. Tie Verschwörer-Offiziere, die seinerzeit auf Verlangen Englands pensioniert wurden, verlangen ihre Reaktivierung und werden sich deshalb an den Kriegsminister, eventuell an den König Peter wenden. Die Preise für Kleidungsstücke und Ge- brauchsgegen stände sind enorm gestiegen. Einschränkung des Eisenbahnverkehrs in Serbien . Belgrad , 6. Oktober. (W. T. B.) Von heute ab ist der gesamte Personenverkehr auf den Eisenbahnen sistiert worden. Irregulärer Krieg. Sofia , 6. Oktober. (P.-C.) Eine Bande bulgarischer Frei- schärler hat bei M u st a p h a P a s ch a die über die Maritza führende Brücke der Orientbahn in die Luft gesprengt. Da die Orientbahn die einzige aus der europäischen Türkei nach West- europa führende Bahnlinie ist, so ist damit die Eisenbahnver- bindung zwischen Konstantinopel und Europa vollständig unterbrochen. Letzte Nachrichten* Kämpfe in Nicaragua . Washington , S. Oktober.(ÜB. T. B.) Ueber einen Kampf bei Nicaragua , in dem 29 amerikanische Marinesoldaten gefallen sind und der außerordentlich blutig gewesen sein soll, wird berichtet: Der Angriff-des Udmirals S o u th e r- l a nd auf die Rebellen erfolgte lediglich in Ausübung der Pflicht der amerikanischen Marine, die Ausländer und deren Eigentum wirksam zu schützen. Einer Einmischung in den Kampf der Parteien in Nicaragua haben sich die Amerikaner streng enthalten. Amtlich« Kreise berichten denn auch, daß Amerika sich technisch nicht im Kriegszustand befindet, die Beziehun- gen zwischen Nicaragua und Amerika seien vielmehr freund» schastlich. Frost im Moseltal. Trier , 5. Oktober. (P. C.) Die Weinberge im Moselgebiet er- litten in der vergangenen Nacht bedeutenden Fro st schaden. Es wurden bis zu 8 Grad Kälte festgestellt. Paul Singer& Co., Berlin SW. Hierzu 6 Beilage».-
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