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Nr. 234. 29. Jahrgang.

Erklärung zu:

1. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Sonntag, 6. Oktober 1912.

Zum Fall Hildebrand.

Von den Genossen Wolfgang Heine   und Dr. Leo Arons   geht uns mit dem Ersuchen um Veröffentlichung folgende Die Unterzeichneter bedauern den Ausschluß des Genossen Hildebrand durch den Chemnizer Parteitag. Gleichgültig, ob oder wieweit sie Hildebrands Anschauungen billigen oder verwerfen, fürchten sie, daß der Beschluß eine Hemmung der wissenschaftlichen Forschung in der Partei zur Folge haben wird, und sehen darin einen Widerspruch zu dem alten sozialdemokratischen Grund­gedanken, daß die praktische Politik der Partei auf der wissenschaft­lichen Erkenntnis der Tatsachen zu beruhen habe.

Die Unterzeichneten erwarten, daß Hildebrand, wie er es auf dem Parteitage erklärt hat, sich nach wie vor als Sozialdemokrat fühlen und für die Sozialdemokratie arbeiten wird, und daß ein späterer Parteitag Gelegenheit finden wird, den Chemnitzer Spruch wieder aufzuheben.

Es ist wohl kaum nötig, zu betonen, daß unsere Meinung den Staat beherrscht. Er ist heute noch in manchem freieren" über die Berechtigung des Ausschlusses Hildebrands sich nicht im Staat mit Erschwerungen und Belästigungen verknüpft. mindesten geändert hat. Wir haben dieser Meinung vor Monaten Gerade das Gegenteil ist in der Partei der Fall. Sie hinderk und auch während und nach dem Parteitage unzweideutig Ausdruck niemand am freiwilligen Austritt. Wir fordern auch von niemand, gegeben. Da uns aber die Genossen Heine und Arons   durch ihre daß er sozialdemokratisch denken soll. Hildebrand mag denken und Erklärung von neuem ein Eingehen auf den Fall Hildebrand auf- sagen und schreiben, was er will. Wir verkümmern niemand das zwingen, sei im Folgenden wiedergegeben, was Genoffe KarI Recht, seine Meinungen frei zu äußern. Wir fönnen nur unmöglich Kautsky in der letzten Nummer der Neuen Zeit" über den jedem einzelnen das Recht geben, nach Belieben zu entscheide modernen Giordano Bruno  " schreibt: welche Meinungen sozialdemokratische sind oder nicht. Das Recht, darüber zu entscheiden, kann nur die Partei allein als Ganzes oder ihre höchste Vertretung, der Parteitag, haben, nie ein einzelner. Wenn die Kirche ein Reßergericht einsette, hatte dieses zu unter­suchen, inwieweit die Anschauungen des Rekers von denen der Kirche abweichen, um zu entscheiden, ob er gezwungen werden solle, seine Aeußerungen darüber zu widerrufen oder nicht. Weigerte er sich, dann sollte ihm jegliche Möglichkeit weiteren Forschens und Behrens genommen werden. Wo die Kirche die nötige Macht hatte, sei es Die katholische oder eine protestantische, scheute sie zu diesem Zwecke selbst vor der Todesstrafe nicht zurück.

Daß der Ausschluß Gerhard Hildebrands die lebhafteste sitt­liche Entrüftung aller liberalen Biedermänner herausfordern würde, war selbstverständlich und nicht weiter zu verwundern. Im" Ber= liner Tageblatt" stöhnt Herr Theodor Wolff   in den herzbrechendsten Tönen über diesen Ausschluß und kommt zu dem Schluffe:" Es wirkt unerträglich, wenn in einem Lande und in einer Zeit der Geistesverfolgung und der gefnechteten Ueberzeugung auch eine Volkspartei dem Bekennermut Respekt und Schonung versagt." Derlei Ausbrüche brauchen uns nicht weiter zu beschäftigen. Es genügt, sich zu erinnern, welchen Respekt und welche Schonung fürzlich erst dasselbe Berliner Tageblatt" für den Bekennermut des Obersten& ad fe aufbrachte, den es, nicht als Politiker, sondern als militärischen Sachverständigen, in dem Moment aufs Pflaster warf, wo Gädtes demokratischer Betennermut Herrn Moffe unbequem wurde.

Die Liberalen haben ein Recht, über den Ausschluß Hildebrands ärgerlich zu sein, denn damit wird ihnen das Hintertürchen ver­schlossen, durch das sie bürgerliches, imperialistisches Denken in die Sozialdemokratie zu schmuggeln hofften.

B. Adelung, M. d. L.( Mainz  ); L. Arons  ( Berlin  ); E. Auer, M. d. L.( München  ); I. Bachus( Mainz  ); J. Bauer( Mainz  ); H. Bäuerle( Rüstringen  ); G. Behrendt( Hamburg  ); J. Bloch ( Berlin  ); B. Borchardt( Berlin  ); H. Brosig( Breslau  ); Louis Cohn ( München  ); Fr. Conrady( Mainz  ); E. David, M. d. R.( Berlin  ); H. Delp( Darmstadt  ); E. Diebgen( Wiesbaden  ); C. Dittrich( Bres­ lau  ); N. Eichenmüller( Nürnberg  ); A. Gifinger( Mainz  ); J. Eisen­schnit( München  ); K. Eisner( München  ); J. Engelmann( Mainz  ); W. Engler, M. d. L.( Freiburg  ); Kath. Erber( Nürnberg  ); A. Erd= Der Aerger der Liberalen ist also berechtigt und braucht uns mann, M. d. R.( Köln  ); E. Fischer, M. d. R.( Dresden  ); G. Gaert- nicht zu kümmern. Ernster dagegen ist es, daß es eine Reihe Ge­ner( Nürnberg  ); G. Geisler( München  );. Greb( Mainz  ); noffen gibt, die sich durch das Geschrei der Liberalen und der M. Gruber( München  ); R. Grumbach( Freiburg  ); Helene Grün- Freunde Hildebrands in unseren Reihen verblüffen lassen und wirk­berg( Nürnberg  );. Hausenstein( München  ); J. Heiden( Frank- lich glauben, wegen seiner Ueberzeugungen dürfe niemand aus der furt); W. Heine, M. d. R.( Berlin  ); A. Hepner( München  ); E. Herber Sozialdemokratie ausgeschlossen werden, die eine Partei freter ( Fürth  ); R. Herrmann( Breslau  ); W. Herzberg( Nürnberg  ); Forschung und vollster Meinungsfreiheit sei. Durch den Ausschluß C. Hoffmann( Bielefeld  ); Otto Hue  ( Essen  ); P. Hug, M. d. L. würden wir zu einer Kirche, der Parteitag zu einem Reßergericht. ( Oldenburg  ); J. Hütsch( Darmstadt  ); P. Kampffmeyer( München  ); Es fehlt nur noch, daß Gerhard Hildebrand   zum Giordano Bruno A. Kaufmann( München  ); G. Klomann( Mainz  ); W. Knoblauch des zwanzigsten Jahrhunderts proklamiert wird. ( Darmstadt  ); A. Kobelt( Mainz  ); Karl Kollwitz  ( Berlin  ); Käthe Ich habe schon früher einmal darauf hingewiesen, daß die For­Kollwit( Berlin  ); F. Krämer( Nürnberg  ); M. Krabsch( München  ); derung vollster Meinungsfreiheit eine Forderung an den Staat E  . Kräuter, M. d. 2.( Freiburg  ); G. Landsberg( Breslau  ); F. Lauf- ist. Auf eine Partei angewendet, wird sie zur Sinnlosigkeit, denn fötter( Hamburg  ); Hugo Lindemann  , M. d. L.( Stuttgart  ); A. Linte eine Partei bildet eben die Vereinigung aller jener, die in der ( Dessau  ); P. Löbe( Breslau  ); P. Maar( Nürnberg  ); Ph. Martgloff Politik im wesentlichen die gleichen Ziele mit gleichen Mitteln an­( Mainz  ); Hulda Maurenbrecher( Mannheim  ); Max Maurenbrecher   streben, also in dieser Beziehung der gleichen Meinung sind. Die ( Woannheim); J. Meyer, M. d. 2.( Oldenburg  ); Ad. Müller, Partei ist eine Organisation des Kampfes mit bestimmten M. d. L.( München  ); Paul Müller( Berlin  ); Ph. Müller( Breslau  ); Mitteln für bestimmte Ziele, also eine Organisation des Kampfes J. Munt( Maing); E. Neukirch( Breslau  ); Ch. Odenthal( Ham- gegen alle, die sich ihrem Streben widerseßen, die andere Ueber­burg); J. Dertel( Nürnberg  ); R. Paulid( Dessau  ); A. Peikert zeugungen verfechten. Die Bekämpfung bestimmter Meinungen ist ( Breslau  ); H. Peus, M. d. R.( Dessau  ); F. Philipp( Breslau  ); ihre Aufgabe, ihre raison d'être. W. Pichler( Mainz  ); 2. Queffel, M. d. R.( Darmstadt  ); L. Radlof ( Ludwigshafen  ); S. Rosenfeld( Berlin  ); G. Röffing( urnberg); A. Saenger( München  ); D. Schembor( Bitbau); B. Schildbach ( Mainz  ); M. Schippel( Berlin  ); Else Schlomer( Lübeck  ); J. Schlomer, M. d. B.( Lübeck  ); F. Schmid, M. d. L.( München  ); Conrad Schmidt  ( Berlin  ); H. Schneider( Nürnberg  ); M. Schneider( Nürnberg  ); J. Schnödlein( Nürnberg  ); G. Scholich( Breslau  ); K. Schred ( Bielefeld  ); Wilh. Schröder( Berlin  ); A. Schulz( München  ); K. Schulz( Nürnberg); K. Schüße( Dessau  ); W. Seel( Mainz  ); Karl Severing  ( Bielefeld  ); G. Growig( Breslau  ); A. Steiniger( Ham­ burg  ); Enny Stock( Berlin  ); A. Stort( Darmstadt  ); E. Strauß ( München  ); A. Strößner( Nürnberg  ); A. Südefum, M. d. N. ( Berlin  ); R. Sußmann( Berlin  ); R. Thielberg( Hamburg  ); W. Thomas( Mainz  ); C. Tietze( Mainz  ); J. Timm, M. d. 2. ( München  ); A. Töpfer( Hamburg  ); M. Treu( Nürnberg  ); B. Um breit( Berlin  ); G. von Vollmar, M. d. N.( Soienjaß); G. Weill, M. d. R.( Straßburg  ); F. Weinläder( Nürnberg  ); A. Weißmann ( Freiburg  ); Ph. Wiemer( Nürnberg  ); M. Wiener( Breslau  ); A. Winnig( Hamburg  ); R. Wissell( Berlin  ); G. Wolff( Breslau  ); J. Zadeck( Berlin  ); H. Zeeh( Mainz  ); Wally Bepler( Berlin  ); H. Zwista( Nürnberg  ).

Ich betrachte mit den Unterzeichnern dieser Erklärung und in boller Uebereinstimmung mit ihren Ausführungen über das Ver­hältnis von wissenschaftlicher Forschung und praktischer Politik in der Sozialdemokratie den Ausschluß Gerhard Hildebrands aus der Bartei als einen bedauerlichen Mißgriff und gebe mich mit ihnen der Erwartung hin, daß die Partei bei der ersten geeigneten Ge­Tegenheit diesen Mißgriff wieder gut machen wird. Zugleich glaube ich aber auch der Erwartung Ausdruck geben zu sollen, daß dieser Ausschließungsbeschluß keinen wissenschaftlich arbeitenden Genossen veranlassen wird, im Forschen nach dem, was ist, zu erlahmen und im Bekennen des für richtig Erkannten zu ermatten. Ed. Bernstein, M. d. R.( Berlin  ).

Kleines feuilleton.

Trotzdem wird immer und immer wieder das Wort von ber Kirche und dem Reßergericht vorgebracht. Die äußere Aehnlichkeit, daß hier wie dort über einen Menschen wegen seiner Ueberzeugungen geurteilt wird, ist gar zu bestechend. Und doch braucht man nur ein bißchen tiefer zu sehen, um zu erkennen, daß die äußere Aehn­lichkeit in der Braris der Kirche und der der Partei in Wirklichkeit den vollendetsten Gegensab verbirgt.

Schließt denn die Kirche diejenigen ihrer Mitglieder aus, die von den in ihr maßgebenden Anschauungen abweichen? Wenn sie das täte, würden wir sie nicht wegen ihrer Intoleranz angreifen, sondern wegen ihrer Ehrlichkeit preisen. Aber weder der katholischen Kirche   noch irgendeiner der protestantischen Staatskirchen fällt es ein, ungläubige Mitglieder auszuschließen. Wollten sie das tun, wollten sie jeden aus ihrer Gemeinschaft ausweisen, der tein streng gläubiger Christ in ihrem Sinne ist, wie viele Mitglieder dieser Kirchen würde man heute noch finden?

Wenn unsere Partei über einen Genossen zu Gericht sitzt, um zu untersuchen, inwieweit die Anschauungen des Betreffenden mit denen der Partei zu vereinbaren sind oder nicht, fällt es keinem unter uns im Traume ein, einen Widerruf oder Verhinderung des Forschens und Lehrens zu verlangen. Es handelt sich bei einem derartigen Gericht nicht darum, einen armen Sünder zu berurteilen, sondern herauszufinden, ob die Differenzen seiner Anschauungen von den unserigen ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten möglich machen oder ob es nicht für die Partei wie für den Diffen­tierenden am ersprießlichsten ist, wenn jeder Teil seine eigenen Wege geht. In Chemnitz   dachte niemand daran, Hildebrand zu strafen" oder in der Verkündung seiner Lehren hindern zu wollen. Nur unter sozialdemokratischer Flagge soll er das nicht mehr tun. Das nennt Herr Wolff eine erzwungene Befolgung des Tempel­ritus". Er scheint vom 8wang ebenso sonderbare Vorstellungen zu hegen wie vom Tempelritus.

Gegenüber diesem aufgeregten und bei ben Liberalen sehr interessierten Gerede sei an die Ausführungen erinnert, die vor kurzem ein ruhiger und völlig uninteressierter Forscher gelegent­lich einer Besprchung von Lily Brauns Memoiren äußerte. In seinem Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiter­bewegung( 2. Jahrgang, S. 458) führte der Wiener Professor C. Grünberg aus: es genüge nicht, um in einer Partei zu wirken, das Ziel mit ihr gemeinsam zu haben. Man muß auch auf dem= Es sei denn, selben Wege zum Ziele gehen wie die anderen alle. baß man imstande ist, sie auf neuen Bahnen mit sich zu reißen. Wem das nicht gelingt, der darf sich nicht beklagen, wenn man ihn aus der Partei beseitigt:

Genau aber, wie in solchen Fällen jeder Verbandsangehörige volle Bewegungsfreiheit außerhalb der Organisation fich zu sichern berechtigt ist, darf hinwiederum dieser nicht das Recht abgesprochen werden, ihr nur äußerlich Zugehörige, die ihr unbequem werden und ihr Normalleben stören, zu erkommunizieren, aus zuschließen. Macht sie von diesem Recyte Gebrauch, so übt sie nur, was ihr der Selbsterhaltungstrieb gebietet. Namentlich dann, wenn ihr aus dem Verhalten der Mitglieder reflex Verantwort lichkeiten erwachsen oder von Gegnern aufgebürdet werden könnten, die sie um ihrer selbst willen nicht tragen darf.

Jene, die davon betroffen werden, sehen sich nun freilich in der Regel als Opfer unleiblicher Intolerang an. Daß fie über solche flagen, beweist nur ihr eigenes Unverständnis, und daß sie mit ungleichem Maße zu eigenen Gunsten messen."

Man sieht, Professor Grünberg   hegt nicht die mindesten Besorg­nisse, die Freiheit der Wissenschaft fönne dadurch gefährdet werden, daß eine Partet ein Mitglied ausschließt, dessen Auffassungen mit den ihren unvereinbar sind. Und man wird nicht behaupten wollen, daß diesem Forscher die Freiheit der Wissenschaft nicht genug am Herzen liege. Vielleicht beruhigt das jene unter den Freunden Hildebrands, denen das Wort eines Professors mehr gilt als das eines simplen Parteigenoffen.

Mit dem Ausschließen waren die chriftlichen Gemeinden nur so lange, und oft sehr rasch, bei der Hand, als sie die lebhaftefte Oppo­fition gegen die herrschenden Klassen und deren Staatsgewalt bil­deten. Damals, in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung, hielten sie streng darauf, alle Elemente von sich fernzuhalten, die Eines will ich zugeben: der Ausschluß eines ehrlichen, sympathi­im Widerspruch zum Gesamtcharakter der Bewegung standen. schen Menschen wegen seiner Ueberzeugung ist ein peinlicher Schritt Das ändert sichy, als die Kirche Einfluß auf die Staatsmacht wie jede Hinausweisung eines anständigen Menschen aus einer gewann und sie schließlich beherrschte. Jest suchte sie ihre Macht Gesellschaft. Würdiger wäre es gewesen, Hildebrand hätte selbst zu erweitern nicht mehr im Kampfe gegen die herrschenden Klassen, erkannt, daß er nicht zu uns paßt, und wäre freiwillig gegangen. sondern durch deren Ausnutzung. Die Gewinnung der Köpfe für Da er aber eine Entscheidung des Parteitages durchaus erzwingen bestimmte Ueberzeugungen durch geistigen Kampf trat jest zurüd wollte, mußte sie ihm gegeben werden. Hildebrand selbst hat sie gegenüber der Gewinnung der Köpfe durch staatlichen Zwang. Jetzt heraufbeschworen. begann die spezifisch kirchliche Unduldsamkeit. Sie äußerte sich nicht Er war nicht der erste, der es tat. Es ist falsch, was in Chemnit im Ausschließen, sondern im gewaltsamen festhalten behauptet wurde, vor Hildebrand sei nie jemand wegen seiner An­der Andersdenkenden, denen gleichzeitig jede Bekundung ihres ab- schauungen aus unserer Partei ausgeschlossen worden. Ich erinnere weichenden Denkens bei schwerer Strafe verboten wurde. Ein frei- an Friedeberg. Deffen Ausschluß berührte uns weit peinlicher williger Austritt aus der Kirche ist unmöglich dort, wo die Kirche als der Hildebrands. Friedeberg war nicht nur ein äußerst sym

rüdten die Russen heran. Auf beiden Seiten wurde helbenmütig führen. Seine Orchesterkonzerte sollen Mitte Oftober beginnen; gefämpft. Am 30. Januar 1878 waren die russischen Heersäulen feine 3 Kammermusikabende begannen am Freitag in dem bis in die Nähe von Konstantinopel   gelangt und wieder gebot einer intimen Stimmung günstigen Choralionsaal. Ihr die Diplomatie Salt. Die Türkei   tam beim Berliner   Kongreß mit gesamtes Programm ist Neueren und insbesondere Neuerern ge­Kriege auf der Balkanhalbinsel  . Die Balkanhalbinsel   ist an einem blauen Auge davon, mußte Kriegsentschädigung leisten, die widmet. Das dritte wird von dem Haupte der Jungfranzosen", Krieg so gewöhnt, daß es geradezu ein Wunder ist, wenn sie einige aber jetzt noch nicht völlig getilgt ist, die Dobrudscha abtreten, Bu- von César Frand, gleich zwei Stüde   bringen. Das erste Jahre in friedlicher Entwicklung verlebt. Infurrektionen, räube- geständnisse zugunsten Rumäniens   und Bulgariens   machen, auch machte uns namentlich mit einem Klaviertrio eines anscheinend rische Einfälle, Grenztämpfe mit Ohren- und Nasenabschneiden und Serbien   und Montenegro mit einigen Broden entschädigen, wäh- Jüngsten, H. G. Noren, befannt( op. 28, D- moll). Es geht jonstige blutige Abenteuer find schon seit Jahr und Tag etwas rend Rußland herzlich wenig einheimste. energisch weiter auf der seit Beethovens späteren Kammermusiken Selbstverständliches. Ewerwiegender als der chronische Kleinkrieg Raum zwanzig Jahre später zogen türkische Truppen wieder faum hier und da betretenen Bahn, die zur Programmmusik, also war der Aufstand der Griechen vom Jahre 1821, da er im folgenden gegen Griechenland  . Das Land der Hellenen mußte den leichtsinnig zur poetischen Grundlage auch des Zusammenspiels weniger In­Jahre auf dem Kongreß zu Epidaurus die Unabhängigkeitserklärung herbeiführte. Sechs Jahre später folgte für die Türken der Krieg begonnenen Krieg empfindlich büßen, denn der am 18. September strumente führen soll. Innerlicher Kampf einer ringenden Seele herbeiführte. Sechs Jahre später folgte für die Türken der Krieg 1897 unterzeichnete Bräliminarfriede sicherte der Türkei   eine Grenz- Vereinsamung melancholische Erinnerung- Resignation­mit dem Erbfeinde Rußland. Schon von 1807 bis 1812 batten fie berichtigung und eine Kriegsentschädigung von 75 Millionen Mart  . neue Tatkraft. Die Themata find mehr rhythmisch als melodisch ge­mit ihm gefämpft, aber endlich zu Bukarest   Frieden geschlossen. Griechenland   wurde auch eine internationale Kontrolle für Ber  - halten und kommen ohne spitfindige Verwidelungen in flaren

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Krieg aufs neue entbrannt. Der russische General Diebitsch über- waltung der zur Verzinsung der älteren Anleihen und der Kriegs von Mag Reger( op. 102 E- moll), mit dem der Abend begann.

schritt den Balkan   und drang mit fünfzehntausend Mann im entschädigungsanleihe erforderlichen Einkünfte auferlegt. August 1829 bis Adrianopel   vor. Jedermann in der Bleinen Armee freute sich auf den Weitermarsch bis Konstantinopel  , aber die Her­

Theater.

Lustspielhaus: Mein alter Herr. Bon& rana ren Diplomaten legten sich ins Mittel und brachten den Frieden und Viktor Arnold. Wirklichen Dichtern gelingen feine" Bug­zustande. Die Russen gewannen das Protektorat über Serbien  , ftüde", weil sie ihrem tieferen Ideenfreis zu fern bleiben. Wir Moldau, Wallachei und die Inseln der Donaumündung. Noch liche Lustspiele im modernen Geiste gibt es faum. Etwas Alt­beffer schnitten die Griechen ab, denn ihre Unabhängigkeit wurde fränkisches, anderswoher Erborgtes, viel Angelesenes lebt auch von der Pforte anerkannt. dieser neuesten Gabe des Schauspieler- Brüderpaares Arnold an. Später find die Türken mit den Russen noch zweimal zu- Wir kennen sie ja: die Leutnant- Klischees, die feit Mofers Tagen sammengestoßen. Ihre Gegner haben dabei das Pech gehabt, wohl mit einem Stich in bornierte Schwerenöterhaftigkeit über die Bühne soldatischen Lorbeer, aber wenig materiellen Nußen zu ernten. Die stolpern, dazu die Schwiegerväter mit dem großen Portemonnaie sogenannte orientalische Frage führte zum Krimtriege. Sein Bräund das sonstige Menschengemüse. Aber hübsch durcheinander ge lubium bildeten die Konferenzen zwischen Rußland  , Frankreich   schüttelt und ein wenig scharf paprizierte Sauce brangerührt, gibt und der Türkei   betreffs des Heiligen Grabes und das Begehren es immerhin noch einen Aschingerbraten von allerdings zweifel­Rußlands nach dem Protektorat über die griechische Kirche in der haften Sättigungsqualitäten. Die Verfasser brachten eine der be­Türkei. Den Türken, die Rußlands   Verlangen schroff ablehnten, währtesten sauren Zeitungsgurfen: wie der Sohn seines Erzeugers erstanden ais Bundesgenossen Franzosen  , Sardinier und Eng- Vater, die Tochter die Mutter ihrer Mutter werden kann, auf die länder, alle bom heißen Drange beseelt, der Großmacht des Oftens, Formel einer dreiaftigen Handlung. Aber man darf ihnen das hinter deren frommen Wunschen man noch sehr viele weltliche wit- Beugnis ausstellen, daß ihre Findigkeit hinsichtlich der Schürzung terte, gründlich den Pelz zu waschen. Das Kriegstheater bildete der Handlung" überraschend, ihr Humor persönlich liebenswürdig, in diesem Falle weniger die Türkei  , als die russische   Krim  . Am ihre Situationsfomit oft von Zwerchfell erschütternder Lachirkung 20. September 1854 schlugen die Verbündeten die Russen an der ist. Lobesam soll die szenisch und dekorativ bliksaubere Vorführung Alma, wonach sie am 9. Oktober desselben Jahres mit der Belage- genannt werden. in der Franz Schönfeld eine ganz vorzügliche rung Sebastopols begannen. Drei russische Entsahversuche blieben Figur machte, Klara Kollendt, Franz Arnold, Ernst Ba ch erfolglos, ebenso ein Sturm der Belagerer. Erst der Sturm vom und Josefine Wachinger recht annehmbare Leistungen boten. 8. September 1855, den 63 000 Mann bollführten, und zwar 33 000 Der Erfolg gestaltete sich, wie immer bei Premièrenabenden, lär­Mann unter Mac Mahon   gegen den Malatow- Turm, brachte nach| mend und wird wohl vorläufig anhalten. e, k. blutigem Ringen Sebastopol   zu Fall. Elf Monate hatte die Be­lagerung gedauerb die Festung war ein Trümmerhaufen ge­

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Mufit.

worden. Im Pariser Frieden 1856 mußte Rußland   auf das Reftenberg- Ronzerte. Noch ausgedehnter als bisher Protettorat über die Donaufürftentümer Berzicht leisten. Dann will der uns wohlbekannte Klaviervirtuose 2eo Restenberg in rollte 1877 wiebemum die Ariegaoge über den Ballan. bermals Stonzertfolgen gute Mufft, besonders von neuerer Herkunft, bor  .

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Hier hat sich ein außerordentlich reiches Können in den Dienst einer Ueberkunst der tönenden Formen gestellt, die aber doch nicht recht flingen", und hinter denen man nur selten und bei sehr hingeben­dem Hören Spuren deffen findet, das als eine Sprache des Inneren die Formen rechtfertigen fönnte. Bwischen den beiden Mo­dernen" kam ein J. Brahms  ( op. 101, C- moll). In solcher Nach­barschaft hört er sich ebenso" epigonenhaft" an, wie er bor Jahr­zehnten fortschrittlich" erschienen war. Die drei Künstler( Geige 2. van Laar, Violoncello M. Loevensohn) haben ihre Stimmen gut gegeneinander abgetönt und können wohl bereits auf eine eigene Gemeinde" rechnen.

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SZ.

Jm Theater am Rollendorfplaß find ein paar Reubefegungen im Orpheus" au bermerlen. Frl. Bagi al führte fich als Eurydice   ein und bewies gutes stimmliches und auch darstellerisches Können. Als neuer Dirigent bewies Herr Viktor W. wara fich als umfichtiger Beherrscher des Musikkörpers und brachte auch eine beffere Fühlung mit der Bühne zustande. Hauptanziehung wirkte wieber Ballenbergs Jupiter, ben der Künstler eigenartig durch beinahe tragische Unterróne einer Art Götterdämmerung   zu vertieft.

Humor und Satire.

Hilfe in der Fleischnok.

Als

Die preußische Regierung geht der Fleischteuerung energisch zu Leibe. Während die Welt sie untätig glaubte, hat sie unter Zu­ziehung von Sachverständigen aus dem Kreise der satten und der hungrigen Untertanen festgestellt: a) welches der etymologische Ur­sprung des Begriffes Fleisch ist, b) welche gesundheitlichen Folgen ber Fleischgenuß für den Konsumenten hat, c) welche gefunoheitlichen Folgen die Schlachtung für das Schlachtvieh hat, d) wie sich das Verhältnis der Fleischnahrung zu der begetabilischen Nahrung