Rechtsdrehung 90°Linksdrehung 90°
 100%
 100%
 0%
 0%
 0%
 
Einzelbild herunterladen
 
  

Blatt sagte, nachdem daS Bestreben, für die Rachwahl»eine Einigung der bürgerlichen Parteien auf einen gemeinsamen Bürger- lichen Kandidaten" herbeizuführen, an derunentschlossenen und planlosen Haltung der sogenannten Fortschrittspartei" gescheitert war. Die Tatsache, daß die Liberaldemokraten mit den fjentrümlern behufs Herbeiführung einer Bürger- lichen Sammelkandidatur verhandelten, ist damit festgestellt; sie ist um so interessanter, als die Zentrumspresse vor dem ersten Wahlgang den Fortschrittskandidaten Metzgermeister Ruf als absoluten Einfaltspinsel hingestellt und die Fortschrittspartei selber als die Partei der.Rückschrittler", als dienotorische Jammerpartei' und dergleichen beschimpft hatte. Das Scheitern der Einigungsverhandlungen ist darauf zurückzuführen, dah das Zentrum einen ausgesprochenen Klerikalen alsSammelkandidaten" vorschlug. ein Vorschlag, den die Fortschrittler nach der vorausgegangenen niedrigen Bekämpfung unmöglich annehmen konnten, wollten sie nicht die allgemeine Fahnenflucht ihrer Wähler riskieren. Diese Tatsache, daß Fortschrittler mit dem Zentrum behufs Herbeiführung einer bürgerlichen Sammelkandidatur gegen die Sozial- demokratie verhandelten, mutz um so befremdlicher wirken, als die Sozialdemokratie bei diesen Bezirks- und Kreistagswahlen in Elsafc- Lothringen an der bei den verfloffenen Landtag?- und Reichstags- ivahlen geübten Solidarität der Linken gegenüber dem Zentrum in einem Maße festhielt, das in der Partei selber nicht überall verstanden wird. In drei Kantonen, bei den Bezirks- tagswahlen in Schlettstadt und Winzenheim und bei den Kreistagswahlen in GeiSpolSheim. hatte die Sozialdemokratie die Fortschrittler gleich im ersten Wahlgange unterstützt, ein Vorgehen, daS keineswegs zu empfehlen ist, denn abgesehen davon, dah e« ein ganz fragwürdiger Dienst ist, den man der Linken damit leistet, da ein solches Zusammengehen beim ersten Wahlgang in der Regel weniger Wähler zur Urne bringt, als das getrennte Marschieren, so ist die Partei dabei auch gar nicht in der Lage, ihre Stimmen zu zählen, fie verzichtet auf die Betonung der grundsätzlichen Verschiedenheit von den Liberalen und gibt somit ihre Selbständigkeit preis. Zum zweiten Wahlgang deS 6. Oktober wurde dann ohne Rücksicht auf die Vorgänge im Oberelsatz für den Kanton Brumath , wo der Fortschrittler bei der Nachwahl auf die sozialdemokratische Unterstützung angewiesen war, diese Unter- ftützung öffentlich zugesagt mit der Begründung, daß es sich darum handele, eine Zentrumsmehrheit im unterelsässischen Bezirkstag zu verhindern. Das mag seine Berechtigung haben; aber wenn auf diese Fortschrittler, durch deren Wahl man die Zentrumsmehrheit verhindert, irgendein Verlaß sein soll, so müssAr sie auch mindestens in einem solchen Gegensatz zum Zentrum stehen, daß ihnen die Wahl von Sozialdemokraten lieber ist als die von Zenirümlern. Und hier versagten die Fortschrittler bei diesen Bezirks« und Kreistags- tvahlen völlig. Sie unterstützten in ihrer Presse die allerdings dennoch unterlegenen Kreistagskaudidaten de? Zentrum? in Mül- Haufen-Süd und traten im oberelfäffischen Kanton Thann mit der eigenen Kandidatur auch nochmal in die Nachwahl ein, obwohl das Stimmenverhältnis des ersten Wahlganges(Sozialdemokrat 1085, Fortschr. 687, Zentr. 1151 Stimmen) ihnen die direkte Unterstützung de» Sozialdemokraten bei diesem entscheidenden Wahlgqng, bei dem daS relative Mehr gilt, nahelegen mußte. Anerkannt muß werden, daß die fortschrittliche Presie" von aus- wärtS(Frankfurter Zeitung " und selbst. Straßburger Post") ihren Parteifreunden in Mülhausen -Nord und Thann die direkte Unter- ftützung der ihnen gegenüber im Vorsprunge befindlichen sozial- demokratischen Kandidaten nahelegte. In ihrem Krämergeiste ver- langte die fottschrittliche Parteileitung in Mülhausen i. E. von der Sozialdemokratie aber den Verzicht auf die Kandidatur in Thann ' zugunsten des Fortschrittlers, worauf sich die Partei natürlich nicht einlassen konnte. Bei dieser Sachlage wurde angenommen, daß daS Mandat in Thann , wo am 28. September 1772 antiklerikale Stimmen den 1151 klerikalen gegenüberstanden, dem Zentrum erhalten bleiben würde. Noch am Wahltage weissagte die linksliberaleStraßburger Neue Zeitung" dieses Resultat, aber es kam anders. Der fort- schrittliche Kandidat büßte rund 200 Stimmen ein, unsere Partei- genossen holten Reserven heran, und der sozialdemokratische Kandidat Joh. G s e l l wurde mit 1287 Stimmen gegen 1172 klerikale und 436 fortschrittliche Stimmen gewählt. In dem ReichstagSwahl - kreise Altkirch -Thann , der alten schwarzen Hochburg, die seit der Annexion erst der Pfarrer Winterer und jetzt der Präsident der Zweiten elsaß -lothringischen Kammer Dr. Ricklin im Reichstag ver- treten, ist die« der erste sozialdemokratische MandatSerfolg, der großen Eindruck macht. Im Kanton Mülhausen-Nord wurde Genosse Emil Müller-Moeglin mit 1888 von 2046 überhaupt abgegebene Stimmen gewählt. Die Wahlenthaltungsparole der Zentrümler und Fortschrittler hat dazu geführt, daß auf den Parteikandidaten etwa 400 Stimmen weniger abgegeben wurden, als am Sonntag zuvor. Im oberelsässischen Bezirkstag sitzen nun 5 Sozialdemokraten gegen bisher 8.__ Der christliche Gewerkschaftskongrest in Dresden . Im Saal» des Zoologischen Garten» in Dresden wurde am Sonntag der christliche Gewerkschaftskongreß eröffnet. ES waren außerordentlich viele Vertreter aller möglichen Behörden anwesend, auch Beihmann Hollweg hatte telegraphtjch seinen Segen gegeben. Bon den Rcichstagssraktionen waren u. a. der Nationalliberale Echisscr, der KotiiervaNve Graf Carmer und noch einige andere an- wesend. ebenso der katholische Bischof Dr. Schäfer und außerdem Vertreter von Mttelstandsvereiuen und Militärvereinen. Zu Vorsitzenden wurden die ReichtagsabgeorDMen Schiffer und Behrcps gewählt. In der Begrüßungsansprache sagte Abg. Schiffer. daß die christliche Gewertichafisbewegung kein Kartenhaus fei, das man durch Hineinwersen konfessioneller Fragen umwerfen könne. Den Bericht des AusschuNeS gab Stegerwald- Köln. Er pries die christliche Gewerkschaftsbewegung als das Mittel, alle reli- giökeii Gegensätze zu überwinden und in nationalen Fragen zuver- lässig mitzuwirken. Ferner zog er gegen die Sozialdemokratie vom Leder und kritisierte insbesondere derenübertriebene Forderungen" bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung. Kein Staat sei in der Lage, so große Summen sür Sozialreform aufzubringen, wenn er serner noch auf dem Weltmarkt mitkoukurriercn wolle. Nach seinen Mitteilungen ist die, Mitgltederzahl der christlichen Gewerkschaften um OOlXX) gestiegen. ES sind zirka 800 Delegierte anwesend. Ein korrigiertes Kriegsgerichtsurteil. Im letzten Sommer machte der Infanterist Spahn der 12. Komp. des 10. Jnfantcrieregiments in Jngolitadt etnen Selbst- Mordversuch, indem er sich mit seinem geladenen Dtensigxwehr in den Mund schoß. Dem lebensmüden Soldaten wurden einige Zähne weggesprengt sowie die eine Gesichtsseite zerrissen. Dieser Verletzung«regen wurde der Soldat als dienstuntauglich entlasten. Der Selbstmordversuch des Soldaten hatte eine etwas eigenartige Ursache. Einige Zeit vorher abends gegen 0 Uhr wurde der Soldat von scincin Korporalschaftsführcr gerügt und zwar, wie behauptet wird, in einer sehr schroffen und schnoddrigen Z-orm. Ter Soldat wurde dadurch derart erregt, daß er davon lies und die Kaserne verließ. Außerhalb der Stadt wurde Spahn von einem zujällig mit einem Rade herankonimenden Sergeanten ange- sprachen und aufgefordert, zurück in die Kaserne zu gehen. Der «oldat war erregt, gab eine abweisende Antwort und soll, als ihn der Sergeant festnehmen wölkte,Widersetzung" verübt haben. Er wurde deswegen zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Diese Ver- urteilung war es, die den Soldaten, der sie als ein Unrecht empfand, zu dem Selbstmordversuch trieb. Auf eingelegte Berufung kam die Sache vor das Nürnberger Oberkriegsgericht. Dieses stellte fest, daß der Soldat keine Widersetzung beging und verurteilte ihm lediglich wegen Achtungsverletzung und Ungehorsam zu 23 Tagen strengen Arrest. Bemerkenswert ist außerdem, daß der Kam- pagniechef den Soldaten als einen seiner besten Rekruten charal- teiisiert hatte._ Militärischer Gehorsam. Daß sich sogar ein Vorgesetzter gegen die militärische Disziplin auflehnt, dürfte zu den Seltenheiten gehören, ist aber für unseren Militarismus durchaus charakteristisch. Der SanitätSunter- offizier B ö l ke vom Arlillerie-Regiment Nr. 48 mußte eine? Tages an einer llebung des Regiments teilnehmen, obgleich er der Sanitätsabteilung zugeteilt ist. Führer der in Frage stehenden Partei war ein zur Uebung eingezogener Referendar und Vizewacht- meister, der den Befehl erhielt, einen Munitionswagen richtig in die Reihe zu schieben. Die Bedienungsmannschaften kamen der Auf- sorderung nach, dagegen blieb der Sanitätsunteroffizier untätig stehen, weil er sich zu diesem Dienst nicht für verpflichtet hielt und sein Zugreifen auch überflüssig war. Der Wachtmeister hielt das für eine Disziplinlosigkeit und bat den Unteroffizier, doch die Liebenswürdigkeit zu haben und zuzufasten. Der Sanitätsunteroffizier erklärte aber darauf:Verzeihen Herr Wachtmeister, ich bin kein Kanonier!" Wegen dieser Worte erhielt er eine Anklage wegen Achtungsverletzung vor versammelter Mannschaft und das Standgericht verurteilte ihn zu 14 Tagen mittlerem Arrest. Gegen seine Verurteilung legte Bölke Be- r u s u n g ein und machte geltend, daß er im guten Glauben ge- handelt habe, denn der Befehl stand. mit dem Sanitätsdienst nicht in Verbindung. Das Dresdener Kriegsgericht faßte aber das Verhalten des Angeklagten noch schärfer auf. Es nahm ein Erkennengeben des Ungehorsams an und erkannte auf dieselbe Strafe wie die Vorinftanz. Dem als guten Sanitäter ge- schilderten Angeklagten wurde entgegengehalten, daß er sich hinterher beschweren konnte, wenn er sich ungerecht behandelt fühlte, aber dem Befehle hätte er unter allen Umständen nachkommen müssen! Oeftemieb. Ein Antimilitaristeuprozeß. Die Nationalsozialen, eine kleinbürgerlich- proletarisch extrem nationalistische Krawallpartei, macht'seit Jahren auch in Lnti- Militarismus. Gäbe es statt der österreich -ungarischen eine tschechische Armee, wären sie die begeistertsten Militärschwärmer. Die Sucht der Nationalsozialen, Märtyrer zu schaffen, wird von den Gerichten gefördert. Das Kreisgericht Jungbunzlau hatte im Juni einen ge- wissen Repka aus Reichenberg zu drei Monaten schweren Kerkers, (Zuchthaus) verurteilt, weil er durch eine Rede Soldaten zu ungesetz» lichen Handlungen zu verleiten gesucht habe. DaS Oberlandesgericht Prag hat jetzt aus Berufung der Staatsanwaltschaft die Strafe auf ein Jahr schweren Kerkers erhöht I Rußland. Die Urwahlcn zur vierte« Duma. Petersburg, 6. Oktober. Am 8. Ostober schließen die UrWahlen für die Reichsduma aus den Kleingrundbesttzern ab. Bisher find gewählt: 6481 orthodoxe und 247 katholische Geistliche, 11 Pastoren, S Mullahs. 863 Edelleute, 18 Kaufleute, 3B57 Acker­bauer, 14 Beamte, 3 Militärs, 17 Vertreter freier Berufsarten, Arzte, Professoren, Lehrer, Advokaten, 80 deutsche Kolonisten, 5V Tataren und 8 Juden. perNen. Das Regieruugsprogramm. Teheran , 7. Oktober. Nach dem heute veröffentlichten, neuen Regierungsprogramin beabsichtigt die Regierung das Parka- mentwiederzu eröffnen, einen Punkt am Kaspischen oder in der Provinz Llsserbcidschan mit dem Persischen Golf durch ein« mit internationalem Kapital zu bauenden Eisenbahnlinie zu verbinden, ein Heer von 28 000 Mann zu organisieren und an Rußland und England um einen Vorschuß van 200 000 Pfund Sterling heranzutreten. Eue der parte!» . Preußischer Parteitag. Die preußische Landcsckommission setzte in ihrer letzten Sitzung den preußischen Parteitag auf die Zeit vmn 6. bis 8. Januar 1013 fest. Die Tagesordnung wird lauten: 1. Bericht des geschästssührenden Ausschusses. Referent: Ge- nasse Eugen(Srnstu 2. Bericht der Landtagsfraktion. Referent: Genosse Hein- rich Ströhe l. 3. Die bevorstehenden Landtagsiwahlen und der Wahlrechtskampf in Preußen. Referent: Genosse Paul Hirsch . 4. Die Landarbeiterftage in Preußen.(Referent wird noch be- kanntgegebm) 5. Die Sozialpolitik im preußischen Landtage. Referent: Ge» nasse Stöbert Leiner t. 6. Beratung der eingegangenen Anträge., Aus den Organisationen. Aus Saalfeld wird uns geschrieben: In Nr. 281 desVorwärts" wird über eine Kreiskonferenz für den 1. meiningischen Wahlkreis berichtet. ES wird dort u. a. gesagt: Bei dem PimkrPresse" wurde zum Ausdruck gebracht, daß dem Kreis weder das zuständige Saalfelder. Volksblatt" noch derVolks- freund" genüge uiw. Dieses Resultat hat aber die Pressedebalte nicht gezeitigt. Vielmehr wurde von einem Delegierten zugegeben, daß man mit der Ausgestaltung und dem Inhalt de«ValkSblattes" sehr zufrieden sei. Ein anderer Delegierter, der nur einen weiteren Ausbau deS gewerkschaftlichen und volkswirtschaftlichen Teiles wünschte, betonte, daß das.Volksblatt" gar nicht besser redigiert werden könne, als dieS geschehe. Jrgendivelche Klogen wegennicht genügender Berücksichtigung der Interessen deS Kreises", wurden weder gegen dasVolksblatt", noch gegen denVolksfreund" laut. Letzterer erscheint mit für den in Meiningen I gelegenen Bezirk Eis- feld. Bedauert wurde nur. dah infolge der geographischen Lage daS Volksblatt" etwas spät in verschiedenen Orten des Kreises in die fände der Leser kommt. Der Pressefond» war auf einer früheren onferenz beschlossen worden._ Zum Fall Hildcbrand'. Die Erklärung der Genossen Arons und Heine und Ge- uossen gegen den Ausschluß Hildcbrand» hat in einem sehr großen Teile der Pavteipressc ein recht unwilliges Echo gefunden. Eine An- zahl Blätter weisen mit Recht darauf hin. daß die Parteiorganisa- tionen der gegebene Ort sur eine salche Aktion gegen einen Partei- tagSbeschluß seien. Einige Blätter erblicken in ver Jnszemerung der Proiesibeivegung die LcbenSänßerung einer SondeHionserenz oder gar einer Sondevorgamsation und betonem daß hinter d«m Proteste gerade solche Genossen flehen, die am meisten gegen Sonder- organisaiioncn zu Felde gezogen sind...._ . Auch Parteiblätter, die bisher den Urhebern der Erklavung nahe­gestanden und mit ihnen sympathisiert haben, sind mit der Art ihres Äovgchcns.im Falle Hildcbrand nickst einverstanden. So schreibt die «Magdeburger V o l k s st i m»i e": «Wir sind dem Wunsche der Unterzeichner gefolgt und haben dieses Pronunziamenjo gegen den Ausschluß HildebvandS zum Ab» druck gebrach!, lediglich aus dem'Gruiibe. iveil es zfveifekloS auch anderweitig abgedruckt und alsbald in der bürgerlichen Presse be- sprachen werden wirb. Die Wiedergabe bedeutet jedoch nicht, daß wir mit dem Vorgehen der Unterzeichner einverstanden wären. So sehr wir sachlich auf dem Standpunkt dev Erklärung stehen und diese Stellungnahme bereits in unfern Spalten zum Ausdruck gebrach. haben, sq verfehlt halten wir die Veröffentlichung gemeinsamer Er- klärungenr die unsers Wissens in der Partei bisher nicht üblich war und hoffentlich auch nicht üblich wird. Jeder einzelne Unterzeichncr ist Sßannes genug, innerhalb unserer Organisation seine Meinung zu sagen und h a t sie zweifellos bereits gesagt. Um so überflüssiger erscheint das gemeinsame Vorgehen mit Erklärungen, die den Ein- druckschriftlicher Sonderkonferenzen" machen� und den Protest weiter Parteikreise geradezu hervorrufen müssen." Und dasBochumer Volksblatt". das allerdings von jeher energisch sür den Ausschluß Hildebrands eingetreten ist. �ch&eiöt': Wir drucken die Erklärung samt Unterschristen ab, obwohl wir uns nicht mit ihr einverstanden erstären. Welchen Zweck die Er- klärung der 125 Parteigenossen verfolgt. daS ist uns allerdings nicht recht verstandlich. Das, was sie hier gesagt haben, haben die Unter- zeichneten doch wohl Gelegenheit gehabt, entweder auf dem Partei- läge zum Ausdriuck zu bringen� oder sie können eS in ihren örtlichen Parteiversammlungen. Als Gewissenssallvierung ist die Erklärung also nicht notwendig. Zur Herbeiführung einer anderen Entscheidung des Parteitages ist sie nicht zweckdien/lich; aus Erwägungen, die sich jeder kluge Parteigenosse wohl selbst sagen könnte. Wenn die Gegner des Ausschlusses, wie es zum Ausdruck gebracht worden ist. darin eine Tat des Hasses sehen, dann müßten sie sich doch sagen, daß durch ihr Vorgehen die Gegenseite nur erst recht zum Wideu- stände gereizt werden möchte. Wenn übrigens in der Erklärung die Hoffnung ausgesprochen wird. Hildebrand werde weiter so für die Sozialdemokratie arbeiten wie bisher, so finden wir diesen Satz angesichts der Tätigkeit Hilde- brands recht eigentümlich. Er beweist nur, daß die Unterzeichner ohne jede Kenntnis der Dinge handeln. Worin besteht die Arbeit Hildebrands für die Sozialdemokratie? Seit seinem freiwilligen Austritt aus der Redaktion des Solinger Parterblattes wissen wir von keiner solchen. Weiß vielleicht einer der Unterzeichner der Er- llärung etwas davon?. Er möge sie uns nennen!" Ein ettglischer Protest gegen die Vertagung des Internationale» Kongresses. Man schreibt unS cgis London :»Justice" undClarion" ver» öffentlichen einen Protest der Genossen E. Belfort Vax» H. M. Hyndman und H. Queich gegen den von der deutschen sozialdemokratischen Partei unterstützten Vorschlag der nieder- ländischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, den für 1913 ein- berufenen Internationalen Kongreß auf 1914 zu vertagen. Dieser Versuch, heißt es in dem Protest, den noch eingehendster Diskussion gebrachten Beschluß des Kopenhagener Kongresses umzustoßen, ist der Vergangenheit und den Traditionen der großen deutschen Partei unwürdig und widerspricht den Grundsätzen der Demokratie. Der Internationale Kongreß sei die einzige regierende Körperschaft des internationalen Sozialismus und deshalb haben weder einzelne nationale Parteien, noch auch das Internationale Bureau das Recht, den Kongreß zu vertagen. Die Zustände in Wien seien nicht schlimmer als zur Zeit, wo die Oesterreicher den Kongreß nach Wien einluden. Sollte dies aber der Fall sein, dann könne ja unverzüglich ein anderer Kongreßort gewählt werden. Noch nie in der ganzen Geschichte der mteruationalen sozialistischen Bewegung se» eine baldige Zusammenkunft des Kongresses von so gebreterischer Not- wendigkett gewesen wie beute. Seme Vertagung wäre nicht nur undcmokratisch und unschicklich, sondern auch entschieden schädlich für die Sache de» Sozialismus. Jugendbewegung. Die aufgelösten Jugendlichen. Die Neuköllner Arbeiterjugend fand sich am Sonntag, den 6. Oktober, zu einer gut besuchten und anregend verlaufenen Agitationsversammlnng zusammen. Nachdem das Referat und mehrere DiSkusstonsredeu ausgenaminen, wurde diebeaufsichtigende" Polizei plötzlich erregt, als ein Jugendgenosse eingangs seiner Ans* führung sagte:Die nationalen Jugendklubs und Pfadfinderbünde erstreben eine Erziehung, die das bekannte Käiserwort an die Potsdamer Rekruten, wenn ich es Euch befehle, müßt ihr auf Vater und Mutter schießen, wahr machen können. Der überwachend« Polizcibcamte sprang auf, sagte daS. sei politisch und verlangte Ausweisung aller jugendlichen Per- sonen unter 18 Jahren. Genosse Graf, der den Vorsitz nach einer Vertagung auf unbestimmte Zeit übernahm, forderte alle Anwesenden auf, sich ruhig zu verhalten, da man diese Versammlung schließen und eine neue einberufen wolle. Daraus folgendes Zwie- gespräch. Polizist:Sie können keine Versammlung einberufen, da dieselbe 24 Stunden vorher angemeldet werden muß!" Gräf :Nur politische Versammlungen müssen laut ß 5 des Reichsvereinsgesetzes vorher angemeldet werden, keineswegs aber unpolitilche". Nun schloß Gräf die Versammlung. Bevor man ajwr weitere Schritte unternehmen konnte, sagt der Beamte:»Ich l öl e die Versammlung auf!" Ja. was denn für eine, fragte sich unwillkürlich jedermann. Es tagte zu dieser Zeit weder eine Versammlung, noch war eine neue einberufen. Nur in dem Gehirn des PolizeiwachtmeisterS schien eine zu tagen. Inzwischen hatte der Kollege>beS Herrn Wacht- meister Verslärtung zum Kampf gegen 14 bis 16jährige Knaben und Mädchen geholt, so daß man auseinander ging. Unter großer Begeisterung und Ordnung verließen die Jugendlichen den Saal nun, um von der geheiligten Hermandad in die Arme ge- schlössen zu werden. Ungefähr 10 Jugendliche wurden sistiert. Natürlich hat dieser polizeiliche Anschauungsunterricht gerade da? Gegenteil von dem erreicht, was seine Urheber bezweckten. Den jungen Leuten sind die Schönheiten des preußischen PalizeistaateS sehr deutlich vor Augen geführt worden; fie werden sich um so eifriger der proletarischen Jugendbewegung anschließen. Die große Zahl der Abonnente» der»Arbeiterjugend", die in dieser Ver» sammlung gewonnen wurden, ist schon ein Beweis dafür. Etos Industrie und Rande!. Balkanwirren und Industrie. Die Wochenberichte der Berliner Großbanken äußern sich in zu- versichtlicher Weise über die Rückwirkungen der Balkanereignisse auf die Industrie. Wenn sie auch selbst an einer gleichen Auffassung des Publikums durch ihre Kapitalinvestituren im Balkan intereisterl sind, verdient ihre Beurteilung der Lage doch Beachtung. So schreibt die Berliner Handelsgesellschaft: »Die Frage, ob kriegerische Ereignisse oder auch nur eine längere Dauer der gespannten Situation auf dem Balkan erhebliche Nach» teile für die deutsche Industrie zur Folge haben, darf füglich ver» n e t n t werden. Es ist zu berücksichtigen, daß unsere Ausfuhr nach allen Balkanländern zusammen im letzten Jahre kaum 2 Proz. unseres ge- samten Exports ausgemacht hat. Allerdings würde die Ausfuhr in einigen Artikeln, wie Texlilwaren, landwirtschaftlichen Maschinen und der- gleichen, ins Stocken geraten, auf der anderen Seite würde jedoch ein vermehrter Bedarf sür die Ersordernisse des Heeres und der KriegSsührung eintreten und hierdurch eine starke Kompensation geschaffen werden. Eine zweit- Frage ist die, von welcher Wirkung ein etwaiger Krieg auf den Außenhandel der Balkanländer selbst sein müßte. Die Einfuhr würde, da keiner der Balkanstaaten Kriegs- maierial selbst erzeugt, sehr erheblich wachsen, während die Ausfuhr- artikel, nämlich Produkte der Landwirtschaft, infolge der Mobilisie- rung deS Bauernstandes nur In geringerem Maße erzeugt werden könnten. Eine Sorge, daß der ZinSdienst von einem der Staaten vorüber- gehend eingestellt werden konnte, besteht nicht und ftfot auch durch­aus ungerechtfertigt."