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»». 2. Ifildjf iits JdiiWs" Inlintt JolWhfl Die Berliner IParteigenoffen zum Parteitage. Erster Wahlkreis. Die Generalversammlung des Wahlvereins für den ersten Ber - lincr Reichstagswahlkreis fand in den Corona-Festsälen, Komman- dantenstratze statt. Der Vorsitzende Schwabedahl gab dem Genossen Petermann sofort das Wort zum Bericht vom Parteitage. Mit großer Befriedigung sprach sich der Redner über den Verlauf des Parteitages aus, der alle Hoffnungen erfüllt habe, die die Partei auf ihn setzen tonnte. Eine innere Förderung und Erstar- kung sowie eine Erhöhung der Stoßkraft nach außen sei der Partei um so nötiger, als die Verschärfung der Kassengegensätze und die mannigfaltigen Erscheinungen der kapitalistischen EntWickelung die Macht der arbeitenden Klasse immer mehr herausfordern. Stark und gerüstet stehe die Partei da, um allen Widersachern zu begeg- neu, das habe auch der jüngste Parteitag wieder gezeigt. Auf die einzelnen Punkte der Tagesordnung übergehend, schilderte Red- ner den Verlauf der Verhandlungen, wobei er verschiedene große Momente der Tagung hervorhob. So gedachte er mit Wärme der Rede Hucs über die furchtbaren Gefahren des Bergbaues, die in einer wuchtigen Anklagerede gegen das Grubenkapital ausklang, die alle Zuhörer tief ergriffen habe. Mit großem Ernst sei der vorgelegten Protestresolution in dieser Frage zugestimmt worden. Die größte Aufmerksamkeit fand auch Scheidemanns Referat über die Stichwahlen und die Frage der Dämpfung. Die Zuhörer- Plätze wurden gestürmt, und keiner wurde enttäuscht von dieser Rede, die des Interessanten so viel bot und dann die lebhafteste Diskussion hervorrief. Von Stadt Hägens Referat über die Tätigkeit der Reichstagsfraktion war der Redner weniger befriedigt, dagegen sprach er sich sehr begeistert aus über H a a s e s Portrag, der den Imperialismus behandelte. Hier habe man über ein be- kanntes Thema mal wieder etwas anderes. Großes und Neues ge- hört, als sonst geboten wird. Auf die Frage der Maifeier Ping der Redner dann ein und betonte, daß bei der Abstimmung eine gewisse Verwirrung geherrscht habe und die Aufhebung des Nürn- bcrger Beschlusses viel bedauert wurde. Auf den Fall Hilde- b r a n d wollte der Redner nicht eingehen, damit habe sich der Parteitag 6% Stunden beschäftigt und man sollte sich bei der ge- troffenen Entscheidung beruhigen. Die Erklärung imVorwärts" von A r o n s, Heine und Genossen könne er nicht billigen und verstehe auch nicht, warum B e r n st e i n hier noch besonders seine Stimme erhebt. Der Parteitag habe alle Kräfte anspannen müssen, um die reichhaltige Tagesordnung zu erledigen. Die den Delegierten zugemutete Arbeit sei so groß gewesen, daß sie unter anderen Umständen gestreikt hätten, aber sie dürften jetzt auch mit Befriedigung auf ihre Arbeit blicken.(Beifall.) Zu der lebhaft einsetzenden Diskussion über den Bericht meldete sich zuerst Genosse Röbelk. der im Gegensatz zum Referenten betonte, daß man sich noch recht viel mit dem Fall Hildebrand beschäftigen müsse. Der Parteitag habe mit dem Ausschluß H i l d e b r a n d S ein Unrecht begangen, was hoffentlich der nächste Parteitag wieder gutmachen werde. Bei der Lektüre von K a u t S k y s Artikel zu diesem Fall werde man das Gefühl nicht los, daß etwas faul ist in der Partei. Hildebrand habe die Wahrheit gesucht, man ächte den Wissensdrang in der Partei, wenn man hier verurteilt. Hildebrands Buch sei de« meisten seiner Richter unbekannt gewesen. Der Redner ergeht sich in längeren Betrachtungen über das Für und Wider des AuS- schlusscs und findet dann, daß man Hildebrand übcrhakipt nicht ausschließen durfte. Mit Feuer verteidigt er den Ausgc- schlossenen und ruft zum Schluß begeistert aus:Die Zweifel- suchr und die Ketzerei in der Partei, sie sollen leben!"(Abwehrende Rufe: Na, na, na!) Genosse P e t e r m a n n erwidert darauf, daß der Parteitag gar nicht anders konnte, als Hildebrand auszuschließen, da er sich mit seiner Rede vor dem Parteitag selbst außerhalb der Partei gestellt habe. Um das Buch Hildebrands, das der Vorredner vielleicht selber nicht gelesen hat, handelte es sich nicht so sehr, als um die Haltung Hildebrands seit Jahren schon; er gehörte in Wirklichkeit schon lange nicht mehr zur Partei. Genosse Bu blitz wendet sich ebenfalls gegen Röbel t und gegen die Erklärung von A r o n S und Heine und hält den Ausschluß für gerecht. Man hätte erwarten können, daß Hilde- b r a n d cS überhaupt nicht erst auf den Ausschluß ankommen ließe, sondern freiwillig seine eigenen Wege ginge. Da er nicht ging, hätte der Ausschluß schon viel früher geschehen sollen. Mit den Ergebnissen des Parteitages ist der Redner vielfach sehr unzufrie- den. Den Einfluß der Reichstagsfraktion auf Parteitagen hätte man unbedingt eindämmen müssen; bei der Stärke unserer Frak- tion sei dieser Einfluß zu groß. Der Beschluß betreffend die Mai- feier sei bedauerlich. Der Parteitag sei mehrfach um Entschei- düngen herumgegangen und hätte manche Ueberraschung gebracht, so in der Frage des Ausschusses, gegen den zuerst so viele Stimmen sich erhoben, dann in der Frage der Dämpfung des Wahlkampfcs, gegen die scharfer Protest auch von anderen Seiten erhoben wurde und nicht nur aus den beteiligten Kreisen, wie häufig behauptet wird. In das viele Lob auf diesen Parteitag kann oer Redner nicht einstimmen und wünschte lieber, daß sich wenigerEinigkeit", aber mehr grundsätzliche Festigkeit gezeigt hätte. Genosse Samuel bespricht die Parole derDämpfung" und meint, wir hätten etwas zu viel, die Freisinnigen aber etwas zu wenig bei diesem Handel gegeben. In bezug auf die Haltung der Fraktion zum Kaiserhoch wünscht er, daß unsere Abgeordneten im Saale bleiben, aber ihre Plätze behalten. Im Fall Hilde- b r a n d hält er den Ausschluß für durchaus gerechtfertigt und wendet sich gegen die Aeußerungen vomKetzergericht" in der libe- ��Genosse�Luchk fragt: Warum so große Aufregung über den Fall Hildebrand? Ww haben dergleichen schon öfter erlebt, zum Beispiel mit Schipp el und Maurenbrecher. Diese Leute sollen ruhig dahingehen, wo st- ihre Meinungen vertreten können, wir hindern sie nichts Mit dem Parteitag könne man im großen und ganzen zufrieden sein, wenn auch manche Beschlüsse die Kritik herauszufordern scheinen, so die Ausübung des Nürnberger Beschlusses über die Maifeier. Da sei c- aber mehr zu bedauern. daß durch das Verhalten vieler Genossen dieie Aushebung gefordert wurde. Die starke Vertretung der Ne>chStagSfraktlo,i auf den Parteitagen hält Redner auch für bedenklich und Hatto e»ne hessere Lösung der Frage gewünscht. Die Maßnahmen des Parteivorstan- des i», Wahlkampfe verteidigt er und stellt schließlich den Antrag, daß der Wahlverein des ersten Kreises sich mit den Bqchlüssen des Parteitages im allgemeinen einverstanden erklärt. Genosse Schwabedahl erinnert an das reichbewegte Partei- .leben im vergangenen Jahre, auf das der Parteitag zurückblicken konnte, er würdigt das Verhalten des Parteivorstandes, das Aner- iennung verdiene. Viele Delegierte, die nach dem Parteitag kamen, um dem Vorstandeins aaszuwischen", seienumgekippt" und hätten sich bald überzeugen lassen, daß der Partcivorstand das Beste getan, was in seiner Kraft stand, daß er sehr geschickt verfahren und Ehre und Ansehen der Partei gewahrt habe. Ter Parteitag habe viel gute Arbeit geleistet, und es sei nun Aufgabe der Genossen, den erhaltenen Anregungen nachzueifern. Auf den Fall Hildebrand geht Schwab cd ahl noch kurz ein, ebenso wie die nachfolgenden Redner Langner und Hegewald, aber außer dem ersten Diskussionsredner findet Hildcbrand keine Verteidiger weiter. Hegewald verteidigt ebenfalls die Parole der Dämpfung im Wahlkampf und hält jede Besorgnis für unbegründet, daß eine Verwirrung in der Partei durch dergleichen Maßnahmen hervor- gerufen werden könnte. So schlecht dürfe man die Parteigenossen nicht einschätzen. Nach einem Schlußwort des Genossen Petermann, der nochmals die reiche und fruchtbare Arbeit des Parteitages hervor- hebt, läßt der Vorsitzende über den Antrag Lucht abstimmen. Der Antrag, der die llebereinftimmung der Versammlung mit den Be- schlüssen des Parteitags bekundet, wird gegen wenige Stimmen an- genommen. Schwabedahl fokdert zum Schluß dazu auf, die Partei in ihrem Bestreben mit allen Kräften zu unterstützen, wenn es sich in der nächsten Zeit darum handelt, eine mächtige Agitation für die Erringung des freien Wahlrechts zum preußischen Landtage zu entfalten.(Beifall.) Er macht dann auf Vereinsangelegenheiten aufmerksam und hofft auf eine reiche Beteiligung der Mitglieder bei den Veranstaltungen des Wahlvereins. Zweiter Wahlkreis. In der Bockbrauerei am Tempelhofer Berg nahm eine schwach- besuchte Versammlung den Bericht vom Parteitag entgegen. Als erster Delegierter referierte Schwahn, der ein- gcnigs seiner Ausführungen ocn Wunsch aussprach, daß in Zukunft nicht erst am dritten Dienstag die Berichte über den Parteitag ge- geben werden sollten. So wie es jetzt geübt werde, gehe der frische lebendige Eindruck zum großen Teil verloren Redner gibt eine eingehende Schilderung von der Chemnitzer Tagung. Was die Ge- Nossen in Chemnitz vermißt hätten, sei Paul Singer, an den wohl alle gedacht haben werden, und dessen Wirken auch bei der Leitung des Kongresses gefehlt habe, wenngleich auch diese eine gute war. Die Behörden seien so entgegenkommend gewesen wie nian es in Preußen kaum je erwarten dürste. Vielleicht hätten die Ge- nassen des zweiten Berliner Reichstags-Wahlkreiscs erwartet, daß die drei Delegierten sich auf dem Parteitag auch etwa durch Reden bemerlHar machen würidem Dies ginge auf Parteitagen jedoch nicht so ohne weiteres, und mit Rücksicht auf die vorzüglichen Reden geschulter und bekannter Genossen hätten sie, die drei Dcle- gierten, davon abgesehen, sich an den Debatten zu beteiligen. Die Referate seien durchweg gut gewesen, besonders der Bericht von Ebert, und es sei kaum zu erwarten, daß die Wirkung und der Eindruck dieser Referate im Protokoll so gut wiedergegeben werden. Bei der Besprechung des Göppinger Falles hält eS der Redner für vollkommen ausgeschlossen, daß der Parteivorstand irgend einen Druck ausgeübt habe. Des weiteren meint der Redner, daß die Art, wie der Parteivorstand zu allen Nebenarbeiten Stellung ge- noMmen habe, z. B. Frauenbewegung, Jugendbewegung, zeige, wie viele Arbeit von ihm bewältigt worden sei, und daß er daS Be­streben habe, noch intensiver und vielseitiger zu wirken. Feststellen müsse er, Redner, daß S ch e i d e m a n n keine Aeuhe- rung antisemitischen Charakters getan habe. Wenn das von ein- zelnen Kongveßteilnehmern angenommen worden ist, so war daran jedenfalls die schlechte Akustik schuld. Was die Dämpfung anbc- lange, spricht Redner die Hoffnung aus, daß man in Zukunft kessele Wege finden werde. Ob aber in Fällen, wo rasch gehandelt werden muß, ein Weg gefunden wird, der alle befriedige, sei fraglich. Was den Fall Landsberg anbetrifft, so ist dem Genossen Lands- b e r g unzweideutig gesagt worden, daß das nicht wieder vor- kommen soll. Ucbrigeiis denke man im Süden über derartige Vor- gänge anders als im Norden. Den Bericht der Reichstagsfraktion durch Stadthagen sei kurz und präzis, aber auch interessant gewesen. Scmderkvnferengen und Doppelkandidaturen zu verbieten, sei praktisch nicht gut durch- führbar. doch habe der Parteitag ausgesprochen, daß es möglichst unterlassen werden sollte. Stadthagen hohe ja die Sonder- konferengen als ein notwendiges Uebel bezeichnet, während nach Bebels Meinung dieselben möglichst zu unterbleiben haben». Die Abstimmung darüber habe beinahe zu Konflikten Anlaß gegeben. Nach dem genauen Wortlaut des Beschlusses darüber heiße es: sie sind zu unterlassen. Zieht man diesen Beschluß in Betracht, dann verstößt schon Heines Erklärung in der Parteipresse zum Fall Hildebrand dagegen, denn die Sammlung von Unterschriften gehe nicht ohne eine Art von Sonderkvnferenz ab. Heines Er- klärungen werden noch viel böseS Blut machen� und wenn es so weiter gehe, werde der Beschluß wenig Wirkung haben. Zweifel- los sei die Erklärung H e i n e s ein grober Verstoß gegen den Chem- nitzcr Beschluß� der die Sonderkonferenzen verbietet. Die Vorstands- tätigkeit habe auch nach der Seite der Frauenbewegung ein er­freuliches Bild gezeigt, besonders, wenn, man demgegenübev die Debatten auf dem soeben stattgefundenen Fortschrittlichen Partei- tag verfolge. Mit dem Parteivorstand, wie er jetzt zusammengesetzt ist. könnten wir zufrieden sein. Ein ungewöhnlicher Vorgang war es, daß der Parteivorstand fast alle Referate selbst besetzt hat. Das sollten die Genossen, die ihm mangelnde Aktivität vorwerfen, mit Ruhe der Zukunft entgegensehen lassen.(Beifall.) Hierauf erstattete Peetzke den zweiten Teil des Berichts. Er glaube, saß die Delegierten des zweiten Kreises im Sinne ihrer Auftraggeber gehandelt haben, indem sie, was die Zulassung der Reichstagsabgeordneten zu den Parteilagen anbelangt, für den alten Zustand eingetreten sind. Bei der Maifeier hätten sie alle drei gegen den Antrag auf Aufhebung des Nürnberger Beschlusses ge­stimmt. hätten eS aber nicht verhindern können, daß der Antrag doch angenommen worden ist. Der Beschluß hätte unbedingt bestehen hleiben müssen, und man könne sich nur der Erklärung den Harn- burger anschließen� daß man nunmehr lieber gar keine Maifeier nehr haben wolle. Er. Redner. Nüsse mcht, warum die Namen der Abstimmenden nicht in der Parteipresse erschienen seien, wo dies doch sonst, z. B. imBorwärts", üblich gewesen sei. Bezüglich HildebrandK Ausschluß ist Redner der Meinung, wenn ein Genosse soweit abweicht vom Parteiprogramm wie Hilde- brand, sei es nur recht und billig wenn er ausgeschlossen werde. Bis auf die Aufhebung des Nürnberger Beschlusses könne man mit den Arbeiten des Parteitages zufrieden sein.(Beifall.) Rapp als erster Diskussionsredner bezeichnet den Ausschluß Hildebrands als eine unerfreuliche Erscheinung. Eine Partei, die für Wahrheit und Freiheit kämpfe, hätte das nimmermehr nm dürfen, zumal H i ld e bra n d nur in einzelnen Teilfragen des Parteiprogramms abweiche. Redner geht des längeren auf die einzelnen strittigen Fragen, insbesondere auf die Agrarfragen, ein» in der wir auch der Weisheft letzten Schluß noch nicht gefunden hätten. Außer Hildebrand seien aber auch noch andere Genossen da. die vom Parteiprogramm abwichen, z. B. Lensch in den Militärfragen. Dieser sei aber nicht aus- geschlossen worden. ES habe je in Grund vorgelegen, Hilde- brand auzuschließen, weil er in Fragen, die noch offene seien, zu anderen Voraussetzungen komme. Es habe jeder das Recht, mit geistigen Waffen seine Meinung zu verfechten».(Widerspruch.) Nach Ansicht der Genossin Zetkin aber gehe die Freiheit der, Meinung gerade soweit, wie es der Partei paßt, so ungefähr könne man ihre Ausführungen, aus dem Parteitage auslegen.(Lebhafter Wider- spruch.) Der Weg, den» die Partei im Hildebrand scheu Falle eingeschlagen habe, führe auf» die schiefe Ebene. Es zeige sich aber doch, daß die Partei seid Jahrzehnten nach und stach immer mehr zum praktischen Reformwerk übergegangen sei.(Unruhe und Rufe: Die Partei hat immer praktisch gearbeitet!") Auch daS Stichwahl- abkommen sei ein Schritt auf dem Wege zum Reformismus. Redner spricht unter großer Unruhe weiter. Der Ausschluß Hilde- brands werde auf die zurückfallen, die dafür eingetreten sind. (Widerspruch und Beifall.) C l a j u s führt den schlechten Besuch der Versammlung auf die am Tage nachher stattfindenden Zahlabenlde zurück. Man solle künftig den Fehler nicht mehr machen, die Berichterstattung vor einen Zahlabcnd zu setzen. Dem Parteitag habe der geschlossene Zug und der kraftvolle Ausdruck des Volkswillens gefehlt.(Rufe: Sehr richtig.) Scheidemanns Rede über die Lebensmittel- teuerung sei gut gewesen; aber es hätte noch etwas Eindrucksvolleres und Größeres gemacht werden müssen, in dieser Frage. Resolu- tionen rühren die Regierung wenig.(Zuruf: Was hätte den!» ge- macht werden sollen?) Es sei nicht zu verdenken, daß die Tele- gierten trotz allem nicht mit der Tampsung des Wahlkampfcs ein- verstanden gewesen seien. Da der Parteivorstand aber sonst gut gearbeitet habe, so habe man wohl Abstand davon genommen, schärf cr vorzugehen. Mit der Dämpfung sei unsere alte Taktik preis- gegeben worden. Der Freisinn habe bei der Sache mehr gewonnen als wir. Hätten wir die Dämpfung nicht mitgemacht, so hätten wir jetzt vielleicht zehn Mann ivenigev im Reichstage, und das würde unseren Einfluß dort nicht schwächer machen. In der An- gelegenheit Hildebrand habe der Parteitag richtig gehandelt. Wer das Parteiprogramm nicht anerkeirneni könne oder wollen sollte von selbst ausscheiden. Was die Aufhebung des Nürnberger Be- schlusses betrifft, sei es geradezu ein Skandal, daß Leute, die nicht einmal das kleine Opfer bringen, wollen, noch heute in der Partei sind. Der Nürnberger Beschluß müsse wiederkommen.(Beifall.) Stadthagen stimmt dem letzten Redner insofern zu, daß dem Parteitag tatsächlich der große, fortreißende Zug gefehlt habe. Das habe aber auch an der ganzen Art des Parteitages gelegen, mit dem man immerhin zufrieden sein könne. Es sei aber auch nicht zu verkennen, daß man in vielen Fragen ein Ausweichen geübt habe, vielleicht, weil manche Kreise sich immer von dem Gedanken leiten ließen: nur keine Aufregung, nur keinen Spektakel. Aus dem immerwährenden Bestreben, jeder klaren Entscheidung auszu- weichen,, entspringt die Unklarheit. Seiner Meinung nach sei die übergroße Mehrheit der Delegierten gegen die Dämpfung gewesen; man habe nur keine Differenzen heraufbeschwören wollen und sich von dem Bestreben leiten lassen,, ein Bild der Einigkeit zu geben. Nach Redners Meinung wäre es aber besser gewesen, wenn man klipp und klar erklärt hatte: entweder wir bedauern die Dämpfung oder wir billigen sie. Das Ausweichen sei auch bei der Reorgani- sation festzustellen gewesen. Streitigkeiten werden unter den jetzt- gen Organisaffonsverhältnissen wiederkehren. Man hätte schon jetzt mit der Demokratisierung innerhalb der Organisation weiter gehen sollen. Er bcdaure auch den Beschluß bezüglich der Maifeier. Die Gründe dafür und dagegen seien verschieden gewesen. En habe ja auch für Aufrechterhaltung des Be- schlusscs gestimmt; viele aber seien für Aufhobung desselben eingetreten, weil sie die ewigen Streitigkeiten satt hatten. Es sei unverständlich, daß es Genossen, gäbe, die nicht einmal das kleine Opfer bringen wollten. Das imperialistische Stadium der kapita- listischen EntWickelung mache eine Ausdehnung des Maifeier- gedankenS besonders nötig. Der Imperialismus sei der wesentlichste Punkt der Tagesordnung gewesen, die unter der Ueberlastung ge­litten habe. Was den Fall Hildebrand anbelangt, so soll ihm die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung nicht genommen» wer- den; wer aber die Grundsätze einer Partei nicht anerkenne, gehöre nicht hinein. Redner verliest Zitate von Gerlachs aus der".Welt am Montag" und aus derDeutschen Tageszeitung", die dasselbe aussprechen. Friedeberg sei ein prächtiger Mensch und habe als Mitglied außerordentlich fleißig für die Partei gearbeitet, und wurde doch auch ausgeschlossen. Das habe mit der Freiheit der Wissenschaft nichts zu tun. Eine un- gewöhnliche Sache sei die Erklärung gegen den Ausschluß, die gerade von einer Seite käme, welche gegen die Sondev- konserenzen der Radikalen gewesen sei, und die jetzt selber Sonder Organisation niadje. Uebrigens sei die Frage mit den Sonderkonferenzen übertrieben aufgebauscht worden. Wenn sich Sonderkonferenzen als notwendig herausstellen sollten, wird der Parteitag auch in Zukunft nichts dagegen sagen; aber hier hätte dem Wunsche des Parteitages Rechnung getragen werden müssen. Er bedauere, daß der Parteitag überhaupt Stellung ge- nommen habe zu den Sonderkonferenzen. Auch hier wieder das alte Ausweichen: wir werden keine Sonderkonferenzen mehr ab- halten und dann folgt gleich hinterher eine Sonderorgani- sation. Der Parteitag habe entschieden, daß Hilde brand kein Sozialdemokrat ist» und so sei es geradezu provozierend, wenn Genossen zu Hildebrand sagen, er könne sich nach wie vor Sozialdemokrat nennen. Hildcbrand ist der alte nationalsoziale Imperialist geblieben. Ter Imperialismus muß noch viel be- sprächen werden, und gerade hiev müssen wir die Geschlossenheit der Partei unbedingt hochhalten im Kampf gegen den Imperialismus in seinen Wirkungen nach außen wie nach innen. Wenn es sich zeigen sollte, daß die alten Mittel nicht mehr wirksam und neue nötig sind» so werden sich auch andere finden.(Lebhaste Zustimmung und Beifall.) Hierauf nahm der Vertreter des zweiten Berliner Reichstag?- Wahlkreises R. Fischer das Wort, indem er bedauerte, daß es not- wendig gewesen sei, Hildebrand» auszuschließen, weil dadurch leicht der Anschein erweckt werden könne, als sei jener wegen seiner wissenschaftlichen Forschungen ausgeschlossen worden, was aber durchaus nicht zutreffe. Hildebrand hätte von selbst gehen müssen. ES haben Schiedsgerichte stattgefunden, und was man" auch gegen dieselben einwende, daß nur eine Stimme mehr gewesen sei, so würden die Abstimmungen, häufig so erfolgen, weil ja stets zwei Parteien mit drei gegen drei Stimmen stehen. Die Partei sei kein Studicrklub, sondern eine Kampfgcnassenschaft und wer damit nicht übereinstimme, müsse eben gehen oder ausgeschlossen werden. Alle Vergleiche mit Staat und Kirche usw. stimmten nicht und hinkten. Ohne Hildebrand nahezutrcten, könne man ruhig sagen, daß er nicht als selbständige wissenschaftliche Autorität anzusehen sei. Tüftler und Poeten» usw. gehörten, nicht in die Partei. Wir sind eine Kampfgenossenschaft mit einheitlichem Ziel und einheitlichen Mitteln. Wenn ein Regiment marschiere, habe sich jeder cinzu- ordnen. Ab und zu müßten, wir alle mal auch das Maul halten könne.", und wer es durchaus nicht kgnn, gehöre nicht ig die Partei. Was die Sonderkonferenzen betireffe, so habe der Parteitag un- zweideutig den Wunsch ausgesprochen, daß sie zu unterbleiben haben. Und» wenn der Parteitag das ausspricht, dann lasse man es eben. sein. Von Sonderorganisation bei der Erklärung H ein e s könne dagegen keine Rede sein, da müßte man die Be- griffskonstruktion derkonkludenten Handlungen" noch übertreffen. Radikal und revisionistisch sind veraltete Begriffe. Wir wollen alle Genossen sein, das ist's was» dem Parteitag die Signatur gegeben hat. Vielleicht habe» Staddhagen recht, daß die Mehrheit des Parteitages mit der Dämpfung nicht einverstanden war. Aber die Zwickmühle, in der der Partcivorstand saß» ließ dessen Maßnahmen erklärlich erscheinen. Das haben die Teilnehmer des Parteitages auch wohl eingesehen. Hätte der Parteivorstand anders gehandelt, so wären die Vorwürfe auch nicht ausgeblieben. Der Parteitag bat politische Weitsicht gepug besessen, um das einzusehen, und hat sich