Vorschlages habe aber England ausgeschaltet, was in Petersburg sehr unangenehm empfunden toucbe. Angesichts der Situation müsse Frankreich möglich st zu vermitteln suchen..Unbestreitbar sei allerdings, daß Gladstones Politik nicht mehr eingehalten werden könne, heute, wo die Balkanvölker den Krieg provozieren, um die Türkei auszuweiden, gerade in dem Augenblick wo in Kon- stantinopel die Reformfreunde zur Regierung gelangt sind. Und das„Journal des Debats " sagt wieder in unver- kennbarer Spitze gegen Rußland , man könnte den wahren Urheber des Krieges schon finden, wenn man nur suchen wollte. Das Blatt polemisiert gegen einen Artikel des früheren Ministers Hanotaux , der gegen die deutsche und englische Politik polemisiert und das frühere englische Ministerium Salisbury beschuldigt, Bosnien am Berliner Kongreß an Oesterreich ausgeliefert zu haben. Es erinnert .an das frühere Vorgehen Rußlands , das iii den Reichsstädter Abmachungen, ehe es die Türkei zur Befreiung der slavischen Brüder angriff, einen Teil dieser Brüder seinen Rivalen auslieferte. Das Blatt schließt, in der jetzt beginnenden Krise haben die von den anderen etwas vernachlässigten Westmächte ihre elementaren Interessen zu verteidigen. Die englische Regierung handele gegen ihre früheren Traditionen nach der jetzigen Auffassung ihrer Interessen. Die englische Politik und der englische Handel treiben oft Humanität mit etwas indiskretem und allzu einträglichem Eifer. Aber jedes Volk habe seine Gewohnheiten und Fehler. Frankreich müsse vermitteln und Rußland daran erinnern, es sei das Interesse der Tripleentente, daß England in Konstantinopel seinen alten Einfluß wiederfinde. Und England daran er- innern, daß auch im Interesse der Türkei Reformen dem Kriegsrisiko vorzuziehen seien. Die Tripleentente muß ver- stehen, die Meinungsverschiedenheiten zu besiegen. Ebenso soll Deutschland in Wien und Petersburg ver- m i t t e l n. Man müsse hoffen, daß diese Möglichkeit Wirk- lichkeit werde. Ein Beschwichtigungsversuch. Wien , lt. Oktober. Oesterreichische Delegation. Im Laufe der Debatte erklärte Finanzminister Ritter v. Bi- l i n s k i gegenüber den von dem Delegierten Ellenbogen an die heutige Einbringung der Militärvorlagen geknüpften Be>> fürchtungen, die Regierung sei entschlossen, ihre Friedens- Politik aufrechtzuerhalten, das heißt sich unter sich be- kriegende Parteien, falls es solche geben tverde, nicht einzumischen. Wenn Ellenbogen an dem Passus der heutigen Ministererkläruna „unsere Stimme in die Wag schale werfen" Anstoß genommen habe, so möchte er betonen, daß dieser Ausdruck mit Bewußtsein gewählt worden sei. Wir wollen, fuhr der Minister fort, leinen Krieg und denken gar nicht daran, uns in den Krieg einzumischen, sondern wir denken, daß die Möglichkeit vorhanden wäre, daß internationale Beratungen über die Fol- gen des Krieges entstehen könnten; dann könnten wir unsere Stimme um so erfolgreicher in die Wagschale werfen, wenn wir gerüstet sind. Der Minister stellte fest, daß zwischen den Kre- ditvorlagen und den Ereignissen auf dem Balkan nur ein gewisser logischer, nichtaber politischer Zusammenhangs?) bestehe. Er bat die Delegierten, der Regierung nicht bloß den Aus- druck, sondern nicht einmal den Gedanken an einen Kriegskredit zu unterschieben, Es wäre für Oesterreich und auch für Europa nicht gesund, wenn man Ausdrucke gebrauche, die bei der heutigen auf- Sereaten Stimmung alle Leute in Europa noch mehr aufregen süßten. Die Regierung sei nicht um einen Schritt von ihrer Po- litik zurückgewichen. Die Behauptung sei unrichtig, daß der Mi- iilister des Aeußeren in seiner gestrigen Rede eine Jrontänderung vorgenommen habe. -i- Vie ferbifche Partei und der Krieg. Aus Belgrad schreibt uns ein führender serbischer Genosse unter dem 9. Oktober: In diesem wunderlichen Labyrinth, mkt seinem Mosaik von Rationen, mit seinen chaotischen Verknotungen der verschiedensten Interessen und den ungeheuren Kulturunterschieden seiner Staats- und Sozialverfassung, das man Balkan nennt, in diesem Erden- winkcl haben sich von je � die tragischsten Szenen abge- spielt, die die ungünstigsten Daseinsbedingungen geschaffen haben. Ein Verhängnis für den Balkan und seine Völker war von jeher der„ S t a t u s q u o", der wie ein schweres Gewicht auf einem mit Gas gefüllten Gefäß lastet, das bis zur Explosion gespannt ist. Die Stümper, die dieses Gefäß herstellten, vergaßen, ein Sicherheitsventil einzusetzen, um dadurch dem inneren Druck einen Abzug zu verschaffen. Sie übersahen, daß der Prozeß zur Zertrümmerung der Retorte führen nnitzte. Hofften sie doch stets, daß sie imstande sein werden, durch Routine und Vorsicht das Experiment gefahrlos auszuführen. Und bis zum Schluß blieben sie in ihrer kindischen Illusion befangen. „i, �, Kriegsbrkfe vorn Baihan. II. Chaos. Belgrad , 8. Oktober. Chaos überschreibt die vom Genossen Popowitsch geleitete „Radnitschke Novine ", zu deutsch Arbeiterzeitung, den Leitartikel der Montagausgabe, und Chaos ist in der Tat das einzige Wort, das Annähernd den Wirrwarr der Lage erschöpft. Kein Mensch hat eine Ahnung, was das Morgen bringen wird, kein Mensch weiß Bescheid um das Was und Wie und Wenn der nächsten Entwickelung, und die Dinge rollen inzwischen weiter, dem Abgrund zw... Die große Woge der Mobilmachung hat sich verlaufen, aber eS tröpfelt immer noch nach. Zu Fuß, zu Pferd, mit abenteuer- lichen Wägelchen und auf den Savedampfern strömt vom Lande noch Zimmer allerhand Opankenvolk in die Stadt, bekommt einen Schieß- prügel in die Hand gedrückt, eine Patronentasche umgehängt und wird eingereiht. Vielen geht's wie den Arnauten, als ste aus ihren Bergen hervorquollen und Ucsküb überschwemmten: sie sehen zum erstenmal eine große Stadt und reißen staunend vor den grellen Plakaten der Kientöppe Mund und Augen auf. Abends sitzt dann wohl ein solcher waldursprünglicher Bramarbas, vom Sliwowitz befeuert, unter den lauschenden Hcimatsgenoffen am Kneiptifch, zieht seinen Sarras halb aus der Scheide und demonstriert, wie 'er zehn Türken mit der schweren Plempe durch und durch stoßen werde. Auch lange Wagenkolonnen ziehen durch die Stadt. Munitionskarren, leichte Sanitätswägelchen. Maschinengewehre auf Pferden, und mit allerhand Kriegsmaterial bi« zum Riederbrechen bepackt, arbeiten sich über dir zerklüftete Äarstformation des Bel- grader Pflasters lange Reihen unendlich zäher und unendlich ge- duldiger kleiner Gäule, die alle Lasten über die verwegensten Saum- pfade des Balkan zu schleppen pflegen. Heu und Schokolade, ge- weihte Kerzen und Mauserpatronen. Die Stimmung für den'Krieg ist eher im Wachsen als im �Abflauen. Die Presse führt täglich«ine aufreizendere Sprache, und „Piemont" bemüht schon wieder den Geist Theodor Körners mit einer Uebersctzung des„Gebet vor der Schlacht" und eines Briefes an seinen Vater aus dem März 1813— man sieht, der Kontakt mit dem deutschen Geistesleben ist hergestellt, und obwohl man die „Schwaben " nicht leiden kann, wird das preußische Hurra zu einem Importartikel. Die Skupschtina, die noch immer in ihrer alten. phr balkanhaften Bude tagt, hat gestern die tfriegskredite und Immer.wieder erwies sich 8er breigerühmte Staiutsquo als unhaltbar, schien die Explosion eintreten zu wollen. Und Europa hat trotz aller Enttäuschungen und unangenehmen Erlebnisse sein Flick- gebilde erhalten, weil es wegen seiner imperialistischen' Pläne etwgs anderes Besseres und Natürlicheres nicht an die Stelle setzen wollte. Mir sind überzeugt, daß Europa immer danach streben wird— ohne darauf zu achten, auf welche Weise der Zweck zu erreichen ist—, auch fernerhin seine matzgebende Stimme zu behalten und die Interessen der Balkanvölker den imperialistischen Appetiten seiner herrschenden Klassen preiszugeben. Deshalb nützt es jede Gelegen- heit aus, um dieses Streben durchzusetzen. Für die heutige unerträgliche Lage auf dem Balkan trägt die Verantwortlichkeit in erster Linie die perfide Diplomatie der interessierten Großmächte, die eine normale Um- Wandlung und EntWickelung der ökonomischen und politischen Kräfte der Balkanstaaten unterdrückte. Sodann der Feudalismus und das Kastenregime in der Türkei , welches unvereinbar mit den Bedürft nissen und Tendenzen der freien Entwickelung der Nationen ist. Und schließlich tragen die Verantwortlichkeit auch die Regie- rungen der unabhängigen Balkan st aaten Serbiens , Bulgariens , Griechenlands und Montenegros , weil ihre Politik stets im Einvernehmen mit dieser oder jener Gruppe der Großmächte gestanden und dadurch den Zusammenschluß der Völker zu einer de- mokratifchen Union unmöglich gemacht hat. Nur ein solcher Bund könnte die Ursache der jetzigen Unzufriedenheit und Erschütterungen beseitigen. Nur er wäre eine Garantie, daß alle Nationen selbständig ihr Dasein bestimmen und den gemeinsamen Feind, den Kolonial- kapitalismus, abwehren könnten. Auf dem Standpunkt steht auch die Resolution der ersten sozialdemokratischen Balkcmkonferenz in Belgrad 1999. Mit besonderem Nachdruck werden in der Resolution die imperialistischen Aspirationen von Oesterreich- Ungarn und Rußland auf dem Balkan betont. Aber nun die jetzige Situation! Der Balkan ist ein Kriegs- lager geworden. Auf allen Seiten klirren die Säbel; alles, was ein Gewehr tragen kann, ist vom Fuß bis zum Kopf bewaffnet. Der Krieg ist dal Die Armeen der christlichen Balkanftaaten, welche von Rußland inspiriert wurde, sollen mit einem Schlag die Frage lösen,' die schon so lange Zeit die Aufmerksamkeit aller Kreise in Anspruch genommen hat. Wir sind sehr weit davon, zu glauben, daß dieser Bund eine feste Grundlage für eine dauernde Union darstellte, und daß feine gegenwärtige Aktion gegen die Türkei eine Befreiung der unter- drückten Stammesgenossen in der Türkei bringen wird. Aber wir meinen, daß das Freiheitsstreben der slawischen Nationen in der Türkei gerechtfertigt ist, und wir find bereit, eine Revo- lution zu befördern, welche zur Befreiung führt. Der Revolution zu befördern, welche zur Befreiung führt. Der Krieg, vor welchem wir stehen, führt nicht dahin, die Völker in Freiheit zu vereinen, sondern er wird die Ausrottung der besten Kräfte und dadurch die Schwächung der Balkanftaaten zur Folge haben, so daß diese als reife Aepfel den europäischen kapitalistischen Räubern in den Schoß fallen würden. Eine jede Intervention der Großmächte wäre also die größte Gefahr sowohl für den Weltfrieden als für die Freiheit der Balkan - Nationen. Aber selbst, wenn der Balkanbund sein Ziel erreichen könnte, würde die nationale Frage nicht gelöst werden, weil ein Großbulgarien oder Großserbien neue innere Reibungen, vielleicht auch neue gegenseitige Konflikte erzeugen würde. � j.-■..'tj. ♦ �.cjIv-' Italienische Kriegsschiffe. Rom » 11. Oktober. Wie der„Agengia Stesani" amtlich ge- meldet wird„ empfing daK erste Geschwader, das sich unter dem Kommando des Admirals Viale in den italienischen Gewässern befindet, den Befehl, sich zu Absiahvt in das Aegäische Meer bereitzuhalten. Der Friede zwischen Italien und der Türkei . Paris , 11. Oktober. (Meldung der Agence Havas.) Nach den letzten hier eingetroffenen Nachrichten aus türkischer Quelle ist die Beseitigung der letzten Schwierigkeiten in den Friedensunterhandlungen zwischen Italien und der T ü r k e i als unmittelbar bevorstehend anzusehen, so daß die Unterzeichnung des Friedens möglicherweise schon morgen erfolgen dürfte_ politiFcbc dcbcrHcbt. Berlin , den 11. Oktober 1912. Die Regierung als PreiStreiber. Als vor einigen Jahren die preußische Regierung vom Landtage beträchtliche Geldmittel zum Ausbau staatlicher Kohlenfelder in Westfalen verlangte, begründete sie ihre Forderung damit, daß nicht nur die staatlichen Betriebe, be- ein Moratorium angenommen— gegen die Stimmen der beiden Sozialisten. Jedes Wort, das wie eine scharfe Schwertspitze gegen die Türkei gerichtet war und Krieg verhieß, wurde von den Ab- geordneten, die in diesem Bauernland zum guten Teil ihre länd- liche Tracht auch im Parlament tragen, mit Bravo und Hände- klatschen unterstrichen. Als Genosse Laptfchewitsch im Namen der Sozialdemokratie gegen die Verschleuderung von Kulturwerten und Leben und gegen zedes Blutvergießen Protest erhob, eine wuchtige Gestalt mit dem wallenden schwarzen Barte des Bandenführers und mit dröhnendem Organ, flogen die höhnischen Zwischenrufe wie Pfeile, die er mit leichter Hanobewegung qbschüttelte; aber er wurde doch angehört und das Schicksal des bulgarischen Genossen Sakasow, des Hauptes der Schiroki(Opportunisten) blieb ihm erspart: die Männer der Sobranie haben den Beweis, daß Bulgarien für den Anschluß an die westeuropäische Kulur reif ist. durch wüste Schimpft reden und durch tätliche Beleidigungen Sakasows dargetan. Nach einer Meldung soll er sogar mit Gewalt aus dem Sitzungssaal herausgezerrt worden sein; auch ein Seitenstück zu dem Fall Borchardt. Aber in Preußen war das Hinausschmeißen Staats- betrieb, in Bulgarien Heimarbeit. Einer der Abgeordneten. Miloto Dragowitsch, ist bereits auf und davon, um Komitatschis um sich zu scharen und auf eigene Faust den Kleinkrieg ins türkische Land zu tragen. Auch sonst wirkt die Spannung in all ihrer Unerträglichkeit nervenauspeitschend oder nervenzerrüttend. So hat sich vor drei Tagen der Sektionschef im Handelsministerium. Milosch Christitsch, ein Sohn des früheren Ministerpräsidenten, erschossen, weil er. als Reserveoffizier einge- zogen, sein Amt nicht ausfüllen zu können glaubte. Und in einem Truppenlager, drei Stunden von Belgrad , soll«in Soldat einem Offizier zu Leibe gegangen und dafür vor der Front kriegsgerichtlich füsiliert worden sein— beide» Zeichen dessen, was der Nervenarzt deutschen dürfen sich in normalen Zeiten über ein zu großes Entgegenkommen dsr Serben nicht beklagen, in diesen Tagen aber steigt mit der Spannung das Mißtrauen gegen den deutsch Redenden, das alle Schichten des Volkes, Friseure und Zahlkellner ausgenommen, beseelt. Selbst in den Kreisen der Intelligenz äußert sich ganz unverhohlen die Meinung, daß der Krieg gegen die Türkei , den Freund Deutschlands , der Beginn des großen Entscheidungs- kampfes zwischen der germanischen und der slawischen Rasse sei. Ueber die tiefeingefressene Mißstimmung braucht sich aber kein Kind zu wundern, und wer darunter leidet, mag sich bei der deutschen Regierung bedanken. Sie hat so unbedingt und rückhaltlos die Expansionspolitik Oesterreichs auf dem Balkan gedeckt, daß Serbiens Haß gegen den Unkerdrückerstaat sich ganz von selbst auch auf den sonders die Eisenbahnen, unabhängig von 8er Preisvolitik des Kohlensyndikats sein müßten, sondern daß auch der Staat einen gewissen Einfluß auf die Preis- gestaltung der Kohle in Preußen gewinnen m ü s s e. damit das Kohlensyndikat sein Monopol nicht nach Belieben auszunützen vermöge.- Der Fiskus erhielt seine Forderungen in der Hauptsache bewilligt— aber von einem günstigen Einfluß auf die Kohlenpreise ist bisher nichts zu verspüren gewesen. Er schloß sich vielmehr nach einigen schüchternen Versuchen dem Kohlensyndikat an, übertrug diesem den Verkauf seiner überschüssigen Kohlenproduktion und machte, auf seinen Profit bedacht, wohlgemut die Preis- steigerung mit. Damit nicht genug— wie wir gestern bereits in der Rubrik„Aus Industrie und Handel" melde- ten—, ist jetzt der Fiskus oder richtiger die Regierung sogar als der profitlüsternste aller Preistreiber aufgetreten und hat beim Syndikat beantragt, daß im nächsten Ge- schäftsjahr dieKohlenpreise umdurchschnitt- lich 1 Mark pro T.onne(2 9 Zentner) erhöht werden! Tie„Franks. Ztg." schreibt darüber? „Je mehr die fiskalischen Zechen produktionsfähig wurden, desto deutlicher stellte sich heraus, daß der Fiskus, in Westfalen genau so wie seit langem schon im Saarrevier, weder gewillt noch imstande war, einen Druck auf das Ztohlenshndikat zu üben. Die fiskalischen Werke arbeiteten zu teuer, um mit den privaten ernsthaft zu konkurrieren; der Preiskampf, der zwischen den staat- lichen Zechen und dem Kohlensydikat entbrannte, gefährdete die Rentabilität der staatlichen Zechen viel stärker als diejenige der Syndikatsmitglieder: das End« vom Liede war, daß im Januar dieses Jahres das bekannte Abkommen zwischen Fiskus und Syndikat geschlossen wurde, durch das der Fiskus den Verkauf seiner Kohlenproduktion einfach dem Syndikat übertrug, auf , jede Konkurrenz wie auf jeden maßgebenden Einfluß also ver- zichtete und sich lediglich das Recht vorbehielt, von dem Vertrage zurückzutreten, wenn ihm die Preispolitik des Syndikats nicht konvenierte. Der Fiskus, der eingesetzt worden war. um das Monopol des Syndikats zu mildern, zog sich also jetzt tatsächlich unter die schützenden Fittiche des Syndikats zurück, um. statt für die Interessen der Kohlenverbraucher, ausschließlich für seine eigene Rente zu sorgen. Eine Prciscr- höhung, die das Syndikat vornahm und die der Fiskus freudig mitnahm, war die Folge. Und jetzt kommt der zweite Schritt, der zwar an sich nicht groß überraschen kann, der aber die ganze Situation doch in einer wahrhaft bengalischen Beleuchtung zeigt: nach der Essener Depesche unseres Handelsteils im Zweiten Morgenblatt beantragt nunmehr der Fiskus selbst beim Syndikat eine Preiserhöhung für sämt- liche Brennstoffe um durchschnittlich eine Mark pro Tonne für das am 1. April n. I. beginnende Geschäftsjahr 1913/14, und das Syndikat wird nun diesem Antrage des FiSkus wo hk oder übel nachkommen müssen! Das ist der Gipfel. Der Staat. der einen Einfluß auf dem Kohlenmarkt gewinnen sollte, benutzt diesen Einfluß dazu, um seinerseits das Kohlensyndiat zu einer neuen Preiserhöhung zu veranlassen. Er nimmt den klugen Geschäftsleuten des Syndikats alles Odium und alle Verant- wortung ab. Er erhöht die Preise und nennt das dann eine �regulierende" Tätigkeit." Der Fiskus als rücksichtsloser Preistreiberl Recht charakteristisch für die Maximen, nach welchen Preußen regiert wird. Während die Regierung vor allen Maßnahmen zurückscheut, die geeignet wären, die abnorm hohen Fleisch- preise zu ermäßigen, treibt sie kurz entschlossen die Kohlen- preise in die Höhe._ Zwangsenteignung polnischer Güter. Die Hakatisten haben einen Sieg zu verzeichnen. Nach- dem das im Frühjahr 1998 vom preußischen Landtag an- genommene antipolnische Enteignungsgesetz, das bekanntlich der preußischen Regierung das Recht erteilt, zur. S i ch e- rung des gefährdeten Deutschtums" polnische Güter im Zwangsenteignungsverfahren an sich zu bringen. vier Jahre lang unter anderen verstaubten Akten geruht hat, cheint jetzt plötzlich eine Hochwohlweise Regierung entdeckt zu haben, daß dieses Gesetz endlich zur Anwendung kommen muß. wenn der preußische Staat nicht ins. Wanken geraten soll. Die„Post" verkündigt nämlich jubelnd an der Spitze ihrer letzten Nummer: Wie wir von absolut zuverlässiger Seite erfahren, ist die Eni« eigmmg mehrerer in polnischer Hand befindliche» Rittergüter be» reits in die Wege geleitet worden. Es handelt sich dabei um vier deutschen Bundesgenossen erstreckt hat. Ein BiSmarcksches Wort laßt sich deshalb dahin ändern, daß die Staatsbürger, etwa die Kaufleute hier, die Scheiben bezahlen müssen, die die Staatsmänner einwerfen. Dazu rächt sich auch die Geschmacklosigkeit, mit der selbst nach ünks h.nuberneigende deutsche Blätter bei ihrer Betrachtung serbrscher Verhältnisse stets den Jnsektenreichtum des Landes in den Vordergrund geruckt haben- die Balkannummer des„Simpli- cissimus ist hier noch in unangenehmster Erinnerung. Nun wog Paris Heinrich'IV. bekanntlich eine Mesie auf. und eine gut« Wanze ist sicher rinc» guten Witzes wert. Aber über die kriechende und hupfende Bevölkerung des Balkans die ziveibeinioe zu vergessen, geht doch zu weit, und jetzt wird sich ja wohl furchtbar offenbaren, daß die Balkanfrage mit ganz anderem Pulver gelöst wird als mit Insektenpulver. Unter dem generellen Mßtrauen gegen alles Deutsche leiden besonders die Vertreter der Auslandspresse. Die Herren Kollegen von den Wiener und Pcster Blättern die. kommender Ereignisse gewärtig, hierher geeilt sind, vergnügen sich damit, die Geruchte, die in der Luft umherwimmeln, wie Fliegen einzufangen— in der Not frißt auch der Presscteufel Fliegen— und nach Hause zu senden. Die ungarische Grenzstation Semlin ist der AusgangSort aller Telegramme und Briese, die der serbischen Zensur entrückt werden sollen. Tiese Behörde arbeitet mit der äußersten Rigorosität. Sogar dem früheren Ministerpräsidentent Vladan Georgewitsch— der Diktator Serbiens in der Zeit Milans und Alexanders, und sicher ein interessanter Mann— widerfuhr es, als er mit seinem an der Grenze stehenden Sohn durch das Telephon ein paar fron- zösische Worte sprechen wollt«, daß sofort die Verbindung getrennt wurde. Die Balkanföderation nennt sich stolz— es ist das belieb- teste Schlagwort geworden— die si-bente Großmacht. Vor der an- d«»en siebenten Großmacht, der Presse, scheint sie aber mehr höllische Scheu zu haben als vor den Türken, denn um die Erlaubnis zu erhalten, an die Front zu gehen, lauft man sich die Füße wund und erreicht doch nichts.„Wir werden," lagt ein Beamter im Ministerium des Aeußern,„es machen wie die Italiener in Tri- polis und überhaupt keine Korrespondenten zulassen. Die Italiener haben wenig Vergnügen daran gehabt. Adieu!" Den Eintritt in den Bahnhof verwehren Militärposten: es verkehren einzig Truppentransporizuge. Tie gesamte Personen- beförderung stockt. Nur der Orient-Expreß kommt morgen früh auf der Fahrt nach Sofia durch Belgrad . Es hat wenig Zweck, hier zu sitzen und Fliegen zu fangen. Sllfo auf. in den Orient-Expreß. ivenn s geht, nach Nisch , näher an die Aufmarschlinie der Truppen heran; wenn's nicht geht, nach Sofia , das sich wohl als Hauptstadt des Balkanbundes fühlt 1
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