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früher zu gewaltsamen Entladungen kam, liegt daran, daß auf beiden Seiten die verhältnismäßig schwachen Ariedens- formationen durch ein Massenaufgebot von Reservisten und Landwehrleuten, die zum größten Teil vom Pfluge fortgerissen wurden, aufgefüllt werden mußten. Erschwert wurde diese Aufgabe durch die trostlosen Verkehrsverhältnisse in jenen halbasiatischen Ländern, die nur von wenigen Eisenbahn- strängen durchschnitten werden. Die wichtigste dieser Eisenbahnlinien, die aus Ungarn  kommt, durch Serbien   und Bulgarien   hindurchgeht und in Konstantinopel   endet, wird in ihrem Abschnitt Philipp'opel und Adrianopel den Brennpunkt der nächsten kriegerischen Ereignisse bilden. Die Linie läuft durch das Tal des Maritzaflusses und wird flankiert von 1000 bis 2000 Meter hohen schwer passier- baren Gebirgszügen. Die serbisch  - bulgarische Armee, die zwischen den bulgarischen Städten Philippopel   und Jamboli  zusammengezogen wurde, ipird ihren Angriff in Richtung Adrianopcl ansetzen, während die Türkei   versuchen wird, über die bulgarische Grenze in den ostrumelischen Kessel vorzustoßen. Wer zuerst zum Angriff vorgeht, läßt sich heute noch nicht fest- stellen. Gelingt es den Bulgaren   und Serben, die Türken zu werfen und Adrianopel zu nehmen, steht ihnen auch der Weg nach Konstantinopel   offen. Aber leicht wird ihnen diese Arbeit nicht werden, denn die Türken haben offenbar in der Gegend von Adrianopel   gewaltige Kraftanstrengungen gemacht. Der größte Teil ihrer Nizam- und Rediftruppen ist in diesem Ge- ländc konzentriert und durch viele Zehntausendc von Reserve- nrannschaften aus Kleinasien   verstärkt worden. Es ist blutgetränkter Boden, auf dem sich die nächsten Entscheidungskämpfe abspielen werden. Im russisch  -türkischen Kriege von 1828/29 drang der russische   General Diebitsch unter unsäglichen Strapazen über den Balkan   und nahm im August des Jahres 1829 Adrianopel  . Und im Januar des Jahres 1878 rückte nach blutigen Kämpfen der russische  General Skobeleff in dieser Stadt ein. Konstantinopel   wurde damals stets durch das Eingreifen der Mächte gerettet, die Rußland   in die Arme fielen. Ob aber auch jetzt wieder die Diplomatie das letzte Wort haben wird, ist sowohl bei einem Siege der Balkanstaaten wie einem solchen der Türkei  fraglich. Von den früheren Verlust- und strapazenreichen Balkan  - kriegen unterscheidet sich der heutige dadurch, daß viel größere Massen mobil gemacht worden sind und daß mit allen Mitteln modernster Kriegstechnik gekämpft wird. Dadurch wird das Ringen nur blutiger und folgenschwerer. Aber trotz Magazingewehr, Schnellfeuergeschütz und Aeroplan wird die Kriegführung das Gepräge mittelalterlicher Grausamkeit tragen, stößt doch religiöser und nationaler Fanatismus kulturell zurückgebliebener Völker aufeinander. Der verelendete Bauer aus Kleinasien  , der von Hütte und Feld geholt wurde und Weib und Kind in Not zurückließ, wird den christlichen Feind als den Urheber seiner Not und als Gegner seines Glaubens bekämpfen. Und der in hie Uniform gesteckte serbische oder bulgarische Bauer wird aus gleichen Motiven chem türkischen   Krieger mit unversöhnlichem Haß gegenüber- treten. Wenn dann die Türkei   in ihrem Verzweiflungs- kämpfe die halbwilden Reiterscharen der Kurden und Drusen auf den Kriegsschauplatz werfen wird, können sich alle die Baschibozuks-Greuel wiederholen, die vor 34 Jahren die ganze zivilisierte Welt in Schrecken setzten. Wie damals werden auch heute die fanatisierten Kämpfer ihren Blutdurst auch an der wehrlosen Bevölkerung stillen. Die Hauptentscheidung des Krieges muß auf dem öst- lichen Kriegsschauplatze fallen. Auf den anderen Kriegs- theatern kann es sich nur um defensive Maßnahmen der Türkei   handeln, die natürlich auch hier und da zu Offensivstößen führen können. Den Kampf gegen Montenegro und die Serben im Sandschak scheint die Türkei   in erster Linie mit den Albanern führen zu wollen, denen die schwachen regulären Truppen der Türken als Rückhalt dienen. Der Vorstoß der Montenegriner auf Skutari ist nach den heute vorliegenden Nachrichten auf energischen Widerstand gestoßen, der den ebenso ruhmredigen wie zweifellos tapferen Söhnen der Schwarzen Berge eine Anzahl der von Rußland oder Italien   geschenkten Geschütze gekostet haben soll. Auch Griechenland   verkündet eine herzlich unbedeutende Heldentat. die Einfahrt zweier Kanonenboote in die Bucht von Prevesa  , an der Südspitze der türkischen Landschaft Epirus  . Die nächsten Tage werden aber erst zeigen müssen, ob die griechischen Waffen zu Lande besser geführt werden als im Kriege von 1897, der auch mit einer Heldentat vor Prevesa  einsetzte. So wird. in den nächsten Tagen und Wochen der Balkan  in allen Himmelsrichtungen vom Waffenlärm widerhallen. lieber dem aus Bergen und Tälern aufsteigenden Pulver- dampf und Blutdunst aber brütet das unheimliche Gespenst eines Weltkrieges, das nur von den Völkern Europas  , nicht von den Regierenden gebannt werden kann. Die Kriegserklärung der Türkei  . Konstantinopel  , 17. Oktober. Die Pforte ließ heute früh um 9>/z Uhr der serbischen und der b u l g a r i- scheu Gesandtschaft eine Note übermitteln, welche bc- sagt: Wegen der bulgarischen und serbischen Note, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei   dar- stellt, und wegen der Mobilisatiou beider Staaten und vertag- lichen Scharmützel sieht die Pforte, trotz ihres Wunsches, den Frieden zu erhalten, daß der Friede zwischen der Türkei  , Serbien   und Bulgarien   weiterhin u n m ö g l i ch ist. Sie hat sich daher entschlossen, der Mission der Gesandten von Bulgarien   und Serbien   ein Ende zu setzen, und fordert sie auf, ihre Pässe zu nehmen und mit ihrem Personal das ottomanische Gebiet so schnell als möglich zu verlassen. Dies wird als Kriegserklärung betrachtet. Der türkische Gesandte hat Order bekommen, Athen   zn verlassen. Beginn der Feindseligkeiten. Konstantinopel  , 17. Oktober. Die Feindseligkeiten an der bulgarischen und an der serbischen   Grenze haben heute nacht begonnen. �ei. �bischen Grenze. Belgrad  , 17. Oktober. Es wird amtlich bestätigt, daß bei Prep olar ein Kampf stattgefunden hat, der sich gegen die Forts des Berges Kopaonik richtete. Der Angriff erfolgte von t ü r k i f ch e r Seite, während sich die Serben in der Defensive hielten. Der türkische Borstoß wurde durch das Artillerieseucr der Serben zum Stehen gebracht. Einnahme von Berane. Podgoritza, 17. Oktober. Die Einnahme der Stadt Berane erfolgte gestern mittag; der Einzug der Truppen unter General Wukotitsch wurde von der Bevölkerung mit Jubel begrüßt. Außer 14 unbeschädigten Kruppschen Fcldtanonen fiel den Montenegriner» viel Munition und anderes Kriegsmaterial sowie Proviant für zwei Monate in die Hände. Die B e rl u st e der Montencgpiner be­trugen zehn Tote und 31 Verwundete. Gefechtsbericht. London  , 17. Oktober. Das R'eutersche Bureau meldet aus Podgoritza   vom 16. d. Mts., abends 9 Uhr: Vor Berane war gestern abend ein hitziges Gefecht. Die Montenegriner erstürmten zwei wichtige Stellungen, nahmen zwei türkische Kruppgeschütze mit Munition und befestigten sich in der Nacht. Frühmorgens setzten sie den Kampf fort, wobei eine Abteilung unter General Wukotitsch östlich die türkische Stellung durchbrach und die Stadt einschloß. Um 11 Uhr vormittags wurde beim Feinde die weiße Fahne sichtbar. Noch in der Nacht hatten sich 4000 Mann reguläre Truppen und 3000 mohammedanische Albanesen zurückgezogen, w der Stadt verblieben nur 700 Nizams und 500 Redifs. Ein türkischer Erfolg. Paris  , 17. Oktober. Die Agence Havas meldet aus Konstantinopel  , daß die Türken bei Podgoritza   einen großen Sieg über die Montenegriner davongetragen und mehrere Geschütze erbeutet hätten.' Griechische Flottenaktio». Athen  , 17. Oktober. Das Marineministcrium teilt mit, daß die Kanonenboote A und 0 heute früh um 21/3 Uhr in die Meerenge von Prevesa   und Aktium eingedrungen und um 4>/.z Uhr in Bonitza eingetroffen find. Es gelang de» Türken trotz der zahlreich vorhandenen SperrfortS nicht, die Durchfahrt zu verhindern. Kampf zwischen Serben nnd Albanesen. Belgrad  , 17. Oktober, Nach einer Privatmelbung hat gestern bei Prepolac ein Kampf zwischen Albanern und serbischen Truppen stattgefunden. Die Serben eröffneten das Geschützfeuer. Sie hatten 10 Tote und 40 Verwundete; die Albanesen sollen 200 Tote gehabt haben, während die Zahl ihrer Verwundeten unbekannt ist. Konstantiuopel, 17. Oktober. Der Albanesenführer Jssa Boletinatz ist in Serbien   eingedrungen. Weitere Mobilisierungen. Konstantinopel  , 17. Oktober. Die Reservedivisionen von Erzerum, Erzingjan und B a i b u r t in der Gegend der russischen Grenze, die bis jetzt von der allgemeinen Mobilisierung nicht betroffen Ivaren, haben den Mobili- sierungsbefehl erhalten. Der Kriegsminister oH am Sonnabend nach Adrianopel   reisen, um das Oberkommando zu übernehmen. Wie verlautet, sind zwei türkische Divisionen in S k u t a r i eingetroffen. Die Truppen- und Kriegsmaterialtransporte werden von hier fieberhaft fortgesetzt Lange Reihen von Reservisten, die aus der Provinz eintreffen, durchziehen jubelnd die Straßen. Abdul Hamid  . Konstantinopel  , 17. Oktober. Es scheint fich zu bestätigen, daß der frühere Sultan Abdul Hamid sofort nach Ausbruch des Krieges nach Konstantinopel   übergesührt werden wird. Man behauptet, daß die Ueberfllhrung als notwendig befunden wird, um einem etwaigen Versuche der Albanesen vorzubeugen, beim Passieren Salonikis mach der türküch-griechischen Grenze Abdul Hamid   zu befreien. Wie verlautet, soll Abdul Hamid   in Aussicht gestellt haben, drei Millionen für die Armee zu spenden. Bulgarien   und Rußland  . Sofia  , 17. Oktober. Der Unterrichtsminister B o b t s ch e w be- gibt sich zur Uebernahme des Gesandtenpostens nach Petersburg  . Der Minister des Innern Ludskanow reist mit geheimen Aufträgen gleichfalls nach Petersburg  . Gegen Oesterreich  . Kiew  , 17. Oktober. Etwa dreihundert Personen, vor- zugsweise Studierende, welche heimkehrende bulgarische und serbische Studenten zur Bahn geleitet hatten, zogen nach Abgang des Zuges vor das ö st e r r e i ch i s ch- u n g a r i s ch e Konsulat, um Demonstrationen zu veranstalten. Durch das energische Vor- gehen der Polizei wurde die Menge sofort zerstreut. Zwei Personen wurden verhaftet, aber nach Feststellung ihrer Personalien wieder fteigeiassen. FriedenSfrende in Italien  . Rom  , 17. Oktober.  (PrivattelBgramm des Vorwärts".) Der Friedensschlft'ß' wird im all- gemeinen mit größter Genugtuung als wahre Er- l ö s u n g aufgenommen. Die Mehrzahl der Zeitungen lobt und billigt den Frieden. In verschiedenen Städten fanden Freudenkundgebungen statt, so in dem Zentrum der Textilindustrie Gallarate, wo die Bevölkerung alle Glocken läuten ließ. Der A v a n t i" schreibt, daß 100 000 Mütter ausatmen werden, daß aber ein wirklicher Frieden und die Zurückziehimg der Truppen aus Afrika   noch sehr fern sei. Bessere Bedingungen wären nicht zu er- reichen gewesen, da die tatsächlichen strategischen Erfolge weit hinter den angeblichen zurück- geblieben seien. DerAvanti" macht die Ratio- nalisten für die systematische Irreführung der öffentlichen Meinung verantwortlich. Die Verzöge- rung der Rückgabe der ägeischen Inseln dürste weniger als Sicherstellung für die Reformen ausgedeutet werden. Es sei vielmehr ein Vorteil für die Türkei  , die Inseln während der Dauer des Balkankriegcs in italienischer Hut zu wissen. Der definitive Friede soll Ende der Woche unter- zeichnet werden. Als Entschädigung für Tripolis   soll die Türkei   eine sich über fünfzig Jahre erstreckende Jahresrente erhalten. Die italienische   Herrschaft über Tripolis  . Rom  , 17. Oktober. Amtlich wird folgender Erlaß hinsichtlich des Gesetzes vom 25. Februar ISlS, das T r i p o l i t a n i e n und die Cyrenaika   im vollsten Umfange unter die Oberhoheit des Königreiches Italien   stellte, zu dem Zwecke veröffentlicht, um die P a zi fi ka t i o n der genannten Provinzen durchzuführen. Artikel 1: Vollständige Amnestie wstd den Bewohnern von Tripolitanicn und Cyrenaika   gewährt, die an de» Feindselig- keilen teilgenommen und sich aus Anlaß dieser Feindseligkeiten bloß- gestellt haben, soweit cS sich nicht um genieine Verbrechen handelt. Die Personen, die aus diesem Grunde sich in Hast befinden oder deportiert worden sind, werden sofort in Freiheil gesetzt. Artikel 2: Die Einwohner Tripolitaniens und der Cyrenaika  werden wie in der Vergangenheit auch weiterhin vollständige Freiheit in der Ausübung des muselmanischen Kultus genießen. Der Name des Sultans als des Kalifen   wird weiter in den öffentlichen muselmanischen Gebeten erwähnt werden, und seine Vertretung wird in einer von ihm ernannten Person anerkannt. Die Einkünfte dieses Vertreters werden aus den lokalen Eingängen be- stritten werden. Die Rechte der frommen Stiftungen werden wie in der Vergangenheit respektiert werden, und die Muselmanen werden in keiner Weise behindert werden in ihren Beziehungen zu ihrem religiösen Oberhaupt. Artikel 3: Der genannte Vertreter wird auch bei dem Schutz der Interessen des ottomanischen Staates und der ottomanischen Unter- lauen, soweit sie in den beiden Provinzen nach dem Gesetz vom 25. Februar 1312 verbleiben, anerkannt werden. Artikel 4: Durch ein anderes Dekret wird eine Kommission ernannt werden, an der auch die Notabeln der Eingeborenen:- nehmen wollen, um für die beiden Provinzen zivil-«nd der- waltungsrechtliche Maßnahmen vorzuschlagen, die auf liberalen Prinzipien beruhen und lokale Sitten und Ge- bräuche respektieren._ Die Neuerung. Russisches Fleischausfuhrverbot. Die Meldung, daß Rußland   die Ausfuhr von Fleisch verboten habe, wird jetzt amtlich widerrufen. Bei dem offenen Krieg aus dem Balkan wird der Effekt für Deutschland   trotzdem nicht ausbleiben. daß die russische   Fleischeinfuhr nachläßt. Zudem liegt ein solches Ausfuhrverbot durchaus im Bereiche der Möglichkeit. Maßnahmen gegen die Teuerung. Die Stadtverordneten von Kiel   stimmten dem Vorschlage der Teuerungskommission zu. wonach die Mitglieder der Schlächterinnung in ihren Läden an zwei Tagen der Woche Fleisch von vollfleischigen. ausgemästeten, bis 7 Jahre alten Kühen zu einem Preise verkaufen, der nur um 10 Pf. höher ist als der Einkaufspreis. Vorläufig sollen wöchentlich 10 000 Pfd. solchen Fleisches zum Verkauf gelangen, doch kann die Stadt je nach der Nachtrage verlangen, daß dieses wöchent- liche Quantum hinauf- oder herabgesetzt wird. Die Kontrolle über Einhaltung des Vertrages, die Festsetzung der Verkaufspreise usw. übernimmt eine städtische Kommiision. Ein weitergehender sozial- demostatischer Antrag wurde abgelehnt. Protest der Eisenbahner. Mehr als 4000 Eisenbahner waren am Mittwoch im Konkordia' Saal in Berlin   versammelt, um gegen die herrschende Teuerung zu protestieren. Der Referent, Generalsekretär Riedel, bezeichnete die herrschende Wirtschaftspolitik als wesentliche N r s a ch e d e r T e u e r u n g. In der Nähe Berlins   gibt es Bahn- Wärter, die über 30 Jahre im Dienst sind, und einen Tagelohn von 1,801,90 M. beziehen. Diese Schichten verfallen unter allen Um- ständen der Unterernährung. Die reisende Bevölkerung, deren Sicherheit den Bahnangestellten anverstaut sei. habe ein Interesse daran, daß die Eisenbahner so gestellt werden, daß sie ihrem Dienst auch körperlich gewachsen sind. Neben einer sofortigen Gewährung von Teuerungszulagen sei eine alsbaldige Erhöhung der Gehälter zu verlangen. Eine Resolution, hie sich mit den Ausführungen des Referenten deckte, fand einstimmig Annahme. Protestversammlnnge». In Lichtenberg   fanden am Dienstag zwei öffentliche Frauenversammlungen statt, die sich mit dem Thema: .Der Kampf der Mütter und Hausstauen gegen die Teuerung" be- schäfligten. ImSchwarzen Adler" hielt Genossin Juchacz   den Vortrag. Im«Cafö Bellevue" referierte Genossin Klara Bohm-Schuch. Beide Versammlungen waren sehr gut besucht. Mehrere Neuaufnahmen als Mitglieder unserer Partei waren die Folge der von den Refe» rentinnen gegeißelten Junkerpplilik. poUtifebe acbcrficbt, Berlin  , den 17. Oktober 1912. Borschusilorbeeren. Was die bürgerliche Presse und ganz insbesondere die liberale mit dem neuen Botschafter in London   treibt, das er- innert an die schlimmsten Zeiten des Walderseerummels. Herr Theodor Wolfs steht imBerliner Tageblatt" Kops vor Begeisterung. Zureichender"Grund: Fürst Lichnowsky hat einmal einen Artikel für dasBerliner Tageblatt" ge- schrieben. Man denke: ein Fürst imBerliner Tageblatt"! Und so bestätigt denn Herr Wolfs, daß Herr Lichnowsky   Kunst- Verständnis, beinaheliberalisierenden" Gedankengang, freiere Weltanschauung besitzt, kurz, eigentlich das Zeug hätte zur Schaffung einer liberalen Adelspartei, offenbar das bisher still im Busen bewahrte Ideal des Chefredakteurs desBer- liner Tageblatts". Da muß man doch fragen, wer denn eigentlich der Herr ist. Daß er seinen Fähigkeiten allein seine Stellung der- dankte, ist ja von vornherein ausgeschlossen, dazu" bedarf es vor allem höfischer Gunst. Allenfalls könnte man diplo- matische Talente bei einem Manne voraussetzen, der sich solche Gunst sowohl bei Wilhelm II.   und seinen Handlangern, als auch bei den Chefredakteuren unserer liberalen Presse zu er- werben verstanden hat. wäre nicht besonders das letztere gar so leicht. In Wirklichkeit ist aber Fürst Lichnowsky   kein un- beschriebenes Blatt, schon deshalb nicht, weil er selbst gerne Papier beschreibt. Er ist Mitglied der freikonservativen Par- tei. das heißt jener Partei, welche alle reaktionären Laster der Konservativen, verschärft durch die der Nationalliberalen. besitzt. Als richtiger Vertreter dieser Partei hat sich der Fürst auch im preußischen Herrenhause stets gezeigt Bei der Bc- ratung der Wahlreform trat er für jenes scheußliche Kompromiß ein, das die Regierung mit den Nationalliberalen vereinbart hatte und dessen Zweck war durch die Beseitigung der Drittelung in den UrWahlbezirken der Sozialdemokratie jede Vertretung zu rauben. In der P o l e n f r a g e ist der Fürst ausgesprochener Hakatist Ist der Hakatismus der inneren Politik eine schmähliche nationalistische Verirrung. so bedeutet er für die auswärtige Politik eine gefährliche Dummheit. Und sich für eine solche Politik exponiert.zu haben, ist sicher die schlechteste Empfehlung für emen Diplo- maten. Was aber nun die Hauptsache anlangt, die Meinungm des neuen Botschafters über die deutsch  -englischen Beziehungen so genügt es wohl, einen einzigen Satz aus einem jüngst in der ZeitschriftNord und Sud" von Lich- nowskh veröffentlichten Artikel zu zitieren. Es heißt dort: Jin übrigen sollte innii sicki iu En-gtnnb sng�n, baß, du nun einmal britische Sitten. Moden. Sports und Spiele die Welt erobert haben und von uns wie von anderen nach- geahmt werden, kein Grund vorliegt, weshalb das englische Vorbild nicht auch hinsichtlich unserer Flotte(t) gelten sollte. Weshalb sollen wir bloß Lawn-tennis und Polo. Rennen und Regatten von unseren englischen Freunden lernen und nicht auch die Liebe zur Flotte? Ich sehe leine U r s a che für eine solche Einschränkung unserer weit verbreiteten Anglomanie!" Als wir seinerzeit den Satz lasen, wußten wir nicht, ob er eine Albernheit oder eine Fnöolitdt sei. Jetzt wissen wir, daß es sich um den Befähigungsnachweis für das Amt des Botschafters in London   gehandelt hat!