Die Kräfte, die sich in England der Grehschen Politikwidersetzen, sind leider noch schwach. Der lauteste, aber auchder schwächlichste Teil der Opposition sind die linksliberalenElemente. Ihr Einfluß auf den Gang der Ereignisse ist sehrgering, hauptsächlich weil sie nicht bereit sind, den kräftigenVerdammungsworten die Tat folgen zu lassen. Ueberdieslassen sie sich leicht wie alle Liberalen durch Ministerworte be-friedigen. Wie erlösend wirkten auf diese Helden nicht dieorakelhaften Worte des Schatzkanzlers von den Grenzen derFreiheit und der guten Regierung. Zudem ist ihre Politiksehr unklar und wird von Legenden beeinflußt, wie der Glad-stoneschen Legende, nach der der Mann, der Aegypten okkupierte,ein warmer Freund der kleinen Nationen gewesen sein soll.So kommt es denn, daß die Linksliberalen Rußland in Persienbekämpfen wollen, aber demselben Henker der Nationen dieRolle des Befreiers der Völker des Balkans zutrauen. Amklarsten hat noch der Liberale Sir John Brunner erkannt.was nottut, um dem Imperialismus erfolgreich entgegentretenzu können. In einem an die Presse gerichteten Briefeschreibt er:„Mein Ratschlag ist, daß die liberale Partei eine Demon-stration veranstaltet, die das deutsche Volk nicht nur davonüberzeugen soll, daß wir ihm nichts Böses wünschen, sondern daßwir auch mit ihm in Freundschaft leben wollen. Ichglaube, daß eine derartige Demonstration das deutsche Volk be�wegen würde, die Versuche der deutschen konservativenPartei und der sie stützenden mächtigen RüstungS«fabrikanten, die beiden Nationen zu trennen, zu b e»kämpfen und zu überwinden. Die s o z i a l d e m o-kratische Partei, die mehr als ein Drittel derdeutschen Wählerschaft vertritt, ist schon mituns, wie alle Welt weiß."Ob die in auswärtigen Fragen gespaltene liberale ParteiEnglands zu einer solchen Demonstration fähig ist? Und obdie platonischen Wünsche in der Zukunft mehr Zugkraft habenwerden als in der Vergangenheit? Die wachsende Macht unddie zunehmende politische Bildung des organisiertenenglischen Proletariats fällt hundertmal schwerergegen den JmperaliLmus in die Wagschale als alle Ver-sichcrungen des friedliebenden englischen Bürgertums, so will-kommen sie auch sein mögen.»**Russische Friedensbeteuerungen.London, 23. Oktober.(Privattelegramm des„Vorwärts".) Dr. Dillon, das englische SprachrohrS s a s o n o w s, schickt aus Petersburg eine Art russischerFriedensbotschaft au den„Daily Telegraph". Esheißt darin, Ssasonow besitze das vollste Vertrauen desZaren, dessen Politik er nur ausführe. Der Zar betrachteden Konflikt auf dem Balkan als ein großes Unglück.Der Krieg müsse beim ersten günstigen Augenblickbeendet werden und das werde vielleicht eher ge-schehen, als die Welt glaube. Der Krieg sei gänz-lich unfnichtbar. Die selbstlosen Ziele, die die Balkan-Völker zu verfolgen vorgäben, hätten auch ohne Bluwergießenerreicht werden können und würden noch erreicht werden. Diein Mazedonien vorzunehmenden Reformen setzten keine terri-i toriale Veränderungen im nahen Osten voräüs." DAs'"f(?tztJbrennende Feuer müsset nicht nur lokalisiert, sondern auchlausgelöscht werden. Diese Frage werde. binnewkurzer Zeit von Rußland in Verbindung mit anderenMächten in Angriff genommen werden, undda die territorialen Verhältnisse in europäischen Staatenunverändert bleiben sollten, läge kein Grund zuStreitigkeiten unter ihnen vor. Rußland sei mit derHaltung Oesterreichs, die der seinen ähnlich sei. voll-kommen zufrieden. In Wien wie in Petersburg hätten dieMinister mit widersprechenden Elementen zu tun. aber diesenationalistischen Elemente hätten nicht das Uebergewicht. Ausder Meldung Dillons schließt die Redaktion der„Daily Tele-graph", daß der Krieg glücklicherweise nicht von langer Dauersein werde.Wir brauchen nicht erst besonders zu betonen, daß dieseVersicherungen nur ephemeren Wert besitzen.Ein Widerruf.London, 23. Oktober.(Unterhaus.) Wegen einiger Erörte-rungen, die sich an eine kürzlich gehaltene Rede eines hohen Beam-ten im Schatzamt, Mast ermann, anknüpfton, in welcher dieserseiner Sympathie für den Balkanbund Ausdruck gegeben haben soll,wurden heute an die Regierung einige Anfragen gerichtet, ausGrund dessen Mastermann erklärte, daß er falsch verstanden wordensei und daß er im Laufe der Rede besonderen Nachdruck auf dieNeutralität der britischen Negierung gelegt habe. Auf wei-tcre Anfragen erklärte Premierminister A S q u i t h, Mastermannhabe vollständig die gegen ihn erhobene Beschuldigung entkräftet.Die Haltung der Regierung dem Balkankriegc gegenüber sei vonstrikter Neutralität; eS sei selbstverständlich Pflicht derMinister wie auch sonst jedermanns, keine Sprache zu führen, diemit dieser Neutralität unvereinbar sei.Hgraritchcr Cerrorismus.Der Vorstand des Deutschen Landwirtschaftsrats, dessenMitglieder von den LandwirtschaftSkammorn vertreten werden,hat sich in einer Sitzung am 22. d. Mts. gegen die Teuc-rungsmaßnahinen der Regierung gewandt. Charakteristisch ist.daß die Protestkundgebung zwar von den„schweren Bedenken"und„der starken Beunruhigung der Millionen deutscher Vieh-zückter" spricht, sich aber den Nachweis der angeblichenSchädigungen erspart. Dafür fordert der Landwirtschastsratum so dringender die Zusicherung, daß der Profit der Agrariernicht durch weitere wirkliche Maßnahmen geschmälert werde:„Um der Gefahr einer weiteren Beunruhigung der heimischenViehzüchter zu begegnen, muß der deutsche LandlpirtschaftSrat zuden Maßnahmen der preußischen Regierung mindestens fol»gende Ergänzungen erwarten:.1. Von feiten des Herrn Reichskanzlers und der preußischenStaatsregierung sollte sobald als möglich die bestimmteErklärung abgegeben werden, daß an eine Preisgabe oderA b s ch w ä ch u n g des§ 12 des Fl e i sch b e s ch a ug e s e tz c özugunsten der Einfuhr überseeischen Gefrierfleisches, welche nichtnur den Skuin der deutschen Viehzucht herbeiführen, sondern auchunsere gesicherte Landesverteidigung, in Frage stellen müßte,niemals gedacht werden kann.L. Zur besseren Beurteilung der Lebensmittelpreise über-Haupt, wie namentlich der Fleischpreisc, und zur Herstellung einesangemessenen Verhältnisses zwischen Viehpreisen und großstädti-schen Fleischpreisen ist dem Reichstag alsbald nach seinem Wieder-zusammentritt ein Preisfeststellungsgesetz vorzulegen.�durch welches die gewerblichen Verkäufer von Lebensmitteln, nach�dem Vorbilde anderer Staaten, zur öffentlichen Bekanntgabeoder wenigstens amtlichen Feststellung ihrer Verkaufspreise an-gehalten werden können.3. Von den StadkberGakkllNydN ifk zü soWer�,sie die Hand dazu bieten,— zum Jwecke des Ausgleichs derPreise— langjährige Vichlieferuwgsverträge mit leistungs-fähigen ViehverwertunySzenossensckiaften oder ähnlichen Ver-'bänden abzuschließen, auf Grund deren diese Verbände Schlacht-Vieh zu einem mäßigen festen Durchschnittspreise an die Stadt-Verwaltungen oder geeignete städtische Organe— Fleischer-innungen, Schlächter verbände usw.— zu liefern haben,— wiefölche Verträge bereits verschiedenen größeren Stadtverwal-tungen angeboten wurden.Nur von einer Wiederher st ellung des Ver-traue nS unserer inländischen Viehzüchter durchMaßnahmen der vorbezeichneten Art— nicht von einer beunruhi-genden Begünstigung ausländischer Zufuhr oder gar Abschwächungunseres Veterinären und sanitären Grenzschutzes— kann auf dieTauer eine sichere und gesunde Fleischversorgung des deutschenVolkes und ein Erfo'g aller auf die weitere Steigerung der in-ländischen Vieh- und Fleischproduktion gerichteten Bestrebungen er-wartet werden."Diese offenen Drohungen sollen der Regierung bei denkommenden Parlamentsverhandlungen über die Teuerung denRücken stärken. Höher als das Vertrauen der Agrarier müßteder Regierung aber die Zustimmung und die Gesundheit desganzen Volkes stehen. Die vom Landwirtschaftsrat vor-geschlagenen Aendcrungen sind unwirksam. Nur die Oeffnungder Grenzen und die Aufhebung der Vieh- und Getreide-zölle vermag die Fletschversorgung Deutschlands sicherzu stellen.Fortschrittliche Interpellation im preußischen Landtage.Die Fraktion der fortschrittlichen Volkspartei im preußischenLandtage interpelliert die Regierung, ob sie bereit ist: u) im Bundes-rat für weitere Maßnahmen gegen die Teuerung, insbesonderefür die Abänderung des Flcischbeschaugesetzes und die Aufhebungder Futtermittelzölle einzutreten; b) durch zweckmäßig und nach-drücklich betriebene innere Kolonisation, derart hinzuwirken, daßdie Deckung des heimischen Fleischbedarfs durch die deutsche Vieh-zucht möglichst gesichert wird?Der preußische Finanzminister erläßt im„ReichSanzeiger" jetztdie näheren Ausführungsbestimmungen über Stundung und dieteilweise Rückerstattung des Zolls für den Bezug ausländischenFleisches durch die GemeindeteOberbürgermeister zur Fleischteueruug.Der„Stadt-Anzeiger" zur.Kölnischen Zeitung" hat eine Um-frage bei deutschen Oberbürgermeistern veranstaltet. AuS den Antworten geben wir folgende Stellen wieder: Dem OberbürgermeisterG ö b e l(Heilbronn) gehen die Maßregeln der Reichsregierung nichtweit genug; insbesondere sollte ausländisches Gefrierfleisch zu-gelassen werden.— Oberbürgermeister L ü b k e(Homburg) hält dieOeffnung der Grenzen zur Einführung von lebendem Vieh undgefrorenem Fleisch und die Herabseyung der Zölle für Futtermittelfür unbedingt erforderlich.— Oberbürgermeister Siegrist(Karls-ruhe) sagt: Es bleibt nichts übrig. als dem Bei-spiele Englands und der Schweiz folgend, billiges überseeischesFleisch in Massen einzuführen. Auf die Dauer wird es einfach unmöglich sein, der deutschen Bevölkerung dieses Nahrungsmittelvorzuenthalten. Eine Schädigung der deutschen Landwirtschaft wirddaraus ebenso wenig entspringen, wie sie in England eingetreten ist,wo im Gegenteil—die ewbeiimschs Biehproduktion nach Einführungdes überseeiichen Gefrierfleische« einen großen Ausschwung genommenhat Wenn aber die deutsche Landwirtschaft in Friedenszeitennicht imstande ist, die deutsche Bevölkerung bei erträglichenPreisen mit Fleisckinahrung zu versehen, wie soll ihr diesin Kriegszeiten möglich sein, wo doch der größte Teil auchihrer Arbeitskräfte unter die Fahnen gerufen, wo ein großer Teilihrer Zugtiere und ihres Nutzviehs vom Heer in Anspruchgenommen wird?— Oberbürgermeister Voigt(Frankfurt a. M.)hält die Regierungsmaßnahmen völlig ungenügend und als eineVerlegenheitsmaßregel, die die Städte wegen der Einfuhrbeschränkungund da die Erleichterungen nur vorübergehende Maßnahmen seinsollen, gar nicht ausgiebig durchführen können.— OberbürgermeisterDr. W i lm s(Posen):„Die Wirkungen der Regierungsmaßnahmenwird man abzuwarten haben. Vor allem müssen'sie sofort in Kraftgesetzt werden. Die Euischließungen der Regierung in so wichtigenvollswirtschaftlichen Fragen sollten schneller erfolgen."Außer der Regierung findet sich kein Mensch, der mit jenenMaßnahmen zufrieden wäre. Rur preußische Ministerautokratie kanntrotzdem die Beschlüsse sür unfehlbar hallen und eine wirkliche Hilfeablehnen.Auch die Metzgcrmcister in Köln streiken.Bürgerliche Blätter berichten aus Köln:„Das von der StadtKöln bezogene dänische Fleisch konnte nicht an die hiesigen Metzger-meister abgesetzt werden, weil es an Nachfrage fehlte. Das Fleischhängt noch in der Kühthalle. Gestern hat die Stadtverwaltung dasdänische Fleisch, das ihr selbst über 70 Pf. kostet, zu öS Pf. angeboten, aber eS fand sich nur ein Reflektant, der 67 Pf. bot, woraufdie Stadt nicht«inging. Jetzt soll das Fleisch auf der Freibank ver-kauft werden. Die Ochseninetzgerinnung will sich beschwerdeführendan den Regierungspräsidenten wenden, weil eS nach ihrer Ansichtgesetzlich unstatthaft ist, dieses Fleisch auf der Freibank zu verkaufen,da nach dem Fleischbeichaugesetz die Freibank nur für den Berkaufminderwertigen Fleisches bestimmt ist". Man sieht auch an diesemBeispiel, wie notwendig eS ist, daß die Städte von vornherein denstädtischen Fleiichverkauf vorsehen, damit sie nicht von der Gnade derMetzger abhängig sind.Protestversammlunge«.In Niederschönhausen referierte in einer öffentlichenFraucnversainmlung am 21� d. M. die Genossin Elisabeth Röhl.Neukölln, über das Thema.Die Hausfrauen und Mütter im Kampfegegen die Teuerung". Der Erfolg waren auch hier mehrere Neu-aufnahmen.In einer gutbesiichten Frauenversammlung zu Borsigwaldereferierte Genaifin Böhm- Schiich über das gleiche Thema.' Dietrefflichen Aiissührimgen der Referenlin bewirkten, daß 22 Frauender Partei beitraten.__politifcbc(leberNckt.Berlin, den 23. Oktober 1912.Kleine Vorlagen.Da§ Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am Mittwoch mitkleinen Vorlagen, die teiliveise bereits vom Herrenhanse er-ledigt sind. Der Entwurf eines Rawagesetzes nebst demEntwurf eines Entwässerungsgesetzes für daslinksniederrheinische Industriegebiet wurdeneiner Kommission von 21 Mitgliedern überiviesen. Aus derDebatte ist besonders hervorzuheben die Rede unseres GenossenLiebknecht, der im Gegensatz zu der Selbstgefälligkeit, mit derdie Vertreter der bürgerlichen Parteien und der Regierungdie Vorlagen anpriesen, scharfe Kritik an der rheinischen Groß-Industrie übte, die ohne jede Riicksicht auf das Gemeinwohlund die öffentlichen sanitären Interessen ihre Abivässer inöffentliche Flußläufe abgeleitet hat.Der Gesetzentwurf betr. Abänderung der rheinkschen Zu-sammenlegungs- und Gemeinheitsteilungsgesetze, der dieWiederkehr von Hochwasserschäden in der Rheinprovinz ver-hindern soll, ging an die Gemeindekommission, der Gesetz-entwurf betr. Dienstverhältnisse der Beamten der Amtsanwalt-schaft, der die Bestimmung beseitigen soll, daß die etatsmäßigenAmtsanwälte auf Widerruf anzustellen sind, an die Justiz-kommission.Hierauf erledigte das Haus noch eine größere Reihe vonPetitionen ohne besonderes Allgemeininteresse.Der Donnerstag bleibt sitzungsfrei, damit die FraktionenZeit zu Vorbesprechungen haben. Am Freitag werden nachder Präsidentenwahl die Interpellationen über die Fleisch-teuerung besprochen werden._Zur Präsidentenwahl.In der konservativen Fraktion scheinen die Befürworter derProvokationstaktik gegenüber den Sozialdemokraten für diesmalunterlegen zu fein. Der schneidige Herr von Branden st ein.der bisher die meiste Aussicht hatte, Präsident zu werden, wird vonseinen eigenen Freundet, preisgegeben. Statt seiner werden dieKonservativen den früheren Reichstagspräfidenten Graf Schwerin»Löwitz präsentieren, dessen Amtsführung in dem allerdings ganzanders zuiammengesetzten Reichstag nicht dafür spricht, daß er fürseine Person konfliktslüstern ist. Als ein erfreuliches Zeichen der zu»nehmenden Einsicht der Konservativen ist eS zu betrachten, daß sieunserer Fraktion von ihrer Absicht, den Grafen Schwerin-Löwitz vor-zuschlagen, offiziell Kenntnis gegeben haben. Unsere Genossenwerden sich zwar an der Wahl nicht beteiligen, sie werden aber auchgegen eine von anderer Seite etwa vorgeschlagene Wahl durchAkklamation keinen Einspruch erheben und haben diesen Beschluß denKonservativen mitgeteilt._Das korrigierte Glück des Ffreisinns!In tödlicher Verlegenheit über die von uns auS demWahlprotest und den Beschlüssen der Wahlprüfungskommissionveröffentlichten, für den Freisinn so peinlichen Tatsachen läßtsich die„Freisinnige Zeitung" dazu verführen, allerhandneue Unwahrheiten aufs Tapet zu bringen. Daß dieStreichung der 41b Wähler unter so eigenartigen Umständendie Wählerlisten ungültig macht, weiß man sehrgenau. Darum und um einer großen Zahl von Wählerndas Wahlrecht zu rauben, legte Herr Kaempf, wie er selbermitgeteilt, auf Veranlassung seiner Freunde das Mandatnieder. Wäre eine Ungültigkeitserklärung erfolgt»dann hätten, selbst wenn in diesem Jahre gewählt wordeniväre, neue Listen aufgestellt werden müssen.Da nach alten Listen gewählt wird, kann man jedenfalls einegroße Zahl von A r b e i t e r w ä h l e rn. die mittlerweileverzogen sind, nicht mehr auffinden, so daß sie, obwohl voll-berechtigt, doch an der Wahl nicht teilnehmen können. Sospekuliert der Freisinn I Weiter verhindert die Wahl nach denalten Listen, daß die inzwischen Zugezogenen sichan der Wahl beteiligen können. So raubt der Frei-sinn bewußt, nach einem überlegten Planeeiner großen Zahl Wähler daS vornehmsteStaatsbürgerrecht! Als der„Vorwärts" EndeM a i dieses Jahres darauf hinwies, daß der Freisinn es ausVorsicht nicht zu einer Ungültigkeitserklärung kommen lassenwürde, schrieb die„Freistmiige Zeltung"— 26. Mai:„Es ist. daher auch eitles Z e i t u n g S g e s ch w ä tz, demder„Vorwärts" lieber nicht Ratmi geben sollte, wenn davonfabuliert wird, daß die Fortschrittliche Volkspartei durch irgendwelchen Trick die amtlichen Feststellungen ver-hindern wolle."Was sagt die„Freisinnige Zeitung" nun? Ja, nun be-hauptet sie, die Streichung der 415 Wähler sei erfolgt, weilihre Eintragung zuunrecht durch die Sozialdemokratie veranlaßt worden sei. Demgegenüber sei konstatiert, daß es sichum Wähler handelt, die ordnungsgemäß amtlicheingetragen worden waren, nachher aber wider-rechtlich amtlich g e st r i ch e n worden sind. Möchte die„Freisinnige Zeitung" nicht vielleicht behaupten, der freisinnigeMagistrat habe die Streichung nach Schluß der Wählerlistenauf Veranlassung der Sozialdemokratie vorgenommen? Nachden bisherigen Leistungen der„Freisinnigen" brauchte mansich auch über eine solche Leistung nicht zu wunderte Viel-leicht hören wir auch noch von der„Freisinnigen Zeitung",daß der Magistratsbeanite, der, obwohl er bereits im April1911 aus Berlin I verzogen war, in der Wählerliste stand,nicht gestrichen wurde und sein Wahlrecht ausübte.Bewunderungswert ist der feine Spürsinn der Freisinnigen.Einige Tage vor der M a n d a t s n i e d e r l e g u n gließ Herr Kaempf in der Presse mitteilen, er habe inder Angelegenheit nock keinen Entscheid getroffen.Die Parteileitung wußte, daß Herr Kaempf sich bald ent-schließen werde und wie er sich entschließen würde. Ja. mankatmte zu dieser Zeit sogar schon den amtlich fest-gesetzten Wahltermin, denn man hatte damals be-reits die Lokale für die Versammlungen am4. und 5. November f e st g e m a ch t l Die so bekundeteGabe der Vorausahnimg macht es auch verständlich» daß manbei den beregten Streichungen solche Personen traf, von denenman annehmen durfte, sie würden sozialdemokratisch wählen.Ausdrücklich wollen wir noch einmal betonen, daß es sich umLeute handelte, die noch am Wahltage in Berlin I wohntenoder aber während der Aufstellung der Wählerlisten hier eineWohnung hatten. In beträchtlichem Maße kommen daHausdiener. Kellner und sonstige G a st w i r t s-angestellte in Betracht. Man merkt, der Freisinn warbei allen diesen mysteriösen Vorgängen— oder waren eskeine mysteriösen?— vom Glück begünstigt. Und vomkorrigierten Glück erhofft er auch diesmal den Sieg!Post-Hcuchelei.Die Anfrage der freikouservaiiven.Post", ob jemals frei-konservative Parteimitglieder um sozialdemokratische Hilfe geworbenhaben, ist eine Dreistigkeit, die dicsei Partei um so schiechter ansteht,weit sie gar keine Organisation und vielleicht mehr Abgeordnete hatals im Lande Parteimitglieder. Die Anfrage ist auch nichts weiterals ei» Bluff, denn über die Vorgänge der so lächerlich kleinenPartei mutz die„Post" genügend unterrichtet sein. Sie nmtz daherauch wissen, was der preutziscve Landtagsabgeordncte Spinzig imWahlkreise Klansthal-Zellerfetd im Jahre 1008 bei der Landtagswahlgeleistet hat..>In Klausthal- Zellerfeld war der jetzt in der Versenkung ver»schwundene Reichstagsabgeordnete Külle 1908 bestrebt, ein Mandatzum Landtage zu erhalten. Die Nationalliberalen stellten als Land»ragskandidaten den Bcrginspektor Spinzig auf, der darauf er-klärte, sich der s r e i k o n s e r V a t i v e n Partei anzuschlictzen. Aufdieie Weise entstehen übrigens auch sonst freikonservative Ab-geordnete. Nach der Wahlmännerwahl war eS sehr zweifelhaft, werdie Mehrzahl der Stimmen erhalten würde, Kölle oder Spinzig. Im