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ihnen vorgeseHt wird, has schlucken sie unk» man kann ihnen schon etwas zutrauen, denn sie haben einen guten Magen. Ihre ..Redaktcure" so nennen sich diese Quintaner geraten manch- mal in eine Augustinusvereinsversammlung und bringen dann einige Kraftausdrücke gegen dieQuertreiber" mit heim, die sie auch wohl verwenden, wenn es ihnen einmal gelingt, einen Artikel zusammenzubringen. Sonst sind sie brav und unschädlich; dafür sorgt schon der Herr Pfarrer." Miftlungene Ausflüchte. Die«Post' führt als Beweis gegen die Behauptung, dah auch Freikonlervative den Weg zur Sozialdemokratie gefunden, an, das; Graf Bernstorff in Lauenburg 1886 nur nationalliberaler Sammelkandidat gewesen ist und daß AmtSgerichtSrat Franke vielleicht ein National- liberaler gewesen sei. Zunächst muß doch festgestellt werden, daß die Konservativen in Lauenburg tatsächlich Freikonservative sind. Alle in Lauenburg gewählten konservaliven Reichstagsabgeordneten schlössen sich der freikonservativen Fraktion an, 1367 v. Bülow, 1884 Herbert Bismarck und später Graf Bernstorff . Es war diese Partei auch kein Gemisch von Nationalliberalen, Freikonservativen und Konservativen, denn die liberalen Kandidaten, z.. B. Wulff, Krüger, Dr. Hammacher und Westphal waren Nationalliberale. Und gerade in der Agitation gegen den Nationalliberalen fanden die Freikonservativen zum ersten Male den Weg zur Sozialdemokratie. Der Abgeordnete des Kreises, der nationalliberale Finanzrat Krüger, war 1885 zum Pcovinzialsteuerdireklor ernannt. Am 26. Juli fand eine Nachwahl statt. Bei dieser Nachwahl erhielten Graf Bernstorff (Np.) 1755, Krüger snatl.) 1686 und Finn iSoz.) 1670 Stimmen. Vor der Stichwahl sollten im ganzen Kreise die Sozialdemokraten Stellung zur Stichwahl nehmen. Für Sonnabend war die Versammlung in Lauenburg , für Sonntag in Möllen , Natzeburg und einigen anderen Orten angesetzt. Plötzlich wurden das sozialdemokratische Wahlkomitee und die für Sonnabend angezeigten Redner eingeladen, am Sonnabendnachmiltag im Warte- saal 2. Klaffe in Blichen zu erscheinen. Dort trafen unsere Gc- «offen den Grafen Bernstorff und eine Anzahl anderer Herren, die ihnen als Mitglieder des WahlkomiteeS der Freikonfervativen vor« gestellt wurden. Man sagte ihnen, daß sie doch für den Grafen Bernstorff eintreten müßten. Die Nationalliberalen seien Vertreter des Mancheslertums. Wohin diese Politik führe, das habe der Gründerkrach bewiesen. Gras Bernstorff hielt dann eine sehr arbeiterfreundliche Rede. Schließlich sagte ein Herr des Komitees:«Wenn Sie für Graf Bernstorff eintreten und er gewählt wird, dann wird man Ihnen die sämtlichen Wahlunkosten ersetzen." Die Sozialdemokraten gingen nicht auf den Leim. Man gab als Parole aus, bei der Stichwahl nur weiße Zettel abzugeben oder gegnerische Stinmizettel durch Hinzuschreiben von anderen Namen ungültig zu machen. Es wurden dann auch zirka 666 ungültige Stimmzettel abgegeben, und Graf Bernstorff, der«nationale Sammelkandidat", unterlag dem nationalliberalen Krüger._ Zwei konservative Politiker gestorben. Der frühere konservative preußische Landtagsabgeordnete Pro- frffor Dr. Bernhard Jr m er ist in Greifswald gestorben. Jrmer rst 62 Jahre alt geworden. Er war bis zum Jahre 1893 Profeffor an dem Königistädtischen Gymnasiuin, in Berlin . Zu Beginn der Stöckersche« christlich'ozialen Bewegung schloß er sich dieser an. in der HoHnung, durch sie nach oben getragen zu werdem Er wurde auch in das Berliner Stadtverordnctenkolleg-ium gewählt und über­nahm da die Führung der sogenannten Bürgerpartei, brachte es aber viel weiter als er je gehofft, denn« er zag nicht nur als Vertreter von Qbcrbarnim in den preußischen Landtag eitt. er wurde 1898 sogar in das Kultusministerium gerufen, um dort eine äußerst roaktiowäre Haltung einzunehmen!. Dann stolperte er über die Kanalvorlage. Einer der heftigsten. Heißsporne der Konservativen, stimmte er mit den Landräten gegen das Regierungsprojekt und wurde dafür zwangsweise aus dem Kultusministerium hinausbefördert. 1966 erhielt er schließlich als einer der letzten Kanalrebellen auch seinen TrostPosten. er wurde zum Kurator der Universität Greifswald er- nannt. Politisch ist er seitdem nicht mehr hervorgetreten. Der andere konservative Politiker, den der Tod ereilte, ist der bekannte Sckiarfnmchcr im Baugewerbe, Bernhard F e l i s ch, der als konservativer Abgeordneter, auch dem preußischen Landtag angehörte. Feilsch ist weniger als Politiker wie als Gegner der Arbeiter, ins- besondere der Bauarbeiter, hervorgetreten. In all den großen Kämpfen, die das Baugewerbe gegen die Unternehmer auszufechten hatte, spielte Fclisch insofern eine unheilvolle Rolle, als er gegen jede verständige Einigung wirkte. In den letzten Jahren war er, der 73 Jahre alt geworden, ist, etwas zurückgedrängt worden, und seitdem war es auch eher möglich, Verständigungen zwischen Arbei- tcrn und Unternehmern im Baugewerbe zu treffen. Felisch vertrat im preußischen Landtage den Wahlkreis Teltow . Der Balkankrieg vor der Bayerischen Kammer. In der bayerischen Kammer fand Freitag die Verhand- lnng der Interpellation unserer bayerischen Genossen über die Einberufung des Bundesratsausschusses für auswärtige An- gelegenheitm statt. In der Begründung führte Genosse Adolf Müller unter anderem aus:. Die erste Meldung des Münchener Regierungsorgans, daß Herr v. H e r t I i n g bereits Schritte getan hätte, um die Ein- berufung des Auswärtigen Ausschusses zu veranlassen, ibeftätigle sich nicht. Wir verfolgen mit unserer Interpellation lediglich den Zweck, der Beruhigung des deutschen Volkes und der Erhaltung desWeltfriedens zu dienen. Wir erwarten, daß der Minister» Präsident jetzt, wo er in der Lage dazu ist, die Konsequenzen aus seinen früheren Handlungen zu ziehen, die geeigneten Schritte unternimmt, damit im Deutschen ReichSiagc vor dem ganzen Volke klarer die Lebensfrage unseres Volkes, die Not- wcndigkeit der Erhaltung des Friedens, erörtert werden kann, nachdem es nicht gelungen ist, den Ausbruch des den Weltfrieden bsdrobenden und nach der Meinung der sehr bedächtig urteilendenKölnischen Volkszeitung" von Rußland angezettelten Balkankrieges zu verhindern. Zum mindesten hätte der Aus- wärtige Ausschuß einberufen wenden müssen. Einem Staatsmann, der an der Spitze des zweitgrößten Bundesstaates steht, kann cS doch nicht genügen, aus den Berliner Telegrammen post lestum zu erfahren. Was durch die Zeitungen längst bekannt ist. Wenn in den Zeiten so ungeheurer politischer Spannung dieser Ausschuß seine Aufgabe nicht erfüllt, wenn in der kritischsten Periode, die das Reich seit seinem Bestehen erlebt, dieses von der Reichsverfassung gewährleistete Instrument unbenutzt bleibt, dann allerdings wird die Bcruhigungsarbeit der ernsthaften Presse ver- gebliche Mühe bleiben. Redner gibt>dann Informationen wieder, die darlegen, welche schweren Schädigungen die deutsche Volkswirtschaft schon jetzt erlitten hat, unter denen zunächst die Arbeiter leiden. Die modern organi« sierte Arbeiterschaft aller Kulturländer hat aus Abscheu vor dem Massenmord in der entschiedensten Weise für Er- haltungdes Weltfriedens demonstriert. Unsere Freunde im österreichischen Abgeordnetenhaus verlangen soeben Auskunft, ob die Regierung geneigt sei, durch Nichteinmischung in den Balkan - krieg den Frieden für Oesterreick zu sichern. Leider wirken imperia- listische und kriegshetzerische Kräfte dein entgegen. Dankbar ist es anzuerkennen, daß der französische Staatsmann Poinaie fach mit Eifer und Geschick bemühte, an der Dämpfung der Balkan - tvirren mitzuwirken. Der Redner schließt: AuS der Form und dem Inhalt feiner Begründung werde man entnommen hoben, daß unZ lobe agitatorische Nebenabsicht bei dieser Interpellation gefehlt hat. Dies noch einmal zu betonen, halte ich für notwendig angesichts des nervösen Umsturzgeschreis und der überspannten Bekämpfung der Sozialdemokratie, wie sie nun auch in Bayern Mode geworden ist. Wir haben das Recht, im Namen des Vaterlandes zu fovdern, daß alles darangesetzt wird, einen Krieg zu vermeiden, der angesichts der Wirtschaftlichen und industriellen Verhältnisse und im Hinblick auf die durch unsere verfehlte innere Politik schon in Friedenszeiten schwierige Ernährung des deutschen Volkes zu einer, uwge- heuren Katastrophe führen muß. Ministerpräsident Freiherr v. Hertling erklärte, die bayerische Regierung habe in der gegenwärtigen Zeit, in der äußerste Zurück- Haltung geboten sei, keinen Anlaß gefunden, die Einberufung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten zu verlangen. Es widerspreche dein Bundesgcidanten, bei joder Gelegenheit immer ? seich die Einberufung des Ausschusses fordern zu wollen. Ebenso prach sich der klerikale Minister gegen die Einberufung des Reichs- tags aus. Man könne, erklärte er zum Schluß, das volle Ver- trauen haben, daß das Deutsche Reich sein Gewicht an Macht und Einfluß nie vergebens in die Wagschale des Friedens logen werde, an dessen Aufrechterhaltung alle Großmächte übereinstimmend das größte Interesse hätten. In seiner von Müller zitierten. Rede im Reichstage ha'be er auch geäußert, daß bei Besprechung äußerer Angelegenheiten innere Zwistigkeiten zurückzutreten hätten. Wenn bei der Begründung der Interpellation hervorgehoben worden ist, daß den Interpellanten jode agitatorische Wsicht ferngelegen habe, so wüvde er das, sofern darin eine Anerkennung seines damaligen Ausspruches liege, mit großer Befriediguug begrüßen. Für das Zentrum erklärte sein Vorsitzender Lern», die Ant- wort des Ministers sei erschöpfend und befriedigend. Mehr brauche man gegenwärtig nicht zu sagen, da wir keine Zeit haben, weil nämlich das Zentrum in der nächsten Woche nach Hause gehen will. Der Liberale Cassclmann erklärte die Gründe für die Nicht- einberufung des Auswärtigen Ausschusses für nicht stichhaltig und betonte die Friedenslieb« des deutschen Volkes. Genosse Adolf Müller will aus die Ausführungen Hertlings und die darin enthaltenen Widersprüche nicht näher eingehen, um den Wert der beruhigenden Erklärung nicht abzuschwächen. Nur dagegen will er Verwahrung einlegen, daß der Minister die einzige Errungenschaft der Verträge von 1876, den Diplomatischen Aus- schuß, vollständig preisgegeben hat. So geht in Bayern das eine nach dem andern hin. Damit ist die Besprechung der Interpellation erledigt. Vorher wurde das Budget gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Der Hunger vor Gericht. Das Schwurgericht in Konstanz verurteilte den 62jährigen Ge- meinderechner Ortlieb wegen Unterschlagung von 836 M, Gemeinde» geldern zu 6 Monaten Gefängnis. Der Angeklagte war»eben seiner Tätigkeit als Gemeinderechner noch Fleisckbcschauer, Desinfektor, Leichcnbeschauer, Holzhauer und Steinklopfer und bezog für alles zusammen das erbärmliche Gehalt von jährlich 466 M, Das reichte natürlich zum Lebensunterhalt nicht, und so vergriff sich Ortlieb an den Gemeindegeldern. Vor Gericht wurde konstatiert, daß der Angeklagte infolge des ständigen Hungers krank geworden sei; der geladene Bezirksarzt Dr. Staatsmann nannte ihn ein menschliches Wrack. Der Mißerfolg der Ansiedelung von Landarbeitern. Die Ostprcußische Landgesellschaft in Königsberg gibt soeben ihren Bericht über ihre Besiedelungstätigkeit heraus. In dem Be- richt wird vor allem konstatiert, daß die Güterpreise wiederum stark in die Höhe getrieben worden seien� und daß ein Stillstand auch trotz der nicht genügenden Erntedcrhältniss« nicht zu erwarten sei. Da die Ansiedl er das Bestreben haben, ihre Stellen mit Ge- W i n n z u verkaufen, um größere Grundstück« zu'erwerben, so hat die Oftpreußische Landgvsellschaft, wie sie mitteilt, zur Er- schwerung des Besitzwechsels nachträglich für sich das Recht festgelegt, im Verkaufssalle die für sie eingetragene und im übrigen zehn Jahre unkündbare Resthypothek sofort fällig zu machen- Von diesem Recht ist in den meisten Besitzwechselfällen Gebrauch gemacht worden. Im letzten Geschäftsjahre sind auf diese Weise insgesamt 81 683 M. an Resthtzpotheken an die Landgesellschaft zurückgeflossen. Angekauft wurden im Berichtsjahre zehn Grundstücke in der Größe von zu- sammen 2335,33 Hektar zu einem Gesamtkaufpreis von 3 316 595 M. Der Durchschnittskaufpreis beträgt für den Hektar 1176 M. gegen 1087 M. im Vorjahre. Im Berichtsjahre wurden 225 Ansiedler an- gesetzt. Insgesamt hat die Landgesellschast bis zum 1. April 1912 1616 Ansiedler auf 14 791,25 Hektar angesetzt. Es sind gebildet worden: 28 Proz. Arbeiter- und Handwerker- stellen mit einein Besitz bis 2,5 Hektar, 63 Proz. Kleinbauerstellen mit Besitz zu 25 Hektar und 9 Proz. Grohbouernstellen und Rest- gütern, deren Größe über 25 Hektar hinausgeht. Diese Austeilung beweist, wie gering bisher der Erfolg der Ansiedelung von Arbeitern ist. Im wesenllichen sind Bauern angesetzt worden. Ganz und gar hat die Arbeiteransiedlung der KreiSkom-munalverbände Fiasko er- litten. Der Bericht der Landgesellschaft sagt, diese Ansiedelung nehme leider nicht den erhofften Fortschritt, da die Besetzung der Arbeiter- steelln andauernd die größten, Schwierigkeiten mache. Mehrere Kreise wurden die bebauten Stellen trotz der grötßen Bemühungen, nicht los- Man könne sich daher nicht wundern, daß sie den Mut zur Wciterarbeit auf diesem Gebiet verloren hätten. Bis jetzt hätten die Kreise von 66 ausgelegten Stellen 39 verkauft. Von den verkauften 39 Stellen sei bei sieben das Verfahren soweit abgeschlossen, daß die Staatsbeihilfe durch den Oberpräsident, en ausgezahlt werden könnte. Es soll nun noch der Versuch gemacht werden, KlcinsiedelungSgesell- schaffen zu bilden um zu sehen, ob mit diesen die Arbeiteransiede- lung in flotteren Gang gebracht werden kann. Aus diesen Mitteilungen ist ersichtlich, daß sich auch die ostelbi- schen Landarbeiter scheuen das Joch der modernen Hörigkeit auf sich zu nehmen. General Keim, der Macher de? neuen Wehrvereins, hat kürzlich einen Werbeaufruf erlassen, an dem er indessen in den eigenen Kreisen wenig Freude erlebt In dem Keimschen Elaborat kam die schöne Stelle vor: Für einen deutschen Mann sollte es keine höhere Auszeichnung geben, als gedient zu haben; auch in der st a a t s b ü r g e r- tichen Stellung des Einzelnen sollte das zur Geltung kommen. Der Wehrverein siebt es als seine Aufgabe an, solche Ge- sinmmg zu pflegen und zu verbreiten." Gegen diese allpreußische Bevorzugung deS Kommißwesens protestiert ein Lehrer des in Siegen erscheinenden«christlichen" Blaites«Das Volk". Er bezeichnete sich als Theologe und meint, der Aufruf bedeute gerade für ihn eine schwere Beleidigung, er habe früher immer am Sedanfeste eine schmetternde Kaiserrede gehalten und könnte natürlich das jetzt nicht mehr t u n. Was bedeute denn der Aufruf? Aladcm ker, die, wenn sie nicht gerade geistig minderwertig sind, eo ipso patriotisch gesinnt sind, sollen, wenn sie zufällig nicht gedient haben, Menschen zweiter Klasse sein, Sozialisten dagegen, die gezwun-gen Soldat waren, Menschen erster Klasselll" DasVolk", daS diese Entrüstungskundgebung abdruckt, bemerkt dazu, der Aufruf entstamme der Feder des Generals Keim, dem wohl zu empfehlen sei. in Zukunft solche beleidigenden Ent- g l e i s u n g e n zu vermeiden. Der geistig vollwertige Akademiker scheint des Generals Keim würdig zu sein, wenigstens mit seinem Sozialistenhaß. Kein Akademiker, der so ipso Patriot ist, hat das Recht, sich über Sozial- demokralcn zu erheben; vielmehr wird jeder Werkmeister einer Fabrik und jeder Hauptmann einer Kompagnie gern bestätigen, daß die Sozialdemokraten überall die geistig regsamsten Staatsbürger sind. , Rekruten-Selbstmord. Anfangs boriger Woche sind die neuen Mannschaften eingekleidet worden, und schon am Sonntagabend hat sich in Erfurt ein Rekrut der 2. Batterie deS 19. ArtillcrieregimentS, ein wohlhabender Bauernsohu, auf entsetzliche Weise selbst gelötet. Er schnilt sich mit einem Messer die Pulsadern an beiden Händen aus und brachte sich eine schwere Wunde am Halse bei. Nack kurzer Zeit war der junge Mann, der sich freiwillig zum Militär gemeldet harte, eine Leiche. Ueber die Ursache zum Selbstmord verlmllet nichts. Unserem Erfurter Parieiblatte wird zlvar berichtet, daß die jungen Soldaten schon gleich von Anfang an tüchtig angestrengt werden, und auch am Sonntag seien sie so stark beschäftigt gewesen, daß sie kaum Zeit zum Essen gefunden hätten. Indessen ist wohl kaum anzunehmen, daß die Anforderungen schon so unerträglich waren, daß sie Ursache zum Selbstmord gaben. Kampftage in R-ußlanck. Die Wahlkampagne in Rußland nähert sich ihrem Höhepunkte, und immer deutlicher tritt aus den bruchstück- artigen Mitteilungen über den Verlauf des langwierigen, vielstufigen Wahlprozesses die Tatsache hervor, daß sogar das Schandgesetz vom 16. Juni 1967 machtlos ist, die Mobilisation der demokratischen Kräfte aufzuhalten. Selbst dieNowoje Wremja" hat kürzlich eingestehen müssen, daß die jetzigen Dumawahlen, ungeachtet des bestehenden� Wahlgesetzes, eine Volksvertretung nach dem Muster der ersten oder der zweiten Duma geliefert hätten, wenn nicht die Geistlichkeit auf Befehl des Oberprokurators des heiligen Synods in geschlossc- neu Reihen an die Wahlurnen niarschiert wäre. Hält man diese Meinung sogar für etwas übertrieben, so muß dennoch festgestellt werden, daß das Votum der breiten Wählermassen sich trotz des oktroyierten Wahlgesetzes, trotz der Fallgruben der Wahli.erläuterungen" und Wahlfälschungen unzweideutig gegen das herrschende Regierungssystem ausgesprochen hat. Den besten Beweis dafür liefert der Ausgang der Wahl« männerwahlen, die jetzt in den meisten Gouvernements schon abgeschlossen sind. Die Arbeiter haben durchweg sozialdemo- kratisch, die Städte liberal und sozialdemokratisch, die Grund» besitzer fast durchweg konservativ gewählt. Unklar ist die Zu« sammensetzung der bäuerlichen Wahlmänner, die sich unter dem Druck der Administrationparteilos",gemäßigt" usw. nennen. Aber schon die Tatsache, daß die Reaktionäre keine sonderliche Freude über den Ausgang der Bauernwahlen zur Schau tragen, und daß 4656 Proz. der bäuerlichen Bevollmächtigten aus den dörflichen Amtspersonen bestehen, die zur junkerlichen Gefolgschaft direkt gepreßt werden, spricht eine deutliche Sprache über die wahre Stimmung der Bauern- schafft Eine ungemein schmähliche Rolle bei den jetzigen Wahlen spielt die Geistlichkeit, die aus Befehl ihrer obersten Behörde ausgerückt ist, um durch Zurückdrängung der Klein- gruudbesitzer eine ausschlaggebende Stellung in den Wahl- männerversammlungen einzunehmen und die bedrohten Man- date für die sckMärzeste Reaktion zu retten. Jetzt, nach dem Abschluß der Wahlmännerwahlen treten die Absichten der klerikalen Wahlstrategen deutlich hervor. Die Geistlichen bil- den ungefähr 15 Proz. sämtlicher Wahlmänner und sind dahin instruiert, den zu wählen, den die Administration ihnen vorschreiben tvird. Es würde zu weit gehen, wollte man auf die schanilose Beeinflussung der Geistlichen durch die vor- gesetzten Behörden näher eingehen. Es genüge der Hinweis, daß die gesamte russische Presse darin einig ist, die Rolle der Geistlichkeit bei den Wahlen als die des S t i m m v i e h s zu bezeichnen. In einzelnen Gouvernements revoltieren sogar die Junker gegen die Uebermacht der Popen, die bei ihrer Wahlstrategic den Sonderzweck verfolgen, selbst die Kandi- daten der Regieruirgspartcicn in klerikalem Sinne zu bcein« flussen, d. h. sie für die unersättlichen Appetite der heiligen Väterchen gefügig zu machen. Die Wählerschaft in den Städten zeigt einen unverkenn- baren Ruck nach links. Das geht weniger daraus her- vor, daß die städtischen Wahlinännerwahlen eine überwiegende oppositionelle Mehrheit(58 Proz. in der ersten und 73 Proz. in der zweiten Kurie) ergeben haben, als aus der nicht hoch genug zu veranschlagenden Tatsache, daß die Sozialdemo- kratie selbst unter den städtischen Wählern, die sich zumeist aus der Bourgeoisie und Kleinbourgeoiste rekrutieren, den Liberalen erfolgreich Konkurrenz macht! Bis zum 21. Oktober hat die Sozialdemokratie in den städtischen Kurien zirka 66 Wahlmänner durchgebracht und befindet sich in einer ganzen Reihe von Gouvernements in recht aussichtsreicher Position für die Endwahlen. Sieht man aber auch von dem End- ergebnis ab, das infolge der ungeheuerlichen Wahlkassierun« gen der Regierung vorläufig noch unabsehbar ist. so sind die Erfolge der Sozialdemokratie in den Städten von enormer politischer Bedeutung. Einmal weisen sie darauf hin, daß die beträchtlichen Schichten der Angestellten endlich den Weg zu ihrer Klassenpartei gefunden haben, dann aber auch, daß zahlreiche Elemente des Bürgertums den Glauben an den Liberalismus verloren haben, und der konseguenten zielbewuß- ten Politik der äußersten Linken Gefolgschaft leisten. In welchem Maße der Prozeß der Radikalisierungides städtischen Bürgertums vorgeschritten ist, dürfte sich bei den bevor» stehenden Wahlen in den sieben größten Städten mit direkter Wahl noch deutlicher zeigen als bisher. Der Ausgang der Wahlinännerwahlen in der Arbeiter- kurie bestätigt die bei den UrWahlen ausgesprochene Ansicht, daß die Arbeiterkurie die Domäne der Sozialdemokratie dar­stellt. Mit geringen Ausnahmen sind aus diesen Wahlen Sozialdemokraten oderäußerste Linke" oderLinke" hervor- gegangen. Auch die Arbeiterkurie in Polen , wo die polnischen Nationaldemokraten unseren Genossen bisher erfolgreich Kon- kurrenz machten, ist diesmal mit einem Schlage erobert wor- den. Bemerkenswert hierbei ist, daß die Arbeiterbevollmäch- tigten in Marschall , ungeachtet der geringen Anzahl der jüdischen Bevollmächtigten, als einen ihrer drei Wahlmänner den jüdischen Arbeiter Josef Bronowsky wählten, um dadurch ihren Protest gegen die antisemitische Hetze der polnischen bür- gerlichen Parteien zum Ausdruck zu bringen. Am bedeutungsvollsten gestalten sich die Arbeiterwahlen in Petersburg . Unmittelbar vor der Wahlmännerwahl am 18. Oktober kassierte die Regierung aus einem nichtigen formalen Anlaß, der nicht einmal in dem herangezogenen Artikel des Wahlrcglements begründet ist, die UrWahlen in den größten Petersburger Betrieben. An Stelle von 185 Be- vollmächtigten wurden bloß 56 zum Wahlakt zugelassen. Diese wählten aus ihrer Mitte 6 Wahlmänner, sämtlich Sozial» demokraten, aber trotz dieses eindrucksvollen Votums der Ar« beiterbevollmächtigten, die sich durch den infamen Schlag der Regierung nicht desorganisieren ließen, war die Erregung in denkassierten" Betrieben so gewaltig, daß es schon am selben Tage zu Arbeitsein st ellun gen. Meetings und M a n i f e st a t i o n e n kam. Auf den Putilowwerken allein streikten 14666 Arbeiter, insgesamt dürften am 18. und 19. zirka 66666 Arbeiter gestreikt haben. Auf