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wagen überfahren und am Kopfe so schwer verletzt, daß er nach dem Krankenhanse Moabit gebracht werden mußte.-» Im Lause des Tages fanden acht Brände statt. Gevickiks-üeikung. G. Werbegericht. Kammer III. Vorsitzender: Assessor C U n o. Sitzung vom 3. November. 15 Töpfer klagen gegen den Bauunternehmer Röhn. Die Kläger , welche sich durch den Töpfer Carl Tbieme vertreten lassen, verlangen je 72 M. Lohnentschädigung wegen unrecht- niäßiger Entlassung und einzelne von ihnen außerdem noch kleinere Beträge für Akkordarbeiten, welche infolge der Entlassung liegen bleiben mußten. Wie durch die Verhandlung festge, teilt wurde, hat der Beklagte seiner Zeit mehrere Grundslücke an den Bauunternehmer Thrun verkauft, diesem die Baugelder besorgt und dieselben auch für ihn immer abgehoben aus Gefälligkeit, wie er sagt. Des ferneren hat er auch die Abschlüsse mit bestimmten Materialienfabrikanten veranlaßt Als die Baugelder im Gesammtbetrage von 130«ZOOM,nicht reichten", borgte Beklagter dem Thrun 4000 M., die als spätestens am 1. Oktober fällige Hypothek auf die noch unfertigen Gebäude eingetragen wurden. Die Gebäude wurden subhastirt und infolge dessen am 16. Oktober die Töpfer des angeblichen Töpfermeisters Saatz entlassen, indem ihm selbst die Arbeil entzogen würde. Herr Röhn bekam die Erlaubniß vom Administrator, weiter zu bauen. Saatz wurde nun wieder be- schäitigk und stellte hierauf seinerseits die meisten der entlassenen Tötsec wieder ein. Die Kläger arbeiteten zum größten 2 heil also thatsächlich für den Beklagten weiter, der nun ein direktes Abkommen mit Saatz getroffen hat, nachdem er ihm, demMeister", fürjedes Stück", groß oder klein, 23 M. zahlt. Zivei Wochen waren die Kläger ohne Arbeit. Trotz verschiedener Einwände des Beklagten, daß man ihn nicht hastbar machen könne für die inkorrekte Entlassng der Kläger , hielt ihn die Mehrheit des Gerichtshofes doch für den eigentlichen Bauherrn und verurtheilte ihn als solchen zur Zahlung von insgesammt 1000 M. Drei Stucklouster(Stuckateure, welche Marmorimitationen fertigen), klagen gegen den Bauunternehmer Liebig auf Zahlung eines Alkordrestcs. Liebig behauptet, die Kläger hätten die be- treffende Arbeit in Tagelohn gemacht. Ein von diesen vor- geschlagener Zeuge führt dem gegenüber einige Aeußerungen des Beklagten an, die derselbe in seinem Beisein gemacht hatte, und aus denen das Gericht entnahm, der behauptete Akkord habe in Wirklichkeit vorgelegen. Der Beklagte wurde infolge dessen zur Zahlung von je 37,13 M. an die Kläger verurtheilt. Kamm er I. Vorsitzender: Assessor Fürst. Sitzung vom 4. November. Tie Plätterin Visilowski verlangt von ihrer ehe- maligen Arbeitgeberin, der Frau Verlin, 5 M. rückständigen Lohn. Klägerin giebt an, von einem Sonnabend zum Sonntag Nachmittag für die Beklagte ununterbrochen Ihätig gewesen zu sein. Entgegen näheren Einwände» von feiten der Beklagten wurde dies durch eine Zeugin bestätigt. Jetzt will Beklagte gegen die Forderung der Klägerin kompensirt haben: ein Paar ver- brannte Strümpfe, Abendbrot(eine Schmalzstulle), 80 Pfennig, sür welche für alle beim Umzug(am Sonntag) betheiligt Gewesenen Schnaps gekauft wurde), warmes Mittagbrot am Sonnlag u. f. w. Beklagte wurde verurtheilt, die beanspruchte» 5 M. als angemessene Entschädigung sür die thatsächlich ge- leistete Sonnabendnacht- und Sonntagsarbeit zu zahlen. Mit ihren Kompcnsalionsansprüchen wurde sie abgewiesen, dieselben seien im Gewerbegerichtsverfahren zum größten Theil unzulässig und auch zu spät vorgebracht worden. Dem Zuschneider Schwipp war von seinem früheren Chef, dem Konfeklionssirmen-Jnhaber Großmann gekündigt, er aber noch vor Ablauf der vereinbarten monatlichen Kündigungsfrist ent- lassen worden. Statt der ihm angebotenen 154 M. verlangte er auf dem Klagewege sein Monatsgehalt von 210 M. Der Be- klagte erbrachte den Nachweis, daß sich der Kläger sofort nach der Entlassungselbständig" gemacht hatte und am zweiten Tage bereits an mehrere seiner(des Beklagten ) Kunden Geschäftskarten sandte. Der Vorsitzende ersuchte den Kläger , seine Forderung aus die anerkannten 154 M. zu ermäßigen, da durch die Zeugenaussagen erwiesen sei, daß er in der Zeit vom 22. bis Ende September, aus welche sich seine Forderung erstrecke, selbständiger Geschäfts- mann gewesen sei. Daß er in dieser Zeit noch nichts verdient hätte, komme nicht in Betracht; sür die Zeit seinerSelbständig- keil" könne er keine Lohnenlschädigung verlangen. Ter Kläger folgte diesem Ralhe und erklärte sich mit 154 M. als zufrieden- gestellt. Kammer VIII. Vorsitzender: Assessor Dr. Freund. Der Fensterputzer G. klagt auf Zahlung von 6 Mark, welche ihm von seinem vormaligen Arbeitgeber einbehalten worden ivaren. Gegen seine Klage erhebt der Vertreter des Beklagten den Einwand. Kläger habe dem Portier der Elektrizitätswerke einen Hut im Werths von 7,50 M. entwendet, wosür diesem ein Schadenersatz von 6 M. geleistet worden sei. Zur Vernehmung eines Zeugen war zum 4. November ein neuer Termin anberaumt worden, wozu weder der Kläger noch der Beklagte erschienen, nur der Zeuge kam, und dieser vermochte nichts von Belang auszusagen. Da somit der Beklagte den Beweis für die be- hauptete Berechtigung zu dem in Frage stehenden Lohnabzuge schuldig blieb, wurde er zur Zahlung der eingeklagten 6 M. ver- urlheilt. Wegen Verbreitung einer beschlagnahmten Druck- schrift bezw. Wiederabdrucks der die Beschlagnahme ver- anlassenden Stellen wurden gestern der Buchdruckereibesitzer und Verleger desVorwärts", Max Bading und der Buch- Handlungsgehilfe Held vor der II. Strafkammer hiesigen Land- gerichts I zurVerantwortnng gezogen. Es handelte sich um das von Max Kegel herausgegebeneSozialdemokratische Liederbuch", welches im Dietz'schen Verlage in Stuttgart im Jahre 189l er- schienen war. Dasselbe war im Dezember 1892 durch amtsgerichl- lichen Beschluß wegen zweier aufreizender Lieder beschlagnahmt worden. Eine spätere Auflage erschien ohne die beiden bean- standeten Lieder. Unterm 13. Juli er. hatte die I. Strafkammer des Landgerichts in einem Prozesse Veranlassung genommen, auch auf Unbrauchbarmachung einer ganzen Reihe von Liedern dieses Liederbuches zu erkennen. Die Angeklagten haben nun eine neue Auflage des Liederbuches verbreitet,»n welcher zwar die beiden erstgenannten Lieder nicht mehr, wohl aber die übrigen Lieder zu finden waren. Der Staatsanwalt beantragte wegen Verletzung des§ 23 des Preßgesetzes eine Strafe von je 150 M. Rechtsanwalt Freudenthal beantragte dagegen aus thalsächlichen und rechtlichen Gründen die Freisprechung. Die f. Z. beschlagnahmte Druckschrift sei lediglich das Lieder- buch aus dem Jahre 1891 gewesen; diese Druckschrift haben die Angeklagten weder verbreitet, noch aber die die Beschlagnahme veranlassenden Stellen abgedruckt. Das gerichtliche Erkenntniß vom 13. Juli spreche andererseits nur eineUnbrauchbarmachung" bestimmter Lieder aus; eine solche sei aber nicht gleichbedeutend mit einerBeschlagnahme". Der Gerichtshof folgte diesen Aus- sührungen und erkannte auf Freisprechung. Wie der Vorsitzende kund gab, hatte der Gerichtshof auch eine etwaige Aenderung dcS rechtlichen Gesichtspunktes im Sinne des ß 180(Ausreizung) erwogen, hat aber Mangels genügender subjektiver Momente hiervon Abstand genommen. Bemerkt sei, daß die Verlesung der inkriminirten Lieder unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfand. Wegen frivoler Verstöße gegen die anerkannten Regeln der Vankunst hatte sich gestern der Maurermeister Hyrommus Johann En gelmann aus Berlin vor der zweiten Strak- kaniiner am Landgericht II zu verantworten. Der Angeklagte führte in Deutsch-Wilmersdorf zwei Bauten auf, deren ver- antwortliche Leitung er zwar einem Polier übertragen hatte, die er aber selbst in seinem Sinne beeinflußte. Er traf An- Ordnungen, welche in allen und jeden Punkten von den bau- polizeilich genehmigten Zeichnungen abwichen und den Regeln der Baukunst geradezu Hohn sprechen. So setzte er im Parterre statt der vorgesehenen drei zweiunddreißigzölligen eisernen Träger nur einen einzigen zweiundzwanzigzölligen; da« gegen setzte er in der zweiten Etage wieder drei Träger, damit das unlere Mauerwerk in gefährlicher Weise belastend. Als er eines Tages seinen Polier Knall und Fall entließ, weil dieser Einwendungen gegen diese Art der Baupfuscherei machte, ging der Polier zum Amtsvorsteher und erstattete Anzeige. Der Amts- Vorsteher inhibirte den Bau und ließ denselben durch amtliche Sach- verständige untersuchen. Diese stellten denn auch die denkbar gröbsten Verstöße fest. Der Bau sollte ursprünglich ganz und gar abgetragen werden, es wurde aber doch schließlich nachgegeben, da durch nachträgliche Verbesserungen das Bauwerk erhalten blieb. Gegen die erhobene An- klage suchte sich der Angeklagte dadurch zu verwahren, daß er alle Schuld auf den Polier zu wälzen suchte, womit er freilich wenig Glück hatte, denn von den vier geladenen Sach- verständigen wurde nur einer, der Kreis-Bau-Jnspektor Dechow , vernommen, und was dieser deponirte, das reichte gerade hin, um dem Gerichtshofe ein Bild von horrender Pfuscherei zu geben. Nach den Bekundungen des Sachverständigen war der Mörtel von einer Beschaffenheit, daß man denselben mit einem Bleistifte aus den Fugen heraus kratzen konnte, ohne die Bleistiftspitze zu gefährden. Mörtel hat zwar der Angeklagten anfahren lassen, er muß denselben aber mit gewöhnlicher Baugruben- Erde und Wasser vermischt haben, sonst hätte er nicht derartig schlecht sein können. Der Sachverständige bedauerte, daß das, was der An- geklagte als Mörtel verwandt hatte, nicht chemisch untersucht worden ist. Wäre der Bau fortgesetzt oder gar vollendet wor- den, dann hätte derselbe zweifellos zusammenbrechen müssen. Der Staatsanwalt beantragte 100 M. Geldstrafe, der Gerichtshof hielt aber angesichts der Frivolität des Angeklagten eine höhere Strafe sür ersorderlich und erkannte auf 300 M. oder 30 Tage Gejängniß. Hoch erscheint diese Strafe gerade nicht. Eine Privatklage, die der Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Emil Frischauer zu Wien gegen den Chefredakteur derKrcuz-Zeilung", F r e i h e r r n von H a m m e r st e i n, an­gestrengt hat, schwebt bereits seit anderthalb Jahren und ist trotzdem über das Anfangsstadium nicht hinausgekommen. Der Klage liegt ein Artikel und eine aus Wien datirte Korrespondenz zu Grunde, welche beide' am 17. November 1891 in derKreuz- Zeitung " erschienen. Der erstere trug die UeberschriftEin Wiener Börsenskandal" und enthielt Andeutungen, die der Kläger aus sich bezog. Das Schöffengericht hielt die gesetzliche Verjährungsfrist von sechs Monaten sür überschritten und er- kannte deshalb auf Einstellung des Verfahrens. Gegen den Angeklagten konnte, so führte das Schöffen- gericht aus, da derselbe Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses ist, und da das Abgeordnetenhaus m der Zeit vom 14. Januar bis 23. Juni 1892 getagt hat, während dieser Sitzungsperiode nur mit Genehmigung des Ab- geordncrcnhauses selbst strafrechtlich vorgegangen werden. Es war Sache des Klägers, diese Genehmigung zu beschaffen. Mangels derselben mußte das voin königlichen Amtsgericht ein- geleitete Versahren einschließlich des ergangenen Eröffnungs- beschlusses für unstatthasl bezeichnet werden. Gegen dies Er­kenntniß des Schöffengerichts hatte Rechtsanwalt Steinschneider als Vertreter des Klägers Äernsung eingelegt. Die achte Straf- katnmer des Landgerichts l, welche gestern die Sache zu prüfen hatte, schloß sich dem Urtheile des Borderrichters an und ver- warf die Berusung. Wege» Beleidigung des Kömgl. Eisenbahn-BetriebS- amtcö hatte sich gestern der Kaufmann Polenz vor der 135. Abtheilung des Schöffengerichts zu verantworten. Der An- gcschuldigte führt ein Buch, in welches er die abzusendenden Waaren nach Stückzahl. Gewicht und Adresse einträgt. In eine Rubrik hat der betreffende Beamte der Güterexpedition den Empfang des Gutes zu bescheinigen. Die Eiscubahn-Ver- waltung hatte nun eine Verordnung erlassen, wonach noch ein besonderer Vermerk seitens des Absenders gewünscht wurde. Da der Angeklagte hiervon keine Kenntniß Halle, so wurde ihm die Empfangsbescheinigung verweigert und der Bote zurückgeschickt. Der Angeschuldigte holte nun zwar das Versäumte nach, machte aber seinem Aerger über die verursachten Umstände durch die Bemerkung:Bureaukratisches Blech!" Luft, die er neben die nachzuholende Bemerkung setzte. Es erfolgte dieserhalb obige Anklage und die Verurtheilung des Angeschul- digten zu 15 M. Geldstrafe. Welche» Vortheil die Unternehmer durch das Unfallver- sicherungs-Gesetz haben, zeigt u. a. folgende Entscheidung des Reichsgerichts. Beim Göpelwerk der Dreschmaschine, welche der Gastwirth August 5i o p p in Kölsa benutzte, verlor die Dienst- magd Emma Weidenhammer drei Finger. Das Landgericht Halle verurtheilte Kopp wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe, jedoch nicht zu einer Buße. Nachdem das Urtheil vom Reichsgerichte aus einem anderen Grunde aufgehoben worden war, erkannte das Landgericht Halle am 12. Juni d. I. auf«ine Buße von 50 M. Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten mit'der Be- gründung, daß der Anspruch auf ein Schmerzensgeld dann nicht erhoben werden könne, wenn auf grund landesgesetzlicher Be- slimmungen statutarische Bestimmungen getroffen seien, nach welchen die Gemeinden eine den 88 6 und 7 des Kranken- versicherungs-Gesetzes mindestens gleiwkommende Fürsorge für die Verletzten zu leisten haben. Derartige Bestimmungen sind für den Kreis Delitzsch in bezug aus die lanbwirthschaftlichen Arbeiter, welche dem Krankenkassen- Versicherungszwange unter- liegen, getroffen. Die Verletzte Emma W. hat auch die dem- gemäß ihr zufallende Unterstützung erhalten. Das Reichsgericht entsprach heute dem Antrage der Revision, und erkannte dahin, daß die Buße in Wegfall zu bringen und die Nebenklage der Emma W. abzuweisen sei. In den Gründen wurde gesagt, daß unter der im Reichsgeseye vorgesehenen Entschädigung auch das nach dem preußischen Landrechts zulässige Schmerzensgeld zu verstehen sei. Das Unfallversicherungsgesetz hat also zur Folge, daß der Unternehmer um 50 M. reicher, die ver­unglückte Arbeiterin um ebensoviel ärmer wurde, als sie ohne dessen Bestehen sein würden. Ein Pumpgenie ersten RangeS ist der Korrektor Abil« gaard, welcher sich vor der 2. Strafkammer des Land- gerichts I wegen Unterschlagung in 8 Fällen zu verantworten hatte. Der Angeklagte, welcher früher als Korrektor in einem hiesigen Verlagsgeschäst angestellt war, ist vor nicht langer Zeit wegen Bedrohung mit einem Jahr Gefängniß bestraft worden. Jetzt handelte es sich um phantastevolle Schwindeleien, die er einer Anzahl von Personen vorgemacht hatte, um zur Auf- besserung seiner mehr als schlechten Finanzlage größere und kleinere Geldsummen von denselben herauszuschlagen. Er erhielt deswegen noch eine Zusatzstrase von zwei Jahren Ge- f ä n g n i ß. Wege»««sittlichen Verhaltens ans der Stadtbahn hatte sich gestern der Handlungsreisende Max Joseph vor der 132. Abtheilung des Schöffengerichts zu verantworten. Wie aus der Urtheilsverkündigung hervorging, hatte der Angeklagte eines Tages die Stadtbahn benutzt. Außer ihm befand stch nur noch ein Fahrgast, ein junger Mann, in dem Wagenabtheil. Der Letztere war durch den Angeklagten, der unflächlge Reden führte und unsittliche Anträge machte, belästigt worden. Trotz- dem der Angeklagte unbescholten und zur Zeit der That an- getrunken ivar, hatte der Gerichtshof von der Verhängung einer Geldstrafe Abstand genommen und auf 10 Tage Gefängniß er- kannt. Erschwerend war dabei in's Gewicht gefallen, daß die Belästigung an einem Orte geschehen war, den der Belästigte zu verlassen außer Stande war. Ein Wüstling der verwerflichsten Sorte stand gestern in der Person des Arbeiters Hermann Hahn vor dem Schwurgericht des Landgerichts 1. Der Unmensch hatte seine eigene Tochter vergewaltigt und in mehreren Fällen Verbrechen wider die Sittlichkeit gegen sie ausgeführt. Die Geschworenen erklärten den Angeklagten der wiederholten Blutschande sür schuldig und der Gerichtshof verurtheilte ihn zu 5 Jahren Zuchthaus und Ehrverlust auf die Dauer von 10 Jahren. In Wucherhänden. Der Posthilfsbote Friedr. Former stand gestern wegen einfacher Urkundenfälschung in vier Fällen vor der neunten Strafkammer des Landgerichts I . Im vorigen Sommer befand der Angeklagte sich in Geldverlegenheit. Einer seiner Kollegen, an den er sich wandte, hatte zwar kein baares Geld, übergab dem Angeklagten aber einen Kautionsschein über 260 M., den er als Bürgschaft bei Aufnahme eines Darlehns hinterlegen könne. Former ging zum Kaufmann Habedank, der damals in den Zeitungen Darlehne anbot und sich nachträglich als ein arger Schlepper entpuppte. Er verbüßt jetzt eine längere Gefängnißstrafe wegen Wuchers. Habedank gab gegen Hinter- legung des Kantionsscheines 130 M., verlangte aber von Former, daß derselbe einen Wechsel von 190 M. unterschrieb. Der so Bedrängte fürchtete, daß ihm weitere Schwierigkeiten gemacht werden würden, wenn sich erwies, daß er nicht selbst Inhaber des Kautionsscheines sei, er unterzeichnete deshalb mit dem Namen seines Kollegen. dem der Kautionsschein gehörte. Am Verfalltage konnte der Angeklagte den Wechsel nicht einlösen, er mußte 20 M. Zinsen zahlen und einen neuen Wechsel unterschreiben. Nothgedrungen mußte er wieder den Namen seines Kollegen mißbrauchen. Dies Spiel wiederholte sich noch zwei Mal. Dann mußte der An- geklagte den Wechsel über 190 M. einlösen, er hatte im ganzen sür 130 M. nicht weniger als 120 M. Zinsen bezahlt. Er verlor seine Stelle, als die Postbehörde erfuhr, daß er wegen Urkundenfälschung angeklagt war. Der Gerichtshof billigte dem Bedauernswerthen mildernde Umstände zu und erkannte nur aus eine Gefängnißstrafe von zehn Tagen. Suzialo Xkclievluljf. Die Bescheinigung, daß ihre Statuten dem ß 75 des Krankenversicherungs-Gesetzes genügen, ist, vor- behaltlich der Höhe des Krankengeldes, folgenden Kranken- lassen ertheilt: 1. der Kranken- und Begräbnißkasse der Bnreaubeamten der Rechtsanwälte und Notare im Bezirk des Oberlandsgerichts Celle (E. H.) in Hannover , 2. dem August- Krankenverein(E. H.) in Altona . Dieselbe Bescheinigung ist 3. der Zentral- Kranken- und Begräbnißkasse der Sattler und Berufsgenossen Deutschlands ..Hoffnung"(E. H.) zu Berlin von neuem erlheilt worden. Ein Tramumystreik wird aus Marseille unterm 6. November gemeldet. Wie der Telegraph berichtet, haben größere Ruhestörungen stattgefunden, bei denen mehrere Schutz- leute verwundet und zahlreiche Verhaftungen vorgenommen wurden. Die streikenden Angestellten der Tramway-Gesellschaft versuchten die Fahrt der Wagen zu verhindern und stürzten mehrere Wagen um. Der sozialistische Maire forderte in einem Schreiben die Gesellschaft auf, bei Verlust ihrer Berechtigung den Dienst sicher zu stellen.(Eigene Berichte stehen uns bisher noch nicht zur Verfügung. R. d. V.") VerkÄuttNlungen. Ju einer öffentlichen-Versammln«« der Wähler des 18. Kommnual-Wahlbezirks, die am 6. November im Louisen- städtischen Konzerthanse stattfand, besprach Reichstags- Ab- geordneter A. S t a d t h a g e n die Sünden der Berliner Stadt- Verwaltung. Am 13. November, so führte der Redner ans, biete sich der sozialdemokratischen Bevölkerung wieder einmal Gelegen- heit, in die reaktionäre Festung im Zentrum der Stadt, genannt dasrothe Hans", eine Bresche zu schießen. Bisher hatte die liberale Mehrheit der Stadtvertretung nur ein Hohnlachen gegenüber den Forderungen der minder bemiltelten Bürgerschaft. Alle Anträge der sozialdemokratischen Vertreter werden abgelehnt, überall zeigt sich der verrottete, krasse Geldsacks-Standpunkt. Bezeichnend für die Nicht- achtung der arbeitenden Klassen sei auch die protzenhafte Zurück- Weisung der Plakate für diese und einige weitere Versammlungen durch die Unternehmer des öffentlichen Anschlagwesens;- jeden- falls aus Gram über das Vorgehen der sozialdemokratischen Vertreter bei Neuvergebung des Anschlagwesens, wodurch die Unternehmer Nauck u. Hartmann gezwungen sind, statt der bisherigen 50 Tausend Mark nunmehr 250 Tausend Mark an den Stadtsäckel zu zahlen. Diese Beeinflussung der! Wahl durch Private sei nur ein neuer Sporn, gegen die betreffende Gesellschaft und die Stadtverwaltung in Sachen des Anschlags- wefens, wie schon früher geschehen, vorzugehen. In Bausachen herrsche, so führte der Redner weiter aus, in unserer Stadt- Verwaltung ein Schlendrian, wie er bei Privaten kaum denkbar. Die Wasserwerke am Müggelsee sollten bereits 1390 eröffnet werden. Es hat schon 3 Jahre länger gedauert und erst die tälfte ist fertig. Endlich am 10. Oktober d. I. wurde die Hälfte der serke eröffnet; dabei sollte es hoch hergehen. Auf Kosten der Steuer- zahler sollten die Vertreter staatlicher und die städtischen Behörden schmausen. Auch ein kleiner Theil ausgeloster(?) Arbeiter sollte daran theilnehmen dürfen. Es war dies eine Heuchelei sonder gleichen; statt sich seiner Unfähigkeit im Bauwesen zu schämen, arrangirt man ein Fest, bei welcher Gelegenheit sich verschiedene Personen vielleicht noch einen Piepmatz in ihr verwaistes Knopfloch herbeiwünschten. Ueberhaupt leiste sich die Stadt- verlrelung in Geldausgaben für alle möglichen Dinge Unglaubliches, gegen die unsere Vertreter im Interesse der Steuerzahler stets energisch protestirten. Redner er- innerte an die Ausgabe von 170 000 M. für Passirbar- machung der Straßen beim Einzug eines italienischen Fremd- lings; weiter an die 40 000 M. für die kindische Spielerei, wie sie ein Schützenfest für jeden vernünftigen Menschen darbietet; ferner an die 100 000 M. für Festivitäten bei Gelegenheit des Aezte-Kongresses. Wo die Stadtverwaltung als Arbeitgeber aus- tritt, zahle sie die erbärmlichsten Löhne. Eine Ausstellung von Tabellen der Löhne städtischer Arbeiter und der Gehälter der Bürgermeister und besoldeten Magistratsbeamten auf der Welt- ausssellung in Chikago habe der Berliner Magistrat ans guten Gründen unterlassen.(Slürmisches Bravo.) Ueberall zeige die Stadtverwaltung, daß sie nur die nackte Klaffenvertretung dar- stellt. Während die Hinterbliebenen der 1837 beim Bau des städtische» Siecheuhauses verunglückten 6 Arbeiter nichts er- hielten, bekam der an ihrer Nothlage durch seine Fahrlässigkeit schuldige und deshalb zur Verantwortung gezogene und bestrafte Bauführer 3000 M. Unterstützung. Woran liegt das? Nun, der Bauführer gehörte zur Klasse, der auch die Stadtvertreter- Mehrheit angehört; die Verunglückten waren nur Arbeiter. Nichts sei geeigneter, als diese Beispiele, dem indifferenten Ar- beiter das Klassenbewußtsei» klar zu machen. Der Redner berührte dann das Gebiet der Schule. Für jeden Gemeindeschüler zahle die Stadt ungefähr 4548 M. pro Jahr, sür die Schüler in Gymnasien aber III M. pro Jahr Zuschuß. Die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel, die ärztliche