Nr. 255.
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29. Jahrg.
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Donnerstag, den 31. Oktober 1912.
Die Internationale gegen den Krieg.
An die Arbeiter aller Länder!
Das Internationale Sozialistische Bureau spricht seinen tiefsten Abscheu aus vor dem tiefen Ursachen dieses Regimes der Unsicherheit, der Brutalität und des Raubes, das die Massenmord, der sich zurzeit auf dem Balkan vollzieht, und sendet den Sozialisten der Balkan - Welt zerfleischt, klar werden. Daraus muß die Pflicht des Proletariats erhellen, alle Straft daran länder die wärmste Anerkennung für den Heldenmut und die Prinzipientreue, die ihnen die zu sehen, die Verwirklichung des Sozialismus zu beschleunigen, der allein die Beziehungen Straft verliehen hat, unter den schwierigsten Verhältnissen gegen den Krieg zu protestieren. Der Nationen zueinander auf die dauernde Grundlage der Ehrlichkeit stellen wird, während Wir erklären, daß hinter den berechtigten Bedürfnissen der Völker des Balkans nach nationaler diese Beziehungen heute preisgegeben sind der kapitalistischen Anarchie, der Habgier der hohen Einigung und Selbstbestimmung und nach Beendigung des bisherigen Zustandes, der sie zu Finanz, dem chauvinistischen Wahnwiß, dem Ränkespiel der Diplomatie und den GewaltVasallen Rußlands und Desterreichs degradiert, sich die Interessen der Dynastien und die tätigkeiten der Reaktion.
Begehrlichkeit der Kapitalisten verbergen. Es sind nicht die Interessen der arbeitenden Klassen,
Es ist dringend notwendig, daß die klassenbewußten Proletarier sich jedem Versuch, den
sondern der Kapitalisten und Fürsten des Balkans, die dahin drängten, politische Ver- Krieg auszudehnen, und jeder interessierten und selbstsüchtigen Intervention, die ihn ausänderungen auf dem Wege des Krieges herbeizuführen. Die Interessen der arbeitenden dehnen würde, mit aller Straft widersetzen, und daß das Proletariat der kriegerzeugenden Klassen, die auch die Selbstbestimmung der Nation in sich schließen, erheischten nicht den Politik mit der ganzen Kraft seiner Organisation und mit wuchtigen Kundgebungen entgegenKrieg, sondern die fortschreitende Demokratisierung und Revolutionierung der Staaten des tritt. Das sozialistische Proletariat muß mit größtem Nachdruck seine Stimme erheben und Balkans eingeschlossen die Türkei . Nur auf diesem Wege war ohne Völkerberhekung, durch sein Verhalten bezeugen, daß es sich nicht in die Politik der rohen und blutigen Konflikte ökonomischen Ruin und Blutvergießen so viel an Völkeremanzipation auf dem Balkan zu hineinziehen läßt. erreichen, als unter den gegebenen Verhältnissen überhaupt möglich ist.
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Um diesem Protest und diesem Vorgehen gegen den Krieg die höchste Einheitlichkeit und Die tapitalistischen und monarchischen Interessen waren unvereinbar mit dieser Wirksamkeit zu sichern, hat das Internationale Sozialistische Bureau die Einberufung eines Methode der Befreiung der Balkanvölker; schon dies machte den Krieg unvermeidlich, für dessen Greuel jene herrschenden Klassen verantwortlich sind. Außerdem trägt daran eine Außerordentlichen Internationalen Kongresses schwere Schuld der russische Absolutismus, der seit jeher sich der nationalen Aspirationen der Balkanvölker bediente, um aus ihrem Blut, wie im eigenen Lande aus dem seiner Völker, Kräfte zu fangen.
beschlossen.
Die beste Vorbereitung des Kongresses wird in einer systematischen und intensiven Endlich klagen wir an als Schuldige die kapitalistischen Mächte Europas überhaupt, die Agitation aller sozialistischen und proletarischen Organisationen gegen alle jene Elemente durch ihre Habgier und Brutalität, Gewalttaten und Treulosigkeiten in Maroffo, Bosnien bestehen, die an dem Verbrechen des Konflikts schuld tragen. und Herzegowina, Tripolis und Persien , durch ihre perfide Lähmung jeder Bestrebung zur Wiedergeburt der Türkei , sowie durch das Wechselspiel zwischen den Intrigen des Zarismus und den Gelüsten der österreichischen Monarchie ihrerseits die Entstehung des Krieges gefördert haben.
Die nächste Zukunft wird wahrscheinlich an die sozialistischen und proletarischen Parteien die größten Anforderungen stellen. Wir zweifeln nicht, daß sie sich auch dem Schwersten gewachsen zeigen werden, mit dem Mute, dessen glänzendes Vorbild uns bereits die Genossen im Brennpunkt des Konflikts gegeben haben.
Dieser Konflikt kann jeden Augenblick die Schrecken eines Weltkrieges gebären. Mögen die Regierungen eingedent sein der Gefahren, die das Spielen mit dem Feuer Die Pflichten aller Proletarier, aller Parteien der Internationale, sind in dieser Stunde mit sich bringt, und daß dies Feuer imstande ist, die ganze kapitalistische Welt in Brand größer wie je. Im düstern Feuerschein der Ereignisse müssen auch dem Rückständigsten die zu setzen.
Krieg dem Kriege! Hoch die Internationale!
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Das Internationale Sozialistische Bureau.
eine eigene Formel, unter der der Balkanstreit zu schlichten| wendigkeiten Rechnung zu tragen zur Vernunft zu wäre, noch lange nicht geeinigt haben, wahrscheinlich gar nicht bringen. Und das ist nun die Aufgabe, die allein einigen werden können. Deutschland leisten kann und darum auch leisten soll. Von der Wiederherstellung des Statusquo wird also Denn es ist selbstverständlich und es wird auch kein Hehl Aus Wien wird uns vom 29. Oktober geschrieben: natürlich keine Rede mehr sein; die guten Großmächte würden daraus gemacht, daß bei der schwarzgelben Rechnung der Zu den erstaunlichsten Dingen, die im Gefolge des ja ausgelacht werden, wenn sie sich mit der Forderung, daß Hauptposten die militärische Kraft DeutschBalkantrieges wahrzunehmen sind, gehört ohne Zweifel die etwas gelten solle, was der Krieg beseitigt hat, ernstlich her- lands ist. Man rechnet hier eigentlich auf eine WiederHaltung der bürgerlichen Presse im Reich. Daß die Reichs- vortrauen würden. holung der Situation, wie sie sich im Jahre 1909, nach dem regierung mit ihrer Meinung über das, was nun auf dem Wie ja überhaupt nur die Diplomatie der Albernheit Abenteuer mit der Annexion, ergeben hatte. Damals Balkan werden will, über unbestimmte und oberflächliche fähig war, zu meinen, die Balkanstaaten an ihr Versprechen", glätteten sich die brandenden Wogen, wie man weiß, auf das Redensarten nicht hinausgeht, ist am Ende noch zu begreifen. Sie wollten keinen Landerwerb, nur Reformen, nach einem Geheiß der Wilhelmstraße: daß Deutschland den Machthabern Denn einesteils ist der Zusammenbruch der Türkei ein furcht- Siege mit Erfolg erinnern zu können. Die Wahrheit zu sagen, in Petersburg erklärte, die Sache Desterreichs gegebenen Falls bares Gottesgericht auch über die deutsche Politik, die ihr hat in Europa auch keine Macht, und noch weniger ein ver- zu der seinen zu machen, reichte aus, um Rußland zur AnerSpiel im Orient ausschließlich auf die Karte der Unerschütter- nünftiger Mensch, ein Interesse an dem Statusquo oder über- fennung der Annegion zu veranlassen, was mit der Abrüstung barkeit des Osmanenreiches gesezt hatte, und die militärische haupt ein Interesse daran, daß die Türkei „ erhalten" werde, Serbiens und mit der Erledigung der ganzen Sache identisch Unzulänglichkeit der Türkei , die der Verlauf des Krieges so und daß den Balkanstaaten das, was sie sich erobert haben, war. Die guten Leute, die da meinen, die Weltgeschichte werde schrecklich enthüllt hat, ist ein Fiasko auch für ihre deutschen nicht verbleibe. Man könnte den ganzen Balkanhandel ruhig sich für die schwarzgelbe Herrlichkeit alle fünf Jahre bemühen Lehrmeister, auf deren Schulung sich vorwiegend die gute dem Balkanbund zur Lösung überlassen er würde ihn jeden- und wiederholen, vergessen bei dieser Annahme freilich die Meinung über die türkische Armee aufbaute und deren mili- falls besser lösen als die Herren Diplomaten- und man nicht unwesentliche Kleinigkeit: daß die Sache heute eben tärische Erziehungskunst in die türkischen Niederlagen deshalb würde ihn den Siegenden auch wahrscheinlich ruhig über- nicht die gleiche wie vor fünf Jahren ist. Mit der Ummitverflochten ist. Und zum zweiten ist die deutsche Ne- lassen, wenn eben nicht Desterreich- Ungarn wandlung der Offupation in die Annexion hatte Desterreichgierung in der Lage, dem österreichisch- ungarischen Verbünde- seine albernen Sandschakwünsche in den Ungarn an bestehenden Machtverhältnissen faktisch nichts geten auch ohne Benußung der Deffentlichkeit reinen Wein ein- Vordergrund stellte. Daß die Vereinbarungen dahin ändert was man sagen kann, wenngleich man die Anzuschenken und ihm ihre Abneigung, wegen der Balkanhändel gehen, daß Serbien den Sandschak und so viel dazu bekomme, nerion für einen politischen Fehler hält, weshalb ja der in friegerische Unternehmungen hineingerissen zu werden, so als nötig ist, daß sein heißester Wunsch, ans Meer zu gelangen, Widerspruch, den die Annexion entfesselt hat, nicht besonders deutlich als nötig kundzugeben. Aber warum redet das in- erfüllt werde, wird wohl nirgends mehr einem Zweifel unter- ernst und in gar keiner Hinsicht tiefgehend war, eigentlich nuc offizielle Deutschland nicht, warum nimmt sich insbesondere liegen. Es wird um so deutlicher, je gründlicher die Serben ein diplomatisches Manöver der Tripelentente gewesen ist; am die bürgerliche Presse des allerersten Bedürfnisses des Reiches, den Sandschak erobern und sich dort, wie es schon geschieht, allerwenigsten hatte Serbien Grund zur Klage. Aber mit von den Fährlichkeiten der Balkanwirren verschont zu bleiben, häuslich niederlassen. Dagegen will nun Desterreich- Ungarn dem Einspruch, den Desterreich- Ungarn jeßt erheben will, steht nicht mit der gebotenen Entschiedenheit an? um des sagenhaften Weges nach Saloniki " willen Einspruch es ganz anders. Da steht reale Macht auf Seite des BalkanDenn die Gefahr, in diesen Strudel zu geraten, scheint erheben und dann könnte allerdings ein gefährlicher Moment bundes, und Serbien kann für sich heute mehr anführen als für Deutschland in höherem Maße zu bestehen, als die öffent- kommen. Denn daß die Serben vor einem bloßen Ein- die lärmvollen und schwindelreichen Demonstrationen in liche Meinung noch ahnt. Welche Situation bildet sich auf spruch zurückweichen, sich auf das Diktat vom Ballplatz zu Belgrad im Jahre 1908, fann sich heute auf blutig erkämpfte dem Balkan heraus? Die Möglichkeit, daß sich die Türken rückziehen werden, ist nicht zu erwarten, ist nach allem, was Siege berufen und ist überdies nicht allein, sondern ihm zur der vier Gegner, die sie von allen Seiten überfallen haben, man sieht, ausgeschlossen. Wenn sich aber die Großmacht auf Seite steht das Waffenglück des gesamten nichttürkischen die sie überfielen, da sie zur Gegenwehr am schwächsten war, das gefährliche Gebiet des Forderns einmal begeben hat, Balkans. Wer nun meint, daß sich Rußland einem Eintreten noch erwehren werden, die schwindet immer mehr und bevor wenn sie die grenzenlose Torheit schon begangen, etwas zu be- Deutschlands für Oesterreich so blindlings fügen müßte und zehn Tage vergehen, können die siegreichen Scharen des gehren , worauf sie erstens kein Recht hat und was ihr ohne würde, wie es dessen Rat im Annerionsjahre gefolgt ist, der Balkanbundes, die kein ernstlicher Widerstand mehr hemmt, Zweifel verweigert werden wird, dann könnte es leichthin zu würde die gründlich geänderte Sachlage verkennen und könnte vor den Toren Konstantinopels sein. Daß sich nun die spät werden: denn dann könnte ihr Verzicht der Großmacht sich gröblich irren. Und in diesen Irrtum darf Deutschland Balkanstaaten, die sich um die Meinung Europas nicht ge- als Zurückweichen vor Serbien gedeutet werden. Die Auf- nicht verfallen und die öffentliche Meinung Deutschlands wäre fümmert hatten, als sie den Krieg begannen, von dieser gabe ist also die, Desterreich- Ungarn von seinem unverständigen berufen und verpflichtet, die Reichsregierung vor Meinung nicht mehr anfechten lassen werden, da sie gesiegt und unberechtigten Einspruch zurückzuhalten, die der Begehung dieses Irrtums eindringlich haben, ist selbstverständlich; zumal da sich die Großmächte über Schwarzgelben, die weder fähig noch willens sind, den Not- lau warnen. Deutschland darf sich nicht bloß auch für die