|Ir. 255. 29. Jahrgang. 1. Mm Ks Jotirtilf fttlintt Bollislilült. Donnerstag, 31 Oktober 1912. Der Berliner NalMampi. Die pmatangertclltcn und die Sozialdemokratie. Eine Versammlung mit diesem Thema hatten die Parteigenossen de» ersten Wahlkreises zum Zweck der Wahlagitation unler den Privatangestalten am Dienstag nach Dräsels Saal in der Neuen Friedrichstraße einberufen. Der sehr gute Besuch der Versammlung gab Kunde von dem lebhaften Interesse, welches der Wahlkampf im ersten Kreise hervorruft. Als Referent fungierte Julian Borchardt . Er betonte, daß es sich im Wahlkampf nichl um die Person des Kandidaten handelt, sondern um die politischen Grund» anichauungen, welche auf der einen Seite die Fortschriltliche Volks» Partei, auf der anderen Seite die Sozialdemokratie vertritt. Dann legte der Redner dar, daß sich die Fortschrittliche Volksparlei zu den staatserhaltenden Parteien rechnet und daß sie von den Privat- angestellten erwartet, sie, als gebildete Männer könnten sich doch nicht auf die Seite der Sozialdemokratie stellen. Der Redner zeigte nun, wie der Staat beschaffen ist, den die Fortschrittliche Volkspartei erhalten will. Es ist der kapitalistische Staat, in welchem mehr als die Hälfte der Einwohner ein Einkommen von weniger als WO Mark haben und 94 Prozent Einkommen von weniger als SlXX) M. jährlich haben, während sich der Reichtum in wenigen Händen anhäuft. Auch die Privatangestellten gehören zum weitaus größten Teil zu denen, deren Einkommen nicht aus- reicht, um den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wenn man fragt, ob-in gebildeter Mann sich der Sozialdemokratie an- schließen kann, so muß man auch fragen, ob ein gebildeter Mann für die Erhaltung eines solchen Staates sich entscheiden kann. Vor dem Zukunftsstaar, den die Sozialdemokratie.machen" will, sucht man die Privatangestellten bange zu inachen. Kann denn ein ge« bildeter Mann annehmen, daß die Entwickelung bei den Verhält- nissen, die wir heute haben, stehen bleibt? Die EntWickelung geht ihren Gang. Sie wird gegenwärtig durch die großen Geldmänner und Finanzmächte beeinflußt. Unter der Herrschaft dieser Mächte geht die Entwickelung dahin, daß Kapital auf Kapital, Profit auf Profit, Zins auf Zins gehäuft wird, und die soziale Folge dieser Kapitalsanhäufung in immer wenige Händen ist die, daß die Zahl der selbständigen Existenzen abnimmt, während sich die Zahl der wirtschaftlich Abhängigen ver- mehrt. So kommen ivir zu einer vollständigen Vernichtung der freien Persönlichkeit. Die größte Zahl der Privatangestellten sind bereits ebenso abhängig wie die Arbeiter. Wenn die Entwickelung in dieser Weise weiter geht, dann kommen wir zu den grauenhasten sozialen Konsequenzen des kapitalistischen Zukunftsstaatess. Es fragt sich, was wir tun können, um diese schauderhaften Konsequenzen zu vermeiden und die Rechte der freien Persönlichkeit zu erhalte». Da gibt es nur eine Antwort: Wir müssen d'ie wirtschaftliche» Vorteile dieser Entwickelung beibehalten, aber ihre sozialen Konsequenzen vermeiden, und dazu gibt es nnr ein Mittel: die Enteignung der Kapitalisten im Interesse der Gesamtheit. Das ist das große Ziel der Sozialdemokratie, die durch die kapitalistische Entwickelung ver- koren gegangene Freiheit der Persönlichkeit zu retten und wieder zu gewinnen. In diesem großen Kampf müßte sich jeder Gebildete aus die Seite der Sozialdemokratie stelle». Denselben Gedankengang vertrat Genosse D ü w e I l. Unter anderem zeigte er, daß die Privalangestelllen, die früher Vertrauens» leute der Unternehmer waien, heute in ihrtt übergroßen Mehrzahl nichts anderes sind als Arbeiter, die meistens nicht besser bezahlt. aber schlechter behandelt werde» wie die industriellen Arbeiter. Auch die Angestellten werden, wenn sie ihre Kräfte im Dienste des Unter» nehmers verbraucht haben, einfach auf die Straße gesetzt. Die Aus- Übung des Koalitionsrechts wird ihnen untersagt. Die Fabrikanten und Bankdirekloren, welche den Angestellten das Koalitionsre cht ver- sagen, sind Anhänger des Freisinns. Die Konkurrenzklausel, diese Fessel für die Handelsangestellte», hält die Freisinnige Volkspartei für notwendig. Der Vertreter der Fortschrittlichen Volkspartei aus dem Handwerkskammertag hat den dort angenommenen reaktionären Forderungen ausdrücklich zugestimmt. Die Gesetzes- bestimmung, welche die Arbeitgeber verpflichtet, das Einkommen der Arbeiter und Angestellten, soweit es 8000 M. nicht übersteigt, Kleines feuilleton» Was Konstantinopel vom Kriege hört. Aus Konstantinopel wird UNS geschrieben: Ja, ihr in Konstantinopel , ihr habt jetzt immer die neuesten Meldungen über die Kriegslage auS erster Hand. Ihr seid nun am nächsten dabei 1� So klingts aus den Briefen der Freunde, die das ernste Waffenspiel aus weiterer Ferne betrachten. O ja, wir sind am nächsten dabei I Und jeden Morgen, ehe wir an die Tagesarbeit gehen, bringt uns unser kleiner Türkenjunge, der natürlich selbst nicht einen Buchstaben lesen kann, den.Osmanischen Llohd". Und wir lesen von den neuen Siegen und Märschen ins Feindesland hinein. Und bald nach Mittag kaufen wir uns auf der Straße den„Stamboul", der die französischen Interessen mit derselbe» Lebhaftigkeit vertritt, wie der.Llohd" die deutschen . Oder wir kaufen den englischen.Levant Herald" oder den französisch ge- schriebenen, aber griechisch gesonnenen„Moniteur oriental". Wer's lesen kann, nimmt auch tvohl den„TachhdromoS" oder den„Amero- liptos", eins der meistgelesenen griechischen Blätter. Seltener sieht man einen Europäer, der die türkische» Schriftzeichen zu entziffern vermag. So bilden ,wir uns den» auf Grund der Zeitungslektüre, die hier sehr billig ist(eine Zeitung kostet immer 1(3 Para gleich B Centimes), unsere„Ansicht" über den Verlaus deS Krieges. Dann aber lommt dreimal wöchentlich der rumänische Dampfer hier an, unsere einzige schnelle Verbindung mit Europa : und kaum liegt er am Kai, so springen schon die Abgesandten der fremd- ländiichen Postanftalten an Bord und eilen, mit großen Postsäcken beladen, zu den Postaustalten. Tann bekommen wir auch die europäischen Zeitungen und lese» nun zu unserem größten Erstaune». daß die anderen Staaten— nein, wirklich? Die haben auch von Siegen zu melden? Die Türken sind nicht Sieger auf der ganzen Lüne? Sie sind noch nicht aus den Straßen Bulgariens ? Ah so I Und ivir lernen, daß wir unsere hiesigen Zeitungen mit etwas kritischen Mienen, mit ein klein wenig Skepsis und Vorsicht lesen müsten. ES läßt sich nicht leugnen: die Türken haben von Anfang an mit einem Angriffskrieg gerechnet. Sie haben an einen schnellen Spaziergang nach Sofia geglaubt, lind da setzen die türkischen Zeitungen ein und berichten vom ersten Tage an und dann ftistemolisch weiter vom Vormarsch der Türken. Und nnr Siege gab es. Wenn all- Waffenerfolge, von denen die türkischen Blätter schon berichtet baben, wenn alle gefangenen und gefallenen Bulgaren , Serben. Montenegriner, wen» alle eroberten Geschütze, Munitions- listen, Gewehre usw. zusammengezählt würden, die� Feinde hätten nach wenigen Kriegstagen schon nicht mehr viel übrig behalten. Und wie ein nach jeder Strophe wiederkehrender Refrain stand unweigerlich am Ende jeder Notiz über ein Zusammentreffen der Heere' der Satz: Der Feind wurde vollständig geschlagen und mußte die Flucht ergreifen. Aber eines Morgens steht im Morgenblatt die dickgedruckte Ueberschrift: Die Kämpfe um Adrianopel . Adrianopel ? Nicht Pbilippopel? Nein nicht Philippopel I Adrianopel ist aber doch türkisches Gebiet, gar nicht iveir von Konstantinopel ! Ganz richtig! Hätten Ivir nur besser verstanden, die Zeitungen zu lesen. wie man sie in Krieaszeiten lesen muß, dann wären wir nicht gar so überrascht. der Steuerbehörde anzugeben, damit die niedrigsten Einkommen bis zum letzten Pfennig versteuert werden können, während die Leute mit höheren Einkommen einer solchen Kontrolle entzogen sind, ver- danken wir den, Freisinn. Immer war der Freisinn dabei, wenn es galt, reaktionäre Taten zu verrichten. Deshalb kann niemand, der für Freiheit und Fortschritt ist, der fortschrittlichen Volkspartei seine Stimme geben. Die Ausführungen der Redner fanden allseitigen Beifall. Ein Ingenieur erklärte in der Diskussion, er sei kein Sozialdemokrat, aber den Ausführungen Borchardts über die wirtschaftliche Eni- Wickelung stinime er zu, er ersuche auch alle Privatangestellten, dem sozialdemokatischen Kandidaten Düwcll ihre Stimme zu geben. * Die Partei der zweideutigen Politik 1 Der Freisinn, als die ausgesprochene Vertretung des Börsen-, Bank- und Handelskapitals, sucht aller Welt Sand in die Augen zu streuen. Er spielt sich auf als Dulder des KoalitionS- und Streik- rechts und gibt seinen Segen dazu, daß die freistimigen Fw brikanten und Bankdirektoren das Koalitionsrecht mit Füßen treten. Durch seinen Hansabund und die ihm ergebenen Handelskammern fordert er sogar verschärsten Schutz sür streikbrecherische Hintzebrüder. Die tollste Komödie spielt er in der Frage der Lebensmittelzölle. Den schutzzollbegeisterten Bauern gibt er sich als Anhänger der Schutz' zöllnerei, die Konsumenten dagegen sollen glauben, er kämpfe nach wie vor gegen Lebensmittelverteuerung. In Wirklichkeit treibt er mit dieser doppelgesichtigen Politik Stimmen- und Wählerfang. Auf diesen zweideutigen Wegen hat er sich bei dem Wahlkampfe in Berlin I ertappen lassen und steht nun vor der ganzen Welt als politischer Heuchler, der nirgends Vertrauen verdient. Wie unwahr sein Ber> halten in der Frage der Lebensmittelzölle ist, das hat der Abgeordnete Wiemer in der schon gestern glossierten Verteidigung des Mann heimer EchaukelspieleS wider Willen gezeigt. Entrüstet be- hauptet er, der Fortschritt sei nicht zur agrarischen Schutzzollpolitik abgeschwenkt. Kurz vorher aber setzte er auseinander, daß die Bildung einer Agrarkommission notwendig sei, um über„die als schädlich zu erachtenden Wirkungen der Getreidezölle in den einzelnen Landesteilen und nach der Größe des landwirtschoftlichen Besitze« Erhebungen zu veranstalten und das Ergebnis bei den Vorarbeiten für das geplante ausführliche Agrarprogramm zu verwerten". Bisher hatte der Freisinn sich als unentwegter Freihändler gegeben. Nun auf einmal hält er es erst noch für notwendig, eine Agrarkommission zu bilden, die die Wirkungen der Getreidezölle untersuchen soll. Demnach hat der Freisinn bis'dahin in unverantwortlicher, leichtfertiger Weise den Freihandel propagiert, um gegen die Agrarier Hetzen zu können, oder aber, die Einsetzung der Agrarkommission ist eine freche Komödie zu dem Zwecke, die Bauern für den in der Stadt allen Vertrauens baren Freisinn als Wähler einzufangen. Dem Freisinn mit der Politik der Zwei deutigkeiten muß ganz eindeutig der Stuhl vor die Tür gesetzt werden. Die Teuerung. wir Agrarische Angebote. Vom Nachrichtenamt des Magistrats Berlin erhalten folgende Zuschrift: „Die„Deutsche Tageszeitung" verbreitet sich in ihren Ausgaben vom Montag, den 28. d. M. abends und Dienstag, den 29. d. M. morgens eingehend über Verhandlungen, welche zwischen dem pommerschen ViehverwertungSverband und der Stadt Berlin über die Lieferung von Schweinen angeknüpft sein sollen. Dem gegen- über muß zunächst festgestellt werden, daß Verhandlungen überhaupt nicht stattgefunden haben, sondern daß dem Magistrat lediglich ein Angebot des Verbandes vorliegt. Dieses Angebot wird man für die Stadt als zu ernsthafter Erwägung geeignet nicht bezeichnen können. Der Verband bietet nämlich der Stadt Berlin tvöchentlich Die Ursachen des Kropfes. Es ist eine alte Volksanichauung, daß das Auftreten der Kropfkrankheit, die in manchen Gegenden, z. B. Steiermark, epidemisch ist, mit dem Trinkwasser zusammen- hängt. Man hat deshalb das Wasser jener Landstriche auf seine chemische Zusammensetzung untersucht, um Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, ob die kropfige Entaitnng der Schilddrüse durch einen Mangel eines wesentlichen Wasserbestandteiles verursacht wird. Neuerdings aber macht sich mehr die Anschauung geltend, daß man es hier mit einer durch einen Mikroorganisinus hervorgerufenen Infektionskrankheit zu tun hat. Djeser soll seinerseits in gewissen Beziehungen zu den in jenen Gegenden vorkommenden Gesteinsarten stehen, so daß in der Tat auch die geologische Beschaffen- heil des Bodens, die man bisher in letzter Linie für das Ent-, stehen des Kropfes verantwortlich machte, einen Einfluß ausübt. Daß es sich aber um eine Infektion handelt, machen die Unter- suchnngen der Erlanger Professoren Schiiten Helm und Weichardt in den Kropsgegendcn Bayerns wahrscheinlich. Die Forscher haben zwar nicht den Bazillus der Kropfkrankheit entdeckt, allein es gelang ihnen, nachzuweisen, daß mit Kcopswasser be- handelte Tiere in ihrem Blutserum Antikörper bildeten, die die von der Wasiermannschen Reaklioii bekannte Konyxementableitkniig zeigten. Diese Erscheinung weist auf eine organische Ursache hin, sei es. daß es ein Bakterium oder ein Protozoon sei.— Im übrigen sind schon früher Beobachtnnaen gemacht worden, die ähnliche Schlüsse ziehen ließen. Durch kropskranke Kretins wurden z. B. ge- sunde Hunde mit Kretinismus angesteckt. Theater. Lessing-Theater.„Gabriel Schillings Flucht" von G e r h a r t Hauptmann. Das.Stück, für das Hauptmann die Motive dein Schicksal eines ihm in der Jugend befreundeten Künstlers entnahm, ivurde, schon vor einer Reihe von Jahren ge- schrieben. Ueber die Erltaufführnng in dem kleinen Lauchstädter Theater im Sommer ist hier austührlich berichtet. Damals hieß es, Hauptmann gedenke sein Werk, bei dessen ganz intimem Charakter den großen öffentliche» Bühnen überhaupt nicht auszuliefern. Nun ist es, wenige Monate später, in dem Dresdener und jetzt im Berliner Lessing-Theater. das alle anderen Dramen Hauptmanns aus der Taufe hob, erschienen. Das Publikum hat am Schlüsse demonstrativ applaudiert, doch war die Ehrung offenbar eine Dank- bezengung sür Hauptmanns ganze« Schaffen, schwerlich Widerhall eines unmittelbar lebendigen Ergriffenseins. Wohl leuchten, namentlich in den zwei ersten Akten im Dialoge Worte von echt Hauptmannschem Gepräge auf, Wendungen, in denen Stimmung und Charakter der Personen zu tiefbewegtem, die Phantasie des Hörers in mitschwingende Bewegung setzend»» Ausdruck gelangt. Das Liebesglück der beiden gesunden Menichenkinder. des schaffens- frohen fest ans sich selber stehenden Bildhauers und seiner starken, ihr Gefühl vor jeder eifersüchtige» Entartung hütenden Freundin; die Kraft, die ihnen auf einsamem Jnselstrand vom Meere zuströmt; ihre Hilfsbereitschaft dem arme» Freunde und verpfuschten Maler gegenüber, der sich in selbstgeschaffenen Fesseln windet— all das ist dichterisch geschaut und festgehalte». Aber es kann doch nur ein Einschlag im Gewebe sein, ein Moment in dem Gemälde, das daS Schicksal Schillings und die Notwendigkeiten, aus denen es erwuchs, vor unserem Blick entfalte» soll. Und hier in dein Ent- scheidenden versagt das ZSers. Merkwürdig ist, wie Hauptmann sich 12VV Schweine zum Preise von 86 M. für 100 Pfd. Lebendgewicht abzüglich 20 Proz. Tara frei ViehhofSrampe Berlin bei einem fünf- jährigen Liefcrungsvertrag an. Wenn man den Preis von 66 M. für 100 Pfd. Lebendgewicht für 100 Pfd. Schlachtgewicht umrechnet, so ergibt sich unter Hinzurechnung der auch für die Stadt Berlin durch den Weiterverkauf entstehenden Kosten, die mit 4,05 M. pro Zentner nicht zu hoch berechnet sind, ein Schlacht- gewichtSpreis von 68,30 M. Die JahreSdurchschnitlspreise für fleischige Schweine haben in ganzen Zahlen für 100 Schlachtgewicht betragen: Jahr 1907 289-57.80 rd. 53 M, � ö 1910 1911 Jahr 1902 1903 1904 1905 1906 M. 59■ 50 49 64 57 M. 55 58 72 66 57 308= 61,60 rd. 62 M. 5 Der Durchschnittspreis 507 nach-jq-— 59,70 oder tb, der letzten 10 Jahre belauft sich dem- 60 Marl . Die Stadt Berlin soll also dem Verbände gegenüber sich auf eine Lieferung für fünf Jahre zu Preisen binden, welche den Durchschnitt aller Preise seit dem Jahre 1902 weit übersteigen und in diesem ganzen Zeitraum nur ein einziges Mal überholt worden sind. Bei Annahme des An« gebotes würde die Mitwirkung der Stadt dazu dienen, die Fleischpreise zu verteuern, anstatt sie zu ver- billigen. Die„Deutsche Tageszeitung" gibt in ihren Ausführungen selbst zu, daß die Durchschnittspreise für Schweine in den letzten 10 Jahren am Berliner SchlachtviehmarN niedriger gewesen seien, als der im Angebot normierte Preis. Sie meint dazu, daß die Preise in den letzten Jahren z u niedrig gewesen seien und hält es für notwendig, baß den Schweinezüchtern höhere Preise zugesichert würden, als diese in den letzten Jahren erhalten hätten. Hierbei mitzuwirken lehnt die Berliner Stadtverwaltung entschieden ab. Sie hält es nicht für ihre Aufgabe, das in ihrem Gemeinde- bereich ansässige Fteischergewerbe wie den Zwischenhandel überhaupt auszuschalten und dagegen den Produzenten höhere Preise zu ver- schaffen. Die deutschen Fleischer in Warschau . DaS„Berliner Tageblatt" teilte gestern mit. daß der Versand russischen Fleisches nach Berlin neuen Schwierigkeiten unterliege, da die dort weilenden deutschen Fleischergesellen in den Streik ein- getreten wären. Die Tatsache selbst wie auch die vermuteten Gründe sind falsch. Tatsächlich liegt folgendes zu gründe: Nach Warschau waren acht Fleischergesellen mitgegangen, um dort die Schlachtung zu überwachen. Sie sollten 100 M. Lohn pro Woche und außerdem noch„Biergeld"(Prozente für Abfälle) erhalten. Es wurden ihnen aber nach einer Woche bloß 75 W- gezahlt und ein„Bier- geld" überhaupt nicht gewährt. Dennoch einigten sich die Fleischer mit dem Vermittler Aron. Ein anderer russischer Händler Silbermann hat nun billigere Arbeitskräfte besorgt. Die Berliner Fleischer wurden darauf regelrecht entlassen, und sind gestern in Berlin eingetroffen. Von einem Streik ist nie die Rede gewesen. Falsch ist auch die Nachricht, daß die deutschen Fleischer die Arbeit niedergelegt hätten, weil sie von den russischen bedroht worden wären. Durch einige jüdische Gesellen, die gebrochen deutsch sprachen, hatte sich vielmehr ein sehr freundliches Verhältnis zwischen den russischen und deutsche» Fleischergesellen gebildet. Von einer Konkurrenz der Berliner konnte um so weniger die Rede sein, als überhaupt nur acht deutsche Ge- sellen in Warschau tätig und auch sie hauptsächlich mit der Beauf- sichtigung beim Verladen des Fleisches beschäftigt waren. Vermutlich hat der deutsche Händler die Notiz in bürgerliche Blätter lanziert. Der Wille der Agrarier ist maßgebend. Die Stadt A l l e n st e i n. eine große Garnisonstadt Ost- preußens, darf kein Fleisch aus Rußland einführen. Die Stadt- verordnetenversammlung hatte einen Betrag von 16 000 M. zur verhehlen konnte, daß dieser Stoff drainatischer Formung wider» strebt. Der Zank der beiden Rivalinnen, der lamentierenden spieß- bürgerlichen Gattin und der skrupellos brutalen russischen Jüdin am Krankenbett des Sterbenden, diel- grausige Szene kann mit voller Wucht nur wirken, wenn sie als Schlußpunkt einer Entwickelung anstrift, die uns der Dichter zwingend miterleben läßt. Mit der Darstellung der Katastrophe zugleich die vielgliedrige Ber- gangenheit, in der sie wurzelt, zu überzeugend klarer Anschauung zu bringe», dazu hätte cS einer Jbsenscheu Kunst dramatisch koiizeii- trierender Verdichtung bedurft, die Hauptmann nicht gegebe» ist. Nur in dem freien novellistischen Rahmen, der vom Zwang fort- laufender zeitlicher Einheit entbindet, hätte er die Aufgabe bcmeistern können. In seinem Drama hört man vom Vergangenen nur er- zählen, man sieht eS nicht. Die Russin bleibt in einer vagen Un- bestimmtheit, die unerklärt läßt, wie sie diesem Menschen zum Verhängnis werden konnte. Alles was Gabriel dem Freunde über sie sagte, atmet Abscheu. Kalt weist er die ausdringliche Berfolaorin. die ihm nachgeschlichen, zurück, um sie dann eine Viertelstunde später plötzlich berauscht an seine Brust zu ziehen. Der Umschlag machl den Eindruck eines Zufalls, keines Schicksals. Das psychologische Interesse, das die Schilderung von Schillings seltsam zerrissenem Wesen am Anfang wachrief, verflüchtigt sich nach dieser Szene, die absolute Leere seiner Willenslosigkeit mit den endlos wieder- holten Selbstvorwürfen fällt peinigend aus die Nerven. Und dabei reckt und dehnt Hauptmann die Situationen, um den Theaterabend auszufüllen. Die Aufführung bot Treffliche?. Ausgezeichnet traf Theodor So o 9 das unstät Flackernde, die Mischung von Ekstase, hoffnungS - loser Depression und zynischer Ironie im Gabriel. Ebenbürtig stand WarrS gutherzig freundschaftlicher, erdenschwerer Bildhauer ihm als Partner zur Seite. Lina Lossens Lncie strahlte in festlich seelenvollem Schönheitsschimmer. Die kleine, nur mit ein paar Strichen angedeutete Rolle der hysterischen Frau Schilling wurde von Mathilde S u s s i n mit großem Feingefühl ausgeführt; sie dämpfte den Ein- druck des Abstoßenden durch LeidenSzüfje, die warmes Mitgefühl hervorriefen. Frau D u r i e u x hatte die Russin zu einem Typus extremer tierischer Häßlichkeit stilisiert. Sie fesselte durch Eigenart. aber die Macht, die die Person im Stück über Gabriel ausübt, mußte so noch unbegreiflicher erscheinen. ät. Notizen. — Dichterabend. Im Charlottenburger Schillersaal findet am Sonntag ein„Gerhart H a up t m a nn- Abend" statt zur Vorfeier des 50. Geburtstages deS Dichters. — Enripides im Zirkus. Man schreibt unS aus Ham- bürg: Im Hamburger ZirkuS Busch gastierte am Sonnabend und Sonntag daS Ensemble des neuen, mit nicht allzu großem Glück eröffneten Berliner Deutschen Schauspielhause«. Matt spielte die Hipp o l y t- Tragödie des Enripides, der damit auch in die Reihe der glücklichen Autoren gerückt ist, die reif für den Zirkus getvorden sind. Das Ergebnis war nicht sehr erfreulich. Vermochte schon die weitab von unserem modernen Empfinden liegende Tragödie des griechischen Klassikers nicht zu fesseln, so brachten Regie und Dar- stellung Enttäuschung und Mißstimmung. Das Ganze erwies sich als eine ziemlich plumpe und gedanknlose Reinhardt-Jmitatio» mit un- zulänglichen Mitteln.
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