Zwar nicht aus„ParkaMentsspielttei". sondern lediglich aus agi tatarischen Gründen. Daß der Parlamentarismus an sich die „soziale Frage" zur Zufriedenheit des Proletariats nicht lösen kann, davon sind wohl unsere Parteigenossen durchweg überzeugt; daß aber die Parlamentswahlen das geeignetste Feld abgeben, um unsere Ideen unter die Massen zu bringen— wer möchte dies bezweifeln? Es kommt also gar nicht darauf an, ob die preußischen Landtagswahlen Aussicht auf Erfolg bieten, daran zweifle ich auch. Aber trotzdem sind sie ein gutes Agitations- mittel nicht nur für die aufzurüttelnden Massen, sondern auch für unsere Genossen selbst. Sie bringen uns Leben in die Bude, sie spornen zu erhöhter Tätigkeit an, und sie lassen tjp Kampfe gegen den gemeinsamen Feind kleine Differenzen unter den Ge- nossen selbst leicht vergessen. So möchte ich in der Tat unseren Genossen in Preußen empfehlen, nächsten Herbst überall, wo es eben mit nicht allzu großen Schwierigkeiten verbunden ist, in den Landtagswahlkampf zn ziehen." Dazu bemerkte die Redaktion des„Sozialdemokrat": „Von der Ansicht durchdrungen, daß jede an unsere Partei herantretende Frage nur durch unumwundene Diskussion die notwendige Klärung erhält, haben wir hier einem Vorschlag das Wort gelassen, der eine wesentliche Aenderung der Taktik unserer Partei bedeutet. Ilm der wünschenswerten Diskussion von feiten der Genossen nicht vorzugreifen, halten wir mit unserer Meinung über den Vorschlag des Einsenders einstweilen noch zurück." Eine Polemik rief die Anregung Hasenclevers im„Sozialdemo- Trat" aber nicht hervor, sie erweckte kein Interesse. Dagegen hielt bald darauf Frohme in Frankfurt a. M. eine Rede, in der er sich gegen eine Annonce in einem Frankfurter Blatt richtete, in der eine Anzahl Genossen erklärt hatten:„Das Dreiklassensystem sowie die nicht geheime und indirekte Wahl m u tz von jedem Sozialdemo- kraten ignoriert werden." Frohme befürwortete in seiner Rede, sich an der Wahl energisch zu beteiligen, um dem demokratischen Kandidaten gegen den Kandidaten der vereinigten Fortschrittler, Nationalliberalen und Konservativen zum Siege zu verhelfen. Eine eigene Parteikandidatur kam dabei also nicht in Frage. Gegen diese Taktik erklärte sich der„Sozialdemokrat"(das heißt Eduard Bern- stein) in der schärfsten Weise. „Ueberall, wo die Partei sich bei Klassenwahlen beteillgt habe (Berliner Stadtverordnetenwahlen, badischen Landtagswahlen), sei sie für ihre eigenen Kandidaten eingetreten, Frohme aber wolle die Partei zum Schleppträger einer gegnerischen Partei- tandidatur machen, einer Partei, von der nach ihrem ganzen bis- herigen Auftreten die Arbeiter absolut nichts zu erwarten hätten Darüber könne auch bei Frohme kein Zweifel sein usw." Der Standpunkt Frohmes fand auch bei den Frankfurter Ge- nossen nur sehr wenig Gegenliebe, in den eigentlichen Arbeiter- vierteln blieben die Arbeiter bei der Wahl zu Hause. Zu einer Diskussion der Frage der Beteiligung an den preußi- scheu Abgeordnetenkoahlen kam es unter der Herrschaft des Sozia- listengesetzes nicht wieder, sie wurde erst wieder im Jahre 1893 und jetzt durch Bernstein angeregt. Ein Tapferer. In Wien starb Genosse Jgnaz Raab tm Alter von noch nicht 39 Jahren. Der Verstorbene ging auf einen Ruf der Lad- zer Genossen um organisatorische Hilfe 1996 nach Russisch-Polen und war in all den großen Kämpfen und Aktionen der Lodzer Tex- tilarbeiter mit an der Spitze. Er hat natürlich auch mit den Ge- fängnissen des Zarismus Bekanntschaft gemacht und konnte seinen Aufenthalt und seine Arbeit nur unter falschem Namen usw. fort- setzen. Erst Ende 1997, als die letzten Bastionen der Revolution in Polen fielen, kehrte er nach Wien zurück, blieb aber bis zuletzt ein treuer Helfer der P. P. S. Er war in der Wiener Partei- druckerei angestellt._ Marian Bielecki. Die Arbeiterbetvegung in Polen hat einen schweren und uner» setzlichen Verlust erlitten. Marjan Bielecki. eine der her- voragendsten Gestalten des polnischen Sozialismus, ein Mann von ungewöhnlicher Geisteskraft, von großer und mannigfaltiger Be- gabung und ausgedehnten Kenntnissen, beschloß auf tragische Art sein kurzes LLjähriges Leben. Die sozialistische Bewegung in Polen besitzt wenig Namen, die in ihrer Geschichte einen solchen Klang, eine so heiße Erinnerung hinterlassen haben. Schon als Student tritt Bielecki zur sozialistischen Propaganda in Beziehung, wird von der russischen Regierung verhaftet und verbannt. Nach der Rückkehr aus der Verbannung tritt er in die Reihen der Polnischen Sozialistischen Partei (P. P. S.) ein und wird bald einer der bedeutendsten Verfechter der„linken" Richtung, welche die nationalistisch-blanquistischen Tendenzen, die bisher in der Leitung der Partei geherrscht haben, bekämpfte. Seine'lebhafteste Tätigkeit fällt naturgemäß in die Jahre der Revolution 1996/96. Bis zum Jahre 1997 gehört er mit Unter- Brechungen dem Zentralkomitee der Partei an und entwickelt eine rege' schriftstellerische Tätigkeit. Die Zahl der Aufrufe, Broschüren -und Artikel, welche in dieser stürmischen Periode von seiner Feder stammen, ist unzählbar. Zugleich tritt Bielecki in großen öffent- lichen Versaimiilungen auf und wird gleich als glänzender Redner sehr populär. Ende 1995. in den„Freiheitstagen", kommt er als einer der Redakteure des ersten legalen Tagblattes der Partei mit der ganzen Redaktion ins Gefängnis und wird nach halbjähriger Haft verbannt: er kehrt aber nach einigen M-onaten zur unterbrochenen Arbeit zurück. Er spielt eine bedeutende Rolle bei der Neugestaltung der Partei nach der Spaltung, welche auf dem 9. Par- teitag Ende 1996 stattfand, wobei terroristische und nationalistische Elemente aus der Partei austraten und die sogenannte„Revolutio- näre Fraktion" bildeten. Mitte 1397 wird Bielecki zum drittenmal verhaftet, bleibt sechs Monate im Gefängnis unter besonders ungünstigen Bedingungen und wird nachher wieder verbannt, diesmal nach Sibirlen. Er entfloh zwor recht bald, aber schon mit zerstörter Gesundheit. Trotz- dem betreibt Bielecki noch jahrelang seine ökonomischen und poli- tischen Studien und sammelt eine Fülle von Kenntnissen, welche er dann in zahlreichen Artikeln der legalen Arbeiterpresse anwendet. Zugleich bemächtigt sich aber seiner eine unüberwindliche Melan- cholie. Er kämpft dagegen, reist nach Amerika , nimmt dort einen regen Anteil an der Präsidentenwahlkampagne, spricht in Per- saimmlungen. verfaßt Broschüren und Artikel. Sein nervöser Zu- stand bessert sich aber nicht. Auf dem Rückwege nach Europa fand er einen freiwilligen Tod in den Mceressluten. Die Arbeiterbewegung verliert in ihm einen ihrer trenesten Kämpfer, eine große Seele und ein warmes Herz.- Gemeindewahlsiege. Bei der Gemeindeersatzwahl in Haan , Rheinland, entfielen bei den Neuwahlen von 431 abgegebenen Stimmen 312 auf die sozialdemokratischen und 119 auf die bürgerlichen Kandidaten. Bei den Ergänzungswahlen fielen unseren Genossen 334, den Bürger- lichen nur 95 Stmumen zu. Sämtliche 6 Mandate der dritten Wählerklasse sind somit von uns erobert worden. In Eilpe bei Hagen i. W. erhielt bei der Stadtverordneten - «rsatzwahl der sozialdemokratische Kandidat 54?. während der Gegner nur 199 Stimmen erhielt. OotizciUches, Gerichtliches utw. Prehprozeß. Vom Schöffengericht in Breslau wurde-er verantwortliche Redakteur des--Sächsischen Volksblatt m Zwickau, der Genosse Breslauer, zu 89 M. Geldstrafe verurteilt, weil er den Schacht- meiiter eines Bergwerkes durch eine Notiz beleidigt haben soll, dem nachgesagt wurde, daß er gegenüber den?��ern öfter nach Be- lieben und Gunst verfahre. Das Gericht sah den Wahrheitsbeweis Rm Induftm und Handel. Die Schnapskäufer rebellieren gegen die Fnselbrenner. Unter der S p i r i t u s z e n t r a l e werden zwei Verbände ver- standen, nämlich der Verwertungsverband deutscher Spiritusfabrikanten.die Organisation der Brenner, und die Zentrale für Spiritusverwertung, die Organisation der spritfabriken. Die Spirituszentrale, also die Brenner und die Sprit- fnbriken wollten nun(am 5. Novbr.) die Schnapskäufer, die im Ver- bände deutscher Spiritus- und Spirituoseninter- e s s e n t e n vereinigt sind, endlich in die Tasche stecken. Das Mittel dazu sollte eine Spirituskonvention sein, die die Schnapskäufer in die Hände der Spirituszentrale gibt. Eigentümlicherweise ist die Leitung des Destillateurverbandes für diesen Schritt, sie mußte die Delegiertenversmnmlung auf den 13. d. Mts. vertagen, weil die Mitglieder noch nicht recht wollen. In der letzten Woche haben gegen den Plan einer Konvention in der Spirituszenirale die folgenden Destillateurorganisationen Stelliing genommen: Verband der Likörfabrikamen und Weinhändler Niedersachsens , Wein- und Spirituosenhändlerverband von Nordwest- deutschland , Rheinisch-Westfälischer Verein der Destillateure und Braiintweininteressenten,»Verein Bayerischer Branntwein- und Likör- fabrikanlen. Die Spirituszentrale hat seinerzeit als Vorbedingung für ein Zusammengehen mit den Abnehmer» oder richiiger für die Unterjochung der Abnehmerkreise die Beteiligung von 79 Proz. der in Be- tracht kommenden Interessenten an der Spirituskonvention verlangt. Diese 79 Proz. sind, wie die obige Zusammenstellung ausweist, nicht vorhanden I Es bleibt nur die Frage offen, ob die Protestler sich nicht doch noch von der Spirituszentrale über den Löffel barbieren lassen._ Hub der Frauenbewegung. Die Spaltung im Frauenstimmrechtsverband. Die Beiratskonferenz des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht in Weimar hat bekanntlich zu einer Ab- sprengung der bürgerlich-radikalen Elemente des Verbandes geführt, weil die Mehrheit der Konferenz die Forderung des allgemeinen, gleichen, geheimen, direkten Wahlrechts aus dem Z 3 der Verbandssatzungen strich. In der bürgerlichen Frauen- presse erschienen bisher nur ganz inhaltslose Mitteilungen über diese Konferenz und auch das offizielle Organ des Ver- bandes„Frauenstimmrecht"(herausgegeben von Anita Augspurg ) bringt in seiner neuesten Nummer nur folgende schemenhafte Notiz: „Den Hauptinhalt der Verhandlungen bildete eine Aus- spräche über§ 3 der Verbandssatzung, der während des letzten Jahres mannigfache Kämpfe innerhalb des Verbandes hervor- gerufen hat. Nach langen, lebhaften Debatten, die außer oer Nachmittagssitzung am 39. September auch fast die ganze Vor- mittagssitzung am 1. Oktober in Anspruch nahmen, wurde auf Grund eines vom Bayerischen Landes-verein ausgehenden Vor- schlags ein Modus gefunden, der begründete Aussicht auf eine Verständigung zwischen den verschiedenen Parteien eröffnet. Eine endgültige Lösung dieser wichtigen Lebensfrage des Ver- bandes kann selbstverständlich erst auf der nächsten General- Versammlung erfolgen." Mit der begründeten Aussicht auf Verständigung muß es sehr schwach bestellt sein, da einige der tüchtigsten Vor- kämpferinnen der bürgerlichen Frauenbewegung bereits aus dem Stimmrechtsverbande ausgeschieden sind. Auch der Leitartikel derselben Stummer des Verbands- organs, die den offiziellen Bericht mitteilt, muß zugeben, daß diese Hoffnung auf Verständigung nicht den Tatsachen ent- spricht, denn„es geht durch die berichterstattenden Mitglieder- Versammlungen der Ortsgruppen des Verbandes ein auf- geregtes Rauschen, das weit mehr nach verschärfter als nach abflauender Polemik klingt". Um von dem eigentlichen Kern der Sache abzulenken, sucht Anita Auspurg im gleichen Artikel die Frauen, die sich von dem reaktionären Verbände abwenden, des Verrats an der Frauenemanzipation zu verdächtigen. Höhnisch spricht sie davon, daß jene sich„durch Voranstellen der Männer- Parteiinteressen vom Ziele ablenken oder lahmlegen lassen", als ob nicht gerade die Forderung des allgmeinen, gleichen, geheimen Wahlrechts viel mehr die Interessen der Frauen wahrt als die Forderung des Dreiklasse�iwahlrechts. Geradezu komisch wirkt es, daß Anita Augspurg nur den Frauen den Vorwurf parteipolitischer Befangenheit(der „Parteihypnose") macht, die für Beibehaltung des 8 3 ein- traten. Oder glaubt sie, daß nicht die nationalliberalen Frauen auch dem Verband den Rücken kehren werden, wenn nicht deren Forderung nach Beseitigung des§ 3 bewilligt wird? Ein Teil der Stimmrechtssrauen(aus der d e u t s ch e n Vereinigung für Frauenstimmrecht) hat ja bereits diesen Schritt getan. Gerade der Anschluß an eine große Partei, die wie die sozialdemokratische für die völlige politische Gleichstellung eintritt, bietet ganz andere Garantien für die Erringung dieses Zieles als die Zugehörigkeit zu einem kleinen Frauenverband, dessen eigenen Mitgliedern es mir diesem Ziele nicht ernst ist.(Uebrigens ist unseres Wissens keine der ausgeschiedenen Frauen der sozialdemokratischen Partei beigetreten.) Nicht weil ihnen die Partei mehr gilt als das Frauenstimmrecht'— wie Anita Augspurg sophistisch verdreht—, sondern weil ihnen umgekehrt das Frauenstimm- recht wertvoller erscheint als ein Verband, der sein Ziel ver- raten will, scheiden jene Frauen aus dem Frauenstimmrechts- verband aus. Schließlich beschwert sich Anita Auspurg über den„Vor- wärts", der„mit gewohnter Unverfrorenheit wesentlich un- richtige Angaben" bringe. Wir sind gern bereit, uns besser belehren zu lassen, aber solange das nicht geschieht, müssen w i r es schon als Unverfrorenheit bezeichnen, daß man unsere Angabitn ohne Widerlegung für unrichtig erklärt. Mit- teilunge« über die Weimarer Beschlüsse sind um so not- wendiger, als Anita Augspurg sogar den ausgeschiedenen Frauen eine öffentliche Erklärung über die Motive ihres Aus- tritts solange unmöglich machen will, bis es dem Stimmrechts- verband passen sollte, sie aus diesem erzwungenen Schweigen zu befreien. Also weshalb berichtigt man nicht angeblich entstellte Berichte?_ diese Tätigkeit mit Sem eigenen Belriebe in keiner Verbindung stehe. In seiner Berufung an das Oberversicherungsamt betonte der Verletzte, es sei in Frankfurt a. M. üblich, baß die Gärtner , sobald sie lburch die Zeitungen erfahren, wo jemand gestorben ist, zu den Hinterbliebenen gehen, um den Auftrag für Instandsetzung und -Haltung des Grabes zu bekommen. Das Aufsuchen von Kundschaft sei in diesem Falle zweifellos eine Tätigkeit im und für den Be» trieb. Werde diese, wie in größeren Geschäften üblich, durch Ango stellte besorgt und- diese erlitten dadurch einen Unfall, so fei ihnen doch auch ohne jeden Zweifel Rente zu gewähren. Als selbstver- sicherter Kleiuuuternehmcr stehe ihm daher dasselbe Recht zu. Das Oberversicherungsamt trat dem Kläger bei, indem es sagte? „Das Auffuchen von Aufträgen zur Ausschmückung und dauernden Unterhaltung von Gräbern durch einen Gärtner ist eine auf Per- Wertung der eigenen gärtnerischen Erzeugnisse gerichtete Tätigkeit; der Kundenbesuch dient den Zwecken des Gärtnereibetriebes und muß deshalb diesem Betriebe zugerechnet werden. Der bei einem solchen Besuche dem Kläger , einem bei der landwirtschaftlichen Be- rufsgenossenschaft zwangsversicherten Unternehmer, zugestoßene Unfall, über dessen Vorgang und Begleitumstände kein Streit zwischen den Parteien herrscht, ist deshalb unbedenklich als ein landwirtschaftlicher Betriebsunfall anzusehen, zumal sonst keinerlei Tatsachen vorliegen, die unter den gegebenen Umständen die Be- Ziehungen des Klägers zu feinem Gärtnereibe triebe als gelöst er- scheinen lassen." Der Anspruch auf Rente wurde dem Grunde nach anerkannt. Die Berufsgenossenschaft verzichtete auf den Rekurs und erteilte Rentenbescheid. Die Krise in der Glasfabrik von Aldi. Paris , 4. Nov.(Eig. Ber.) Gestern hat die Generalbersamm- lung der Aktionäre der genossenschaftlichen Glasfabrik von Aldi stattgefunden, bei der die bekannte Krise in dieser Versammlung zur Verhandlung kam. Die Presse— die Arbeiterpresse einbegriffen— war ausgeschlossen. Die„Humanite" und die„Bataille Syndica- liste" veröffentlichen ein ganz kurzes, ziemlich farbloses Com- uiunique, aus dem nur hervorgeht, daß das Reorganisattonsprojekt fast cinstimiiilg angenomiiien wurde und der Direktor Spinetta seine Demission auf Ansuchen wieder zurücknahm. Weit ausführ- licher weiß die bürgerliche Presse zu berichten, wobei ihr Jndiskre- tionen von Teilnehmern an der Versammlung offenbar zu Hilfe gekommen sind. Aus ihren Berichten geht hervor, daß der Bericht der Zensoren, ebenso wie Genosse Hnmelin, Sekretär der Reorga- nisationskommission, das Vorgehen der Arbeiter der Fabrik, be- sonders der Glasbläser, entschieden tadelte. Auch der Sekretär der Glasarbeiter Delzaut schloß sich diesem Urteil an, meinte aber ent- schuldigend, daß die Mehrzahl der Arbeiter das Opfer ihrer Vor- urteile geworden seien. Auch hätten die vielen Leiter des Unter- nehmens die Arbeiterschaft demoralisiert. Nach der Abstimmung verpflichteten sich die 12 Delegierten der Arbeiterschaft, ihren Einfluß für die Annahme des Projekts aufzubieten. Ob dieser ausreichen wird, ist allerdings noch zweifelhaft. SoziaUa* Ein Betriebsunfall beim Aufsuchen von Arbeit. Der Handelsgärtner R. Sch. in Frankfurt a. M. suchte am 24. März 1912 für sich Arbeit, indem er bei einer Frau, deren Mann verstorben war, versuchte, die Ausschmückung und Unterhaltung des Grabes übertragen zu bekommen. Dabei stürzte er die Treppe her- unter und brach ein Bein. Den erhobenen Anspruch auf Unfall- renke lehnte die Berufsgenossenschaft ab, weil die bei Gelegenheit eines Kunde nbesuches zur Erlangung von Arbeft erlittene Ver. letzung nicht al» Unfall beim Betriebe angesehen werden könne, da Gewerbegericht. 1. Lohneinbrhaltung. Daß Lohneinbehaltungen nach§ 394 B.G.B, unzulässig sind, will manchem Unternehmer noch immer nicht in den Sinn. Um seinen vereinbarten Lohn zu erhalten, mußte der Arbeiter L. erst das Gewerbegericht in Bewegung setzen. Er war bei dem Fenster- reinigungsinstitut Fietz als Fensterputzer mit einem Tagelohn von 4,59 M. beschäftigt. Am ersten Tage der Beschäftigung wurde der Arbeiter mit 16 Aufträgen versehen, konnte jedoch nur 12 er- ledigen und brachte am Abend vier Auftragsscheine als unerledigt zurück. Dafür zog ihm die Firma 2 M. ab. Die Kammer 8 des Gewerbcgerichts verurteilte die Firma zur Zahlung des Lohnes und ferner zur Zahlung von 2 M. an den Kläger als Entschädigung für drei wahrgenommene Termine. 2.„Aufhetzung" von Lehrlingen. Der Xylograph Sch. war bei der Firma Gaillard' beschäftigt und wurde ohne Einhaltung der Kündigungsfrist entlassen. Durch Klage vor dem Gewerbegericht forderte Sch. den Lohn für 14 Tage sowie einen Restlohn von 7,59 M. im Gesamtbetrage von 97.59 M. Die beklagte Firma behauptete, einen Grund zur sofortigen Ent- lassung des Klägers gehabt zu haben, denn er habe die Lehrlinge aufgehetzt, ein brauchbares Klischee mutwillig ruiniert, sowie an einem Tage mehrere Stunden ohne Grund gefehlt. Der Kläger bestritt diese Angaben und auch durch Zeugen wurde in der Ver- Handlung bekundet, daß der Kläger genau so wie andere Angestellte der Firma geäußert habe, die Lehrlinge»vürdcn in dem Betriebe der Beklagten nichts lerne». Das erwähnte Klischee sei unbrauch- und für die Zeugkiste bestimmt gewesen, außerdem liege die Sache schon mehrere Woche» zurück.— Nach dieser für den Kläger sehr günstig verlaufenen Beweisaufnahme verpflichtete sich die Beklagte im Vergleichswege an den Kläger 65 M. zu zahlen. Serickts- Leitung. Lehrer und Haftung des Staats oder der Gemeinde. Wie wir gestern mitteilten, hat das Reichsgericht am Dienstag entschieden. Lehrer sind keine Kommunalbeamte,-deshalb hafte die Gemeinde für durch ihr Verschulden Schulkindern zuaefügte Schäden nicht. Entschieden ist dadurch aber die Frage nicht ob der Staat für Verschulden der Lehrer hafte, lieber die Beantwortung auch dieser Frage herrscht in der Rechtsprechung Streit, der weder den Interessen der Lehrer noch denen der Kinder zuträglich ist. Er lollte endlich durch d,e Gesetzgebung entschieden werden. wie verstärkte Justizkommission des preußischen Abgeordneten- Hauses hat einstimmig beschlossen, das preußische Gesetz über die Haftung des Staates für Amtspflichtverletzungen der Beamten auch auf die Lehrer aller öffentlichen NnterrichtSanstalten auszudehnen. Nach der„Eorrefpondenz des deutschst Lehrervereins hat der Kultusminister und der Justizminister verfassungsrechtliche Bedenken gegen die beabsichtigte Bestimmung geltend gemacht, ohne daß angegeben ist, worin diese vevfassungSreckstlichen Bedenken be- stehen. Es mag dahingestellt bleiben, ob nach preußischem Staats- recht(Artikel 23 der Verfassung) Lehrer Beamte sind oder ihnen nur„gleichgestellt" sind. Steht der Artikel 23 der geplanten gesetz. lichen Regelung entgegen, so kann seine Fassung geändert werden. Vorzuziehen wäre indes eine reichsgesetzliche Regelung dieser Frage im Sinne des von der verstärkten Justtzkommffsion gefaßten Be- schlusses. Das Reich hat bislang die Regelung der Frage, falls Lehrer als Beamte zu erachten sind, leider den Elnzelstaaten über- wiesen. Infolgedessen besteht eine bunte Musterkarte über die Regelung der Frage in Deutschland . Da'der Rechtsgrund für die Uebernahme der Haftung des Staats ein ftir ganz Deutschland ein- heitlicher ist. wäre auch die einheitliche Regelung für ganz Deutsch » land das natürlichste, zweckentsprechendste und gegenüber den frei. lich unverständlichen verfassungsrechtlichen Bedenken-der Minister gegenüber einer partikularrechtlichen Gesetzgebung das einfachst«. Ein Grammophonkonzert im Gerichtssaal. Wegen V-rbreitung unzüchtiger Grammophonplatten hatte gestern die 12. Strafkammer des Landgerichts I unter Vorsitz de» LandgerichtSdirektorS Dr. Lilia gegen den Kaufmann Jakob und den Schankwirt Georg RÄemacher zu verhandeln.
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