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nicht Adressat war, der Stadt persönlich überlassen. sAbg. Hoff mann fSoz.f: Nanu, so dumm ist Tietz doch nicht I Heiterkeit.) Der Kommissionsantrag wird gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, der Polen und einiger Vollsparteiler angenommen. Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung: Mittwoch 10 Uhr. Zweite Beratung des Wassergesetzes. Schluß S'/z Uhr. parlaincntanrcbcs* Die verstäMe Gemcindelommisfion. der der Antrag Schmedding auf Aenderung des Fürsorgeerziehungsgesetzes überwiesen war, hat einen ausführlichen schriftlichen Bericht erstattet. Wie erinnerlich, handelt es sich daruni, das Gesetz in dem Sinne zu ändern, daß ein Minderjähriger, welcher das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, der Fürsorgeerziehung überwiesen werden kann, wenn die Boraussetzungen des§ 1666 oder des§ 1838 des B. G.-B. vorliegen und die anderweitige Unterbringung zur Verhütung und Verwahrlosung erforderlich ist. aber nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel erfolgen kann. Die Notwendigkeit der Aenderung des Gesetzes wird begründet mit dem Hinweis, auf die verschiedene Auslegung des Gesetzes durch die beiden höchsten Gerichtshöfe. Während das Kammergericht auf dem bereits eine drohende Verwahrlosung zur Anordnung der Fürsorgeerziehung ausreiche. Obwohl die Kommission den Antrag Schmedding einstimmig zur Annahme empfiehlt. und obwohl auch das Herrenhaus bereits im Jahre 1610 sich in ähnlichem Sinne ausgesprochen hat, ist es doch fraglich, ob die Regierung eine_ entsprechende Vorlage einbringt. Wie es scheint, will sie es zunächst auf dem Verwaltungswege versuchen. Der Kommissar des Ministers des Innern warnte in der Kom- Mission vor einer übereilten Aenderung und riet statt deffen im Einverständnis mit dem Minister, schrittweise vorzugehen und zunächst durch geeignete Anweisungen denjenigen Mifr ständen entgenzutreten, die sich auf dem Boden deS be. stehenden Gesetzes im Verwaltungswege beseitigen lassen. Auch der Justizminister hält es für empfehlenswerter, bevor der Frage einer Gesetzesänderung nähergetreten wird, zunächst zu versuchen, ob man nicht die etwa vorhandenen Mißstände durch eine Aufklärung der beteiligten Stellen über die Rechtsprechung des Kammergerichks be- seitigen könne. Ebensowenig haben die Oberlandesgerichtsprästdenten, die von dem Justizminister gutachtlich gehört sind, sich für eine Aenderung des Gesetzes ausgesprochen. Die Ccucrung. Rückgang der Schlachtungen. Nach den amtlichen Ergebnissen der Schlachtvieh- und Fleischbeschau hat im dritten Vierteljahr ein erneuter starker Rückgang des Fleischkonsums stattgefunden. Die hohen Fleisch- preise infolge der Viehnot haben weite Kreise in den Sommer- monaten d. I. zum Verzicht auf den Fleischgenuß gezwungen. In den Zahlen der geschlachteten Tiere kommt das zum beut- lichen Ausdruck. Es wurden in den Monaten Juli bis September 1912 gegen die gleichen Monate des Vorjahres weniger geschlachtet: Ochsen.... 4 165 oder 6,16 Proz. Bullen.... 1 370 1,91 Kühe.... 5 866 2,21 Jungrinder.. 11 519 7,61. Kälber.... 78 564. 13,67 Schweine... 70 933 2,71 Ziegen.... 4229 14,89, Eine Zunahme zeigten nur die Schafschlachtungen um 46 422 Stück oder 9,14 Proz. Aeußerst charakteristisch ist, daß auch die Schweineschlachtungen von dem Rückgang betroffen wurden. Mit dem vielgerühmten Ersatz von Rind- und Hammelfleischgenuß durch Schweinefleisch ist es also nichts. Was tatsächlich an ihrer Stelle verzehrt worden ist, zeigen die Zahlen über die Pferde- und Huudeschlachtungen. An Pferden wurden 7004 oder 36,32 Proz., an Hunden 224 oder 68,29 Proz. mehr der Schlacht- und Fleischbeschau zugeführt. Dabei ist natürlich zu berück- sichtigen, daß nicht alle verzehrten Hunde vor den Trichinen- beschmier geführt wurden. Dieser außerordentlich hohe absolute Rückgang des zur Verfügung stehenden geschlachteten Viehes wird für den Konsum des einzelnen noch durch den Bevölkerungszuwachs seit 1911 verschärft. Aus den Zahlen geht ohne weiteres hervor. daß ein großer Teil des Volkes in diesem Jahr den Fleisch- genutz vollständig einstellen, ein weiterer Teil ihn stark hat einschränken müssen. Nicht die Begüterten haben natürlich auf den gewohnten Genuß verzichtet. Das arbeitende Volk hat das notwendige Nahrungsmittel Fleisch entbehren müssen. Ob der Herr Landwirtschaftsminister noch immer an seiner Erkenntnis festhält, daß es im Arbeiterhaushalt heißt: Fleisch, Fleisch und immer wieder Fleisch! Wie haben die Regierungsmaßuahmen gewirkt? Nach den neuesten Ausweisen der.Statist. Korrespondenz' sind die Fleischpreise in preußischen Großstädten gegen die erste Hälfte des Oktober etwas zurückgegangen. Daraus nun ohne weiteres aus eine Beseitigung der Fleischnot zu schließen, wäre durchaus falsch. Mehr als wie sonst ist der Ursprung der Zahlen zu berücksichtigen. Einmal handelt eS sich nur um Durchschnittspreise von 60 preußischen Orten. Vergleicht man die Zahlen der einzelnen Städte, so ergeben sich ganz gewaltige Unterschiede. So zahlte man für ein Kilo Rind- fleisch zu Halle o. S. 2.30 M., zu Bielefeld dagegen nur 1,60 M. I Die Ermäßigung für den Durchschnitt der 60 Orte kann z. B. allein darauf beruhen, daß man in einzelnen Städten die Preise notierte, die für mit Hilfe der kommunalen Verwaltungen eingeführtes Fleisch gezahlt wurden. Bekanntlich besteht aber noch immer eine Spannung zwischen den Preisen der Metzger für einheimisches Fleisch und den Preisen der Städte für ausländisches Fleisch. Eine Berücksichtigung nur deS letzteren in der Preisstatistik muß die Zustände günstiger erscheinen laffen. als sie sind. Wie wenig von einer allgemeinen Besserung der Lage die Rede sein kann, geht auch daraus hervor. daß die Preise für Pferdefleisch. Schinken und Speck allgemein gestiegen sind. Vergleicht man die diesjährigen Oktoberpreise gar mit denen der Vorjahre, so zeigt sich deutlich, daß wir in einer Zeit außer- ordentlicher Teuerung leben. Gegen den Oktober 1911 stehen die Fleischpreise noch immer um 16 bis 40 Pfennige höher. Man zahlte für ein Kilo lvom Bug): Oktober gegen 1911 mehr 20 der Regierung geschaffenen Erleichterungen. Be- darf es noch eines anderen Beweises für die völlige Unzu- länglichkeit der Regierungsmaßnahmen? Streikende Fleischermeister. In Detmold traten die Fleischermeistcr von ihrer Zusage zurück, den Verkauf des Fleisches, das vom Magistrat eingeführt werden sollte, zu übernehmen. Infolge dessen unterblieb zunächst die von der Stadtvertretung beschlossene Fleischversorgung. Die Mehrheit der Stadtverordneten wagte auch nicht, den von sozial- demokratischer Seite beantragten Maßnahmen gegen die Unverfroren- heit der Fleischermeister zuzustimmen. Rindfleisch.. Kalbfleisch.. Hammelfleisch. Schweinefleisch Pferdefleisch. Speck. 1909 166 166' 161 172 75 189 1911 169 176 167 153 78 170 1912 189 192 185 190 91 211 16 18 37 13 41 Ein Kilo Schweinefleisch kostete also im Oktober noch 37 Pf. mehr als im Oktober des Borjahres und das trotz der von Mi'tkchsstlichei' Aochenberlcht. Vom Einfluß des Krieges auf die Konjunktur. Der Beginn der Woche war an der B ö r s e wiederum durch Kursrückgänge gekennzeichnet. Die Flottensendungen der Großmächte nach dem Balkan ließen die Gefahr eines europäischen Krieges deutlicher erstehen. Am Dienstag waren die Baissiers weiter an der Arbeit, durch falsche Berichte über einen Einmarsch Oester- reichs in den Sandschak die Kurse vollends zum Weichen zu bringen. Vergeblich bemühen sich der Hansabundpräsident und die groß- kapitalistische Presse, in einer Polemik gegen agrarische Blätter diesen unangenehmen Eindruck der Börsenpaniken seit Anfang Oktober zu ver- tuschen. Tatsächlich herrschte, nicht nur an der Berliner Börse , ein Auf und Ab, das dem Gerede von der Sicherheit der deutschen Volkswirtschaft gegenüber der Kriegsgefahr widerspricht. Unwidersprochen ist nur geblieben, daß die Großbanken die weitere politische Situation zu ihrem Vorteil ausgenutzt haben, und dem.Lob" kann man unbedingt zustimmen, daß die Großbanken sich in den Tagen der Börsenkriscn ungefährdet gerettet haben. Wenn nian weiter darauf hinweist, daß überhaupt leine nennenswerten Zahlungseinstellungen auch von kleineren Bankfirmen eingetreten sind, so erinnern wir an das, was wir schon vor einigen Tagen ausführten: die Großbanken haben die fälligen Zahlungen gestundet. Die Insolvenzen werden noch vereinzelt folgen. So haben in der vergangenen Woche mehrere Bankfirmen in Schlesien und eine in Eisenach ihre Zahlungen einstellen müssen. Auch in Frankreich ist die Glattstellung der Spekulationsverpflichtungen im Ultimotermin ohne Ausfall vollzogen worden. Aber die recht hohen Abhebungen bei den französischen Sparkassen im Monat Oktober beweisen, daß auch die Banken von der Zurückziehung der Gelder betroffen sein müssen. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres übersteigen die Auszahlungen die Einlagen um 44,8 Millionen Frank. Im Oktober allein wurden 31 Millionen Frank abgehoben, während nur 7 Millionen Frank eingezahlt wurden. Die Okloberzahlen für deutsche Sparkassen, die noch nicht veröffentlicht sind, werden wahr- scheinlich ein ähnliches Bild zeigen. Denn die dauernde Ungeklärt- heit der politischen Lage steigert bei den kleinen Sparern und Rentnern die Furcht vor außergewöhnlichen Ereignissen. Von Mittwoch an hielten die Börsenkurse wieder eine aufwärts- steigende Tendenz inne, ohne daß dafür ein durch die politische Situation gebotener Grund vorlag. Parallell mit der Besserung an der Effektenbörse standen Preis- ermäßigungen an der Getreidebörse. Außerordentlich günstige Ernte- ergebnisse in Amerika und Frachtnachlässe neben ruhigerer Beurteilung der politischen Situation trilgen dazu bei. Die Rückwirkung des Balkankrieges auf die industrielle Konjunktur beginnt sich jetzt bereits fühlbarer zu machen. In den Ausweisen für den Handel im Oktober tritt das allerdings noch nicht in Erscheinung. Die Einfuhr und Ausfuhr von Montan- zrodukten zeigt recht erhebliche Steigerungen gegenüber dem Vor- ahr. Dagegen hat die Einfuhr von Textilrohstoffen(mit Ausnahme von Jute und Kreuzzuchtwolle) nachgelassen. Die Textilindustrie wird ja auch am ehesten von einem Kriege betroffen. In diesem Jahr- kommt noch hinzu, daß die Teuerung eine ganz außer- ordentliche ist. Wenn der Arbeiter sich noch mehr einschränken mutz, als es schon für gewöhnlich geschieht. dann ver- zichtet er auf neue Kleidungsstücke, trägt seine alten weiter oder geht allenfalls zum Altkleiderhändler. In der Schwerindustrie soll sich ebenfalls bereits der Balkan - krieg bemerkbar machen. Wenigstens berichtet dieRbein.-Westf. Ztg.", daß auf dem Eisenmarkt allenthalben Zurückhaltung herrscht und daß die Verkaufstätigkeit auf den freien Märkten fast zum Stillstand gekommen ist. Zum mindesten bewahrt man Zurückhaltung in den Abschlüssen, um die Ereigniffe auf dem Balkan abzuwarten. Die Preise zeigen bereits eine Tendenz nach unten. Die Produktionsziffern für Roheisen im Oktober wiesen allerdings einen neuen Rekord auf. Gegen den September dieses Jahres stieg die Roheisenproduktion um 110 000 Tonnen und gegen den Oktober deS Borjahres gar um 267 000 Tonnen. Ebenso beweist der dauernde Wagenmangel im Ruhr- und Saarrevier, daß die Kohlenprodullion eine nie verzeichnete Höhe erreicht hat. Der Güterandrang ist so tark, daß zuweilen die Annahme von Frachtgütern auf ganzen Strecken gesperrt wird, weil die Betriebsanlagen sich als unzuläng- lich«weisem Der Rückgang von Aufträgen in der Montanindustrie geht auch aus dem Bericht der Phönix A.-G. hervor. Während im Oktober vorigen Jahres Aufträge auf 32 300 Tonnen eingelaufen waren. betrugen sie in diesem Jahr nur 28 700 Tonnen. lieber die Ans-- ichten des kommenden Jahres schwieg sich der Generaldirektor Beukenberg auffallenderweise im Gegensatz zu früheren Jahren auf der diesjährigen Generalversammlung aus. Sonst bringen die Geschäftsergebniffe des Jahres 1911/12 äußerst günstige Abschlüffe des Werkes, das gerade 60 Jahre hindurch besteht. Den Aktionären des> Werkes kann eine Dividende von 18 Prozent gewährt werden. Eine aktive Teilnahme der Großmächte an dem Balkankriege würde die industrielle Weltkonjunktur mit einem Schlage beseitigen. Bei einer schleunigen Beendigung des Krieges in seinem bisherigen Umfange und die von den Balkauvöliern selbst gewünschie politische und vor allem wirtschaslliche Vereinigung würde dagegen der in- dustriellen Konjunktur einen neuen Antrieb geben. Nichts belveist den Widersinn in den Bestrebungen der europäischen Großmächte mehr, als daß sie bei einer kriegerischen Verwicklung ihre Industrie, ihren Handel und ihren Nationalrcichtum aufs Spiel setzen, obgleich eine friedliche Regelung wenigsten? in der Balkansrage zum gleichen Ziele führen würde. Die Schaffung eine? politisch und wirt- schaftlich selbständigen Balkanbundes würde gerade für Oesterreichs Industrie Anregung und neue Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Und noch mehr sind die übrigen europäischen Staaten, vor allem Frankreich , England und Deutschland an einer schleunigen Herstellung des Friedens auf dem Balkan interessiert. Schon jetzt stockt der Absatz nach den BaUanländern; Aufträge oder gar Zahlungen fehlen völlig aus jenen Gebieten. Die dort in produktiven Anlagen in- vestierten Kapitalien sind gefäbrdet, denn wer ist heute sicher, daß jene Anlagen nicht zum Teil vernichtet sind oder vernichtet werden I Und dann die großen Summen, die den Balkan - staaten auf dem Kreditwege überlasten worden sind. Die Ge- schichte dieler Anleihen zeigt, daß die europäischen Gläubiger nicht immer auf volle Befriedigung bei der Zinsenzahlung rechnen konnlen. Wenn auch die siegreichen Balkanstaaien jetzt leichter die für Schuldendienst notwendigen Summen aufbringen werden, bei der völlig.»'ammengebrochenen Türkei ist das sehr fraglich. Gewiß sind die Monopoleinnahmen europäischen Finanzkonsortien zur Deckung der Schuldzinscn verpfändet. Aber dem militärischen und politischen Zusammenbruch kann der finanzielle folgen. Die Rückwirkung auf die europäischen Großstaaten wäre eine außer- ordentliche. Gerade in die Hände der kleinen Rentner sind diese Staatspapiere gelangt, zum Teil weil die einzelnen Stücke nur aus niedrige Beträge lauten.(So kann man ein»Türkenlos", ein türkisches Anleihepapier, für 160 bis 160 M. erstehen.) Um so im- verantwortlicher ist das Spiel der großkapitalistischen Kreise, ins- besondere der Banken, die ihren Einfluß benutzen, um im Interesse des eigenen Geschäfts das Publikum in Sicherheit zu wiegen. Auf die Entivickelnng der Weltkonjunktur wird gegen- über den politischen Ereignissen der Ausfall der Präsidenten- I wähl in Amerika ebensowenig einen irgendwie bedeutenden Ein- fluß ausüben, wie es die Vorbereitungen zur Wahl getan haben. Die industrielle Konjunktur hat sich unberührt von den innerpolitischen Ereignissen Nordamerikas entwickelt und steigt weiter an. Wenn überhaupt noch bei irgend jemand_ die Befürchtung bestanden haben sollte, der neuedemokratische" Präsident könnte mit der Programmforderung des Abbaues der Zolltarife Ernst machen, dann wurden sie durch des Präsidenten Erklärung zerstört, daß unter seinein Regime kein ehrlicher Geschäftsmann»etwas zu fürchten" habe. Sind sie nicht alle, olle ehrenwerte Männer, bis zu den Trust- Magnaten hinauf? Die New-Zorker Börse quittierte sofort dankend mit einer Aufwärtsbewegung der Aktien. Hus der f rauenbewegung. Die polnische Frauenbewegung. So wenig die herrschenden Zustände in den polnischen Lande?» teilen einer Ausbreitung der sozialdemokratischen Arbeiterbe- wegung förderlich gewesen sind, so wenig waren sie auch geeignet, die EntWickelung einer Frauenbewegung im modernen Sinne zu begünstigen. In dem von allen polnischen Bevölkerungsklassen ge» meinsam geführten Abwehrkampfe gegen die endlosen Trangsa- lierungen, mit denen Preußen die Ausbreitung des Polentums in Ost- und Westpreußcn, Posen und Oberschlesiea zu unterdrücken und die Germanisierung zu fördern wähnt, in diesem Kampfe, der aber doch nur ein Kleinkrieg genannt werden kann, erschöpft sich bis auf weiteres die politische Leidenschaft der Polen . Seit Polens gewaltsamer Verpreußung am Ausgang des 18. Jahrhunderts hat die Regierung in der Behandlung der unterdrückten Nation Fehler über Fehler begangen. Immer unter dem Vorwande, daß die Polen heimlich den Plan nährten, sich von Deutschland loszu- reißen, wurden ihnen die selbstverständlichsten staatsbürgerlichen Rechte systematisch verkümmert; so wurde ihnen in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unter anderem der Gebrauch ihrer Muttersprache in den Schulen untersagt. Die Erbitterung stieg aufs höchste und machte sich in Krawallen Luft, als Kinder. die dennoch polnisch sprachen, auf Anordnung der Schulbehörde ge- prügelt wurden. Die Urheber der Tumulte, darunter Frauen. büßten ihre Empörung über die Mißhandlung ihrer Kinder mit harten Gefängnisstrafen, in einem Falle mut Zuchthaus .... Der sogenannte Sprachenparagraph des neuen Vereinsgesetzes untersagt 4�n Polen den Gebrauch ihrer Sprache auch in öffent- lichen Versammlungen. Dienationalen Interessen", die bei diesem Gewaltakt vorgeschützt wurden, sind der Deckmantel, unter dem die junkerlichen und kapitalistischen Ausbeuter dem polnischen Proletariat die gewerkschaftliche und politische Betätigung un- möglich zu machen versuchen. Die in diesem Jahre zum ersten Male erfolgte brutale Anwendung des Enteignungsgesetzes vom Jahre. 1908, eines Ausnahmegesetzes in krassester Form, hat aber- mals einen Sturm der Entrüstung unter den Polen erregt, der kürzlich im preußischen Dreiklassenhause noch kräftig nachhallte. Auch dieses letzte Glied in der Kette unerhörter Schikanen gegen die Polen halfen die Preisfechter der Polenhetze schmieden, die Hakatisten, Mitglieder des H.-K.-T.-Vereins, so genannt nach den Begründern des antipolnischen Ostmarken-Vcrcins: Hansemann, Kennemann und Tiedemann. Ein klägliches Schauspiel ist es, daß im Troß dieser Rektionäre auch ein Teil der bürgerlichen Frauen- rechtelei einherzieht, angeführt von Dr. Käthe Schirrmacher und, der ihre polnische Abstammung so erfolgreich verleugnenden Maria Lischnewska . Es kann natürlich für die bürger- liche Frauenbewegung in polnischen Kreisen nicht Propaganda machen, wenn sie hakatistische Elemente in führenden Stellungen und polenfeindliche Agitation in ihren Vereinen duldet. Dennoch gibt es so etwas wie eine polnische Frauenbewegung, wenn man die fast durchweg von der polnischen katholischen Geist­lichkeit geführten WohltätigkettS-, wirtschaftlichen und sozial- politischen Organisationen von Frauen so nennen will, die fast sämtlich einen stillen, aber zähen Kampf für die Erhaltung deS Polentums gegen sein« Bedränger führen. lieber diese polnische Frauenbewegung unterrichtet eine kürz- lich erschienene Broschüre aus der Feder des Generalsekretärs des Ostmarkenvereins Vosberg.(Die polnische Frauen- be wegung. 1912, Verlag Oskar Eulitz, Lissa i. P., 22 Seiten. Preis 20 Pf.) Die charilativen Organisationen werden von den Polen dadurch in den Dienst der nationalen Sache gestellt, daß sie ihre Wohltaten nur der polnischen Bevölkerung zukommen lassen. Polnische Kinder, die der Fürsorgeerziehung anheimzufallen drohen, werden durch einen Verein in polnischen Anstalten und Familien untergebracht, damit sie dem Polenium nicht verloren gehen. Ein polnisches Asyl nimmt auch gefallene Mädchen auf usw. In einigen Fürsorgevereinen haben Damen, um das gefährdete polnische Schrifttum zu erhalten, den Kindern polnischen Schreib« und Lese- Unterricht erteilt. Dem VereinWarta"(Wacht) sagt Vosberg nach, daß er 1906 den Schulstreik in der Provinz Posen vorbereitet habe. Einige derartige Bereine wurden von den Behörden wider- rechtlich geschlossen. In polnischen Frauenvereinen wurde auch eine gegen die deutschen Kaufleute gerichtete Boykottbewcgung(w- pflegt. Doch betätigten sich auf diesen Gebieten nur wenige Frauenorganisationen. die fast ausschließlich aus Tanten der Oberklasse bestanden. Erst vom Jahre 1906 ab wurden auch die Frauen der unteren Volksschichten mobilisiert. Es ertdstandcn Fravenbildungs- und Bcrufsvereine, die wie die polnisch katholi- schen Arbeitervereine, von Geistlichen gegründet und geleitet wurden. Sie sind mit wenigen Ausnahmen in zwei großen Ver- bänden zusammengeschlossen, die es in fünf Jahren auf 49 Vereine mit 8200 weiblichen Mitgliedern gebracht haben. Sie bezwecken neben der Stärkung der Anhänglichkeit an die auf nationalem Boden stehende Religion und Kirche die geistige und materielle Hebung der Mtiglieder." Einige Frauenbildungsvercine haben sich von den, Einfluß der Geistlichkeit emanzipiert und Frauen in ihren Vorstand gewählt. Diese abtrünnigen, unter dem Einfluß der national-demolvatischen Partei stehenden Vereine unier ihr« Macht zu bringen, ist das eifrig« Bestreben der Pfaffen, die sich überhaupt in demagogischer Weise an die Spitze aller polnischen Organi- sationen drängen, um den Einfluß auf die Massen nicht zu ver- lieren. In dem Verband der erwerbstätigen Frauen herrschen die Geistlichen noch unumschränkt. Sterbe-, Kranken, und Aussteuer- kassen, Rechtsschutz. Arbeitsnachweis für Dienstboten und Arbeite- rinnen sollen durch die Gewährung kleiner Vorteile Mitglieder anlocken. Die Verbände unterhalten auch eine eigene Frauenpressc. Natürlich erblickt der hakatistische Verfasser der Broschüre in der planmäßigen Heranziehung der Polinnen in den Nationali- tatenkampf, dem alle ihre wirtschaftlichen und sozialpolitischen Organisationen dienstbar gemacht werden, eine schwere Gefahr für das Deutschtum. Auch die Sozialdenwkratie kann dieser nur zu begreiflichen EntWickelung der Dinge nicht gleichgültig gegenüber- stehen. Die Organisierung der werktätigen Polinnen im beschränkt nattonal-polnischen Sinne bedeutet eine Zersplitterung und damit eine Schwächung der großen deutschen Arbeitcrinnenbcwegung. die auf dem Boden des Klassenkampfes steht, und die für die Wirtschaft- liche und Politische Befreiung der arbeitenden Frauenwelt ohne Unterschied der Nation eintritt. Hier haben wir noch ein großes. freilich auch recht steiniges Agitationsfeld zu beackert». Denn es Ist unsere Pflicht, immer wieder zu betonen, daß das polnische Proletariat Irrwege geht, wenn es sich unter dem Einfluß pfäfft- scher und kleinbürgerlicher Demagogen zur wüsten Nationalitäten- hetze mißbrauchen läßt und dabei Männer als sein« politischen Führer im Parlament wählt, die dienationale Sache" so und so oft verraten haben, indem sie die Forderungen des Milltarismu» bewilligten, Führer, die noch stets der agrarischen Auswucherungs- Politik der preußischen Junker zugestimmt und damit das arm« Volk noch tiefer in Not und Elend gestoßen haben. Die Männer und Frauen des polnischen Proletariats können ihre Unterdrücker nicht wirksamer bekämpfen, als durch Anschluß an die sozialdemo- kratische Partei, die für ihre Interessen stets auf das wärmste eingetreten ist, weil sie nicht bloß die Ausbeutung und Unter- drückung der Lohnarbeiter, sondern jede. Art der Ausbeutung und Unterdrückung bekämpft, richte sie sich gegen eine Klasse, ei»« Partei, ein Geschlecht, eine Rasse oder Nation.