Nr. 279. 29. Iahrgattg.1. Ktilqe ilts Lmiirts" Krlim MMFreitag, 29. Novenlker l9!2.k�eickstag.72. Sitzung. Donnerstag, den 28. November 1V12,vormittags 11 Uhr.Am BundeZratStisch: v. Schorler. Kühn,Vie Neuerung.Die Besprechung der Interpellation S l b r e ch t u. Gen.(Soj.)über die Teuerung mit der ersten Beratung des Gesetzentwurfs betr.vorübergehende Zollerleichterung bei der Fleisch-einfuhr wird fortgesetzt.Abg. Wendorff(Vp.): Angesichts der Teuerungsverhältnissehätte der Reichstag läng st einberufen werden müssen,um sich damit zu beschäftigen, und es ist zu erwägen, obdie Verfassung nicht dahin abzuändern ist, daß der Reichs-tag aus eigener Jnitrative zusammentretenkann. Am 21. Februar dieses Jahres glaubte der StaatssekretärDr. Delbrück noch, die Fleischteuerung werde bald vorübergehen;heute hat er diese Hoffnung wohl nicht mehr. Die Regierung undder Reichskanzler erkennen jetzt an, wie schwer weite Kreise desVolkes unter der Teuerung leiden. Betrachten wir die Ursachen derTeuerung, so ist zuzugeben, datz sie zum Teil internationalist) veranlatzt durch die Mißernte des vorigen Jahres; in Deutsch-land ist sie noch verstärkt worden durch die Maul« undKlauenseuche. Diese allgemeinen Ursachen äußern sichdurch Verringerung des Angebotes. die preissteigernd wirkt.Aber das preußische Landesökonomie-Kollegium und der preußischeLandwirtschaftsminister scheinen ganz anderer Meinungzu sein; dieser führte am S. Februar unter dem Beifalldes Kollegiums aus, die deutsche Landwirtschaft wird weiter imStande sein, den wachsenden Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnungzu tragen, weder die. Dürre noch die Maul» undKlauenseuche hat Einfluß auf die Fleischversor«gung gehabt<Hört I hört I links) und eine Viehknappheit wirdim Frühjahr und Sommer nicht eintreten.(Lebhaftes HörtIhört l links). Mit dieser Prophezeiung vergleiche man den Rück-gang der Viehschlachtungen in diesem Sommer! HerrG i e s b e r t s freilich behauptete auch gestern, die deutscheLandwirtschaft sei imstande, genügend Fleisch für die Bevölkerung zuproduzieren, dann wäre ja die Einberufung der T e u e r u n g s»komm nktio n ganz überflüssig gewesen. Wir begrüßendiese Konnwsfion und hoffen, daß sie sich nicht irgend welche Zieleund Absichten wird suggerieren laffen.(Beifall bei der Vp.) DieAgrarier schieben die Schuld an der Fleischteuerung dem Zwischen-Handel zu. Man weist z. B. auf die große Zahl der Fleischer-lüden in Berlin hin; aber je größer die Zahl der Verkaufsläden.je stärker die Konkurrenz, um so mehr müssen die Fleischer demPublikum entgegenkommen, auch im Preise.(Sehr richtig! links.)In den kleinen Landstädten ist von einem ausgedehnten Zwischen-Handel keine Rede, und dort sind die Preise ebenso gestiegenwie in Berlin, da kann man doch dem Zwischenhandel nicht dieSchuld an der Teuerung beimeffen.Die Hauptursache der Teuerung insbesondere in Deutsch-land ist zweifellos unsere Wirtschaftspolitik. Durch dieTeuerung der Futtermittel hat man die Produ,ktionskosten der Vieh-züchter' um Millionen verleuert.(Hört! hört? links) Durch dieFuttermittelzölle sind nicht nur die verzollten, sondern auchalle anderen Futtermittel im Preise erheblich gestiegen.(Hört! hört!links; Unruhe rechts.) Sie werden mich durch Ihren Lärm nichtverhindern, das zu sagen, was. ich im Interesse des deutschen Volkesund der deutschen Landwirtschast zu sagen habe.(Bravo I links;Gelächter rechts.) Die viehlose Wirtschaft, der Rückgangdes Kleeanbaues find Tatsachen, die unS zu denken geben sollten,soweit wir überhaupt zu solchen Anstrengungen neigen.(Heiterkeitlinks.) Selbst preußische Domänen gibt es, dieviehlose Wirtschaft treiben.(Hört I hört I links.) Hier-gegen sollte die Staatsaufsicht einschreiten. Allerding« solles vorkommen, daß, wenn der Regierungsrat sich zur Domänen»inspektion angemeldet hat— vorsichtigcrweise meldet er sich an•—(Heiterkeit links) der Doniänenpächter sich von befreundetenViehhändlern einige Potemkinsche Rinder leiht.(Große Heiterkeit links. Unruhe rechts. Rufe: Namen nennen!)So etwas dürste unter keinen Umständen geduldet werden.— Wasnun die Maßnahmen der Regierung anlangt, so konzedieren wir ihr.daß sie wenigstens die Absicht gehabt hat, dem Volke zu helfen.(Sehr gut! links.) Die erstaunliche Liberalität der Agrarier denKommunen gegenüber ist uns allerdings recht verdächtig.(Sehr wahr I links.) In der Frage der amtlichen Fleischtaxen sehenwir merkwürdigerweise Herrn v. Heydebrand und HerrnScheide mann Arm in Arm und in ihrer Mitte den Reichs-kanzler.(Heiterkeit.) Wir können der Borlage der Regierung,deren Grundgedanke uns sympathisch berührt— er liegt in der Rich-tung des allmählichen Abbaus der Zölle— auch deshalbnicht ganz zustimmen, weil wir in der Zulassungausländischen Viehs, das unter billigeren Produktionskosten erzeugtwird als bei uns. eine Schädigung unserer viehzüchtenden Bauernerblicken. Wir werden daher bei der zweiten Lesung als Ausgleichdie Aufhebung der Futtermittelzölle beantragen. Zu-nächst beantragen wir die Ueberweisung der Borlage an eine Kom-Mission von 21 Mitgliedern.— Der Forderung einer zeit-weiligen Einführung von Gefrierfleisch stimmenwir zu. Dazu ist die Aufhebung des§ 12 des Fleisch-beschaugesetzes notwendig. Die Einwendungen � des Reichskanzlers dagegen waren nicht schlüssig. In Englandist trotz der großen, Einsilhr von Gefrierfleisch die Landwirtschaft imAusblühen. Das gegenwärtige System der Einfuhrscheine kann nichtaufrechterhalten werden. Die Folge dieses Systems ist z. B., daßwir dem Ausland die Kleie so teuer bezahlen müssen, wie dasAusland unseren guten deutschen Roggen bezahlt.(Hört Ihörtl links.)— Die Hauptsache ist die dauernde Hebung unserereinheimischen Viehproduktion. Dazu ist eine großzügigeinnere Kolonisation notwendig.(Sehr richtig! links.)Leider begegnen diese Bestrebungen in den Kreisen, aus die es an-kommt, gewissen Widerständen. So soll der Kreisaussöhuß des KreisesPyritz Widerspruch gegen eine weitergehende innere Koloni-sation erhoben haben.(Hört I hört I links.) Vor allem sollten dieStaatsdomänen aufgeteilt werden. Die Folge deragrarischen Wirtschaftspolitik ist eine Entvölkerung des plattenLandes.(Unruhe rechts.) Daß diese Abwanderung gerade in denBezirken der Großgrundbesitzer am stärfften ist, hat der Reichs-kanzler im Preußischen Abgeordnetenhause selbst festgestellt. Um sonotwendiger ist eine gesunde, lebensfähige Bauern-Politik, die aber unmöglich ist unter unserer gegen-wärtigen Wirtschaftspolitik. Hoffentlich läuft dieseDebatte nicht ohne ein praktisches Ergebnis ab.(Lebhafter Beifalllinks.)Preußischer Landwirtschaftsminister Frhr. v. Schorlemer:Der Vorredner hat auf meine Aeußerung im Vorjahre hinge-wiesen, daß eine Fleischteuerung in Zukunft nicht zu befürch-t e n sei. Ich stützte mich dabei auf die Ergebnisse der Viehzählungvon 1911. Zu meinem lebhaften Bedauern haben die Tatsachen de-wiesen, daß die Teuerung doch zugenommen hat.Allerdings ist 1912 wieder eine Zunahme des Fleischkonsums zuverzeichnen. Der Vorredner hat nicht beweisen können, daß inZukunft unsere Landwirtschaft nicht in der Lage sein könnte,den einheimischen Bedarf zu decken. Die Maul- und Klauenseucheist fast ganz erloschen, wir werden ihrer hoffentlich im Laufe desWinters ganz Herr werden.— Di« Zunahme der Pferde-schlachtungen ist wohl durch die Zunahme der Pferde-Haltungen überhaupt zu erklären. Auch wächst dieVorliebe für Pferdefleisch(Gelächter links); sein Gehalt an Eiweiß ist auch sehrgünstig.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Effen Sies doch!)Verteuernd auf das Fleisch wirkt vor allem der Zwischenhandel;ehe in Berlin das Fleisch zum Detailverkaus kommt, geht es durchfünf Hände. Daß es den Städten jetzt gelungen ist, die Detail-preise zu senken, liegt daran, daß es ihnen gelungen ist, denZwischenhandel zu beseitigen. Der wundeste Punkt ist dieMarktbeschickung, über die die Kommissionäre bestimmen. Hierwird eingegriffen werden müssen, um eine regelmäßige Markt-beschickung zu erreichen. Heute sind in Berlin die Preise fürSchweinefleisch für Kamm 95 Pf. pro Pfund, für Kote-l e t t e 1 M.. für B a u ch 85 Pf., für S ch i n k e n im ganzen 85 Pf.Das sind für eine Großstadt normale Preise, die zeigen, daßdie Maßnahmen der Regierung doch nicht ganh wirkungslos waren.An eine Ermäßigung der Fnttermittelziille ist nicht zu denken.Die Behauptung, daß sie verteuernd wirken, ist hinfällig, dasGegenteil ist wahr.(Schallende Heiterkeit links.) Eine ErMäßigung würde lediglich dem Handel zugute kommen, wie sich beikleines feuilleton-Der Kampf gegen die Cholera. Auf dem türkisch-bulgarischenKriegsschauplatze ist plötzlich ein furchtbarer Friedensvermittler er-standen, der eindringlicher zur Beendigung der blutigen Kämpfemahnt, als es die Großmächte Europas zu tun vermögen: dieCholera. Einerseits haben die Truppennachschübe aus Kleinasiendie Krankheit mitgebracht, andererseits sorgen die gänzlich ver-sagende Verpflegung der türkischen Armee und die Ungunst derWitterung für eine rege Verbreitung der Seuche, die binnen kurzerZeit schon Tausende von Opfern gefordert hat und bei dem Fehlenaller sanitären Schutzmaßregeln wohl zu einer Gefahr für Europawerden kann.Dank der wissenschaftlichen Errungenschaften Robert Kochs undder von ihm geschaffenen Abwehrmethoden ist es im Laufe desletzten Jahrzehnts noch stets gelungen, selbst einen furchtbarenErkrankungsherd wirksam zu umfassen und die Verbreitungsgefahrvon den übrigen Landesgebieten abzuwehren. Dem Feldzug gegendie Cholera liegt ein genau vorbereiteter, in langer Friedensarbeitnach allen Richtungen geprüfter und ausgebauter Mobilmachungs-plan zugrunde- Die Aufstellung dieses Planes ist das eigensteWerk von Robert Koch, durch dessen Entdeckung des Choleraerregers der erfolgreiche Kampf gegen die Cholera erst möglich ge-worden ist. Für die Durchführung des Kampfes gegen die Choleranach Kochs Plan sind von größtem Wert das Reichsseuchengesetz unddie dazu erlassenen preußischen Ausführungsbestimmungen. Vorallem sind die Aerzte angewiesen, bei den ersten verdächtigen Fällenan einem Orte Proben von den Ausleerungen der Kranken innicht desinfiziertem Zustande an die für den betreffenden Bezirkvorgesehene Untersuchungsstelle zu senden. Innerhalb 24 Stundenist es möglich, mittels der bakteriologischen Untersuchung zu ent-scheiden, ob es sich um die asiatische Seuche oder um andere, demKrankheitsbild nach ähnliche, aber nicht ansteckende Erkrankungen(Qiolerz nostras) handelt.Uebrigcns ist unsere ganze moderne„öffentliche Gesundhcrts-pflege" erst durch die Cholera ins Leben gerufen worden. Diegroße Choleraepidemie von 1831 führte in Preußen zur Gründungder-.Sanitätskommissionen", die seit 1899..Gesundheits-iommissionen" heißen. Sie veranlasste das erste Gesetz über„Matz-regeln gegen Verbreitung ansteckender Krankheiten". Sie weckteauch das Interesse für hygienische baupolizeiliche Forderungen. Ihrverdanken wir endlich eine rationelle Straßenreinigung. DankRobert Koch wissen wir heute, daß die Cholera nicht durch Miasmenoder unbekannte Mikroben entsteht, deren Verbreitung nach Petten-kofer mit dem Grundwasserstand und örtlichen Bedingungen zu-sammenhängt. sondern daß die Cholera eine Krankheit ist. die sichdirekt und indirekt vom kranken auf den gesunden Menschen über-trägt. Immerhin war infolge der irrigen Voraussetzung Petten-kofers doch der Anstoß gegeben, die Boden- und damit die Trink-Wasserverhältnisse einer hygienischen Regelung zu unterziehen, unddie segensreiche Wirkung dieser Maßregeln erkennen wir heuteauf Schritt und Tritt. Von der großen hygienischen Bedeutungdes modernen Wasserleitungssystems und der Kanalisation ist die:Welt erst durch die Chob?ra, und zwar besonders durch die Cholera-jähre 1865 bis 1867, übUzeugt worden. Danzig gebührt der Ruhm,als erste Stadt auf dem europäischen Festlande 1869 nach LondonerMuster Wasserleitung. Kanalisation und Rieselfelder durchgeführtzu haben. Berlin folgte erst 1875, nachdem die Cholera 1873 zumvierten Male erschienen war. Deutlich trat die Bedeutung desTrinkwassers durch die Erfahrungen der großen Epidemie in Hain-bürg 1892 in Erscheinung. Die freie Stadt Hamburg und diepreußische Stadt Altona gehen unvermittelt ineinander über undtrotzdem hat die Seuche an der politischen Grenze Halt gemacht.Das konnte seinen Grund nur darin haben, daß Altona mit einerWasserleitung versehen war, die filtriertes Elbewasser lieferte.während die hamburgische Leitung unfiltriertes Wasser abgab. DerKampf gegen die Cholera wird also vorzüglich durch die hygienischeGestaltung unserer Lebensverhältnisse geführt.Neue Tiere aus dem Okapigebiet. Wichtige neue Entdeckungenauf zoologischem Gebiet sind durch die letzte Expedition des HerzogsAdolf Friedrich zu Mecklenburg gemacht worden, und es ist inter-essant, sie auf Grund des ReiscwerkeS„Vom Kongo zum Niger undNil" zusammenzustellen. Die Sammlungen, die der Herzog mitheimbrachte, umfassen 860 Säugetiere. 2990 Vögel, rund 409 niedereWirbeltiere tmd etwa 18 990 wirbellose, dazu eine größere Anzahlvon Alioholpräparaten. Das größte Interesse bot da« Okapirevierund überhaupt der riesige zentralafrikanische Wald. Er birgt Ratten„so groß wie eine Katze mit weißem Bauch und weißem Schwanz undeinem mächtigen Schnurrbart"; Spitzmäuse von der Größe eine?Meerschweinchens, aber nicht im geringsten bissig und mit großenbraunen freundlichen Augen; Nachtaffen mit Augen, die imdunkeln wie Phosphor leuchten; Stachelschweine,„nicht diegewöhnlichen ostafrikanischen, sondern die seltenere Urwald»form(Alherura) mit langem Schwänze und so ver-schiedenartigen Haaren, Borsten, Stacheln und Schuppen, daß aufihrem Fell allein olle EntwickelungSmöglichkeiten des HaareS ver-wirklicht zu sein schienen." Merkwürdig sind ferner kleine, überauszierliche Schopfantilopen, die das Halbdunkel des Urwaldes nie ver-laffen. und langgeschwänzte Riesenschuppentiere, die auf den Fuß-Wurzelgelenken gehen, anstatt auf den gehen. Vom Okapi wurdenzwei Öfxeinplare durch eingeborene Jäger erlegt; ein lebendes zubeobachten(wie eS bisher allein dem britischen Forscher BoydAlexander gelang), war nicht möglich. UebrigenS beabsichtigt dasBritische Museum eine eigene Expedition zur wiffenschafilichen Fest-stellung eines neuen Säugetieres im Kongowalde, über das jüngstdie ersten Berichte eintrafen. Es ist eine' in den Sümpfen zwischendem Leopoldsee und dem Tumbasee im Lukenyidigebiet lebendeElesantenart, die von den Eingeborenen.Waffer» oder SumpfgraS-elefant" genannt wird.Kunst.Die Juryfreien.(Potsdamer Str. 123.) Es ist nurselbstverständlich, daß auch diesmal auf diesen Markt, der allenoffensteht, viele kamen, die eigentlich nicht da zu sein brauchten.Die Hängckommiffion hat sie hübsch gesammelt und so hinterrücksjuriert. Nun braucht man bloß den Kopf oder die Nase in dieseAbteilungen zu flecken, um ihrer ledig a« ieifl. Man weiOej sichder Ermäßigung des Kartoffelzolls gezeigt hat.(Sehr richtig! rechts.)Die Angriffe auf die Domäncnverwattung sind unberechtigt;es gibt im ganzen nur drei viehlose Domänen.— Auch auf dieErmäßigung der Getreidezölle wies der Porredncrhin. Nun, davon wollen doch auch die freisinnigen Zeitungen nichtswissen, und auch in einer sozialdemokratischen Zeitungbetonte ein sozialdemokratischer Landagitator, seine Partei dürfedie Aufhebung der Getreide- und Viehzölle nicht urgieren, dennan der Aufrechterhaltung lohnender Vieh- und Getrcidepreise habeauch der k l e i n st e Bauer ein Interesse.— Auf die Angriffegegen die preußische Domänenverwaltung werde ich im preu-tzischen Abgeordnetenhause eingehen; hier will ich nurbemerken, daß sie alles getan hat, um Domänen in den Dienst derinneren Kolonisation zu stellen.— Herr Scheidemann hatgestern die von der Regierung getroffenen Matznahmen als u n z u-reichend bemängelt. Der Erfolg spricht für diese Matznahmen;die Einfuhr ausländischen Viehs ist keineswegs unbedeutend. Abersie darf nur vorübergehend sein, die Hauptsache ist dieFörderung der einheimischen Viehproduktion. Deshalb sollten dieKommunen mit den landwirtschaftlichen Ge»n ossensch asten direkt in Verbindung treten.(Sehrrichtig! rechts.) Die innere Kolonisation muß gefördert werden,namentlich auch durch großzügige Kultur der Moore und Oedlände-reien, wofür demnächst in Preußen eine erhebliche Summe ange»fordert werden wird.Der Abgeordnete S ch e i d e m a n n hat sich auch mit meinerim Preußischen Abgeordnetenhaus gehaltenen Rede beschäftigt. Ichhabe dort bedauert, daß gegenüber dem Fleisch so vielfach derWert der anderen Nahrungsmittel verkannt wird.Eine Verhöhnung der ärmeren Bcvötkerung lag in meinen Aus-führungen in keiner Weise.(Sehr richtigl rechts.) Hätte ich diedurch die Fleischteuerung, veranlasste Notlage nicht anerkannt, sohätte ich ja den. Matznahmen der Regierung nicht zustimmenkönnen. Aber für die Zukunft werden wir die Beseitigung derFleischteuerung nicht allein durch Vermehrung der Viehbeständeerreichen, sondern wir müssen auch dafür Sorge tragen, daß derWert der anderen Nahrungsmittel der Bevölkerungbor Augen geführt wird.Unter den gegenwärtigen Verhältnissen leiben keineswegs an ersterStelle die Arbeiter, sondern namentlich auch die kleinen Beamten,Handwerker und mittleren Bürger.lieber die Kritik meiner Ausführungen kann ich mich tröstenmit den zahlreichen Zustimmungen, die mir namentlich auch von medizinischen Autoritäten zuteil ge«worden sind.Der Abg. S ch e i d e m a n n ist auch auf den§ 12 des Fleisch»beschaugesetzes eingegangen. Sein und mein Standpunkt sind durcheine unüberbrückbare Kluft getrennt, eine Ueberbrückungdieser Kluft würde den Ruin des deutschen Vater-land es bedeuten.(Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Der Kampfgilt in Wirklichkeit der Einfuhr des argentinischen Gefrierfleisches.Ich will nicht untersuchen, wie weit dieser Kampf in der Pressevom A u s l a n d e beeinflußt war(Große Unruhe links); vor allemwürde diese Einfuhr den Absatz des Schweinefleisches verringernund damit unsere Viehzucht an der empfindlichsten Stelle treffen.(Lebhafte Zustimmung rechts.) Eine Staatsregierung, die auf ihrBanner die innere Kolonisation geschrieben hat, kann unmöglichdurch die Zulassung des argentinischen Gefrierfleisches die Existenzgerade der kleinen Bauern aufs Spiel setzen. Die Verhandlungenhier sowohl wie im Preußischen Abgeordnetenhause haben unsin der Erkenntnis gestärkt, daß nur durch das Fest-halten an unserer. Wirtschaftspolitik der Schutz dernationalen Arbeit in Industrie und Landwirtschaft und damit dieZukunft des deutschen Vaterlandes gesichert ist.(Anhaltender Bei«fall rechts, Zischen links.)Abg. Löscher(Rp.): Wir begrüßen die Erklärung der Ne-gierung, daß an unserer jetzigen Wirtschaftspolitik fe st gehaltenwerden soll. Das Einfuhrscheinsystem liegt im Interesse unsererkleinen Viehzüchter.(Sehr richtig! rechts.) Die Dänen sindsehr froh über unsere Wirtschaftspolitik, weil wir dadurch in derLage sind, ihnen ihr Vieh usw. besser zu bezahlen.. �Für alle unsere Erwerbsstände hat unsere Wirtschafts-Politik Vorteile gebracht; nur Arbeitern, die ihr ver-dientes Geld für Methylalkohol ausgeben, geht esschlecht.mit wohlwollender Melancholie und geht zu den anderen. Derenaber gibt es hier gar nicht so wenig. Und darunter sind immerhineinige, die uns bisher nicht oder jedenfalls nicht genügend bekanntwaren. Womit die Berechtigung dieser Juryfreien immerhin undabermals erwiesen wurde.Um einige Namen zu nennen: Zwei Damen zuvor, Agnesv. B ü l o w und Lene Kainer. Besonders ist Frau Kainer zuloben; sie empfindet die Farbe mit Kraft und Geschmack und zeigtauch sonst ein beachtenswertes Maß von erzogener Entschlossenheit.Reifer noch, auch aussichtsreicher ist der junge Heckendorf; einsehr gesundes Temperament, das sich an Brockhusen und noch mehran van Gogh schulte, aber schon heute selbständig arbeitet. ArturSegal feuerwerkt, daß die Funken sprühenf er tut es mit dekora-tivem Geschick. Erich Maske läßt schwüle Farben aufflammenund wittert die Stimmung sommerlicher Nächte. Tapp ort undM e l z e r sind uns längst bekannt, auch von Cesar Klein sahenwir des öfteren strebsame Versuche. Melzer ist zwar glücklicher.wenn er das Format des Holzschnittes wahrt; es zeigen aber auchseine Bilder rhythmisch erregte Sinnlichkeit. Tappert bewährt, wasgerade den Jüngeren, diesen schrecklich ernsten, meist fehlt: etlichenHumor.Von diesen ernsten und mystischen Jüngsten treffen wir einebeflügelte Schar. Die meisten stammen aus Paris, wenigstenssitzen sie dort in den Künstlerkneipen, wenn sie auch eigentlich inDeutschland, Ungarn, Polen und Spanien zu Hause sind. Siemachen allerlei wüste Dinge; indessen, es steckt hinter solchemAllotria des öfteren eine durchaus künstlerische Absicht und einrigoroses Streben hur Form, das vielleicht längst ein endgültigesErgebnis erreicht hätte, wenn nicht all« diese Neutöner ein weniggar zu sehr vom Intellekt besessen wären, wenn sie nicht sovielüber die Kunst philosophierten. R. Br,Theater.Im Münchener Kün st lertheat er kam des gepriesenenVlämen Emile Verharren dreiaktige dramatische Episode;„Philipp II." in der musterhaften Verdeutschung des Verhaeren-Uebersetzers Stefan Zweig zur deutschen Uraufführung. WieGobincau in seiner Renaissance, gibt auch der belgische Dichterder Lebensfreude hier keine Hochdramatik, sondern„seelische Dialog-szenen", in denen die Geschehnisse zurückt oehin hinter den rristallklargespiegelten Charakteren, die mit lyrischer Intensität vom Dichterbis in die letzte Seelenfalte durchleuchtet iverden. Namentlich inder Gestalt des Don Carlos strahlt jener dithyrambisch« LyrismusVerhaerens. der in freien Rhythmen Klang. Bild und Gefühl zusammentürmt. Inhaltlich weicht die Fassung der Philipphistoriestark von Schillers Vorbild ab. Philipp II. ist hier ein entarteterzitternder Feigling, der in Don Carlos seinen Mörder erwartetund mit Hilfe eines blutigen Pfaffen erfolgreiche Komplott«! erstgegen Carlos Geliebte, dann gegen den Sohn selbst schmiedet. DasJnquisitionsgericht macht ganze Arbeit. Im übrigen scheint auchVerhaeren die alte Regel zu bestätigen, daß große Lyriker schlechteDramatiker sind. Der Abend war als Verhaeren-Feier inszeniert,durch einen Vortrag und die Rezitation Verhacrenscher Gedichtewirksam eingeleitet,«,