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Nr. 268.

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Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Biertel fährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Big fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Betiage Neue Welt" 10 Pfg. Boft- Abonnement: 8,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band  : Deutschland   u. Defterreich Ungarn 2 Mr., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. In der Poft Beitungs- Breislifte 39 für 1893 unter Nr. 6708.

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010. 10. Jahrg.

Vorwärts

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Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgeivaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins: und Beriammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Ervedition ift an Wochen: tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I. 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin  !

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Berliner   Bolksblatt.

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Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

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Dienstag, den 14. November 1893.

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

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Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Militärjuftig arbeitet. nicht daran gedacht, das geringste Wort über den Verlauf besonders zu sich berufen, hielt ihm eine Ansprache

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vorerst nicht aus dem Zusammenhange, in dem sie ge- anffällige Vorgang erregte die Aufmerksamkeit in beiden standen, wie die Gerichtsbehörde es gethan. Gradnauer Kompagnieen, um die es sich handelt. Sodann ließ hatte nach Beendigung seiner 8wöchentlichen Reserve- Uebung der Major, in dessen Bataillon Gradnauer   stand, diesen derselben in die Deffentlichkeit zu bringen. Da waren es und trug so wiederum dazu bei, die Gedanken der Unter­Wie wir bereits kurz mittheilten, hat sich das Vor- gegnerische Blätter, sächsische Amtsblatt- Reptile und ähn- offiziere und Soldaten auf den Sozialdemokraten zu lenken. gehen der Dresdener   Militär- Gerichtsbehörde gegen unseren fiche Sippen, welche höhnend davon erzählten, und es Ferner verwarnte ein Hauptmann des Regiments einige Parteigenossen Gradnauer  , den Redakteur der Sächsischen   gewissermaßen als löbliches Beispiel hinstellten, daß ein Einjährige, mit Gr., der solche Gesinnungen habe, zu ver­Arbeiter Zeitung", als ein Hieb in die blaue Luft hinein Kohlenhändler in Roßwein   dringend darum gebeten habe, fehren; frühere Einjährige, die mit Gr. zusammen zur erwiesen. Am Freitag wurde Gradnaner nach dreiwöchent Gr. nicht in Quartier zu bekommen, da er Grenadier ge- Uebung eingezogen und mit ihm sehr gut ausgekommen licher Haft dahin beschieden: Seine Königl. Hoheit Prinz wesen und ein fönigstreuer Manu sei. Jezt erst nahm waren, sprachen sich, um uns vorsichtig auszudrücken, sehr Georg zu Sachsen hat befohlen, den Unteroffizier der Reserve Gr. das Wort und theilte mit, dieser königstreue" Mann verwundert über solche Handlungsweise aus. Solche Dinge, Gradnauer aus der Haft zu entlassen und ist das Ver- habe den bei ihm anstatt Gr.'s einquartierten Unteroffizier die alle die Aufmerksamkeit auf Gradnauer lenkten, ließen fahren gegen ihn einzustellen." 1510120 derartig behandelt, daß alle Unteroffiziere der Kompagnie fich noch mehrere anführen, worauf wir jedoch leider ver­So ist denn ein deutscher Staatsbürger urplöglich ver- denselben wegen dieses Quartiers es galt auf drei zichten müssen, weil möglicherweise daraus ernste Un­haftet und aus seiner Thätigkeit herausgerissen worden, Wochen- bedauerten, während Gr. selbst andererorts eine annehmlichkeiten für andere Personen erwachsen töinten. militärisch eingekleidet, drei Wochen lang den Pein sehr liebenswürdige Aufnahme gefunden habe; so sehe es Besonders aber mußte auf solche Weise, sowie durch die lichkeiten einer einer militärischen Untersuchungshaft aus mit der Königstreue" aus. In diesem Zusammenhange kameradschaftliche Führung Gradnauer's   bei den Unter­gesetzt, welche eine Untersuchungshaft bei bürger wurde dann weiter gesagt, Gr. fönne überhaupt mit Be- offizieren und Mannschaften seiner Kompagnie in den lichem Gericht noch durch vielfache besondere Körper- friedigung auf seine Uebungszeit zurückblicken, da er sich Köpfen vieler dieser Leute ein Nachdenken über die Frage liche und geistige Widerwärtigkeiten übertrifft; keiner der allgemeinen Anhänglichkeit bei Unteroffizieren und Sol entstehen: Sehen denn so die viel ver­feiner Angehörigen und Freunde erhielt Auskunft, was er daten seiner Kompagnie erfreut habe. Und zum Schluß fluchten und geschmähten Sozialdemo begangen; eine außerordentliche Beunruhigung mußte fich kam dann die Stelle betreffend den Sozialismus. traten aus? in den weitesten Kreisen der Bevölkerung ausbreiten. Und Der ganze Artikel war also eine Polemik gegen die Man weiß ja, was für Bilder sich viele unwissende warum dieses alles? Was hatte die Militärjuftig veranlaßt, Ordnungspresse, welche darauf hingestichelt hatte, daß es Menschen von einem Sozialdemokraten machen und gerade einen Staatsbürger derartig zu beschweren und die öffent verdienstlich sei, einem Sozialdemokraten, auch wenn er bei der Armee werden geflissentlich die kindischsten An­liche Meinung in solcher Weise zu erregen? seiner Militärpflicht nachkomme, noch das Leben besonders schauungen über das, was ein Sozialdemokrat ist, gepflegt. Was wir stets ausführten, was aber in der bürger- zu versauern. Nein, sagte die betreffende Notiz der Wenn nun Unteroffiziere und Soldaten, die sich bisher lichen Presse vielfach als unmöglich angesehen wurde, S. A.- 8.", nicht Ihr tönnt uns etwas anthun, sondern unter einem Sozialdemokraten einem faulen, rüden Gesellen hat sich vollständig bestätigt, daß nämlich lediglich wir Sozialdemokraten haben die Sympathieen, zwar nicht vorgestellt hatten, erkennen, wie falsch diese Vorstellung war, jene Notiz der Sächsischen Arbeiter Beitung", welche mit der Königstreuen", aber der anständigen Leute, ja wir so werden sie bei irgend einer nächsten sich bietenden Gelegen den Worten schloß:" Gradnauer   hat, soweit es unter den wirken sogar noch im bunten Rock für unsere Joeen, für heit für die Sozialdemokratie weit zugänglicher sein als schwierigen Verhältnissen möglich war, dazu beigetragen, den Sozialismus.

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zuvor.

den Sozialismus unter die Leute zu bringen, welche die Daß ein Mann, der Unteroffizier und früher Offizier­Bajonette tragen", den Anlaß zu der Verhaftung und zu aspirant war, sich militärisch durchaus ordnungsgemäß führte, Sozialdemokrat, der seine Dienstzeit ableistet, die Köpfe der. Daß Gr. auf diese Art genau wie jeder verständige der Anklage wegen Vergehen gegen§ 102 des Militär- mit seinen Kameraden in allen Situationen aufs freund Soldaten für den Sozialismus vorbereitet und ihre Ge Strafgesetzbuches( Erregung von Mißvergnügen in Be- schaftlichste verkehrte, allenthalben aber als notorischer Sozial- müther angeregt hat, das ist zweifelsohne. Das ist es ja ziehung auf den Dienst unter den Kameraden) gegeben hat. demokrat, als sozialdemokratischer Reichstagskandidat von gerade, wogegen sich der Militarismus, mag er noch so Nicht die geringste ungesetzliche Handlung Gradnauer's   war Dresden   bekannt war, durch diese bloßen Thatsachen, durch auftrumpfen, mag er sich hinter geheimer Justiz verschanzen, von irgend einer Seite dem Militärgericht befannt ge- seine Anwesenheit bei der Truppe an sich für den Sozialis nimmermehr schützen kann. Wenn von unserer Seite schon geben worden, auch nicht der Schatten einer Thatsache mus gewirkt hat, das ist für jeden, der sich in solche öfter der Ausdruck der Sächsischen Arbeiter- Zeitung" den lag vor, man verhaftete einfach darauf los, vielleicht Verhältnisse hineinzuversehen vermag, ohne weiteres klar. Sozialismus unter die Leute bringen, welche die Bajonette wird sich da etwas finden! Gerade als ob das Schicksal Wir haben schon vor 14 Tagen gesagt, daß so allein die tragen", gebraucht worden ist, so haben wir ihn- abge­des deutschen   Staatsbürgers ein Spielball wäre für die Notiz aufgefaßt werden könne. Heute können wir auf einige sehen von solchen Leuten, die schon Sozialisten sind, wenn Säbelrasselnde Justitia  . Vorkommnisse hinweisen, die unsere Annahme vollauf be- sie das Gewehr in die Hand bekommen Die Notiz der Sächs. Arbeiter- 8tg." hätte vielleicht stätigen, die sogar zeigen, daß einige Offiziere des betr. nur in demselben Sinne aufgefaßt und auf­besser ungeschrieben bleiben können; man mag sich nicht Regiments es Gr. sehr leicht gemacht haben, für den fassen können wie die ,, Sächsische Arbeiter- Zeitung". verwundern, wenn auf grund derselben Nachforschungen bei Sozialismus zu wirken.

der Kompagnie, bei welcher Gradnauer gestanden, angestellt Als Gr. seine Uebung begann und einer Kompagnie wären, aber zu dem von der Militärbehörde eingeleiteten überwiesen war, wurde er am nächsten Tage von dieser hochnothpeinlichen Verfahren gegen Gradnauer, ist ein Kompagnie wieder fort zu einer anderen gestellt. Es ist an­irgendwie stichhaltiger Grund nicht im mindesten abzu- zunehmen, daß der Hauptmann der ersteren Kompagnie, der sehen. gerade stellvertretender Bataillonsführer war, dies ange­Man betrachte die Notiz unbefangen. Man reiße fie ordnet hat, um den Sozialdemokraten los zu werden; dieser

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Alles dieses, was so flar liegt, daß ein Blinder es sehen kann, war aber für die Militärjustiz unsichtbar. Sie sah nicht auf den Anlaß jener Notiz, sie fragte nicht nach ihrem Ginn, fie suchte nicht, ernstliches Beweismaterial herbei­zuziehen, fie ging- wirklich schneidig" auf das vermeint­liche Opfer los und siehe da, wie sie die Augen aufthat, es war nichts vorhanden, was selbst mit dem kautschuck­

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Feuilleton. einen sitt iven Mann, und gleich nach der Trauung sind zurückzukehren. Die Mutter fand in Xenia's Zimmer einen

Nachdruck verboten.]

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aus der sozialistischen   Bewegung in Rußland  .

Sie frei".

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Aber mein Vater und meine Mutter werden die Heirath nicht zulassen."

Jst auch garnicht nöthig. Wir finden schon einen ge­fälligen Popen, dem es darauf nicht ankommt, auch wenn er Bruder und Schwester miteinander trauen müßte." So sollte nun Xenia die Braut eines ihr unbekannten Mannes werden; seine Bekanntschaft in einigen Tagen machen und sich dann mit ihm trauen lassen. Er kennt sie 379d079( Aus dem Russischen   überseht.) auch nicht, ist aber bereit, sie von der Gewalt ihrer Eltern zu befreien. Nach der Trauung würde er Xenia einen 79enia besuchte öfters die Bekannten ihrer Eltern, Schein ausstellen, daß sie von ihm getrennt leben kann, wobei es ihr jedes Mal vorkam, als ob sie und ihr einen Paß zur Reise in das Ausland verschaffen aus einem Gefängnisse sich flüchtete. Das Leben und so würde Xenia mit ihrer Mitschülerin abreisen fönnen. 30g fie an; die die Prophezeiungen der Direttrice Unterdessen beunruhigte sich Xenia's Vater und Mutter fingen an sich zu erfüllen. Xenia gab sich viel mit der sehr darüber, daß diese so oft das Haus verließ; Xenia Jugend ab. In diesen Kreisen wehte eine frische Luft; man sprach viel vom Volke, von den Wissenschaften und von der Gerechtigkeit. Xenia beabsichtigte nach dem Aus­lande zu reisen, um dort zu studiren und sich dadurch selbständig zu machen. Eine ihrer Mitschülerinnen aus dem Institut reiste nach Zürich   ab. Wie glücklich war diese im Vergleich zu Xenia; dieselbe hatte keinen Vater und die Mutter ließ sie ziehen. Xenia versuchte ihrem Vater ihre Absicht mitzutheilen, dieser aber wurde vor Auf­regung darüber ganz roth im Gesicht und sagte:

" Ich erlaube es nicht. Unterstehe Dich nicht, noch ein­mal davon zu reden."

Xenia hatte aber keine Lust, sich dem Despotismus ihrer Eltern zu opfern, sie beschloß fortzureisen, toste es, was

es wolle.

fagte ihnen nichts von ihren Bekannten. Der Vater suchte Xenia einzusperren, die Mutter klagte und weinte viel.

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Eines Tags erschien ein neuer Bekannter in der Familie ein wohlaussehender Gutsbesizer.

Brief, worin die Tochter sie bat, sich nicht zu beunruhigen und ihr versprach, sehr bald mitzutheilen, wo sie sich be finden würde und was mit ihr geschehen wäre.

Der General fand zuerst keine Worte, um seine Ent­rüstung auszudrücken, so verblüffte ihn dieses unerwartete Ereigniß. Dann wurde er heftig und schrie, daß er die ganze Polizei auf die Beine bringen werde, um diesen Taugenichts" zu finden. Die Frau überredete ihn, doch keinen öffentlichen Familienskandal hervorzurufen, dafür ließ er, wie gewöhnlich, seine Wuth an seiner Frau aus und quälte sie lange mit Vorwürfen wegen der schlechten Erziehung der Tochter.

Ein Brief mit einer ausländischen Marke versetzte dem väterlichen Despotismus einen neuen Schlag. Meine liebe Mama," schrieb Xenia, der Vater wollte mir nicht erlauben, zu studiren, und ich wurde da­durch gezwungen, mich zu verheirathen. Dadurch ist Euer Wunsch erfüllt worden, und mein Mann ist besser, als der, den mir der Vater zugedacht hatte. Dieser gab mir einen ausländischen Paß, und so befinde ich mich bereits in Gewiß ein neuer Bräutigam", sagte sich Xenia. Zürich  . Beunruhigt Euch meinetwegen nicht, es geht mir Und er war es nach einigen Besuchen des Guts- sehr, sehr gut." besizers fragte die Mutter Xenia, ob dieser ihr gefiele. Von neuem tobte und wüthete der General; er schwor, Wollt Ihr mich wieder verheirathen?" sagte sie daß sagte sie daß er die Scheidung der Tochter durchsetzen, unwillig, ich bitte Euch, laßt mich in Ruhe. Ich gebe mein und den Popen, der sie getraut hatte zur Wort, daß ich nach einem Monat mich verheirathen werde." Zwangsarbeit verurtheilen lassen würde, aber schließlich Aha!" sagte die Mutter, und der General dachte sich mußte er sich mit der geschehenen Thatsache abfinden. Nach einigen Monaten fragte die Mutter ihn um die Erlaubniß, Xenia Geld schicken zu dürfen. Der General wehrte sie mit einer Handbewegung ab nnd sagte: Sie ist nicht mehr meine Tochter, schicke ihr, falls Du' Luft dazu hast."

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seinen Theil.

Die Mutter war beruhigt und dankte Gott für diese Aussicht. Nun ließ man Xenia in Ruh wegen ihrer häufigen Abwesenheit von Hause.

Das ist leicht zu machen," sagten ihr ihre jungen: Es war faum eine Woche seit dieser Unterredung der Freunde, Sie müssen heirathen, wir suchen für Sie gangen, als Xenia eines Tages das Haus verließ, ohne