griechischen Regierung zugeschriebene Wsicht. Vallona end- gültig zu besetzen, wahr wäre, dies etwas sehr Ernstes wäre. Abgesehen von Italien würde Oesterreich-Ungarn dieS niemals zulassen können. Heber diesen Punkt sei keine Diskussion wöglich. Italien und Oesterreich-Ungarn seien vollkommen einig in dem Willen, daß Vallona nicht Griechenland , sondern dem neutralisierten Llbanlen gehören solle und niemals ein militärischer Flottenstützpunkt werden könne. Serbische Drohungen. Jvrlirsb, 30. November. Die offiziös« ,.S a m o u p ra va' schreibt, daß. während die Türkei die Waffenstillstand»' und Jriedensverhandlungen hinauszieht und die europäische Presse die Nachricht verbreitet, daß die Moral der türlisch, n Armee sich gebessert habe, daß die Türken Verstärkungen erhalten hätten, und daß di« verbündeten Heere ermüdet seien, in Wirklichkeit die s e r- bisch, und diegriechischeArmee, die ihre Aufgabe in Raze- donien und Albanien beendet haben, daran denken, an den mili, tärischen Operationen vor Konstantinopel teil- zunehmen und in Konstant inopel einzuziehen. Beide Armeen müßten sich zur Vermeidung von Jett- und Geldverlust und von der Türkei gezwungen, beveit machen, die Orientfrage end- gültigzulösen. Die Ballanarmeen würden in K o n st a n t i- nopel einziehen, olskonn werde der Friede untersiegelt und die Türken würden nach Asien zurückgeworfen werden. Ferner stellt das Blatt fest, daß der russische Gesandte in Belgrad . Hertwig, seit dem Namenstage des Königs nicht mehr in Audienz empfangen wurde und im Ministerium des Aeußern stets nur zur Erledigung der laufenden Geschäfte erschienen ist. Der russische Gesandte arbeite stets ausschließlich im Geiste der Instruktionen seiner Regierung. Serbien verteidige seine vitalen Interessen deshalb, weile» vitaleInteressen seien, und nicht deshalb, weil es Ratschläge von Rußland erhalten habe. Luch werde Serbien niemals den Einfluß eines fremden Gesandten auf sein« inneren Angelegenheiten dulden. England und Deutschland . London , 80. November. Lord Curzon sagte gestern in einer konservativen Versammlung in Plymouth : Es ist lange keine bessere Nachricht durchgekommen als die, daß England und Deutschlandzusammenarbeiten. um am Balkan die Sache des Friedens zu fördern: viele Leute würden gerne diese Kooperation auf ein weiteres Gebiet ausgedehnt sehen. Tljr„Daily Telegraph " schreibt: Niemand hätte geglaubt, daß die Spannung in den Beziehungen zwischen Berlin und London , die den Kontinent solange aufge- regt und alarmiert hat, wesentlich verringert und ge» mtldert werden würde, nicht durch diplomatische Be- sprechungen, sondern durch die wechselnden Glücksfälle eines befürchteten Ballankrieges, und doch ist es die einzigartige und paradoxe Tatsache, die sich vor unseren Auaen abspielt. Plötzlich kommt die Entdeckung, die in den beiden Haupt- städren zugleich gemacht wird, daß die nämlichen Ziele loyal, wenn auch unabhängig von einander, verfolgt werden. Wir haben daS erfreuliche Schauspiel, daß die Wtlhelmstraße die Politik DowningstreetS herzlich und generös unterstützt. KriegSgreuel. London . 80. November. Die..TimeS" meldet aus Saloniki vom 27. November authentische Einzelheiten über die Ereignisse von K a w a l a. Die Ortschaft wurde von einer gemischten Truppe bulgarischer Regulärer und Komi- "'tvtschis besetzt. Die ersteren wurden zurückgezogen. Die Komitatschis behaupteten, daß die Muselmanen ein Massaker unter den Christen geplant hätten, und verhasteten etwa 1SV Türken und machten sie nieder. Eine Anzahl angesehener �suden wurde festgenommen. ES herrscht ernste Besorgnis wegen ihrer Sicherheit. Als die Bulgaren in Serres einrückten, erschossen die Türken einen Offizier und zwei Soldaten, worauf die Bulgaren etwa 100 Türken niedermachten. Brutalitäten der Grieche» i« Saloniki . Dem Hilfsverein der deutschen Juden werden Einzelheiten über Ausschreitungen mtigetetlt, deren Opfer die Juden Saloniki » nach der Einnahme der Stadt durch die Grieckie» geworden sind. In allen Teilen Saloniki », da» ja über die Hälfte Juden zählt, namentlich ober in den speziell jüdischen vierteln, haben sich schwere Exzesse ereignet. An denselben haben sich Soldaten in erster Reibe, dann ober auch einbeimische griechische Bürger Saloniki », seit« allein, sei eS im Bunde mit den Soldaten, beteiligt. Unter dem Borwand, nach Waffen resp. Sprengstoffen— in». besondere nach der Explosion des Pulverturms in Saloniki — zu suchen, wuoden die schutzlosen jüdischen Bewohner beraubt. Dabei kam«S zu schweren Mißhandlungen, wvbei weder Frauen, noch Kinder und Greis« geschont wurden. Privatwohnungen, Läden wircden geplündert, Synagogen entweiht. Da» Gerücht, daß einig« Evzonen(griechische Soldaten) durch Juden pergiftet worden seien, wurde von den griechischen Zeitungen der Stadt, namentlich dem Journal„EmbroS" zur Hetze gegen die ZMche« Kreuz und hulbmoud. Von allen Seiten kommen Mitteilungen über Grausamkeiten der verbündeten Armeen, die ausgezogen waren, um im Namen de»(Christentums und der Zivilisation die Völker des Balkans vom türkischen Joche zu befreien. Der Krieg hat die Bestie im Men- schen entfesselt. Aber das allein ist es nicht. Von vornherein bv- ruhte das Ganze auf Lug und Trug. Die Völkerschaften der eroberten Gebiete, diese angeblich be° freiten Christen, sie sind ja in der Mehrzahl gar keine Christen, sie sind Muselmanen. ES werden in Mazeoonien rund drei Millionen Einwohner gezählt, darunter 1807 000 Muselmanen. Daß die Albaner in erdrückender Mehrheit Muselmanen sind, ist allgemein bekannt, desgleichen, daß im Wilajet Adrtanopel die Türken das Gros der Bevölkerung ausmachen. Seht man auf kleinere admin.strative Gliederungen ein, so erhält man noch überraschendere Resultate. Im Wtlajet Ko ssovo z. B., auf das die Serben ein historische» Recht zu haben glauben, wohnen nach der letzten Zählung 1814 449 Personen, darunter SS9 7S0 Musel- manen, 240 028 Serben. 204 021 Bulgaren . Die Muselmanen bilden über 04 Proz. der Bevölkerung, di, Serben kaum 19 Proz. Die Vertreter der christlichen Zivilisation möchten nun diese muselmanische Bevölkerung am liebsten überhaupt los werden. Wenn e» ginge, so würden sie die Muselmanen einfach mit Stumpf und Stiel ausrotten. Aber dieser Massenmord erfordert denn doch zuviel Zeit, um angesichts der Völler Europas gründlich ausgeführt werden zu tonnen. Dezimiert wird die Bevölkerung durch Dolch, Flinte und Brandfackel, durch Seuchen und andere Krankheiten sicher. Den Rest aber möchte man au» dem Lande hinausdrängen. Man hofft, daß di« blutig« Arbeit, die an dem einen Zehntel der» richtet wird« die anderen mit Schrecken erfüllen werde, so daß sie Juden Salonikis ausgenutzt. Obwohl eine sofort eingeleitete Unkek- suchung di« völlige Grundlosigkeit dieser Beschuldigung ergab, so wunden doch die Leidenschaften der durch hie Kriegsvorgänge schon erregten Massen, sowohl der Zlvilbevölkeruns als auch unter den niederen Soldaten dadurch stark gegen di« Juden aufgestachelt, denen man vorwarf— gleichfalls unberechtigt daß st««in« unfreuwd- lichs Haltung heim Einzug der Griechen«ingenommen hätten. fgrlleuerung und Ssugiingziterblichlieit! AnS dem Reichstage. 80. November. Als der Präsident beut« das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den sozial- demokratischen Aulrag auf Mißbilligung der Hallung der Regierung in der TeuerungSfrag« verkündete, herrschte allgemeine Spannung. Die Spannung löst« ficki aber nicht in irgendwelchen lauten Kundgebungen der Sieger. Die Rechstparteien, die sonst so leicht keiner Demonstration au« dem Wege gehen, wenn sie ihnen in den Kram paßt, hätten zwar Grund zum Triumph gehabt, denn�e« war ihnen gelungen, den sozialdemokratischen Antrag, dank der Hilfeleistung der Rationalliberalen, niederzustimmen. Aber sie triumphierte» vorstchtigerweis» nicht, da» AbstimmungSergebni» war ihnen doch Mi mager. Der Regierungsmehrheit von 174 Stimmen stand eine starke Minorität von l49 Stimmen gegenüber, und neun Bolk«vertreier wagten weder ja noch nein zu jagen. Mit den Sozialdemokraten halten die Fortschrittliche Volkspartei und die Pole» gestimmt. Graf PosadowSky halt« sich der Stimme enthalten, der sogenannte Fortschrittler Siegfried Heckicher halt« für dt» Sgrarierregierung gestimmt. Auf sein» Mehrheit braucht fich der Reichskanzler fürwahr nicht» einzubilden. Er wird eS auch wohl nicht, er wird vielmehr ärgerlich darüber sein, daß durch di« neu« GeichäftSordnung nunmehr solche fatal« zahl«nmSbige Ergebnisse von JnterpellatipnSdebalten fest, gestellt werden können. Um so zufriedener darf der Reichsiag sein. Durch den neuen Modus wird auch, wie sich schon dieses Mal gezeigt hat, da» Interesse an den Interpellationen bi« zum letzten Augen- blick wach erhalten, während bisher solche Debatten nach den ersten bewegten Stunden langsam unter wachsender Langeweile einem unrühmlichen Ende enlgegenwankten. Beide Neuerungen der Geschäftsordnung, die der neue Reichstag gewagt hat, beginnen also schon ihr« Vorteil« zu entwickeln. Jeyi hängt e« vom Reichstage selbst ab, ob er mit diesen neuen Werk- zeugen wertvolle Arbeit im Interesse de» Volke« tun will, oder ob er sie nur zum Spaße geschaffen bat. Die sozialdemokratisch« Fraktion wird dafür sorgen, daß hierüber bald volle Klarheit herbei- geführt wird. Sl« da« Resultat der namentlichen Abstimmung bekannt gegeben war, leerten sich die vollen Bänke des HauieS mit beängstigender Schnelligkeit. ES dauerte nicht lange, da hockte nur noch ein kleine« Häuflein von Abgeordneten unten im Saale, da« dafür aber um so rascher« und gründlicher« Arbeit verrichtete. In knapp drei Stunden wurden die ersten Lesungen von drei Gesetzent» würfen erledigt, bei einem der Entwürfe wurde sogar auch noch gleich die zweite Lesung mit abgetan. Zwei dieser Gesetzentwürse wurden von der sozialdemokratischen Fraktion ohne erhebliche Veanstandungen der wetteren parlamentarischen Erledigung überlassen. Mit der internationalen gesetz- lichen Regelung der Matznahmen bei g u s a m m e n st ä ß e n von Schissen und der Bergung und Hilfeleistung in See« not sind wir Sozialdemokraten natürlich einverstanden. Wir be- trachten solch« iulernationale Vereinbarungen nur al» bescheiden« Anfänge aus diesem wichtigen Gebiete. Unser Redner. Genoffe Dr. Herzfeld, hielt mit Recht dem nationalliberalen Redner, der gleichfall» die Weiterentwickelung der internationalen Vereinbarungen befürwortet hatte--- natürlich nur zugunsten der kapitalistischen Interessen— vor, daß gerade die Nationalliberalen un« stet« ent« gegenarbeiteten, so oft wir internationale Vereinbarungen über die Abrüstung und die Abschaffung de» Geebeuterecht« angeregt hätten. Auch aus dt» Notwendigkelt. di« schlechten Bestimmungen über die Vertrag»- und Arbeitsverhältnisse der seemännischen Arbeiter zu regeln, und zwar inurnaiional, soweit daS nötig und möglich ist, wie» Herzfeld nachdrücklich hin. Auch daSPostscheckgesetz führte zu keiner größeren Debatte. DaS Postscheckwesen ist durch die Postscheckordnung bereit» geregelt, seit drei Jahren besteht diese wertvolle Nenenmg und sie hat sich in dieser Zeit in erfreulicher Weise entwickelt. Der vorliegende G-ietz- «ntwurs soll die grundsätzliche» Vorschriften über den Post-Ueber- Weisung»- und Scheckverkehr, die bisher nur durch ein« Verordnung de» Reichskanzler» gestützt wurden, endgültig regeln. Es kann bei der fiskalischen Art und Wrise. die die Leitung unsere» Postwesen« auszeichnet, nicht wundernehmen, daß bei dieser Gelegenheit einige Aenderungen und Bestimmungen in den Gesetzentwurf hinein- gearbeitet worden sind, di» der Kasie der Reichspost ganz zuträglich sein mögen, die aber für da« Publikum weniger angenehm sind. Genoffe S ü d e k u m wie» auf diese Berschlechterungei, hin. Eine unerwartete Ueberraschung wurde dem Hause aber bei der Beratung de» Gesetzentwurf» über Kindersaugflaschen zu- teil. Die anderen beiden Gesetzentwürfe hatte die sozialdemokratische Fraktion ohne erheblich« Einwendungen pasfleren lassen können Durch den Gesetzentwurf über die Saugflaschen wurde aber«in da» Land verlassen werden. Man will sie vom Lande verjagen, um sich selbst in den Besitz de» Landes zu setzen. DaS ist eS, wa» in der Brust jedes christlichen Bauern schlummert, der in diesen Krieg auszog, in seinem Gehirn zuckt, wenn seine Hand Frauen und Kinder mordet. Da» ist der„BolkScharakter" dieses Kriege». Und doch werden di« Bauern betrogen werden: sie arbeiten nicht für sich, sie arbeiten für die Hypothekenbanken; nicht zu einem neuen Bauernwohlstand führt dieser Krieg, er führt zu neuen Steuern, zum Ruin des Bauerntums, zum Triumph de» Kapita- lismus. WaS aber die blutige Arbeit des Krieges anbetrifft, so zeigen die muselmanischen Bauernslüchtlinge. di« Muhadschire, die bereit» noch Hunderttausenden zählen, wie richtig die Rechnung ist. Ich fragte die Leute au», ob sie nicht, wenn der Krieg zu Ende sein wird, zurückzukehren gedenken, selbst wenn daS Land bulgarisch werden sollte. Einige schwankten, die meisten aber sagten: nein, daS sei unmöglich.«DaS können wir nicht. Wir fürchten nicht die Soldaten, wir fürchten unsere eigenen Nachbarn, die bulgari - schen Bauern. Sie werken uns daS Leben unmöglich machen." Diese bulgarischen Nachbarn müssen schon jetzt eine hübsche Beute gemacht haben. Denn die Flüchtlinge konnten nur das Wenigste mitnehmen.„Die Reichen— so erzählt einer— nahmen ihr Geld und fuhren mit der Eisenbahn weg. verließen ihr Vieh und ihr Vermögen. Denn dt« reichen Leute können nicht zwgnzig Tage unterwegs mit dem Vieh sein. Ich und mein Bruder, wir brauch. ten 22 Tage bis Konstantinopel . Mein Bruder nahm die Schafe, 890 Stück, ich nahm die Ochsen und ging mit der Familie. Unter« wegS verloren wir uns, und erst hier in Konstantinopel trafen wir uns wieder. Von 800 Schafen hat mein Bruder bloß 00 mit- gebracht."—„Wo sind denn die anderen geblieben?"—„Ein Teil verlor sich unterwegs, die anderen wurden geraubt, von anderen Muhadschir» oder von den Soldaten mit Gewalt weg- soziales Problem berührt, über das wir nicht mit«inigen Worten hinweggehen können. Der Säuglingssterblichkeit soll mit diesem Gesetzenlwurf entgegengearbeitet werden. Die Absicht an sich ist gut. Das Mittel aber, das die Regierung dafür vorschlägt, ist untauglich, lächerlich, wirkt wie blutiger Hohn, Die stark« soziakdemokralische Frakiion hat in ihren Reihen««» freulicherweise so viele versckiedenartig« Kräfte, daß sie mit de» mannigfaltigen Sonderausgaben, die der Parlamentarismus Tag für Tag stellt, auch stets geeignete Fachleute betrauen kann. Für den reichen Komplex von Fragen, die die soziale tzage de» prole, tariichen KindeS auswirft, ist Genosse Rühle in besonderem Maß« zuständig, Er beherrscht daS Material, die wsssenswafllichen Forschungsergebnisse, die stalisliichen Zahlen und die pädagogischen Forderungen in vortrefflicher Weise, wie auch sein« bekannte MonS' grapdie über daS proletarische Kind beweist. Genoffe Rühle wählte aus der reichen Fülle be» Materials die beweiskräfligsten Zahlen und Argumente, um zunächst zu zeigen, daß die Säuglingssterblichkeit nicht, wie der Gesetzenlwurf es dar« stellen möchte, in erster Linie eine Frage der Ernährung des Säugling« sei, sonder» daß sie eng zusammenhänge mit all de» Ursachen, die die soziale Frage überhaupt ausmachen, mit der WohnungS» frage, mit der Ernädrungssrage der Erwachsene», besonder« der Mütter, mit der TeuerungSpolisik der bürgerlichen Parteien und der Regierung, mir der mangelhafle» Sozialgesetzgebung und den vielen anderen Ursachen und Wirkungen der kapitalistische,, Gesellschafr«» ordnung. Wen» aber die Säuglingssterblichkeit so fest und tief mit der Heuligen Geiellschastsordnuug verwachsen ist, wirkt eS um so aufreizender, wenn die Regierung keine anderen Matzregeln kennt al«»» Kindersaugflaichen mit Gummi und Rohr zu der» bieten! Der Redner verglich diese Soztalrefprm der Re» gierung zutreffend mit der Anordnung«Ine» Arztes, der einem Schwindsüchtigen«inen Spucknaps verschreibt. Da» ganze Gesetz lauf« wieder einmal auf das bewährt» Rezept der weißen Salbe hinaus. Der Redner hatte in temperamentvoller Weise begonnen, aber dabei durchaus die parlamenlariichen Grenze» eingehalten. Das brachte Herrn K a e m p f sofort wieder aus dem bescheidenen Gleichgewicht semer alten Tag«. Er rief unseren Genossen zweimal zur Ordnung. Vielleicht leuchtet Herr» Kaemps aber nachlräglich selbst ein. be- sonders wenn er sich dabei der Hilk« einiger älterer Parlameutari« und Juristen seiner K-aktion bedient, daß er wieder einmal zu unrecht den starken Mann gespielt hat. Die bürgerlichen Redner waren auf den unerwarteten Vorstoß des Genossen Rühle ganz aus dem Konzept gebracht. Der ZenlrumS» redner Stuart bezeichnete die Zahlen und Totsacheiiangabe» Rühles in seiner Verwirrung als„Wolken der Phantasie". So stellen die Herren vom Zentrum die Dinge auf den Kops l Ihre eigenen religiösen Phaniasien halten sie für unumstößliche Wirklichkeit und die bittere, nackte Wirklichkeit ist für sie Phantasie. Der Nationalliberale Schulen bürg suchte sich mit einem schlechten Witz au« der Affäre zu ziehen: Rühle hätte bewiesen, daß den Sozialdemokraten sogar jede Saugflasche recht sei, um sich mit Haß gegen die bürgerliche Gesellschaft vollzuiaugen. Das B>ld ist falsch. Richtig aber ist, daß der Sozialdemokratie alle Dinge zum besten dienen müssen, daß sie eS für ihre Pflicht hält, alle Einzelerscheinungen de» gesellschaftlichen Lebens bis an die Wurzel de« Nebels, bis an die kapitalistisch» GesellschaslSorduung, zurückzuführen und dorguS immer erneut wieder die Richtigkeit ihiee Grundanschaliung zu erweisen: daß diese Nr jache aller gesellschaft» lieyen Nebel beseiligt werden muß.— Kstilliugeu im jlueland. Die Fleischnot und thrs Folgen haben nicht nur bist grdeitetiden Massen Deutschlands aufs tiefste erregt. Auch im Auslande beachtet man die Aushurmerungtzpolittk der deutschen Negierung sehr. Die politische Presse und die Witzblättex unterrichten ihre Leser über das seltsame westeuropäische Kulturvolk, in deni der Konsum von Pferden und Hunden sich immer mehr einbürgert. Welche Rückivirkungen geschSft- licher und gesellschaftlicher Art daS für die im Ausland lebenden Deutschen hat. zeigen zwei Briefe aus Argentinien und Australien an unS. Redbauk bei Brisbane fAustralien), den Z0. 10. löll Erlaube mir höflichst ei»« Frag« an Sie zu stellen. Beiliegend werden Sie einen Ausschnitt aus der hiesigen Zeiiung finden, di« den Nomen führt„Die Wahrhelt". Ich betreibe hier nämlich ein kleine» Delikatessengeschäft, hauptsächlich Straßburger und Frank- surier Würste, Käse und dergleichen, aus Deutschland imponiert. Seit voriger Woche nun sind die Leute durch di« Zeitungen aus« gefordert worden, deutsche Würste zu boykottieren, wa« ich leider seit den letzten Tagen schon sehr gespürt Hab», da behauptet wird, daß Pferde und Hunde in Würste verarbeitet und dann nach dem Auslände verschickt würden. Ich selbst bin ein Berliner und ickon lange Jahr« in Australien . Ist eS tn Deutsch land so weit gekommen, daß Leute von Hundefleisch leben müssen. so denke ich, daß es da» best« ist, von Deutschland fernzubleiben. Möchte bemerken, daß hier Rindfleisch 25 Pf. und Hammelfleisch genommen, eS litten ja alle Hunger unterwegs."—„Wie ist es denn mit dem anderen Vieh?"„Vier Ochsen habe ich mit, die Kühe und überhaupt alles Vieh, das auf der Weide war, konnte nicht mitgenommen werden. Die Speicher voll Getreide sind ge- blieben. Wir konnten ja kaum so viel mitnehmen, als wir zum Lebensunterhalt brauchten." Das alles wurde offenbar Beute der christlichen! Bauern, womit nicht gesagt werden soll, daß nicht andere Leute aus dem Eigentum und dem Elend der Muhadschire Kapital für sich zu schlagen wußten- Hier in Konstantinopel z. B- werden die Muhadschire schon meilenweit vor der Stadt von Händ- lern, musclmanischen wie christlichen und jüdischen, abgefangen. „Sie erzählen uns— klagen die. Muhadschire■— furchtbare Ding« von Dtambul, daß hier die Futterpreise unerschwinglich geworden sind, daß«S kein Stroh mehr gibt, und da viele überhaupt kein Geld mit haben, so kauft man ihnen da» Bieh zum halben Preise ab." So wird Ordnung gemacht. So wird von allen Seiten ge- arbeitet zum Schutz der Nation, der Religion und nicht minder des Eigentums. Da wir schon einmal beim Kapitel vom Bauernpatriotismus und Bauernreligiösität angelangt sind, so möge noch ein andere? bezeichnende» Dokument angeführt werden. Im armenischen Wan gab eS eine Demonstration gegen die Kurdenbedrückung. 2990 armenische Bauern kamen zusammen. Sie faßten Beschlüsse, in denen Abhilfe verlangt wird, und schickten an die armenische hohe Priesterschaft eine Adresse ab. In der letzteren erklärten sie: wenn e« nicht anders werde, so wollen wir di« Untertanenschast eine» anderen Staates annehmen(gemeint ist Rußland ) und wir wollen auch unsere Religion wechseln! Nun komme man noch und sage, es seien die religiösen Ge» fühle, die die Welt dirigieren! Konstantinopel . End« Nodembev Parvus,
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