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Nr. 284.

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Berliner Volksblaff.

29. Jahrg.

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Telegramm Adresse: Sozialdemokrat Berlin ".

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.

Fernsprecher: Amt Morikplatz, Nr. 1983.

Donnerstag, den 5. Dezember 1912.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt Moritzplatz , Mr. 1984.

Der Kulturkampf als Retter. für werden fie ausgegeben? Wieder ergibt sich auch in es im Tempo des Krähwinkeler Landſturmes vorwärts, die

Wenn es nach dem Willen des Zentrums ginge, so würde

des öffentlichen Interesses. Aus welchen Quellen stammen nicht vom Flecke, in der Wohnungsfrage, deren Förderung die Milliarden, die das Reich alljährlich bereinnahmt, und der Reichstag durch ein einstimmiges Votum wünscht, geht diesem Jahre, daß der Anteil, den die breiten Massen an den Wahlrechte werden verschlechtert statt verbessert, aber Lasten des Reiches zu tragen haben, sich vergrößert, ohne daß wenn ein hohenzollernscher Prinz als oberste Tugend des die Etatsdebatte im Reichstage sich zu einer ganz die Ausgaben des Reiches den Massen in vermehrtem Maße Bürgers den Gehorsam preist, so nimmt das Bürgertum gewöhnlichen Kulturkampfrauferei über das Jesuitenzugute kommen. Wann kommt die legendenhafte Befiz- diesen staatsbürgerlichen Unterricht gehorsam und widers gesez entwickeln. Herr Spahn hat in der Mittwochfißung steuer? Warum behandelt die Regierung diese Angelegen- spruchslos entgegen. des Reichstages als Etatredner des Zentrums über nichts heit so geheimnisvoll wie Kinder ihre Weihnachtsarbeiten? Frank hatte den für einen Sozialdemokraten seltenen anderes gesprochen als über die angebliche Verschärfung des Und dann wandte sich Genosse Frank den Fragen zu, die Vorzug, während des größten Teiles seiner Rede den Reichs­Jesuitengesezes durch den Beschluß des Bundesrats, den die deutsche Arbeiterklasse im besonderen inter - fanzler unter seinen Zuhörern zu haben. Frank unterließ es dieser jüngst als Antwort auf die bayerische Sonderbündelei essieren. Er wies die kulturelle Notwendigkeit der Ge- daher nicht, bei den meisten Fragen, die er erörterte, den gefaßt hat. werkschaftsbewegung nach und stellte dieser be- Reichskanzler zur Aktivität aufzufordern. Aber was kümmert Die Drahtzieher des Zentrums verstehen sich auf deutungsvollen Kulturerrungenschaft die kleinliche und feind- Herrn Bethmann das Wohl und Wehe der Arbeiter! Er war Regiekünste. Sie hatten durch ihre Presse, durch Aeuße- liche Haltung der Regierung gegenüber. Noch ist das erschienen, um dem Zentrum Rede und Antwort zu stehen. rungen verantwortlicher und unverantwortlicher Zentrums- Koalitionsrecht nicht ein unangetastetes Recht des Das hat er getan, und damit war seine staatsmännische Auf­politiker, großer und kleiner Geister die Deffentlichkeit deutschen Arbeiters, die Regierung schüßt es aber nicht vor gabe am Mittwoch erfüllt. und die Männer der Regierung rechtzeitig und zielbewußt der Brutalität der Unternehmer, sondern mißachtet es selbst, Wir beklagen uns selbstverständlich nicht weinerlich über auf die große Aktion vorbereitet. Alle waren sie vertreten, soweit ihre Beamten und Arbeiter in Frage kommen. Wenn diese Mißachtung der Arbeiterinteressen durch den Kanzler die großen Staatsmänner, in deren Händen das Schicksal des fich die Arbeiter in materiellen Fragen selbst helfen wollen, des Deutschen Reiches . Wir sind diese Verständnislosigkeit Deutschen Reiches ruht, vom Reichskanzler bis zum letzten wie durch die geplante Gründung der Volksfürsorge, der regierenden Kaste den Wünschen des Volkes und des Regierungsassessor, und alle lauschten sie andachtsvoll den unterstützt die Regierung nicht dieses wertvolle Streben, Kulturfortschritts gegenüber gewöhnt. Aber wir nehmen sie firchenpolitischen, religiösen und juristischen Offenbarungen, sondern sie sucht ihm entgegenzuarbeiten. Die Freien natürlich auch nicht gleichmütig hin, wir ziehen daraus unsere die Herr Spahn mit friedlichem Gesicht vor sich hin murmelte. Volksbühnen, diese wichtigen Stätten der Volksbildung, Folgerungen für unsern Kampf. Und als der große Mann mit einer unverblümten Kriegs- find den kleinlichen Verfolgungen von Polizei und Zensur Der Kampf der Sozialdemokratie gegen die Regierung erklärung an den Reichskanzler unter stür- ausgesetzt. Die Arbeitswilligen werden vor dem an- und die hinter ihr stehenden Parteien ist aber kein aufge= mischem Beifall seiner Fraktion schloß, durfte ein naiber Neu- geblichen Terrorismus der organisierten Arbeiter geschützt, donnerter Theaterspektakel wie die gelegentlichen Entrüstungs­ling anehmen, ein Lüftchen von Sturmesbrausen der Ge- die großen Schnapsbrenner dürfen aber ohne Gefahr für komödien des Zentrums. Er ist die stete, unerschöpfliche Quelle schichte habe sich in das hohe Haus" verirrt. Leib und Seele die ärgste Vergewaltigung Kleinerer und unserer Kraft und unserer zunehmenden Macht im deutschen mittlerer Kollegen ausüben. Die Sozialpolitik rückt Volke.

könnten, hörte niemand mehr zu. Die weitere Politik des

Tages wurde in der Wandelhalle gemacht.

Waffenftillitand ohne Griechenland .

Und prompt erhob sich auf sein Stichwort der Herr Reichskanzler und nahm den Fehdehandschuh nicht auf. Er machte einige bescheidene Umblicke in die weiten Gebiete der Geschichte und Philosophie, redete dem zornigen Zentrum begütigend zu, strich besänftigend dem kleinen Zentrums­gernegroß in München über den Scheitel, erhob seine warnende Kassandraſtimme, auf daß Deutschland vor religiösen Kämpfen früherer Zeiten bewahrt bleiben möge, Bulgarien , Serbien und Montenegro haben den Waffen voraus angekündigten Entrüstung gegenüber ruhig Blut su und setzte sich schließlich. Und damit hatte die historische An- still stand mit der Türkei unterzeichnet. Griechenland hat bewahren. Man wird sich vielleicht daran erinnern, daß gelegenheit für Mittwoch ihr Ende erreicht. Dem konfer- eine Frist von 24 Stunden verlangt, um zu entscheiden, ob Uebersetzungen aus dem Serbischen ins Desterreichische nicht vativen Graf Westarp , der dem Zentrum gut zuredete es sich der Unterzeichnung anschließen werde oder nicht. immer genau sind und daß 1909 in einem sensationellen und es der Freundschaft der Konservativen versicherte, auch Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß Griechenland in seiner Prozeß gegen Dr. Friedjung der Nachweis geführt worden wenn diese die Jesuitenwünsche des Zentrums nicht erfüllen folierung verharren werde, um so weniger, als es bereits ist, daß die offiziellen Dokumente, deren sich dieser Herr be­ankündigen läßt, es werde sich jedensfalls an den Friedens diente, Fälschungen waren, die aus der österreichischen Ge­Warum diese Haupt- und Staatsaktion des Zentrums? berhandlungen beteiligen, die am 13. Dezember in fandtschaft in Belgrad stammten. Aber selbst angenommen, daß Serbien sich wiederholt Ist die Jesuitenfrage an sich so wichtig? Die Frage stellen, London beginnen werden. Trotzdem zeigt der Vorfall, tie heißt sie beantworten und verneinen. Die Jesuiten werden groß die Unstimmigkeiten zwischen den Siegern geworden sind, Verlegungen des Völkerrechts oder sonst der Rechte des durch ein kleinliches politisches Ausnahmegesez an der vollen die sich über die Verteilung der Beute nicht einigen tönnen. Herrn Prochaska habe zuschulden kommen lassen, so wäre Entfaltung ihrer jesuitischen Künste in Deutschland gehindert. Insbesonders scheint zwischen Bulgarien und Griechenland die das sicher noch kein Grund zu einer Massenschlächterei. Wenn Obwohl diese Künste nach authentischer Versicherung des alte Feindschaft wieder aufzulodern und in dem Streit, wem vielmehr irgend ein Vorkommnis geeignet wäre, vor dem Bentrums in erster Linie gegen die Sozialdemokratie spielen Saloniki zufallen soll, neue Nahrung zu finden. Haager Schiedsgerichtshof zum Austrag gebracht würden, ist die Sozialdemokratie die einzige Partei außer Die Bedingungen des Waffenstillstandes sind für die werden zu können, so sicher diese Affäre, die durchaus nach dem Zentrum, die ohne weiteres die Aufhebung dieses Aus­nahmegesetzes aus grundsätzlicher Gegnerschaft gegen politische Türkei ziemlich ungünſtig; namentlich in der viel umstrittenen sicheren Grundsäßen des internationalen Rechts entschieden Ausnahmegesete verlangt. Im übrigen hat die ganze Frage der Festungsverproviantierung sind die Bulgaren fest werden könnte. Stäme es anders, so läge die Schuld nicht Jesuitenfrage feine Bedeutung. Ob zu den vielen echten und geblieben, und die Türkei darf ihren eingeschlossenen Plätzen daran, daß der Weg, sondern daran, daß der Wille fehlte. verkappten Jesuiten geschorener und gescheitelter Observanz, feine Lebensmittel zuführen. Dies muß dazu beitragen, das im priesterlichen Gewande und im Smoking des Staats- Zustandekommen des endgültigen Friedensschlusses zu be­mannes, noch einige waschechte Jesuiten mehr nach Deutsch schleunigen. land kommen, ist eine ganz gleichgültige Frage und lohnt nicht den hundertsten Teil der Aufregung, in die das Zentrum sich und seine Gegner in dieser Frage künstlich hineingetrieben hat.

Unterzeichnung des Waffenstillstandes. Konstantinopel , 3. Dezember. Der Waffen. Bis zum Friedenschlusse scheint auch Desterreich- stillstand zwischen der Türkei und Bulgarien , Serbien Ungarn seine Auseinandersetzung mit Serbien vertagen und Montenegro ist unterzeichnet worden. zu wollen, da ja erst dann feststehen wird, welches Gebiet die Die Bedingungen. Serben eigentlich beanspruchen. Das englische Regierungss

"

Zentrum braucht nur wieder einmal eine kochende Volks- Frage: feele, es muß Differenzen verschleiern, die ihm nach innen und nach außen viele Schwierigkeiten verursachen. Es muß vor allen Dingen die Augen der Welt von der fatalen Enzyklika des Bapstes ablenken, die danach angetan ist, den Keim der Zwietracht in die katholischen Arbeitermassen hineinzutragen. Und für solche Zwecke eignet sich immer noch am besten ein frischfröhlicher Krieg nach außen, ein lärmen­des Kampfgetöse zugunsten der lieben Jesuiten . Es ist die alte Methode schlauer Fürsten, Zwiespalt im Innern durch Geſchrei über den Feind vor den Toren zu erstiden.

Sofia , 4. Dezember. ( Meldung der Agence Bulgare.)

festsetzt:

1. Die kriegführenden Heere bleiben in ihren Stellungen; 2. die belagerten Festungen werden nicht neu ver­proviantiert;

Es ist dem Zentrum auch gar nicht so ernst mit der An­gelegenheit, wie es sich nach außen deswegen geberdet. Das blatt, die" Westminster- Gazette", schreibt heute zu dieser Der Waffenstillstand wurde gestern abend 8 Uhr in Wenn die Mächte gut beraten find, so werden sie alles tum, Tidhataldscha unterzeichnet, und zwar nach dem von Danew Wenn die Mächte gut beraten sind, so werden sie alles tun, vorgeschlagenen Text, der folgende Bedingungen um den Balkanbund zusammen halten und Serbien warnend darauf aufmerksam zu machen, daß es durch Demonstrationen und Agitation in diesem Stadium nichts ge­winnen wird, während sie ihr Bestes tun würden, seine wirt­schaftlichen Bedürfnisse nach Beendigung des Krieges zu berück­fichtigen. Desterreich Ungarn wird hoffentlich definitiv zu dem Schlusse kommen, daß es sich leisten fann, zu warten dem Schluffe kommen, daß es fich leisten fann, zu warten. Denn es ist ganz llar, daß, wenn die Frage durch friedliche Diplomatie gelöst wird, es nichts au fürchten hat. Wenn die Vertreter der Mächte um den Konferenztisch fizen, werden sie mit dem, was im serbischen Anspruch exzessiv ist, furzen Prozeß machen."

Und die bürgerlichen Parteien scheinen geneigt, auf diesen Leim des Zentrums zu friechen!

3. die Zufuhr von Lebensmitteln für die bulgarische Armee wird über das Schwarze Meer und Adrianopel ge schehen, und zwar vom zehnten Tage nach Abschluss des Waffenstillstandes ab;

4. die Friedensverhandlungen werden am 13. Dezember in London beginnen.

Griechenland hat eine Frist von 24 Stunden ver­langt, um sich der Unterzeichnung anzuschließen. Im Falle des Nichtanschlusses wird die griechische Regierung gleichwohl an den Friedensverhandlungen sich beteiligen.

Nähere Bestimmungen.

Die Sozialdemokratie dagegen denkt natürlich nicht daran, sich zu den politischen Geschäften des Zentrums In der Tat werden die Schwarzgelben schließlich sich mißbrauchen zu lassen. Unser Etatsredner am Mittwoch, Ge- dazu bequemen müssen, eine Frage friedlich zu bereinigen, nosse Frank, hat in einer geschickten Rede, in der er die fachliche Erörterung und Kritik am gegebenen Orte je nad- um derentwillen Krieg zu führen überall in Europa für Wahn­ie finn und Verbrechen angesehen wird. Und auch Herr dem durch zornvolle Entrüstung oder durch überlegene Satire finn und Verbrechen Konstantinopel , 4. Dezember. In dem unterzeichneten belebte, die Zentrumsangelegenheit so behandelt, wie sie es Prochaska, den sich die Wiener Kriegspartei noch immer in berdient: spöttisch fragte er die Herren Spahn und Konsorten, Reserve hält, wird wohl nicht als ausreichende Veranlassung Waffenstillstandsprotokoll heißt es: Um die wann sie endlich mit ihrem Antrage auf Aufhebung des für die Entfesselung eines Weltkrieges angesehen werden. Nach Feststellung der Friedenspräliminarien zu ermöglichen, haben Jesuitengesetes herauszurücken gedächten, oder ob sie wieder dem sich die Erzählungen von seiner Verwundung oder gar von die Regierungen der Türkei , Bulgariens , Serbiens und Mon­wie in der Duellfrage nach einer lächerlichen Entrüstungs- seiner Ermordung als dreister Schwindel herausgestellt habeu, tenegros einen Waffenstillstand auf unbestimmte komödie schnell ihren Frieden mit der Regierung zu machen gefallen sich die Wiener Offiziösen jetzt in dunklen Andeu- Dauer abgeschlossen. Wenn die beiden Parteien sich über gedächten? Aber das war eine beiläufige Schlußbemerkung Franke. tungen über das Schreckliche, das die Berichte des Konfuls die Friedensbedingungen nicht einigen und Seine eigentliche Rede galt, wie es sich gebührt, dem Etat enthalten werden; die Serben hätten in Herrn Prochaska das die Fortsetzung des Krieges notwendig werden sollte, so borher von der Wiederaufnahme der Feind. und der Erörterung der inneren politischen Völkerrecht und die Ehre Desterreichs mit Füßen getreten und müssen sich die Kriegführenden gegenseitig 48 Stunden Lage Deutschlands . Für diese spielen nicht religiöse das werde sofortige Genugtuung fordern. Verweigere König feligkeiten in Kenntnis setzen. Die den Kontakt ver­Querelen die entscheidende Rolle, für die große Masse des Peter demütige Abbitte, dann müsse der Schimpf mit Blut ab- hindernden neutralen 8onen werden von den General­Bolkes stehen andere und wichtigere Fragen im Mittelpunkte gewaschen werden. Man wird gut tun, auch dieser so lange stäben der beiden Parteien festgefeßt. Zur Festsetzung der