SitgeSaNee.(Sehr richtig Z Kei den Sozialdemokraten.) Wie werden diese Kunstorganisationen der Arbeiter nun behandelt? Zu« nächst hat man einige Scheu gezeigt, hier anzupacken. Dann kam eines Tages ein vielgenannter Polizergewaltiger und stellte die Freie Volksbühne unter Aufsicht und Zensur, zunächst angeblich nur im Interesse der Arbeiter, um sie vor Feuersgefahr zu schützen. Nach einiger Zeit aber wurde er deutlicher und verbot im letzten Jahre die Aufführung des Werkes von R o se n o w«Die im Schatten leben". Ich würde hier darüber nicht reden, wenn nicht die Beschwerde gegen dieses Verbot vom Potsdamer Oberpräsidenten am 12. August zurück- gewiesen worden wäre mit einer Begründung, die ein �Zeitdokument ist, aber kein Dokument von unserer Zeitenehre. Der Oberpräsident rechtfertigt das Verbot damit, daß die Schilderung des Bergarbeiter- loses in dem Drama aufreizend sei, denn sie beruhe auf einer Verfälschung des bestehenden gesetzlichen Zustandes. Der Ober- Präsident weist nach, dag der Dichter bei der Schilderung des Loses eines armen Invaliden nicht berücksichtigt habe die Bestimmungen im allgemeinen Berggesetz vom 19. Juni 19(36, wonach der arme Invalide berichtigt war. Knapp schafts- Unterstützung zu beziehen.(Heiterkeit.) Nun hätte Rosenow dieses Gesetz ja gern Berücksichtigt, wenn er nicht das Unglück gehabt hätte, schon 1994 zu sterben.(Grosse Heiterkeit.) Weiter meint der Oberpräsident. eS sei auch das llnfal Ige setz von 1990 bei dem Schicksal einer armen Witwe nicht berücksichtigt worden. Rosenow hat das alles nicht berücksichtigen können, weil ja nach dem Willen des Dichters das Stück in den achtziger Jahren zu einer Zeit spielt, woeö weder die Arbeiterversicherungsgesetze, noch die Arbeiterbewegung gab. Nach der Logik des Potsdamer Oberpräsidenten müßten wir auch ein Verbot der„Weber" bekommen. weil Gerhart Hauptmann verabsnuint hat, die verschiedenen Arbeiterschutzgesetze in seinem Drama gebührend zu berücksichtigen. (Erneute Heiterkeit.) Es eröffnet sich hier st rebsamen Ober« Präsidenten ein weites Feld der Tätigkeit. Mit diesen kleinen und kleinlichen Maßnahmen gegen die Arbeiterbewegung sind die Unternehmer aber noch nicht zufrieden. Ihr Ehrgeiz �zeht weiter. Sie zielen darauf ab, durch einen einzigen großen vernichtenden Schlag die Arbeiterorganisationen zu treffen und das K o a I i- tionSrecht zu ruinieren. Diesen Plan maskieren sie mit dem Wort:„Schutz der Arbeitswilligen". Ich weiss wohl. daß der Reichstag im letzten Frühjahr mit großer Mehrheit den Antrag der Konservativen abgelehnt hat, der ein solches Gesetz verlangt. Für den Antrag stimmten nur die Konservativen und ein paar All- oder Falschnationalliberale.(Heiterkeit.) Wir lassen uns aber nicht in Sicherheit wiegen, denn die planmäßige Agitation geht weiter, vor allem mit dem Ziel, das Streik- postenstehen unmöglich zu machen und damit dem Koalitions« recht seinen Inhalt zu nehmen. Angesichts dieser Agitation ist es notwendig, daß wir hier nochmals mit aller Ruhe, aber auch mit allem Ernste und Nachdruck erklären: Die Behauptung, daß in Deutschland die Arbeitswilligen nicht genügend geschützt feien, ist eine ganz frivole Entstellung der Wahrheit. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wenn Ihnen der Einfall käme, ausserhalb des Hauses irgend einen mächtigen ?.(taim, den Reichskanzler, Herrn v. Heydebrand, Herrn Erz berger(Heiterkeit) zu beleidigen, so kann der Richter, wenn er will, Sie mit einer Geldstrafe von drei Mark bedenken. Wenn aber ein Arbeiter in einer Lohnbewegung einen Streikbrecher mit dem Namen nennt, der ihm zukommt, dann muß der Richter den Mann ins Gefängnis werfen. Sie sehen, heute besteht ein Atls nahmegesetz nicht gegen, sondern für die Streikbrecher.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Daß diese Bestimmungen nicht bloss auf dem Papier stehen, sondern mit voller Schärfe angewandt werden, dafür sorgen schon die Be- Hörden, die damit betraut sind. Wir haben ja vor einigen Jahren ein Beispiel größten Stieles erlebt bei der großen Bergarbeiterbewegung. Mehr als 3909 Anklage» wurden dort erhoben und Arbeiter wurden, weil sie„Pfui I" oder „Streitbrecherl" gerufen hatten, mit Gefängnisstrafen von vier bis acht Wochen oder mehr belegt.(Hört! hört l bei den Sozialdemo- kcaten.) Im Berggebiet begnügte man sich nicht damit. Männer zu verfolgen, sondern man führte auch den Kampf gegen Frauen u n d Kinder. Im Klassenkampf gibt es kein Rotes Kreuz, und niemand Ivird ohne Scham und ohne Ergriffenheit die Schilderung lesen, die eine Bergarbeiterfrau von ihrem Aufenthalt im Gefängnis gibt, wo sie zusammen mit ihrem fünf Monate alten Säugling sitzen mußte(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.), wie das Kind in der engen Zelle mit der schlechten Luft immer blasser Ivurde und erkrankte, und wie sich noch Wochen- lang nachher die Folgen der Haft bei dem Säugling zeigten. Solchen gesetzlichen Bestimmungen unter einer solchen Praxis gegenüber noch nach Verschärfungen rufen, dazu gehört eine Stirn und ein Herz von Eisen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemo- kraten.) Selbst der fromm- konservative«Reichsbote" sagt bei der Besprechung der Urteile im Bergrevier:„Auf jeden Fall muß an- gesichts dieser Urteile der Ruf nach einer Verschärfung der Strafen für Streikvergehen verstummen."(Hört I hört!) Was sagen Sie aber dazu, wenn ich Ihnen den Satz verlese,„der deuls-he Arbeiter, der den Beitriitt versagt, dem gebührt ein Pfui I" Das ist doch gewiß eine scharfe Beleidigung der Arbeits - willigen. Ich habe aber an einer Stelle falsch gelesen. Es heißt nicht„der deutsche Arbeiter", sondern«der deutsch -Brenne r", und der Artikel stammt aus der den Herren von der Rechten nicht unbekannten„Agrarkorrespondenz" und richtet sich gegen dieAutzen- s e i t e r, die dem SpirituSring nicht beitreten wollten.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Ist es nicht eine bodenlose innere UnWahrhaftigkeit, wenn Leute von der Rechten außer- halb de? Hauses(Heiterkeit) Ausnahmebestimmungen verlangen zum Schutze der Leute, die ihren Berufsgenossen in den Rücken fallen. Während hier von einem akademisch gebildeten Manne in aller Ruhe ein Zeitungsartikel geschrieben worden ist im Interesse des erhöhten Profits der Brenne- r e i e n, handelt es sich bei den Arbeitern, die in der Hitze des Ge- fechis einen ähnlich scharfen Ausdruck gegen die Streilbrecher brauchei«, um einen Kanipf für ihre Existenz. Der Reichskanzler sollte die Erklärung abgeben, daß er nicht blas ein Ausnahmegesetz zum Schutze der Arbeitswilligen ablehnt, sondern daß er Be- stimmungen mit dieser Tendenz auch nicht in die neue Strafgesetznovelle hineinarbeiten will. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Der Reichskanzler sollte sein Augenmerk darauf richten, wie gewaltig die Macht des Kapitals ans chwillt, waS für Fortschritte die Konzentration der Banken macht und wie sich das � auf allen Gebieten zeigt: Auf einem Gebiet scheint eS ja d-r Regierung zu dämmern, als ob die bisherige Praxis nicht weitergeführt werden kann, auf dem Gebiet der Kohlenver- f o r g u n g. Da haben wir gehört, daß ein ganz leiser Anfang eines Versuchs gemacht worden ist, sich gegen die liebermacht des KohlenstindikatS zu wehren. Es ist der Regierung aber dieser erste V-rsuöh nicht gut bekommen. Herr Hugo StinneS und andere feiner Kollegen sind mit dem Handelsminister recht gröblich um- gegangen, und auch der Minister B r e i t e n b a ch ist so schlecht be- handelt worden, daß ich die Gründung eines SchuhvcrbandeZ von Ministern gegen solche Angriffe nur für eine Frage der Zeit halte.(Heiterkeit.) Ich habe diese Behandlung derMimstcr bedauert, wie eS mir immer leid tut, wenn jemand gekränkt wird. Aber ein gutes hat sie gehabt, * vielleicht lernt der Reichskanzler daraus, wie diese Leute erst mit A ii g e st e l l t e n und Arbeitern umgehe n müssen. (Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Ich weiss nickt, wie die Entwickelung auf diesem Gebiete lein wird, lieber den Versuch, das Monopol einer anderen Kapitalsmacht zu brechen, wird ja demnächst bei dem Gesetz über das Petroleummonopol geredet werden. Wenn die Regierung ernstlich gegen die Uebermacht der großen Herren etwas tun wollte, so gibt es nur eine Antwort, die Eindruck machen und würdig sein würde: Der Uebergang zu einer entschlossenen, energischen Sozialpolitik.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Würde die Regierung es wagen, für die vier Millionen Arbeiter der Eisenindustrie ernstlich zu sorgen, so wäre das eine viel bessere Antwort, als wie sie in der„Nordd. Allg. Ztg." vom Handels- minister S t> d o w nicht gegeben worden ist.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Eine energische Weiterfiihrung der Sozialpolitik müssen wir namentlich auf dem Gebiet fordern, wo der Reichstag seltener und seltsamerweise sich einig zeigte, auf dem Gebiet der W o h n u n g s f ü r s o r g c. Da hat der neue Reichstag in den Flitter- Wochen seines Eifers den Beschluß gefaßt, die Regierung vorwärts zu treiben. Auf die Anfrage meines Freundes G ö h r e haben wir aber eine Antwort bekommen, die keineswegs große Hoffnungen weckt. Es besteht die Gefahr, daß die Regierung die alte Kompetenzfrage wieder hervorholt, und daß die Einzelstaaten und die Reichs- regierimg Ball niiteinander spielen. Ich frage, wer ist schuld daran? Hier im Hause haben erfreulicherweise auch die Konser- vativen aller Schattierungen dafür gestimmt. Aber im Abgeordneten- hause"hat am 2. März der freikonservative Abgeordnete Herr v. Zedlitz-Neukirch gegen ein ReichSwohnungsgesetz gesprochen und ein Landesgesetz mit der Beschränkung auf die Großstädte ver- langt. Nun bitte ich, dazu zu halten, daß das Herrenhaus aus dem Zweckverbaudsgesetz die Bestimmung gestrichen hat, daß der Zweck- verband das Recht haben soll, Grundstücke zum Wohnungsbau zu erwerben. Also auch hier wieder der Zweck, die Landbezirke von der Wohuungsfürsorge, überhaupt von der sozialen Fürsorge auszunehmen I Ebenso war es beim Mutter- und Säuglingöschutz. Immer zeigen die Herren rechts ihre Fürsorge für die Landarbeiter darin, daß sie ihnen jeden staatlichen und Rechtsschutz fernhalten.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten. Wider- spruch rechts.) Sie wollen doch nicht bestreite», daß Herr v. Zedlitz die Wohnungsfürsorge auf die Großstädte beschränken wollte und deshalb ein Landesgesetz verlangte. Die Behauptung, daß etwa nur die Großstädte an Wohnungsnot leiden, ist unhaltbar, hierfür kann ich mich als Zeugen auf die preußische Regierung berufen, sie hat 1994 in der Begründung eines Entwurfes zu einem Wohnungs- gesetz geschrieben: es kann nicht bezweifelt werden, daß in dem Wohnungswesen weiter Bevölkerungskreise, und zwar nicht nur in den Großstädten und Jndustriebezirken, sondern auch in kleineren Gemeinden wesentliche Mißstände herrschen, die dauernder Natur sind.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Und schon im Jahre 199l hat die preußische Thronrede erklärt, daß ein Eingreifen staatlicher Fürsorge in die Wohnungsverhältnisse not- wendig sei. Aber bei der Einlösung von Versprechen� die in Thron- reden gegeben sind, sind wir an lange Fristen gewöhnt. Auch bei der Frage des Wohnungswesens sehen wir wieder, daß alle kleinen Einzel- fragen in die große Frage des Preußische» Wahlrechts münden.(Sehr wahr l bei den Sozialdemokraten.) Warum will denn Herr v. Zedlitz, daß ein Landesgesetz gemacht werde. Weil er weiß, daß er im Landtag eher die Aussicht hat, durchzusetzen, daß keine Fürsorge für die Arbeiter Platz greift.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.). Neben der preußischen besteht die kleinere reußische Wahlrechtsfrage. Das kleine Land Reuß, das froh sein sollte, wenn nicht von ihm gesprochen wird, hat den großen Ehrgeiz, in bezug auf Schlechtigkeit des Wahlrechts es seinen großen Brüdern im Bundesrat gleich zu tun, und will durch die Einführung eines Fünfklassen-WahlrechteS die Arbeiter entrechten. Wir haben gehört, daß in den letzten Tagen die Arbeiter in großen Versammlungen ihrer Entrüstung darüber Aus- druck gegeben haben, und wir haben weiter gehört, daß die bürgerlichen Parteien entschlossen seien, dieser Bttschlechterung des Wahlrechts zuzustimmen. Interessant ist es, daß zu dieser bürgerlichen Mehr- heit, die den Verfassungsraub vollführen will, auch zwei oder drei Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei gehören sollen.(Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.) Ich kann mir nicht denken, daß die Fortschrittliche Volkspartei ihren Wahlrechtskampf in Preußen damit beginnen will, daß sie dort, wo sie Einfluß hat. zu einer Beschränkung des Wahlrechts die Hand bietet.(Zuruf bei der Fortschrittlichen Volkspartei .) Es wird mich sehr freuen, wenn die Zeitungen darüber falsch berichtet haben und der Sprecher der Volkspartei mich hier widerlegen kann. Sie sehen, auf den verschiedensten Gebieten haben wir große und wichtige Aufgaben zu erfüllen, für den Aufstieg der Arbeiter- mästen müssen wir Schritt für Schritt uns den Boden erst er- kämpfen. Und da gibt eS eine große Partei, die den Versuch macht, die Massen abzulenken von den dringlichsten Aufgaben des Tages. und ihre Aufmerksamkeit zu lenken auf ein Gebiet, dessen große Wichtigkeit ich nicht anerkennen kann. Ich spreche natürlich vom Zentrüm. In der gleichen Zeit, wo Millionen von Arbeitern gegen die Teuerung und den Krieg demonstrieren, ruft das Zentrum Massenversaritmlungeu in der Jesuitenfrage ein. Gewiß, sein gutes Recht. Aber ich erinnere Sie(zum Zentrum) daran, in den letzten Tagen erst haben Ihre Redner sich beteitigt an der allgemeinen bürgerlichen Verurteilung unserer Demonstrationsvcrsammlungen. Aber hier, wo eS sich um die Jesuiten handelt, da wäblen Sie genau so, wie wir Soztaldemo- kraten, den Weg der Massendemonstrationen, vielleicht kommen die Straßendemon st ratio» e'n auch noch, um auf die Gesetz- gebung, vor allem den'Bundesrat, einzuwirken. Nun ist ja eine Ent- scheidung des Bundesrats über die Auslegung des Jesuiiengesetzes gefallen, und ich stehe nicht an, zu erklären, daß. da nun einmal das Jesuitengesetz besteht, ich unter dieser' Boraussetzung die Entschei- dung des Bundesrats für sehr erfreulich halte(Hört, hörtl im Zentrum), weil ich meine, es geht nicht an, daß durch eine bayerische Verordnung ein Reichsgesetz einfach aus der Welt geschafft wird.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Was heute beim Jesuitengesetz geschieht, kann morgen beim Koalitionsrecht geschehen. Zu der religiösen Seite der Frage will ich kein Wort sagen, zu ihrer politischen Bedeutung nur noch folgendes: Wir halten diesen Ausgang der Sache für ein« schwere moralische und politische Niederlage des Ministeriums Hertling. Dies Ministerium wurde berufen zu dem ausschließlichen Zweck, Herr v. Hertling sollte wie ein Ritter Georg gegen den Drachen des Umsturzes vorgehen, er wunde berufen, die Gesetzlichkeit zu verteidigen gegen den Umsturz» Und seine erste Tat als Minister war: er beging den Umsturz gegen die Gesetzlichkeit.(Sehr gut! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Nun ist allerdings in der Presse gesagt worden, der Bundesrat habe als Pflaster auf die Wunde des bayerischen Ministeriums ihm zugebilli'gt, daß er im guten Glauben gehandelt habe. Der gute Glaube>bei einem bayerischen Minister ist nicht zu bezweifeln.(Heiterkeit.) Aber darum dreht es sich nicht. Bei einem Politiker ist das Entscheidende die Tat. Trotz dieses Zwischenspiels Hertling und trotz des Urteils, das wir darüber fällen, habe ich namens meiner Fraktion zu erklären, daß wir selbstverständlich nach wie vor immer noch kein« Aug st haben vor Jesuiten , daß wir nach wie vor bereit sind, für die Aufhebung des noch be- stehenden Gesetzesrestes zu stimmen, obwohl auf dem Katholikentag die Jesuiten empfohlen worden sind als bestes Mittel zur Bekämpfung der Sozialdemokratie. Ich kann Ihnen sogar sagen, meine Herren vom Zentrum, wir sind fürchterlich unge- duldig: wann kommt denn Ihre Interpellation in der Jesuiten - srage?(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich freue mich auf den Augenblick, wo Sie aus unseren, aus den Händen der Sozialdemokraten die Aufhebung des Ausnahmegesetzes empfangen werden in dem Augenblick, wo Sie in Bayern gegen uns Ausnahmegesetze und AuS- nahmepraxis machen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) In der Zentrumspress« hat man davon geredet, daß infolge dieser Vorgänge für das Zentrum eine Zeit der Opposition gekommen sei, ein Teil der Presse hat recht kräftige Töne gefunden. So hat die„ÄugSburgor Post" geschrieben, in Deutschland ragiert nicht dt« Vernunst, nicht die staatsmännischc Klugheit, bei uns in Deutsch - land regiert der Evangelische Bund unter dem Pro» tektorat einer hohen Dame, die als Gattin und Mutter als leuchtendes Beispiel dasteht, aber die ihren Unterricht im Katholizismus in Mecklenburg genommen hat und keine Gelegenheit hatte, nach ihrer Uebersiedelung in die Reichshauptstadt ihre Äuffassmigen über katholisches Wesen zu korrigieren." Ich muß schon sagen: wo inan so viele verantwortliche Männer hat, warum man sich gerade eine nichlverantwortliche Frau heraussucht? Aber das ist so südliche Gewohnheit: in M ü n ch e n und in W i e n. da haben eben die Frauen, Prinzessinnen und Erzherzo« ginnen politischen Einfluß. Ich glaube, so scharst An- griffe gegen eine Dame auS dem Hohenzollernhause sind nicht mehr gerichtet seit Bismarcks Zeiten. Allerdings, Bismarck sprach nicht bloß von den Frauen, er sprach von den Politikern in langen Kleidern und meinte damit Politiker beiderlei Geschlechts.(Heiterkeit.) Also für das Zentrum steigt die Morgenröte der Opposition auf. Herr Erzberger lacht mir verständnisvoll zu, er weiß, luas ich sagen will— er weiß ja alles.(Große Heiterkeit.) Meine Herren vom Zentrum, Sie haben seit 1999 drei Jahre lang als R e g i e r u n g s trup p e exerziert, Sic sind gar nicht mehr fähig, auch wenn Sie wollen, als Freischärler in der Opposition zu stehen.(Zurufe im Zentrum: Abwarten.) Daö ist nicht eine Unter- schätzung Ihrer Fähigkeil, sondern ich schließe daö aus Vorgängen im vorigen Jahr. Als damals Herr v. Heeringen Sie durch ein vielleicht aus Versehen' scharf gewordenes Wort verletzte, da trat Dr. Spahn hier auf, und gab eine kurze Kriegserklärung ab, daß den Neulingen im Hause, vielleicht auch am Bundesratstische eine Gänsehaut über den Rücken lief.(Heiterkeit.) Aber wie ist es dann gelommen? Es kam so. wie Herr B a s s e r m a n n vor«in paar Tagen von der Kriegserklärung sagte, auch hier ist nichts anderes heraus- gekonimen als eine neue Militärvorlage des Zentrums.(Heiterkeit.) Und dem gleichen Kriegsminister, der das Zentrum in so scharfer Weise damals angriff, und der nachher in der Frage der jüdischen Reserveoffiziere auch das höchste Mißfallen der Fortschrittlichen Volkspartei erregte, haben nachher das Zentrum und die Herren Liberalen ohne weiteres das Gehalt und den Etat bewilligt, und ebenso dem Reichs- kanzler, der für die ganze Wirtschaft verailtworllich/ist. Wir Sozial- deinokralen waren die einzigen, die nicht bloß durch Worte, sondern auch durch die Tat den Willen zur Opposition zum Ausdruck brachten. Also wir werden für die Aufhebung de» Jesuiten - gesetzeS st im in en, wahrscheinlich werden nur die National- liberalen dagegen stimmen. Waruni, verstehe ich offen gestanden nicht. Wie kann man gegen die Jesuiten stimmen, ivenn»lau draußen die Politik der Jesuiten macht?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wie liegen denu die Dinge? Die Gefahr für die politische Ent- Wickelung Deutschlands sind doch nicht die Jesuitc»— wir haben' jetzt schon genug davon im Lande(Heilerkeit)—, sondern die Gefahr ist der Klerikalismus als politische Erscheinung. Der Plan liegt offen vor aller Augen: Norddeutschland soll von Konservativen regiert werden mit klerikaler Hilfe, und der Süden vom Zentrum mit konservativer Hilfe. Die politische Karte Deutschlands soll im Norden blau sein init schwarzen Tupfen, und im Süden schwarz mit blauen Tupfen. (Heiterkeit und Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Es ist in dieser Richtung schon viel geschehen: Bayern ist soweit, Elsaß- Lothringen hat eine klerikale Mehrheit, und vor wenigen Tagen waren eS die Nationalliberalen, die in W ü r t t e in b e r g Zentrum und Konservative hart an den Rand der Mehrheit gebracht haben. (Hörtl hörtl bei den Sozialdemokraten.) Es ist eine iiikonsegnente Politik, wenn man hier die paar Jesuiten nicht ins Land lassen will, aber gerade dort, wo sie politi- scheu Einfluß gewinnen, wo sie herrschen, ihnen hilft auS Angst vor den Arbeitern, aus Aug st vor der Sozialdemo» lratie. Wir nehmen für uns in Anspruch, daß wir den Klerika- liSmus wirklich bekämpfen. Man bekämpft ihn nickt mit Polizeigesetzen, sondern nur durch eine ehrliche konsequente demo- kratischePolittk.(Sehr richtig! links.) Der Reichsichatzsekretär schloß mit der Erinnerung an ein Jubiläum, ich will dasselbe tun. In diesem Jahre wurde das S9jährige Jubiläum des großen natio- nalen Schützenfestes in Frankfurt a. M. gefeiert. Vor 59 Jahren hielt die Hauptrede ein Mann, der bei der Linken dieses Hauses einen guten Klang hat: S ch u l z e- D e l i tz sch sprach über die oenlsche Frage und sagte: diese Frage wird niemals den besiehenden Gewalten gegenüber zu bestehen aufhören, als bis ein Volks- Heer, das bewaffnete Volk selbst, hinter dem Parlament steht, alle politische Wiedergeburt mutz aus dem Schöße des Volkes selbst hervorgehen."(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Und wer kam jetzt nach 59 Jahren als Sprecher des fortgeschrittenen deutschen Bürgertums? DakamPrinzHeinrich von Hoben- z o l l e r n(Heiterkeit links) und sagte:„Jeder deutsche Stamm sei treu seinem Herrn und wir alle seien treu unserem Oberherrn. Trumpf siir unser Bürgertum sei heute der Gehorsam". Da hat sich kein Mann gefunden, der daran erinnerte, daß es früher hieß: Nicht Gehorsam soll Trumpf sein für den Bürger, sondern Frei- heit.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokralen.) Wenn wir so sehen, wie breite Massen des Bürgertums in Altersweisheit erstarrt sind, müde sind, ist es unsere Aufgabe, die junge Kraft, die in der Arbeiterklasse ruht, zu organisieren und zum Siege zu führen. Wir wollen nicht Gehorsam, wir wollen Rebellentrotz, wir wollen' die Arbeiterklasse weiter führen auf ihrem Wege zum Siege gegen Klerikalismus. gegen Kon- servative, gegen Ausbeutung, für Freiheit, für Demokratie und für Sozialismus. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Spahn(Z.): Wenn Herr Frank für Aufhebung deS Jesuitengesetzes stimmen ivird, dann bin ich ihm dankbar und ver- zeihe ihm alle seine Bosheiten.(Heiterkeit.) Was unser Nenkontcr mit dem Kriegsminister im vorigen Jahre wegen der Duellsrage anlangt und unsere nachherige Bewilligung des Gehalts deS Kriegs« Ministers, so sind wir von der Ansicht ausgegangen, daß wenn eS gelänge mit Hilfe des Kriegsministers. wie er andeutete, eine Aenderung zum Besseren in der D u e l l f r a g e herbeizuführen, daß wir dadurch mehr erreichen würden als durch eine unfruchtbare Demonstration, Ob wir etwas erreicht haben, wird uns ja demnächst der Kriegsminister sagen. Die Definition des Bundesrats über die religiöse Tätigkeit, die unter das Jesuiteng-setz fällt, bilden einen Rückschritt auck gegenüber den Verhältnissen in Preußen. Religiöse Tätigkeit ist keineswegs gleichbedeutend mit scelsorgerischer Tätigkeit. Daß Preußen bei der Vorbereitung der Maigesetze auch die seelsorgerische Täligkeit treffen wollte, hatte seinen guten Grund: wollte man die Katholiken auf die Knie zwingen, fo mutzte man ihnen die Geistlichen nehmen und sagen: Zuzug fernhalten. WaS ober hat es jetzt nock für»inen Zweck. den Jesuiten die seelsorgerische Tätigkeit zu verwehren- Was geht es beispielsweise die Oeffentlichkeit an, wenn ein Dienstmädchen in einem Hause, in dem ein Jesuit verkehrt, die Gelegenheit benutzt, bei ihm zu beichten. Und wie will man denn die Maß» regeln durchführen? DaS würde ja zur schlimmsten Denunziation führen. Will man vielleicht, wenn ein Jesuit bei mir zu Tisch ist, nachforschen, ob er etwa daS Tsichgebet ge- sprocken hat. Was ist denn in Deutschland vorgekommen, um derartige Bestimmungen gegen die Jesuiten zu. rechtfertigen? Tat« sächlich nichts, gar nichts. Gehen wir doch ins Ausland, nach Eng- land. Dänemark . Schweden . Holland , überall hören wir das L o b der Jesuiten . Und würden denn wir so andauernd für die Jesuiten eintreten, wenn wir nicht von ihrer Makellosig« keit überzeugt wären.(Lebhafte Zustimmung im Zentrums Die Jesuiten werden ihren Leidensweg weitergehen, sie werden auch im Ausland ihr Deutschtum bewahren und deutsche Interessen ver- treten. Aber das Reich lädt eine schwere Schuld aus sich(Lebhafte Zustimmung im Zentrum), und wir werden diese Schuld abzuwälzen stich en und die Aufhebung deS Jesuitengesetzes verlangen.(Erneute lebhafte Zustimmniig im Zentrum.) Die Zeit wird kommen, wo
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