beschlossene Sa'che wäre, und Man nur! noch die diplomatischen Vorwände herbeizuschaffen hat. mit denen der Ballplatz den Einmarsch vor Europa als einen neuen Beweis seiner unerschütterlichen Friedensliebe auszugeben gedenkt. Wenn die Organe des Reichskanzlers von einer„Ent- spannung" reden, so lügen sie entweder bewußt oder ihre Auftraggeber sind von einer merkwürdigen Unkenntnis der in Oesterreich treibenden Kräfte. Angesichts dieser Stimmungen und Vorbereitungen in Oesterreich stellt sich die Rede des Reichskanzlers, mit der wohl Rußland abgeschreckt werden sollte, als eine Aneiferung Oesterreichs dar. Wenn das das letzte Wort ist. das Berlin nach Wien zu sagen hat. so steht es um die Bewahrung des Friedens schlimm, schlimmer als die deutsche Welt heute noch wähnt. Hochverratsaktioncn der schwarz-gelben Justiz. Wien , 3. Dezember. Heute vormittag begann hier der Prozeß gegen vierzehn Hochschüler, meist Bosnier und Dalmatiner, wegen Aufreizung, Auflauf und Majestäts- beleidigung. Es handelt sich um die Vorgänge in der inneren Stadt am 24. November, wo die Studenten hochverräterische Rufe ausgestoßen hatten. Tie Verhandlung wird geheim geführt. Tie Stellung der österreichischen Sozialdemokratie zu einem Verteidigungskriege. Wolfs Telegraphenburau verbreitet folgende Meldung aus Wien : Der Wehrausschuß beS Abgeordnetenhauses nahm das Unter- stützungsgesetz mit mehrfachen Abänderungen an und begann die Verhandlung über das Rekrutenkontingent.— Im Justizausschusse wurde die Verhandlung über das Kriegsleistungsgesetz fortgesetzt. Der Abgeordnete Liebermann erklärte, die polnischen Sozialdemokraten seien nicht geneigt, den serbischen Jmperialis- mus zu stärken; sie würden, falls Rußland Oesterreich-Ungarn angreife, ihre Pflicht erfüllen und Oesterreich treu zur Seite stehen. Der Abgeordnete Renner schloß sich namens der deut- schen Sozialdemokraten den Ausführungen Liebemnanns an und erklärte, gegen den russischen Zarismus würden alle Sozial- demokraten wie ein Mann bereit sein, ihre ganze Kraft einzu- setzen. Wie uns aus Wien telcphonisch mitgeteilt wird, hatten die Ausführungen Renners folgenden Inhalt: Leider entscheiden die Sozialdemokraten noch nicht und es gibt noch Kriege. Angriffs- und Verteidigungskriege. Wenn wir durch Ihre schwere Schuld in einen Ver- teidigungskrieg gedrängt sind, so werden wir— wir und unsere Genossen in allen Ländern, auch Bebel in dem Deutschen Reichstag habe darüber niemals im Unklaren gelassen— selbstverständlich nicht übersehen, daß es unsere eigenen Leute sind, die dann am meisten bedroht werden. Dazu brauchen wir nicht nur Ihre patriotischen Märchen. Wir sind, damit Sie es genau verstehen, sage ich es ausdrücklich, weit ent- fcrnt, für die unberechenbaren Treibereien Ihrer Politik ein- zustehen, und können doch mit aller Bestimmtheit wiederholen, was wir in Basel gesagt haben, was das alte Vermächtnis der europäischen Demokratie ist: Wenn die spärlichen Rechte und Freiheiten, die wir errungen haben,— und auch heute gibt sich die Regierung Mühe, sie zu verkleinern— durch den russischen Zarismus bedroht werden sollten, dann sind wir zur Abwehr gezwungeil und bereit. Eine zurückhaltende Erklärung Poincaräs. Paris , 3. Dezember. M i n i st e r p r ä s i d en t P o i n- c a r 6 erklärte in der Kammerkommission für die auswärtigen Angelegenheiten, er sei gehalten, sich große Zurückhaltung aufzuerlegen, denn die Physiognomie der Ereignisse, die sich bereits mehrfach sehr schnell geändert hat, sei weit von einer endgültigen Fe st legung entfernt, und die zwischen den Mächten gepflogenen Unterhandlungen konnten nicht ohne vorheriges Abkommen bekannt gegeben werden. Er sei also einzig mit Bezug auf die Politik der französischen Regierung frei, vollständige Aufklärungen zu geben, und wenn er auch sie nicht ohne Unzuträglichkeiten de- fürchten zu müssen, voll ins Licht rücken könnte, so könne er sie wenigstens in ihren Grundzügen klar charakterisieren. Frankreich habe alles, was in seinen 5kräften stand, ge- tan. um den Konflikt der Balkanstaaten vor seinem Aus- bruch zu beschwören. Als er dann unverineidlich wurde, habe Frankreich alle seine Anstrengungen einer Lokalisierung des Streites gewidmet. Um diese beiden Absichten nach und nach zu verwirklichen, habe Frankreich von Anfang an mit guteni Willen an dem regelmäßigen täglichen Meinungsaustausch zwischen allen Mächten Europas teilgenommen. In diese allgemeinen Besprechungen, die die Umstände nötig gemacht baben, sei Frankreich nur in voller Uebereinstinimung mit feinen Freunden und Verbündeten eingetreten und würde sie auch in diesem Sinne fortführe». Frankreich habe bei den gepflogenen diplomatischen Besprechungen sich stets zuerst über die Gefühle von England und Rußland vergewissert. Seit langer Zeit schon habe Frankreich ernste Schwierigkeiten auf dem Balkan befürchtet ,und schon seit vergangenein Ja- uuar habe es mit Rußland wegen der verschiedenen Eventuali- täten verhandelt, denen Europa sich früher oder später im Orient gegenüber befinden könnte. Die ini April abge- schlossene serbisch -bulgarische und griechisch-bulgarische Kon- vcution seien der französischen Regierung für neue Krisen, Gefahren und Konfliktsmöglichkeiten geeignet erschienen. Im aufrichtigen Geiste des Wohlwollens für die Türkei , fuhr Poincar6 fort, haben wir sie mehrfach auf die Gefahren der Lage hingewiesen und ihr geraten, den Friedensschluß mit Italien zu beschleunigen und Reformen auf dem Balkan ins Werk zu setzen. Aber die Verwicklungen wurden immer be- drohlicher. Poincars erinnerte sodann an die Initiative des Grafen Berchtold im letzten August. Briand. der ihn damals wahrend seiner Reise nach Rußland vertreten habe, habe die Anregung Berchtolds mit Interesse aufgenommen und erklärt, die Politik Frankreichs sei vor allem bestrebt, den allgemeinen Frieden zu bewahren und den Statusquo auf dem Balkan aufrechtzuerhalten, und er sei glücklich, sich darin mit dein Wiener Kabinett eins zu wissen. Poincarö habe telegraphisch feine Uebereinstlnimung mit der Antwort Briands erklärt. Rußland habe in Uebereinstimmung mit Poincar6 eine Ant- wort im gleichen Sinne gegeben. Bevor die Mächte sich je- doch über das Reformprogramm hätten einigen können, sei die Bewegung auf dem Balkan beunruhigend geworden. Frankreich hat in den von den Balkanstaaten okkupierten Gebieten, die ganz oder teilweise von der Türkei abgetrennt werden könnten, wichtige Interessen und hat niemals daran gedacht, sich an der Balkaufrage selbst uninteressiert zu er- klären. Wir sind die Hauptgläubiger der Türkei , und es wird sich als notwendig herausstellen, den Anteil der Balkanstaaten an der öffentlichen Schuld der Türkei zu bestimmen. Die Mächte bemühen sich bereits um eine passende Lösung dieser Hrage. Weiter sind wir an der Tabakregie und an zahlreichen Konzessionen für öffentliche Verkehrsanstalten interessiert, ebenso haben französische Gesellschaften Interessen an bereits konzessionierten oder in Vorbereitung befindlichen Arbeiten. Außer diesen wirtschaftlichen, industriellen und finanziellen Interessen haben wir ein moralisches und traditionelles Erbe zu wahren. Keines dieser Mittel zur Sicherung französischen Einflusses sind wir gesonnen aufzuopfern. Wir hatten in den besetzten Ländern moralische und materielle Rechte, und wir rechneten wohl darauf, daß sie respektiert werden würden. Wahrscheinlich werden wir mit den vier verbündeten Staaten wegen unserer legitimen Interessen besondere Konventionen abschließen müssen. In gleicher Weise wird sich früher oder später in der einen oder anderen Form eine allgemeine Rege- lung der bestehenden Schwierigkeiten ergeben müssen. Bisher waren sich die Mächte darin einig anzuerkennen, daß die mili- tärischen Operationen kein kalt aeeompli ergeben haben, und sie waren glücklich genug beraten, keine besondere Maßnahme oder Initiative zu ergreifen, die nicht wieder gut zu machen waren. Das Ergebnis einer besseren Garantie für den curo- päischcn Frieden ist besonders dem Fortdauern des Meinungs- austausches der Kanzleien in der letzten Woche zu verdanken. Aber eine gemeinschaftliche Besprechung, in der alle Probleme in ihrem Zusammenhang ins Auge gefaßt und alle ausge- tauschten Schriftstücke vorgelegt werden, wird voraussichtlich allein in friedlicher Weise die Gegensätze der Ansichten lösen können, die zwischen gewissen Großmächten und den Balkan - staaten oder zwischen den Großmächten selbst bestehen. Er werde, erklärte Poincarch die Diskretion nachahmen, die die auswärtigen Regierungen bewiesen hätten, und könne nur sagen, daß es eine Ehrensache gewesen sei, Frankreich seinen Rang im Konzert der Großmächte zu erhalten und seine Stimme zu Gehör zu bringen. Wir sind ohne Schwäche für die Interessen unserer Verbündeten, und unsere eigenen, für den Frieden und die Zivilisation eingetreten. Ueber den Waffenstillstand erklärte Poincars zum Schluß, er glaube, Griechenland werde nicht zögern, sich anzuschließen: er hoffe, die Verbündeten würden sich die moralische Situa- tio», die sie sich in Europa erworben hätten, durch die be- dauernswerten Zwistigkeiten nicht schwächen lassen: er wünsche, daß die Türkei in einem erquicklichen Frieden bald wieder zur Wohlfahrt komme. Die französische Regierung lasse es sich lebhaft angelegen sein, die traditionellen Be- Ziehungen zu der Türkei aufrechtzuerhalten. Der Minister- Präsident schloß, indem er sich von neuem zu der aufmerk- samen und beharrlichen Pflege der französischen Allianzen und Freundschaften bekannte, sowie zur Fortsetzung der auf- richtigen Bestrebungen für eine europäische Entente und für den Frieden: er versicherte besonders seinen festen und ruhigen Entschluß, den Rechten Frankreichs Achtung zu verschaffen, und die nationale Würde des Landes durch nichts antasten zu lassen. Die Bedeutung der Poincaräschen Ausführungen. Paris , 3. Dezember. (Privattelegramm des ,.V o r w ä r t s".) Poincarös Erklärung ist demonstrativ kühl. Der Satz, daß Gegensätze zwischen gewissen Mächten und Alliierten oder zwischen den Mächte» selbst nur durch eine Gesamtdebatte friedlich gelöst werden könnten, wo alle Probleme in Zusammenhang betrachtet und alle Tausch- elemente abgewogen würden, weist auf' das Bestehen eines österreichisch -russischen Gegensatzes hin und läßt die russische Kompensationsforderung offen. Pessimistisch klingt der Satz: „Ueber die Zukunft ist schwer zu sprechen, noch gewagter, zu prophezeien." In der ganzen Rede ist kein zuversichtliches Wort der Friedenserwartung auffallend. Sie zeugt von Sympathie gegen die Alliierten, die sich siegeswürdig zeigten, ebenso die Erklärung, daß er die Beilegung ihrer bedaner- lichen Zwistigkeiten fest erhoffe. Dagegen klingt sie gegen die Türkei schärfer durch den Hinweis, daß Frankreich in Europa und Kleinasien fortfahren werde, seine großen Interessen zu verteidigen. Aus der Erwartung unverzüglicher Reformen am Libanon klingt eine Drohung. Andererseits ist die Be- tonung traditioneller Rechte, besonder� des Christen- Protektorats in Kleinasien ein Wink nach England. Tagegen soll der Hinweis auf das bisherige Einvernehmen mit der Entente und der Satz:„Wir wollen, daß bei der Regelung der jetzigen Schwierigkeiten unsere Allianzen und Freundschaften neue Beweiskraft und Wirksamkeit liefern", dazu bestimmt. die Oeffentlichkeit gegen Kiderlens Erklärungen zu beruhigen. Die Friedensverhandlungen. K o n st a n ti n o p e l, 4. Dezember. Wie der Vertreter des Wiener K. K. Telegr.-Korresp.-Bureaus von authentischer Seite erfährt, werden die Friedensverhandlungen in etwa zehn. Tagen in London beginnen. Als Erster türkischer Bevollmächtigter wird Reschid Pascha fungieren, die übrigen Bevollmächtigten sind noch nicht bestimmt. Ueber die Grundlagen der Friedenspräliminarien oll bereits ein Einvernehmen bestehen. Die Pourparlers mit Griechenland wegen des Waffenstillstandes dauern fort. Man hofft, daß die griechischen Bevollmächtigten übermorgen nach Tschataldschit kommen, um dir Annahme des Protokolls mitzuteilen. London Äonserenzstadt. London , 5. Dezember. Wie das Reutersche Bureau er- fährt, ist der Vorschlag Bulgariens , die Friedenskonferenz in London abzuhalten, der britischen Regierung mitgeteilt worden, die sich damit einverstanden erklärt und ihre Be- 'riedigung über das Vertrauen der Kriegführenden aus- gedrückt hat. Wie verlautet, hat die Türkei auf der Kon- 'ereuz in Tschataldscha zuerst Konstantinopel als Ort der Friedenskonferenz vorgeschlagen, womit Griechenland einver- standen war, während Bulgarien widersprach. Die bulgarischen Delegierten schlugen darauf London vor. Dies wurde angenommen. In offiziellen Londoner Kreisen ist nichts bekannt, was die mannigfaltigen Gerüchte über die angeblichen Friedensbedingungen bestätigen könnte. Die türkische Mitteilung über den Waffenstillstand. Konstantinopel , 3. Dezember. Die Pforte hat gestern aintlich bekannt gegeben, daß der Waffenstillstand mit Bul - garien, Serbien und Montenegro unter der Bedingung abgc- 'chlossen worden ist, daß die Kriegführenden in den gegen- wärtig von ihnen innegehaltenen Stellungen verbleiben. Die Friedensverhandlungen beginnen ohne Aufschub. Der Kriegs- zustand wird allein gegen Griechenland aufrechterhalten. Eine gleichlautende Bekanntmachung ist den Vertretern der Türkei im Auslände und den türkischen Provinzbehörden zugegangen.— Die ottomanischen Bevollniächtigten Reschid Pascha, Oberst Ali Riza und Damad Ferid Pascha sind abends hierher zu- rückgekehrt. Sofort fand ein Ministerrat statt, an dem zeit- weise auch der albanesische Senator Reschid Akief und der Berliner Botschafter Osman Nizami Pascha teilnahmen. Es soll dabei auch über Albanien verhandelt worden sein.— Die erste Kolonne mit Lebensmitteln für Adrianopel ist gestern früh abgegangen. Griechenlands Haltung. Köln , 5. Dezember. Ter„Kölnischen Zeitung " wird aus Berlin telegraphiert: Man glaubt hier, daß Griechenland an den Friedensverhandlungen teilnehmen wird, selbst wenn es vielleicht das Waffenstillstandsprotokoll nicht unterzeichnen sollte. Es ist aber möglich, daß es das Protokoll doch noch unterzeichnet, wenn die verschiedenen Gründe, die für diese Zurückhaltung angegeben werden, weggefallen sind. Bekannt- lich waren dies die Weigerung Griechenlands , die Blockade der Meerengen aufzuheben, ferner die noch nicht erfolgte Niederwerfung des türkischen Widerstandes auf Chios und Mytilene und der Wunsch, noch vor Unterzeichnung des Waffenstillstandes in den Besitz von Janina zu gelangen. Tie Meldungen von einem unmittelbar bevorstehenden Verfall des Balkanbundes sind jedenfalls verfrüht. Angebliche militärische Gründe für Griechenlands Weigerung. Athen , 5. Dezember. Wie die Agence d'Athenes erklärt, darf die Tatsache, daß Griechenland den Waffenstillstand nicht unter- zeichnet hat, nicht als ein Beweis für eine Uneinigkeit unter den Verbündeten ausgelegt werden. Griechenland habe besonderen Wert darauf gelegt, daß die Unternehmungen seiner Flotte nicht unterbrochen würden, und zwar auf dem Jonischen Meer, damit nicht der türkischen Armee in Epirus die Verproviantierung ermög- licht werde, aus dem Aegäischen Meere, damit die Türken keine Truppen nach Thrazien transportieren könnten. Indem sich Griechenland auf diesen Standpunkt stellte, habe es mehr die Jnter- essen aller Verbündeten im Auge gehabt, als seine eigenen; denn sämtliche Verbündeten und gleichzeitig die Friedensaussichten wür- den durch Verstärkungen der Garnisonen in den Dardanellen und in Tschataldscha geschädigt worden sein.— Was die jetzigen Friedensverhandlungen anlange, so wisse man— und der letzte italienisch-türkische Vertrag sei ein genügender Beweis— daß solchen Verhandlungen kein Waffenstillstand voranzugehen brauche. Nach amtlicher Meldung werden griechische Bevollmächtigte an den in London stattfindenden Verhandlungen teilnehmen. Valona von den Griechen beschossen. Valona , 3. Dezember. (Meldung der Agenzia Stefani.) Zwei griechische Kanonenboote haben gestern die unbefestigte Stadt beschossen. Eine Granate schlug zwischen dem italieni- schen und dem österreichisch -nngarischen Konsulat ein. Ismail Kemal Bey schickte, durch die Panik unter der Bevölkerung bestimmt, zu den Schiffen Parlamentäre, denen der Kam- Mandant erklärte, er habe den Befehl erhalten, die albanesische Küste zu blockieren, da sie türkisches Gebiet sei. und glaube daher, rechtmäßig gehandelt zu haben. Er erklärte weiter. daß die Stadt sich Griechenland ergeben müsse, das die Albanesen stets wie Brüder behandelt habe. Hierauf ent- fernten sich die Kanonenboote. Ismail Kemal Bey hat sofort telegraphisch bei den Großmächten und bei der griechischen Regierung Protest eingelegt. Keine Vcrproviantierung der belagerten Festungen. Sofia , 5. Dezember. Gegenüber Nachrichten aus Kon stantinopel , welche von Vorbereitungen zur Wiederverpro- viantierung der belagerten türkischen Festungen sprechen, muß man. wie die Agence Bulgare mitteilt, beachten, daß diese Frage durch Punkt zwei des Waffenstillstandsprotokolls gc- regelt ist, dessen Wortlaut formell den Garnisonen der be- lagerten Festungen untersagt, sich mit Lebensmitteln oder Munition wieder zu verproviantieren. jpolirtscke Cleberfkbt. Berlin , den 5. Dezember 1912. Etatsreden. Aus dem Reichstage vom 3. Dezember wird uns ge» schrieben: Die Lage der Geschäfte im Reichstage wollte es, daß am Donnerstag keine Redner vom Zentrum zu Worte kamen. Infolgedessen war von den Jesuiten nur wenig die Rede. Zwar streiften alle Redner im Vorübergehen die »große Frage", die der Mittwochsitzung fast das Gepräge eines kritischen Tages höheren Grades gegeben hatte; doch hüteten sie sich, Etatsreden zu halten, in denen vom Etat keine Rede ist, wie Genosse Lensch die Spahnsche Rede mit glück- lichem Spotte charakterisierte. Aber am Freitag geht die Etatsdebatte weiter, und als erster Redner sieht der streit - bare Herr Gröber vom Zentrum auf der Liste. Er hatte schon heute ein stattliches Manuskript vor sich liegen. Viel- leicht schwillt es über Stacht noch an. Jedenfalls wird am Freitag von den Jesuiten wieder sehr viel die Rede sein, und der Herr Reichskanzler wird nicht wieder wie heute lediglich seinen Stuhl mit seiner Vertretung beauftragen. Von den Nationalliberalen sprach Herr Paasch e in munterem Wortschwall über den Etat. Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. So flocht Herr Paaschs denn anmutige Erlebnisse seiner sommerlichen Weltreise in die Zahlen und Wünsche seiner Elatsrede. Tie Sozialdemokratie will Herr Paaschs auch bekämpfen. Aber nicht durch einen Kampf gegen ihre Ideen, sondern durch Besserung der Ver- waltungspraxis und Rechtsprechung, damit nicht wieder Streikurteile möglich werden, die eine Mutter mit ihrem Säugling ins Gefängnis schicken. Solche Urteile treiben nach Herrn Paasches Meinung der Sozialdemokratie die Mit- läuser zu. Wenn aber zur Zufriedenheit der Menschen regiert und verwaltet wird, wird es keine Unzufriedenen mehr geben, und die Sozialdemokratie ist am Ende ihres Lateins. Hoffentlich hat Herr Paaschs mit dieser Mt Sozialisten- bekämpfuiig vielen Erfolg. Wir besitzen sogar soviel Todes- Verachtung und Sslbstverleugtlung, daß wir ihm dabei helfen, wenn er schlechte Verwaltungspraktikcn, mangelhafte Re- gierungskünste und Klassenjustiz beseitigen will. Wir fürchten nur, wir werden Herrn Paaschs nie finden, wenn es sich ernsthast um solche Aufgaben handelt._ Eine umfangreiche Rede hielt Herr W i e m e r für die Fortschrittliche Volkspartei . Von Ansang bis Ende, am rechte» und unrechten Orte, durchzitterte sie das schwellende Pathos des aufrechten liberalen BezirkSvereinspolitikers. Zu besonderer Kraft erhob sich sein Brustton der Ueberzeuguniz, als er sich gegen den Klassenkampf und die Methoden ber modernen Arbeiterbewegung wandte. Er empfahl dafür' den Reichsverband liberaler Arbeiter. Die überwältigenden Gr- folge der Hirsch-Dunckerschen Bewegung werden dafür sorgen. daß die Bäume der liberalen Arbeiterpolitik bis hoch m den Himmel hinein wachsen!
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