Einzelbild herunterladen
 
2. Beilage zumVorwärts" Berliner Nr. 270. Donnerstag, den 16. November 1893. 10. IajM. GeWerkschasts-Kemeguug und Sozialdemokratie. Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht Genosse August Bebel  in Sir. 262 desVorworts" einen Artikel, durch welchen derselbe bedauerlicher Weise die Meinung bestätigt, welche bezüglich der Eiellungnahme Vebel's zur Gewerkschafis-Bewegung bei einem nicht geringen Theil der Parteigenossen schon seit längerer Zeit vorhanden ist. Die wiederholten Versicherungen Bebel's in der Einleitung seines Artikels, er sei kein Gegner der Gewerkschaften, mich nicht nur ein halber Freund derselben stehen in direktem Gegensatz zu seinen späteren Ausführungen, durch welche er der Gcwerkschafts-Bewegung für die Gestaltung der Dinge in Deutsch  - land aber auch jede Bedeutung abspricht. Wer die Anschauungen Bebel's theilt, der kann nicht mit Ueberzeugung für die Förderung der Gewerkschafts-Bewegung wirken dennnur was wir selber glauben, glaubt man uns." Was um alles in der Welt k ö n n e n dann die Gewerk- schaften in Teutschland den Arbeitern nützen, wenn diese selbst organisationsunfähig, und die von ihnen eventuell gebildeten von vornherein schon den Todeskeim in sich tragenden Organisationen doch bald der Uebermacht des Kapitals weichen müssen? Wes- halb denn noch diese unnütze gewerkschaftliche Vereinsspielerei, wenn durch politische Thäligkeit das Alles so leicht zu erreichen ist. was den Arbeitern durch den wirthschaftlichen Kampf zu erringen sük alle Zeiten versagt sein soll? Wenn das richtig ist, was Genosse Bebel als unumstößlich in seinem Artikel hinstellt, dann wäre es ja geradezu ein Verbrechen an der Arbeitersache, nun noch länger gewerkschaftlich organisiren zu wollen. Genosse Bebel   stellt r3 in Frage, ob die Fortsetzung der Erörterungen über die Gewerkschaftsbewegung derselben besonders förderlich sein wird. Und er hat Recht mit dieser Frage, denn in einer Agitationsschrift für die Gewerkschaftsbewegung sind seine Aus� führnngen nicht zu verwenden, ebensowenig wie jemand mit solchen Ansichten den Arbeitern im wirthschaftlichen Kampfe jemals ein Führer sein kann. Wer von vornherein diesen Kampf für aussichtslos hält, der kann die geschlossenen Reihen der Kämpfenden nur wankend machen zum Sieg gehört auch der Glaube an den Sieg und diesen ist der Genosse Bebel  ja eifrigst bestrebt, den gewerkschaftlich organisirten Arbeitern zu nehmen. Die deutschen   Arbeiter werden nun trotz Bebel   weiter organisiren weiter kämpfen manchmal unter liegen, aber ebenso häufig siegen und gerade so wie die englischen Arbeiter i m Kampf den Kampf �rnen; die pessimistischen Anschauungen Bebel's können wohl Einzelne in ihrem Wirken beeinflussen auf die Massen bleiben dieselben absolut wirkungslos diese werden immer, ihrem natürlichen Instinkt folgend, als wirksames Mittel gegen den auf ihnen lastenden Druck zur Arbeitseinstellung greifen, je plan- mäßiger dieses aber geschieht, desto häusiger werden Erfolge zu verzeichnen sein und deshalb muß organifirt werden. Aus ökonomischen Ursachen können sich weite Schichten der deutschen Arbeiter der Organisation nicht anschließen de hauptet Bebel   ich bestreite, daß das in dem Maße der Fall ist, wie er annimmt aber selbst angenommen dem sei so so wird doch der Anschluß aller derer, d i e dazu in der Lage sind, und der durch die Organisation bewirkte Erfolg, auch denen zu gute kommen, die bislang zu arm waren, sich an der Be- wegung betheiligen zu können und sie dadurch in die Möglichkeit versetzen, sich ebenfalls anzuschließen. Alle in Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter können sich den Gewerkschaften nicht anschließen behauptet Genosse Bebel  . Warum? weil in Deutschland   die Gewerkschaften infolge ihrer Schwäche keine» Einfluß auf den Staat haben. Der Staat wird den jeweiligen Machtverhältnissen gerade so Rechnung trag.n, wie jeder kapitalistische Privatunternehmer und auch bei Fest- setzuug der Löhne für seine Arbeiter die von den organisirt.n Arbeitern in der Branche erkämpften Löhne zur Richtschnur nehmen müssen. Wie fruchtbar wäre also die Perspektive, welche Genosse Bebel   der ungeheuren Zahl der in staatlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter stellt, wenn nun auch ihre bei Privat- nntcrnehmern beschäftigten Kollegen muthlos die Organisation fallen ließen. Bebel sagt: Gewerkschaftsverbände sind im Saargebiet u n- möglich und giebt dadurch den Bergarbeitern indirekt den Rath, sich willenlos dem Druck der Kapitalisten zu unterwerfen. Glaubt Bebel   etwa, daß in anderen Ländern die Kapitalisten so humane Menschenfreunde sind und die Organisationen der Ar- beiter begünstigt haben, anstatt sie zu unterdrücken und daß diese nur deshalb so stark und mächtig wurden? Das Kapital hat noch niemals ein Herz bewiesen und ist immer nur der zivingenden Nolhwendigkeit gewichen wenn der Druck des Staates oder der Privatunternehmer in Deutsch  - land ein so mächtiger ist, daß sich die davon betroffenen Arbeiter öffentlich an keiner Organisation betheiligen können, so bleibt ihnen nur das eine Mittel, was in anderen Ländern die Arbeiter unter gleichen Verhältnissen auch angewandt haben und noch an- wenden, nämlich daß sie sich geheim organisiren. Meint Bebel   etwa, die deutschen Arbeiter hätten nicht das Zeug dazu? Nach meiner Meinung handelt es sich nur darum die Organisation, so weit wie dieselbe öffentlich möglich ist, zu stärken und zu kräftigen der nicht öffentliche Beilritt der noch Uebrigen wird dann unschwer zu bewerkstelligen sein. Aus tausend und einem Grunde kann" nach Bebel   Deutschland  »ine Gwerkschaftsorganisation, wie sie die englischen Arbeiter besitzen, niemals bekommen. Würde Bebel uns von diesen vielen Gründen nur wenige genannt haben, so könnten wir dieselben auf ihre Stichhaltigkeit prüfen. Bebel bezweifelt, daß die deutschen Bergarbeiter die gleiche Organisations. f ä h i g k e i t wie ihre englischen Kollege» besitzen. Tie Gründe blieb er uns auch hier schuldig. Für ihn ist das eine offen- lundige Thalsache, über die er kein Wort zu verlieren braucht. Eine offenkundige Thalsache ist für mich soweit die ökonomische Entwickelung', der beide» Länder in Frage kommt nur, daß Teutschland gegenüber England um gut ein Menschen- alter zurück ist, und daß demzufolge auch die wirthschastliche Be- wegnng der Arbeiter in Deutschland   heute nicht soweit entwickelt sein kann, wie in England. Aus den Ausführungen Bebel's tritt wieder einmal der Gedanke von einer baldigen Verwirk- lichung unserer Ziele speziell in Deutschland   hervor auf mich haben die Prophezeiungen Bebel's nun noch niemals überzeugend gewirkt. Das Wirken einer größeren Arbeiteranzahl zur selben Zeit in demselben Räume, zur Produktion derselben Waarensorle, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet" nach Marx historisch und begrifflich den Ausgangpunkl der kapitalistischen  Produktion." Von diesem Ausgangspunkt sind wir in Deutschland   denn doch noch ziemlich entfernt angesichts der großen Ausdehnung, welche in Deutschland   noch die Kleinindustrie und die kapitalistische Vorstehende Einsendung und weitere uns vorliegende werden imVorwärts" publizirt unter dem Vorbehalte der Redaktion, daß st, den Einsendern die Lerantwortung für ihre Ausführungen überläßt. Privatwirthschaft hat. Alle unsere Wahlsiege werden mein Ur- theil nicht erschüttern; der alle Kräfte lähmende Militarismus wird in Deutschland   und zwar bald zusammenbrechen aber damit noch nicht das kapitalistische System. Und weil dies meine feste Ueberzeugung ist, deshalb hat für mich der wirthschast- liche Kampf auch eine weit größere Bedeutung, als für Bebel   ich halte denselben für nothwendig nicht nur weil derselbe den Arbeitern aufgezwungen wird sondern auch grundsätzlich, um die kapitalistische Entwickelung zu be- schleunigen. Niederlagen der Arbeiter irritiren mich nicht sie wirken immerhin noch, wie Albert Lange   sagt, wie der Sturm auf eine Festung, der doch schließlich auch die Widerstands- kraft der Belagerten schwächt. Auch die Erringung politischen Einflusses ist für mich eng mit der Arbeiterorganisation verknüpft. Man wird doch wohl nicht bestreiten wollen, daß trotzdem die englischen Arbeiter keine selbständige politische Partei bilden, ihr Einfluß auf die Gesetzgebung ein weit größerer ist, als wie wir denselben in Deutschland   trotz unserer starken po- litischen Partei besitzen. Unsere ganze Sozialreform, deren Werth Bebel plötzlich so hoch anschlägt, daß er glaubt, die Wirk- samkeit derselben könne den Gewerkschaften den Wind aus den Segeln nehmen, ist denn doch bis jetzt noch traurigste Stümperei für ein einziges freiheitliches Vereinsgesetz, durch welches den Arbeiterorganisationen das Recht der unumschränkten Zentrali- sation in ganz Deutschland   eingeräumt würde, würde ich leichten Herzens den ganzen Rummel von sogenannten Arbeiterschutz- gesehen eintauschen. Wir haben in unserer Presse, in unseren Versammlungen diese gepriesene Sozialreform so oft auf ihren winzigen Werth zurückgeführt, daß es auf mich nun geradezu komisch wirkt, wenn man plötzlich entdeckt hat, dadurch könnten eventuell Aufgaben der Gewerkschaften erfüllt scheinen. Den veränderte» Verhältnissen müssen sich die Gewerkschaften anpassen und sie können auch auf dem Gebiete des Unterstützungsivesens heute noch Bedeutendes leisten. Das ist nebenbei bemerkt ein Kapitel, welches verdient, in den Gewerkschaften einmal eingehend erörtert zu werden, gerade weil die Gewährung einer Unlerstützuug in bestimmten Norhiällen wesentlich zur Heranziehung und Erhaltung von Mitgliedern beiträgt; die Hauptaufgabe der Gewerkschaften liegt aber doch auf einem anderen Gebiet. Sie sollen Kampses-Organi- t i o n e n sein zur Errinaung höherer Löhne, verkürzter Arbeitszeit u. s. w., kurz zur Verbesserung der Lebenshaltung der Arbeiter. Ohne starke wirthschastliche Organisationen und damit ver- bundener wirthschaftlicher Macht wird die Arbeiterklasse auch politisch ohne nachhaltigen Einfluß sein. Papierene Gesetze, sind noch lange keine wirklichen Gesetze. Mögen die Gesetzgeber beim Erlaß der Gesetze selbst das größte Wohlwollen für die Arbeiter empfunden haben, in der Wirklichkeit gestalten sich die Dinge ganz anders; will man dafür«inen kleinen Beweis, so braucht man nur die rigorosen Bestimmungen der von den Kapitalisten den Arbeitern aufgezwungenen Arbeitsordnungen einmal zu studiren. Unsere ganze politische Thätigkeit für die Arbeiter ist pro niMlo, wenn wir dieselben nicht gleichzeitig wirthschaftlich organisiren. Nicht vor einer Ueberschätzung der Gewerkschaftsbewegung in Teutschland ist zu warnen, wohl aber vor einer U n t e r s ch ä tz u n g derselben, da durch diese in hohem Maße die Möglichkeit einer Existenzverbesserung für viele Taufende gefährdet erscheint. Den Hungernden Brot in de» Schrank zu schaffen, hilft unS keine politische Glorie, deren sonst auch jeder überzeugte Gewerk- 'chastler aus begeistertem Herzen sich freut. Hamburg  , den S. November 1893. A. von Elm. Gewerkschaftsbewegung eine Utopie. Sache der politischen Parter sei es, die gesetzlichen Hemmnisse zu entfernen, auf politischem Gebiete müsse der Kampf für das Koalitionsrecht ge- führt werden, ehe die Frage der Bernfsvereine für die Land- arbeiter praktisch werde. Aehnliche Erwägungen gälten für die im Staats- und Reichsdienst beschäftigten Arbeiter und Unter» beamten, z. B. für die deutschen Eisenbahnarbeiter, deren Durch- schnittszahl sich 1891/32 insgesammt auf 265 651 belaufen habe, für die Postunterbeamten u. f. w. Auch auf den Einfluß der wirthschaftspolitischen Gesetz- gebung machte ich aufmerksam. Gelinge es, eine Organisation des Handwerks nach dem Rezept des Herrn v. Berlepsch oder nach einem ähnlichen Muster durchzuführen, so ergebe sich für eine große Zahl der aufgeklärten deutschen Arbeiter die Zwangslage einer Zwangsorganifation. Es werfe sich dann die Frage auf, ob nicht die Arbeiter so gut wie die österreichischen Genossen sich derartiger Verbände bedienen müßten, um für ihre Interessen zu wirken. In Oesterreich   habe diese Organisation tinter dem Ausnahmegesetze das Rückgrat der Bewegung gebildet. Daß in Deutschland   die Arbeiterschaft in den Ortskrankenkassen Einfluß zu gewinnen versuche, sei ein beachtenswerthes Analogon. So nothwendig die Theilnahme an den Gewerkschaften für die organisarionsfähigen Arbeiter ist, und ich habe stets für die Förderung der wirthschaftlichen Kampfverbände aus das ent- schiedensie gewirkt, so muß man denn doch immer wieder auf die hartnäckigen Dinger von Thatsachen hinweisen und nicht über einer vorgefaßten Ansicht die rauhe Wirklichkeit, die niemals mit sich spaßen läßt, vergessen. Die Arbeitergruppen, die sich in wirkungsvollen Verbänden großen Stils zusammenfassen lassen, werden immer nur einen gewissen, hoffentlich stetig wachsenden Bruchtheil der Arbeiter- schaft in sich schließen, sie werden die Elitetruppen der Arbeiter- 'lasse bilde». Je tiefer unsere Wirthschaftsweise durch die Kar- tellirung der Grobgewerbe umgewälzt wird, um so nöthiger und ebensfähiger werden als Gegenpol der Unternehmerverbände die Arbeitcrverbände aus hoher Stufenleiter. Aber es wäre schlimm, wollte man vergessen, daß die Sozial- demokratie das gesammte klassenbewußte Proletariat der Hand- arbeit und der Kopfarbeit vertritt, nicht aber ausschließlich die Partei ist der gewerkschaftlich organisirten Arbeiter. BrunoSchoenlank. Berlin  , den 14. November 1893. Zur Gcmerkschasts Dlskusswn. Ein in der letzten Ausgabe des Korrespondenzblattes der Gcncralkommission der Gewerkschaften Deutschlands   veröffent- lichter Artikel: Die Gewerkschaftsdebatte auf dem Kölner  Parteitag veranlaßt mich zu einer kurzen Darlegung. Das Korrespondenzblatt wendet sich auch gegen einige von mir z'-erst in der Debatte hervorgehobene Gesichtspunkte und sagt unter anderem: Gegen diese Resolution(Resolution Arons) wurden eine Reihe Einwendungen erhoben. Besonders wurde darauf hinge- wiesen, daß viele Parteigenossen wegen ihrer erbärmlichen wirth- chaftlichen Lage nicht im stände wären, den Verpflichtungen, die die Gewerkschaft ihren Mitgliedern auferlegt, nachkommen zu können. Andererseits könnten die Landarbeiter in Preußen, soweit le Parteigenossen sind, nicht in die Gewerkschaften eintreten, oder solche bilden, weil ihnen das �oalilionsrecht fehlt..... Diese Einwendungen wurden genügend zurückgewiesen und dar- ;elhan, daß solche Befürchtungen keineswegs Platz zu greifen »rauchten. Die Laudarbeiter, soweit sie Parteigenossen sind, werden durch die Verpflichtung, sich auch gewerkschaftlich zu organisiren, nur angespornt werden, energisch gegen die Be- schränkung ihrer Koalitionsfreiheit Front zu machen.... Wo aber die Lage der Arbeiter eine so traurige ist, daß die geringen Beiträge für die G.werkschaften kaum ausgebracht werden können, wäre-s doppelt nothwendig, den Gemeinsinn durch Hinzuziehung dieser Kreije zur Organisatlvn zu wecken." Um einer falschen Deutung meiner Darlegungen vorzubeugen, ,ci Folgendes bemerkt. In meiner Rede hatte ich mit aller Snlschiedenheit die Rothwendigkeit der wirthschaftlichen Organi- 'ation hervorgehoben, zugleich aber in einer Kritik des Arons- che» Vorschlages die thatsächlichen Hindernisse dargelegt, die be- stimmte große, nach Millionen zählende Arbeitergruppen ver- hindern, sich zu Gewertschaften zusammenzuschließen. Die Hans- industriellen in einer Reihe von Gewerben und Bezirken, die Landarbeiter, die im Dienste non Staat und Reich beschäftigten Arbeiter keunzeicknele ich als solche Gewerksgrnppen, für die eine Pflicht zum Anschlüsse an e»ne Organisation kraft der wirth- chaftlichen und sozialen Verhältmsse. worunter sie stünden, nicht ausgesprochen werden könnte. 'Die Hausindustriellen seien dank der dezentralisirenden, sie vereinzelnden und zersplitternden Betriebsform und dank ihrem unsäglich schlechten, sich stets an der Hungergrenze bewegenden Lebensmaßstabe zu Hunderttausenden nicht organisalionsfähig. Zerstreut über weite Gebiete, gedrückt durch die furchtbare Nolh eien sie von Haus aus nicht im stände, eine leistungsfähige Ver- einigung zu schaffen. Die Weber im Eulengebirge, die Spiel- waarenmachcr im Meininger Oberland u. a. m. hätten als einzige Waffe die politische Bewegung, und die Erfahrung b«, den Wahlen habe gelehrt, daß die Heimarbeiter-Äezirke ihre wirthschaftspolitische Einsicht glänzend zu bekunden wüßten. Die Landarbeiterschaft, die der Zahl nach bedeutendste Schicht habe doch die Durchschnittszahl der in den land- wirthschaftlichen Berussgenossenschaflen Bersicherten für das Jahr 1891 12 239 415 Personen betragen scheide schon deshalb aus, weil für sie in gan, Deutschland  , nicht, wie das Korrespondenz- blatt schreibt, in Preußen, das gesetzlich festgelegte Koalitions- verbot bestehe. So lange nicht die feudale Einrichtung der Gestnde-Ordnungen und das Koalitionsverbot beseitigt wären, sei die Forderung des Anschlusses der Landarbeiter an Vi» Sszisle Filialen-Auflösung deS Metallarbeiter- Verbandes. Nachdem die Polizei die Filiale Bern bürg des deutschen  Metallarbeiter-Verbandes aufgelöst hatte, zog es die Filiale Dessau   vor, der Polizei zuvor zu kommen und sich aufzulösen. Man wählte in einer öffentlichen Versammlung einen Ver- trauensmann, der nun die Geschäsle des Verbandes für Dessau  leiten wird. Kommunaler ArbeitSnachlveiS. Mit der Einführung eines städtischen Arbeitsnachweises hat sich nun auch die Stadt- verordneten-Versammlung in Posen besaßt. Moderne Kultur. Dienstag Mittag wurde in Hannover  die Waschfrau Wittwe R. von einem Schutzmann von der Wasch- wanne weg verhaftet--, weil sie zwölf Mark Strafe sür Schulversäumniß eines ihrer sechs Kinder nicht be- zahlt hatte. Zwölf Mark Strafe oder sechs Tage Haft hatte das Erkenntniß gelautet! Die arme Waschfrau, die froh ist, wenn sie in einer Woche zwölf Mark sich mühselig erarbeitet, und die s e ch s K i n d e r besitzt, von denen sie fünf im Alter von 714 Jahren ernähren muß, bat flehentlich, sie doch nicht zu verhaften, ihre Kinder seien ja sonst ohne jede Pflege! Der Polizeibeamte fühlte zwar Mitleid mit der armen Frau, mußte sie aber, dem erhaltenen Befehl entsprechend, nach dem Gefängniß abführen. Tann aber ging er zum Armenvorsteher des Bezirks und theilte ihm mit, daß die Kinder der verhafteten Frau für die Nacht unversorgt wären. Der Armenvorsteher erklärte jedoch, daß heute nichts mehr zu machen wäre, da jetzt es war 3 Uhr Nachmittags das Armenbureau bereits geschloffen sei. Nachbarn der Frau R. erfuhren das Un- glaubliche; sie eilten nach der Polüeidirektion, um dort die 12 M. Strafe für Frau R. zu zahlen. Aber der Rendant war nicht mehr anwesend; es hieß, er käme Abends noch einmal wieder. Die Nachbarn schickten auch Abends wieder dorthin aber der Rendant war nicht gekommen. Sie schickten nun in dessen Wohnung, aber ohne Erfolg.   So blieb die Frau R. über Nacht im Gefängniß und ihre fünf Kinder hatten keinen Schutz. Inzwischen hatte sich auch die Familie, bei der die Wittwe R. gewaschen hatte, erboten, die 12 M. Strafe für Frau R. zu er- legen und am Mittwoch Morgen konnten sie eingezahlt werden. Nun endlich kam die Frau aus dem Gesäugniß und die Kinder hatten ihre Mutter wieder! Wahrlich, unsere herrliche Kultur kann nicht schöner gekennzeichnet werden als durch diesen Vorgang! Tie Protestbewegung gegen die Tabak-Fabri?atste«er. Man schreibt der BerlinerVolks-Zeitung" aus Bremen  : Der gesammten hiesigen Geschäftswelt brennt die Tabak- steuerfrage auf den Nägeln, und sie protestirt in energischer Weise gegen die Einführung der Tabak-Fabrikatsteuer. In der vorigen Woche hat eine gemeinsame Versammlung der Wahl- vereme stattgefunden, am Sonnabend hat der Kaufmanns-Kon- vcnt getagt, und in beiden Versammlungen ist nach sehr aus- führlichen Reden von Fachmännern, in denen die Nachtheile der neuen Steuer im allgemeinen und speziell für Bremen   nach- gewiesen worden sind, eine Resolution beschlossen worden, durch welche man die drohende Gefahr abzuwenden hofft. Leider hat aber in beide» Versammlungen ein Redner gefehlt, welcher den Tausenden, die versammelt waren, ins Gedächtniß zurück­gerufen hätte, daß man ihnen alles, was jetzt geschieht, vor sechs Monaten, als es sich um die Wahl eines Neickslags-Abgeordneten Handelle, vorausgesagt hat, und daß sie selbst, indem sie einen Abgeordneten gewählt habm, der freudigen Herzens der Militär- vorläge zugestimmt hat, ihren Theil der Schuld an dem tragen, was jetzt geschieht. Dabei sind die Herren nicht einmal von ihrem politischen Unverstand kurirt: wenn heute eine Neuwahl stattfände, würde der größte Theil derjenigen, die so laut gegen ein Steuer protestiren, welche Bremen   ruinirt, wieder für Herrn Fcese stimmen, obwohl bei der neuen Steuer, die der Vertreter Bremens   durch sein Votum im Reichstage mit- verschuldet hat, der Ruin Bremens   als Handelsstadt ersten Ranges gewiß ist." Weitere Protestversammlungen gegen die Tabakfabrikatsteuer haben stattgefunden in Oldenburg  , dem Wahlkreis des liberalen Abgeordneten Enneccerus.   In Hanau   beschloß sogar der Stadtrath eine eingehend motivirte Petition an den Reichstag abgehen zu lassen. In Pinaeberg, wo Genosse Molkenbuhr, und in Heide(Holstein), wo Genosse v. Elm gegen die Tabaksteuer gesprochen, wurden ebenfalls Resolutionen gegen dieselbe angenommen.