Dardanellen ausgelaufen und von a ch igriechischen Torpedobootzerstörstörern angegriffen worden, so daß sie zurückkehren muszten. Angeblich soll dabei ein griechischer Torpedobootszerstörer beschädigtworden sein. Leute, die von den Dardanellen hier angekommen sind, berichten, daß drei griechische Torpedoboot-Zerstörer gestern früh das Fort Sedil Bahr beschossenhaben. Der Kreuzer„Medjidije" sei sofort ausgelaufen undhabe mit den griechischen Schiffen Schüsse gewechselt.„Medjidije" sei bald darauf zurückgekehrt.Konstaiitinopel, 15. Dezember. Heute früh kam es außerhalb der Dardanellen zu einem Kampf zwischen dertürkischen und der griechischen Flotte. Nach Informationenaus türkischer Quelle mußte sich die griechische Flottezurückziehen.Ein griechischer Erfolg in Epirus.Athen, IS. Dezember. Griechische Abteilungen habengestern Scala Paramythia in Epirus eingenommen. DerKampf dauerte den ganzen Tag und war sehr erbittert. Derfliehende Feind ließ Waffen, einen optischen Telegraphen, ein Tele-skop und sonstige Materialien zurück.Die armenische Frage.-Konstantinopel, 18. Dezember. In kompetenten Kreisen wirddavon gesprochen, daß unter den hiesigen Armeniern sowie unterdenen Rußlands, Aegyptens und Amerikas die Absicht besteht, dieBotschafter-Reunion oder die demnächst stattfindende Konferenz zu benutzen, um die ün Artikel 61 des Berliner Vertragesvorgesehene Besserung der Lage der Armenier herbei-zuführen. Die Armenier wünschten die Durchführung von Reformen unter der Garantie Europas, aber nicht diepolitische Autonomie.Wie die Blätter melden, befaßte sich der Ministerrat mitdem Studium der durch ein provisorisches Gesetz zu regelnden Durchführung von Reformen in den von Armeniern bewohnten Pro-vinzen.DergemoMraflontitreill gegen den Kriegin Frankreich.Paris, 16. Dezember.(Privattelegramm des„V o r w ä r t s".) Der Generalstreik hat in der Provinz be-deutende Dimensionen angenommen, obgleich er nicht allgemein war. Die Straßenbahner in Lyon streiken vollzählig.In den Bergbezirken Courriöres gab es-1000 Streikende. InBordeaux und St. Etienne streikte ein Teil der Metall- undGlasindustriearbeiter. In einer großen Zahl Provinzstädtestreiken die Arbeiter des Baugewerbes. In Paris ließen dieArbeiter des Baugewerbes, die Autoführer sowie die Metallarbeiter in der erdrückenden Mehrheit die Arbeit ruhen:einige Straßenbahnlinien mußten den Verkehr einstellen, da-gegen arbeiteten die Angestellten der Omnibusgesellschaft.die Droschkenkutscher und die Leute der Untergrundbahn. ImTheater Sarah Bernhard mußte die Vorstellung abgesagtwerden, weil die Elektriker streikten. Die Staatsarbeiterund die meisten Hafenarbeiter, ausgenommen die in Dün-kirchen, arbeiteten. Obgleich das Gesamtergebnis hinter denErwartungen zurückbleibt, wäre die Folgerung falsch, daßdas französische Proletariat seine Aufgabe im Kriegsfalleverkenne. Gestern fanden große Versammlungen in allenStädten und Industriezentren statt, bei denen Gewerkschaftund Partei meistens zusammenwirkten. In Amiens, woJaurds sprach, demonstrierten 10 000 Menschen. Die Prä-selten verboten Versammlungen unter freiem Himmel undschloffen die Arbeitsbörsen. Bürgermeister, die sich weigerten,dies zu tun. wurden von der Polizei zeitweilig suspendiert,darunter befindet sich auch der radikale Senator dornet inSens._politische deberlicbt.Berlin, den 16. Dezember 1912.Neue Heeresforderungen.lieber«die von-der„Nordv. Allgem. Zeitung" angekündetenneuen Heeres- und Flottenvermehrungen weiß die„Voss. Zeitung"zu berichten:Zu den Mitteilungen über einen militärischen Nachtragsetaterfahren wir, daß es sich dabei nur um Forderungen für Luft-fchiffe und Flugzeuge handeln wird. Andere Forderungen, dieerwähnt wurden, wie für Kavalleriedivisionen, Haubitzregimentcr,Erhöhung«der Bespannung der Feldbatterien usw. werden in demselben nicht enthalten sein. Was übrigens die Erhöhung der Bespannung der Batterien angeht, so ist-das jetzt Anzuforderndebereits in dem veröffentlichten Heeresetat enthalten. Ueber denNachtragsetat selber lassen sich zurzeit nach keine näheren Einzel-heiten angeben, da seine Aufstellung noch nicht beendet ist.Wahrscheinlich hat sich die Regierung entschlossen, vorläufig ineiner besonderen Nachfordeni-ng zum Etat nur eine Vermehrung derLuftschiffe zu verlangen. Ist diese bewilligt, so folgen dannprompt die anderen, weit größeren Forderungen.Vorbereitungen.UnS wird geschrieben: Daß man in Berlin einen Kriegfür nicht ausgeschlossen hält, geht daraus hervor, daß dasReichSsckatzamt an die Bundesregierungen ein Schreiben ge-richtet hat. des Inhalts, die Zahlung der Gehälter an die Beamtenund der Löhne an die Staatsarbeitcr usw. möchte möglichst inSilbermünzen und in Reichsbanknoten bezw, Kassen-scheinen erfolgen. Man hält also an den Regierungkassen Gold fürden Kriegsfall zurück.Nebenbei sei bemerkt, daß auch längst festgestellt worden ist.welche BeamteimKriegsfalle wirklich absolut unentbehrlichauf ibrem Posten sind.Wir erfahren ferner, daß am letzten Freitag, den 13. Dezember.vom KriegSmini st erium an alle Generalkommandos eineZirkulardepesche ergangen ist mit der bestimmten Anfrage.ob alle Kommandos so vorbereitet seien, daß sie bei einerfolgenden Depesche jede Order ausführenkönnten._v. Hceringcn und Kühn.Die„Nordd. Allgem. Ztg." hat am Sonnabend die Mitteilungder„Nhein.-Westf. Ztg." und einiger anderen Blätter dementiert,daß zwischen dem Kriegsminister und dem Reichsschatzsekretär so-genannte„Unstimmigkeiten" beständen. Auf dieses Dementi ant-wartet sofort die„Rhein.-Westf. Ztg.":„Die Persönlichkeit unseres Gewährsmannes ist ihrerganzen Stellung und ihren Beziehungen nachüber jeden norddeutschen Zweifel erhaben, so daß wir die Nach-rickp in vollem Umfange aufrechterhalten. Eshandelt sich auch keineSivegs um den alten Etat, sondern,, wie wirauch in unserer Meldung hervorhoben, um N c u f o r d e r u n g c>!.Während dieser Nachtragsetat aufgestellt wurde, haben Vorverhand- 1lungen zwischen den beiden Aemtern stattgefunden, die den Umstandin ihrer Gefolgschaft hatten, daß das Kriegsministerium beimReichsschatzamt nicht das gewünschte Entgegenkommen fand."Die Gemeindewahl in Stuttgartam letzten Freitag hatte folgendes Ergebnis: Bon den 21-Mandatenerhielten die Sozialdemokraten 8, die Nationalliberalen 6, Volks-Partei 4, Konservative 2, Zentrum 1.Das Proporzverfahren mit seiner komplizierten Rechnung, nichtminder die große Zahl abgeänderter Stimmzettel hatten zur Folge,daß das Wahlresultat erst am Sonnabend in den späten Abend-stunden bekannt gegeben werden konnte. Die Wahlbeteiligung warschwach. Nur 73,7 Proz. der Wähler übten ihr Wahlrecht aus.Bei der vorjährigen Gemeinderatswahl waren es 84,1 Proz.Den Bürgeraus schußwahlen bringt die Bevölkerung wem-ger Interesse entgegen, als den G e m e i n d e r a t s w a h l e n. Zu-dem hat die württembergische Bevölkerung zwei erbitterte Wahl-kämpfe— Reichstagswahl und Landtagswahl— hinter sich. Dasmußte eine gewisse Wahlflauheit erzeugen, unter der alle größerenParteien zu leiden haben. Die Zahl unserer Stimmzettel ging van11 175 auf 16 449 zurück, die der nGionalliberalen Partei von 6469auf 5611, die der Volkspartei von 3821 auf 3466. Nur die Rechtegewann einige Stimmen mit Hilfe der mittelständlerischen Vereini-gungen. Gemessen an der Bürgerausschußwahl 1916 habenwir unsere Stimmenzahl von 16 215 auf 16 449 gesteigert.Sechs Genossen sind aus dem Bürgerausschutz geschieden, achtGenossen, darunter sechs neue Männer, kehren zurück. Von denbisherigen Bürgerausschußmitgliedern wurden nur zwei wieder-gewählt.Bedauerlich ist, daß uns durch unzweckmäßige Aenderung desoffiziellen Stimmzettels 2778 Stimmen verloren gegangen sind.(Jeder Wähler hatte 21 Stimmen.) Es wurden 8325 unabgeänderteund 2124 abgeänderte Stimzettel abgegeben. Daß die Parteimehr-heit Genossen bevorzugte, die auf dem linken Flügel der Parteistehen, war ihr gutes Recht; ebenso daß sie von den bisherigen6 Bürgerausschußmitgliedern 2 vollständig ablehnte und nicht mehrauf die Kandidatenliste nahm. Unverzeihlich aber ist, daß, weil derMinderheit ein Teil der Kandidaten nicht gefiel, eine Anzahl Wäh-ler sich der Wahl enthielt, andere den Stimmzettel derart veränder-ten, daß der Partei viele Stimmen verloren gingen. Die Landtags-wähl in Stuttgart hat auch derartige Erscheinungen gezeitigt. EinTeil der Parteigenossen— so fast sämtliche Beamte des Haupt-burcaus der Metallarbeiter— enthielt sich jeder Wahlarbeit, weil ihrdie Mehreit der Kandidaten nicht paßte. In einem Wahldistriktenthielten sich über 186 Wähler der Wahl. Daß solche O b st r u k-tions versuche gegen radikale Kandidaten Erbitterung erzeugenmüssen, ist verständlich. Die vielgeschmähten Radikalen haben biszur Stunde bei jeder Wahl noch eiserne Disziplin gehalten und diePartei zu glänzenden Siegen geführt, auch wenn ihr die Kandidatennicht geiiehm waren. Es sei nur an die Behauptung des Stutt-garter Reichstagswahlkreises im Anfang dieses Jahres— nach denskandalösen Vorgängen bei der vorhergehenden Gemeinderatswahl— erinnert, ferner an den glänzenden Sieg im Eßlinger Landtags-Wahlkreis. Solche Zustände sind auf die Dauer gänzlich un-HaltbarlDer Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg.Die Reuwahlen zur Hamburger Bürgerschaft sind auf den31. Januar 1613 angesetzt. Um die 46 Mandate, die bei den all-gemeinen Wahlen zu vergeben sind, bewerben sich bereits an366 Kandidaten. Da die Wahl nach Listen vorgenommen wird,müssen alle diese Kandidaten zunächst auf der Vorschlagsliste einerder vier bürgerlichen Fraktionen unterzukommen suchen. Diefünfte Partei, die Sozialdemokratie, hat ihre Vorschlagsliste bereitsvor mehreren Wochen aufgestellt, und da für sie nur politischeGrundsätze maßgebend sind, bleibt sie von den Gruppenkämpfen,die sich jetzt im bürgerlichen Lager abspielen, unberührt. Die Listen-wähl gestattet jedem Wähler, die sämtlichen 12 Stimmen, über dieer verfügt, einem einzigen Kandidaten zuzuwenden, indem er alleübrigen Namen, die auf der betreffenden Liste verzeichnet sind,streicht. Die geheime Wahl begünstigt dieses Verfahren. Infolge-dessen ist der Wahlausfall für die bürgerlichen Kandidaten vielmehr von dem Umfang ihrer persönlichen Anhängerschaft als vonihrer Parteizugehörigkeit abhängig.Hinzu kommt, daß wesentliche politische Gegensätze zwischenden drei alten Fraktionen— Rechte, Zentrum und Linke— nichtbestehen. Der von ihnen gemeinsam durchgeführte Wahlrechts-raub vom Jahre 1966 hat sie zu einer Blockbrüderschaft zusammen-gekittet, an der sie unentwegt festhalten, sobald es gegen die Sozial-demokratie und die Vereinigten Liberalen geht. Diese letztereFraktion steht politisch auf dem Boden der Fortschrittlichen Volks-Partei. Ihre Mitglieder haben sich infolge ihrer Gegnerschaft zumWahlrechtsraub von den alten Fraktionen- getrennt. Zur konse-quenten Vertretung eines wirklich demokratischen Wahlrechts können sich diese Hamburger Liberalen indessen ebensowenig auf-schwingen, wie ihre Gesinnungsgenossen im Reiche. Das habensie erst vor kurzem wieder bei der Ablehnung des sozialdemokrati-schen Antrages aus Einführung des allgemeinen, gleichen Wahlrechtsgezeigt. Und auch sonst bilden sie eine ziemlich gemischte Gesell-schaft, so daß es der Fraktionsführung nicht immer leicht fallenmag, alle unter den Hut einer leidlich anständigen liberalen Politikzu bringen. Das offenbart sich besonders in der Beamten-frage, die neben der Wahlrechtsfrage hauptsächlich den Zank-apfel zwischen dem Block der alten und der neuen Partei desBürgertums bildet. Um die Stimmen der Beamten ist ein förm-licher Wettlauf unter den bürgerlichen Fraktionen entstanden, andem die Vereinigten Liberalen sich mit Feuereifer beteiligen. Sohaben sie auch jetzt wieder einen Sonderkandidaten der Schutzmann-schaft mit dem ominösen Namen Hund auf ihre Vorschlagslistegenommen. Andere Beamtengruppen suchen bei der Rechten, wiederandere beim Zentrum Anschluß. Die Zcntrumsfraktion i steigentlich ebenso wie die Linke in er st er LinieGrundeigentümer- und„Mittel st and s"- Partei.Beide legen sich daher den Beamten gegenüber eine gewisse Reserveauf, sammeln aber dafür alle Scmderkandidaturen. die von Schank-Wirten, Händlern aller Sorten(Konsumvereinstötern), religiösenRichtungen, Sportvereinen usw. aufgestellt werden. In dem heil-losen Durcheinander, das infolgedessen in den bürgerlichen Wähler-Versammlungen herrscht und das ein Erbübel klemstaatlicher Republiken zu sein scheint, würden alle politischen Prinzipien überhauptzum Teufel gehen, wenn nicht die von allen bürgerlichen Parteiengefürchtete Sozialdemokratie da wäre. Hat die Zerfahren-heit im bürgerlichen Lager es doch schon zuwege gebracht, daß einehamburgisch-konservative Partei sich gebildet hat, dieunter Führung des Landrichters Koch eine politische Ge-meinschaft zwischen der preußischen Junker-Partei und dem Hanseatcntum herstellen und zudiesem Zweck mit eigenen Kandidaten in den Bürgerschaftswahl-kämpf eintreten Willi Gegen diese politische Mißgeburt wendensich allerdings auch die Kreise, hinter denen die kapitalistisch stärk-sten Gewalten der auf großzügige, also.antiagrarische Wirtschafts-Politik angewiesenen Welthandelsstadt stehen.Die Kamburger Sozialdemokratie hat bisher diesen Katzbalge-reien der bürgerlichen Parteien Gewehr bei Fuß gegenüber-gestanden. Ihre Abgeordneten haben in öffentlichen Wählerver-sammlungen über ihre Tätigkeit Bericht erstattet, und außerdemist im Auftrag der Partei zur Information für die Wähler eineBroschüre„Die Hauptfragen hamburgischer Gesetzgebung und Poli-tik 1916—1912"(Verlag von Auer u. Co. in Hamburg) heraus-gegeben, die sachlich und gründlich vom sozialdemokratischen Stand-Punkt aus die Staats- und Kommunalpolitik Hamburgs in denletzten Jahren behandelt. Unsere Parteigenossen haben ferner einerege Agitation zur Erwerbung des Bürgerrechts betrieben. Sogeht die Partei wohlgerüstet in den Wahlkampf, der mit vollerSchärfe erst nach Neujahr entbrennen wird.Rechtslosmachnng der Wähler in Reust.Am Donnerstag, den 19. Dezember 1912, findet bekanntlich imWahlkreise Rcutz ä. L. die Ersatzwahl für den verstorbenen GenossenF ö r st e r statt. Der Landrat in Greiz hat nun»in seiner Eigen-schaft als Wahlkommisiar am Montag eine Verfügung erlassen,nach der Wähler, die seit dem 12. Januar 1912 verzogen sind, chrWahlrecht an ihrem früheren Wohnorte nicht mehr ausüben dürfen.Diese Verfügung des Landrats ist eine geradezu ungeheuerlicheGesetzesverletzung. Bei Reichstagsersatzwahlen, die innerhalb eines Jahres nach den allgemeinen Wahlen stattfinden, werdenkeine neuen Wählerlisten angelegt; es wird vielmehr nach den altenWählerlisten gewählt, und jeder Wäher hat natürlich das Recht, audem Ort zu wählen, in dem er bei der Hauptwahl, in diesem Falleam 12. Januar 1912, in die Reichstagswählerliste eingetragen war.Infolge der Verfügung des L-andrats würden bei den eigenartiggelagerten geographischen Verhältnissen in diesem Wahlkreise vieleHunderte von Wählern ihr Wahlrecht einfach verlieren, weil sie na-turgemätz auch in ihrem jetzigen Wohnorte nicht in die Wählerlisteausgenommen werden konnten. Für diese Ersatzwahl dürfen unterkeinen Umständen Nachträge in den Wählerlisten vorgenommen wer-den. Die in Greiz anwesenden Mitglieder der sozialdemokratischenReichstagsfraktion lvandten sich sofort telegraphisch mit einer Be-schwerde an den Reichskanzler, der die Beschwerde an das Reichs-amt des Innern gegeben hat, von wo rascheste Erledigung zugesagtwurde.Nach Wolffs Telegr.-Bureau hat jetzt Staatssekretär Del--Hierauf ist nach Wolffs Telegr.-Bur. vom Staatssekretär Delbrück, in Vertretung des Reichskanzlers, geantwortet:„Auf dieAnfrage der fürstlichen Landesregierung vom 16. Dezember ist vonhier unter dem 13. Dezember geantwortet, daß nach diesseitigerAuffassung die Vorschrift des§ 7 Absatz 1 des Wahlgesetzes durch§ 8 Absatz 3 nicht berührt wird. Diese Auffassung entspricht demBeschluß der Wahlprüfungskommission und des Reichstags, wonachbei Ersatzwahlen die Ausgabe des Wohnsitzes in dem Wahlbezirkszur Zeit der Wahl, abgesehen von dem in fj 7 vorgesehenen Ausnahmefalle, ein für allemal die Berechtigung der Teilnahme an derWahl ausschließe. Vergl. Stenographische Berichte von 1889, Seite1439s, Sitzung vom 9. April 1889. Eine hiervon abweichende Eni-scheidung des Reichstages hat hier nicht ermittelt werden können.Mit Beschluß des Reichstags steht auch die Entscheidung des Reichs»gerichts in Strafsachen, Band 37, Seite 383, in Einklang."Diese Antwort des Reichskanzlers steht weder mit dem Gesetznoch mit der Praxis des Reichstages in Einklang. Es ist noch m-dieser Session aus Anlaß der Wahlprüfüng der Wahlen Kaempfund Pauli von der Wahlprüfungskommission einstimmig be-schlössen, daß nach Abschluß der Wählerlisten Aenderungen nichtmehr zulässig sind und daß die Frage, ob eingetragene Wähler etwazu Unrecht gewählt haben, allein vom Reichstag zu entscheiden ist.Der Wahlrechtsraub in Reust ä. L.Die von der Kommission des reußischen Landtages vnge-nvm-mene WählrechtSve rschlecht-eru ngsvorlage sieht ein F ü n f.st i m m« n- Wahlrecht vor. Es sollen erhalten Wähler bis zu einemEinkommen von 1866 M. eine Stimme. Wer unter 1866 M. Ein»kommen- bezieht, aber über 5 Hektar Grundbesitz vers-ügt oder alsselbständiger Gewerbetreibender 2 oder mehr über 16 Jahr« alteHilfspersonen beschäftigt un>d wer. eine technische oder wissenschaftliche Vorbildung besitzt, die zur Führung des Meistertitels berech-tigt, ferner wer im Besitz eineS Einjährigfreiwilligen-Zeugn-isses ist,bekommt eine Zusatzstimme. Wähler mit einem Einkommen von1866 bis A66 M. erhalten zwei Stimmen, solche mit einem Ein-kommen von 2466 bis 3666 M. drei Stimmen, mit einem Einkommenvon über 3666 M. vier Stimmen. Wer am Tage der Wahl 56 Jahrealt ist, erhält eine weitere Zusatzstimm«. Die Kommission hat alsodie Regierungsvorlage noch ganz erheblich verschlechtert.Die reußischen Arbeiter, die zum- überwiegenden Teil« in derTextilindustrie beschäftigt sind, haben durchweg ein Einkommen vonweit unter 1866 M.; sie erhalten, soweit sie nicht über 56 Jahrealt sind, nur eine Stimme. Die Mehrstirnmen entfallen in derHauptsache auf die Bauern, den bessersituierten Mittelstand und aufdie Beamten. An der Annahme dieses Wahlrechtsungeheuers durchden Landtag ist leider mcht mehr zu zweifeln.Zur Reichstagsersahwahl im WahlkreiseStolp- Lauenburg.Wie raffiniert die Abgrenzung der Wahlbezirke in dem Wahl-kreise Stolp-Lauenburg zugunsten der Konservativen vorgenommenist, geht daraus hervor, daß von 253 ländlichen Wahlbezirken(davonannähernd 166 mit 26 bis 36 Wahlberechtigten) nicht weniger als122 ihr Wahllokal in der„Mten Stube des gnädigen Herrn" haben,der gleichzeitig als Wahlvorsteher fungiert. Wehe dem Tagelöhneroder Gutsarbeiter, der es trotz des Wahlgeheimnisses wagt, einensozialdemokratischen Stimmzettel abzugeben. Er würde infolgedes famosen Spürsinns der Herren Wahlvorsteher seinen Laufpaßbekommen.Gearbeitet wird mit äußerster Kraftanstrengung; 16 bis 12Versammlungen an einem Tage sind nichts Seltenes. Da der So-zialdemokratie keine Versammlungslokale zur Verfügung stehen,sehen sich unsere Genossen gezwungen, die gegnerischen Versamm-lungen zu besuchen, um den Bürgerlichen ihr Sündenregister vorzuhalten._Oertcmscb-Ungani.Das Attentat auf Tisza vor Gericht.Budapest, 16. Dezember. Heute begann vor dem Geschworenen-geeicht die Verhandlung gegen den Abgeordneten Julius K o v a c s,der gegen den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Grafen Tisza.wie erinnerlich, einen Anschlag verübt hat. Die Anklage lautet aufvorsätzlichen Mordversuch.Der russisch-chinesische Konflikt.Briiffel, 16. Dezember. Die Agentur des äußersten Ostensmeldet aus Peking: Der in Honon stationierte chinesische Kom-Mandant Wanglienfsong telegraphiert der Regierung, daß die Russenim Begriffe seien, das Mongoleigebiet zu besetzen. Er bitte, ihmzu gestatten, sofort mit seinen Truppen gegen den„lebenden Buddha"vorrücken zu dürfen. Uuanschiiai antwortete, daß er den Befehlder chinesischen Regierung abwarten wolle. Nach vertraulichen, inPeking erhaltenen Mitteilungen hat Rußland beschlossen, als Süd-grenze für die Mongolei die Wüste Gobi anzunehmen und seineVerwaltung von Kiachta nach Urga zu verlegen. Ferner soll einregulärer Post- und Telegraphendienst zwischen Urga und Ulia-sutai und Kobda eingerichtet und Garnisonen nach den genanntendrei Städten verlegt werden, während China gezwungen werdensoll, fem» Grenztruppen zurückzuziehen.