Gewerb rchaftUchea. Vcrfcbärfung der Lage im Rolzgewerbe. Die Unternehmer in der Holzindustrie gehen anscheinend systematisch darauf aus, die ohnehin schwierige Situation bei den Vertragsverhandlungen noch weiter zu verschärfen. Anders ist das Verhalten des Zentralvorstandes des Arbeitgeberschutzverbandes in den letzten Tagen nicht zu erklären. Das Vertragsberhältnis in der Holzindustrie baut sich auf Einzelverträge auf, deren Inhalt und Wortlaut zum Teil sehr erheb- liche Unterschiede aufweisen. In den meisten Verträgen ist vor- gesehen, dag auftauchende Meinungsverschiedenheiten von einer paritätisch zusammengesetzte» örtliche» Schlichtungskommission zu regeln find. Für den Fall, dafi hier eine Ver- ständigung nicht zu erzielen. ist, gilt in der Regel die gemeinsame Sitzung der Zentralvorstände als zweite Instanz. Hierbei wird davon ausgegangen, daß Streiks und Aussperrungen nicht stattfinden dürfen, solange der Jnstanzenzug nicht erschöpft wird. Dabei passiert es aber nicht selten, das; sich die Erledigung eines Streitfalles recht lange hinzieht. Kommt es doch öfter bor, dag die Unternehmer in der Schlichtungskommission, selbst in ganz klar liegenden Fällen, einer Entscheidung aus dem Wege gehen, um ihrem Kollegen nicht wehe zu tun. Dann dauert es mitunter sehr lange, bis sich der Zentralvorstand des Arbcitgeber-Schutzverbandcs herbei- läßt, eine gemeinsame Sitzung zu vereinbaren. Es ist einleuchtend, daß bei diesen, Geschäftsgang die beteiligten Arbeiter oft empfindlich geschädigt werden. Um so mehr, als die Fälle durchaus nicht selten sind, daß renitente Unternehmer den Spruch der Zentralvorstände unbeachtet lassen. Sie können sich das leisten, da der Arbeitgeberschutzverband sich durchaus keine Mühe gibt, seine Mitglieder zur Respektierung seiner Beschlüsse anzuhalten. Als die Zentralvorstände am 13. Dezember zur Ver- Handlung über die Erneuerung der ablaufenden Verträge zusammen- traten, wurde von den Vertretern des Holzarbeiterverbandes ver- langt, daß vorweg einige solcher schwebender Fälle erledigt werden. Speziell handelte es sich um Streitfälle in Luckenwalde und in H ö ch st. In Luckenwalde bestimmt der Vertrag unter anderem, daß am 1. Oktober 1312 die wöchentliche Arbeitszeit um eine Stunde verkürzt wird.mit Lohnausgleich für Lohnarbeiter". Nach der an- erkannten Terminologie der Verträge im Holzgewerbe bedeutet das, daß bei Eintritt der Arbeitszeitverkürzung der Stundenlohn um 1 Pf. erhöht wird. Diese Lohnerhöhung zu zahlen weigern sich die Unternehmer mit der sonderbaren Begründung, daß die gelernten Arbeiter darauf leinen Anspruch hätten, denn das seien keine Ar- bciter, sondern— Gesellen. In ihren früheren Sitzungen hatten die Zentralvorstände ohne weiteres entschieden, daß die Lnckenwalder Unternehmer im Unrecht sind, diese kehrten sich aber nicht daran. Nunmehr wurde in der Sitzung am 13. Dezember, an der auch auswärtige Vertreter teilnahmen, in der gleichen Weise ent- schieden. Die Arbeitgebervertreter verschwiegen auch gar nicht, daß sie das Verhalten ihrer Lnckenwalder Kollegen entschieden ver- urteilen, und ihr Beschluß ging einstimmig dahin, daß die Lohn- differenz den Arbeitern ab 1. Oktober nachzuzahlen ist. Die Lucken- ivalder Unternehnier pfeifen aber auf den gefaßten Beschluß. In einer am 16. Dezember abgehaltenen örtlichen Sitzung mit den Ar- beitervertretern erklärten sie rund und nett, sie s ü g e n s i ch d e m Beschluß der Zentralvorstände nicht! Der Arbeitgeber- schutzverband rührt keine Hand, um seine renitenten Mitglieder zur Ordnung zu rufen. In H ö ch st liegt der Streitfall nicht ganz so einfach. Hier sollte am 1. November eine Stunde Arbeitszeitverkürzung mit Lohn- ausgleich eintreten. Diesen Lohnausgleich wollen die Unternehmer aber nur den in Zeitlohn Beschäftigten gewähren. Da jedoch die ge- lernten Arbeiter fast durchgehends im Akkord arbeiten, verlangen sie, und sie berufen sich hierbei auf analoge Fälle in einer ganzen Reihe anderer Verträge, daß der Lohnausgleich auf die Akkordtarife sinngemäße Anwendung finde, d. h. diese sollen um zirka 2 Prozent erhöht werden. Mit dieser Frage haben sich die Zentralvorstände am 19. November beschäftigt, ohne aber zu einer Verständigung kommen zu können. Die Höchster Unternehmer lehnten das Ver- langen, gestützt auf eine Anweisung ihres Zentralvorstandes, ab, und schließlich legten die Arbeiter, um ihrer Forderung Nachdruck zu geben, am 30.' November die Arbeit in einem Betriebe nieder. Als- dann begannen die übrigen Unternehmer ihre Arbeiter auszusperren. So stand die Sache, als sich die Z e n t r a l v o r st ä n d e am 13. De- zember mit ihr beschäftigten. Hier wurde beschlossen, daß sowohl Streik als Aussperrung aufzuheben sind. Am Montag, den 16. Dezember wird die Arbeit aufgenommen. Für Dienstag, den 17. Dezember werden die Mitglieder der zentralen Schiedskommission, die seinerzeit bei dem Vertragsabschluß für Höchst mitgewirkt haben, ebenso auch je 2 Vertreter der örtlichen Parteien nach Berlin berufen, um eine Entscheidung des Streitfalles herbeizuführen. Die fraglichen Personen waren auch am Dienstag und Mittwoch in Berlin , aber es kam zu keiner Entscheidung, weil der Borstand des Arbeitgeber-Schutzvcrbandes jedes Verhandeln ab- lehnte! Er begründete sein Verhalten damit, daß nicht alle Arbeiter die Arbeit aufgenommen hatten. Nun hatte aber die bestreikte Firma Nötiger u. Co. eS zunächst abgelehnt, alle Arbeiter wieder einzustellen, wie auch einzelne andere Unternehmer bei der Wiedereinstellung der Ausgesperrten Schwierigkeiten machten. Bei Nötiger haben dann die eingestellten Arbeiter am Montag- mittag die Arbeit wieder verlassen. Als der Unternehmer sich nun- mehr bereit erklärte, alle wieder einzustellen, war inzwischen ein Teil der Arbeiter, die auswärts wohnen, wieder nach ihren Dörfern abgereist und da sie nicht rechtzeitig benachrichtigt werden konnten, waren sie denn auch Dienstags noch nicht zur Arbeit erschienen. Mehrere Arbeiter hatten aber auch in der Zwischenzeit ander- weitig Arbeit angenommen und andere waren auf Wanderschaft gegangen. Bei der Wiederaufnahme der Arbeit sind von beiden Seiten Fehler begangen worden. Die Mißverständnisse hätten sich aber sofort beseitigen lassen, wenn man den Vertretern, die zum Teil aus größerer Entfernung nach Berlin gekommen waren, Gelegenheit zur Aussprache gegeben hätte. Aber das hat der Vorstand des Arbeitgeber-Schutzverbandes mit Vorbedacht verhindert. Er hat mit voller Absicht die Arbeiter- Vertreter brüskiert und die ohnehin schon gespannte Situation siir die Vertragsverhandlungen Noch weiter verschärft. In der»Volks-Zeitung", die der Arbeitergeber-Schutzvcrband zu seinem Moniteur für die Vertragsverhandlpngen auSersehcn zu haben scheint, hat er den Höchster Fall in einer seinen Zwecken dienenden Färbung dargelegt, den sehr bezeichnenden Luckenwalder Fall der mit ihm auf das engste zusammenhängt, hat er aber sorgfältig verschwiegen. In der aus dem Bureau des Arbeitgeber- schutzvcrbandeS stammenden Zuschrift an die„Volkszeitung" heißt es,:»Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Konflikt in Höchst noch auf weitere Vertrags- orte übergreift". DaS sieht wie eine Drohung aus; der Schutzverband scheint den Ablauf der Verträge am 13. Februar kaum erwarten zu können und sucht nach einem Vorwand, um sSon "Lerantw. Redakt.: Alfred Wielepp, Neukölln. Inseratenteil verantw. früher loszuschlagen. Für die von den Herren so aufdringlich bc- teuerte Friedensliebe ist aber der ganze Borgang sehr bezeichnend. Berlin und Umgegend. Die Arbeiter im Gipsbaugewerbe, Rabitzputzer, Träger und Spanner, haben in einer Versammlung, die am Mitlwochabcnd bei Wille in der Sebastianstraße stattfand, die Kündigung des Tarif- Vertrages beschlossen. Wie H a e s e, der Referent, bekanntgab, hatten die Unternehmer im Berliner Betonverein am Mittwoch- niorgen in einem Schreiben an die Organisation den Arbeitern den Vorschlag gemacht, daß der Vertrag, der am 31. März 1913 abläuit, ohne jede Äenderung verlängert iverden sollte auf die Dauer, die zwischen dem Verband der Baugeschäfte und den anderen Gruppen der Arbeiter im Bauberuf vereinbart wird. Auf diesen Vorschlag ging die Versammlung nicht näher ein, da er den Interessen der Ar- beiter nicht entspricht. Nach kurzer Beratung erklärte sich die Ver- sammlung für die Kündigung.— Unter verschiedenen Branchen- angelegenheiten wurden auch die Positionen für einen aufzustellenden Akkordtarif besprochen._ Die Äugst der Bäckerinnungen vor einem Gesellenausschuß, der aus Mitgliedern der Organisation zusammengesetzt ist, treibt sonderbare Blüten I Vor kurzer Zeit fand für die Bäckerinnung in Steglitz die Gesellenausschußwahl statt, in welcher die Liste des Verbandes der Bäcker mit 24 Stimmen gegen 16 Stimmen, die auf Jnnungskandidaten entfielen, siegte. Dieser Sieg war umso bedeutungsvoller, als die Organisation gerade 2 Tage vorher vom Slaltsinden der Wahl Kenntnis bekam. Mit Hilfe der Arbeiter der Brotfabrik Marold, die bis zum letzten Mann zur Wahl ge- kommen waren, gelang eS, die Majorität zu erlangen, obgleich die JnnungSleilung noch im letzten Augenblick alles aufbot, um ihre getreue Garde zur Wahl heranzuschleppen. Diese Niederlage kann anscheinend die Innung nicht verschmerzen und sie versuchte un- mittelbar nach der Wahl ihren Reinfall Welt zu machen. Um Mittel dazu sind die Vorortmeister ebenso wenig verlegen, wie ihre Herren und Meister von der Berliner Innung. So wurde denn ein überaus schlauer Plan ausgesonnen I Der Obermeister mußte sich in Begleitung eines anderen Jiinungsführers sofort nach Potsdam begeben, um mit der vorgesetzten Behörde Rücksprache zu nehmen, ob es nicht möglich sei, die Firma Marold, die man vor einigen Jahren erst in die Innung gezwungen<!) hatte, wieder aus der Innung auszuschließen! Der Plan scheint nunmehr geglückt zu sein, wenigstens vorläufig. Vorigen Sonnabend erhielt der Firmeninhaber von der Innung ein Schreiben, wonach er auf Grund des JnnungSstatuts, das ausdrücklich bestimmt, daß wer mehr als neun Arbeiter beschäftigt, der Innung nicht angehören dürfe. Marold beschäftigt 20 Arbeiter, darunter 14 Bäcker. Folglich gehöre er nicht der Innung an!— Diese Logik mag freilich für die Macher der Zwangsinnung in Steglitz überzeugend sein, d. h. ihnen schön in den Kram passen, um den verhaßten Gesellenausschuß des Verbandes aui diese Art wieder los zu werden. Davon, daß die Innung der Firma Marold die jahrelang zu Unrecht erhobenen Junungsbeilräge zurückerstattet hat, haben Wir�iioch nichts gehört. Vom Standpunkt der Arbeiter aus kann man kaum etwas da- gegen haben, wenn die Innungen die Großbäckereien und Brot- fabriken von sich abstoßen. Diese dürften auch kaum große Sehn- sucht narv der„liebevollen Fürsorge" der Zwangsinmmgen haben, die in Magdeburg so glänzend bewiesen wurde. Daß aber die Zwangsinnung in Steglitz erst jahrelang von einer solchen Brotfabrik die Jnnungsbeiirüge erbebt, um in dem Augen- blick, wo ihr die Arbeiter der Fabrik unbequem zu werden scheinen, wo mit Hilfe dieser Arbeiter ein unabhängiger Gesellen- ausschutz gewählt wird, diese selbe Brotfabrik einfach aus der Innung auszuschließen, charakterisiert so recht die Stimniung der Bäcker- innungen gegen die Geselleuschaft und ihre Organisation. Das zeigt auch am besten, was von der Friedensliebe und den Bemühungen � der Zweckverbandsleiter im Jnnungslager nach einem Tarif zu halten ist._ DcutTchcs Reich. Zur Bergarbeiterbewegung im Saarrevier. Die christlichen Gewerkschaftsführer werden von der Königlichen Bergwerksdirektion belehrt, wie gekündigt werden muß. Wie bereits bekannt, wurde in der Revierkonferenz des christ- lichen Gewerkvereins auf Anraten der Führer beschlossen, die Arbeiterausschüsse sollten am 18. Dezember für die gesamte Beleg» schaft kündigen. Nach dem Berggesetz haben die Arbeiteiausschüsse Wünsche und Beschwerden zur Kenntnis der Verwaltung zu bringen und dahin zu wirken, daß das gute Einvernehmen zwischen Beleg- schaft und Verwaltung erhalten bleibt oder wieder hergestellt wird. Eine Bestimmung, wonach die Arbeiterausschüsse für die Gesamt- schaft kündigen können, gibt es nicht. Nach dem Beschluß der Revierkonferenz soll der Streik am 2. Januar 1913 beginnen. Die BerglverkSdirektion nimmt die Kündigung durch die Ausschüsse nicht an, sie zeigt aber den Bergleuten einen Weg, auf dem es möglich ist, den Beschluß, am 2. Januar die Arbeit niederzulegen ohne Kontrakt- bruch, zu verwirklichen. Am Morgen des 17. Dezember prangte auf allen Gruben folgende Bekanntmachung: „Am Sonntag, den 13. Dezember, ist von den Vertretern eines Teiles der Belegschaft in einer in Saarbrücken abgehaltenen Versammlung ein Beschluß angenommen worden, der die Beleg- schaft unserer' Gruben auffordert, am Mittwoch, den 18. d. Mts., die Arbeit zum 2. Januar zu kündigen. Hierbei ist in Aussicht genommen worden, die Kündigung für eine größere Anzahl von Bergleuten durch einen Vertreter ein» zureichen. Ngch ß 160 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bei ein- leitigen Rechtsgeschäften, also auch bei der Kündigung, Vertretung ohne Vollmacht unzulässig. Kündigungen ohne schriftliche Voll- macht werden zurückgewiesen werden. Dadurch wird nach Z 174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Kündigung unwirksam. Wir stellen denjenigen Bergleuten, welche sich zur Kündigung ent- schließen wollen, anheim. ihre Kündigung dem zuständigen Steiger auf feinem Bureau mündlich, oder, falls dieses vorgezogen wird, durch Ueberreichung eines Zettels zu erklären, der etwa lautet: .Ich kündige die Arbeit zum 2. Januar. Datum. Unterschrift." Die zuständigen Steiger sind gemäߧ 34 der Arbeitsordnung von dem Bergwerksdirekior ermächtigt worden, die Kündigung rechtsgültig entgegenzunehmen. Die Zurückziehung einer erfolgten Kündigung ist in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt. In der Versammlung ist auch bekannt gegeben worden, daß bei ordnungsmäßig erfolgter Kündigung die Bergwerksdirektion die gewährten Bauprämien nicht kündigen könne. Diese Erklärung ist unzutreffend, wie Z 12 Absatz 1 und§ 15 Absatz 1 der Vor- schristen über die Gewährung von Hausbauprämien und Vor- schüssen ergeben. Als gültige Vollmachten für eine Kündigung können nicht solche Vollmachten angesehen werden, die in allgemeinen Ausdrücken einem Vertreter Vollmacht geben, etwa zu allen Maßnahmen zwecks Erreichung besserer Lohnverhältniffe oder zu ollen Maßnahmen zwecks Abwehrung der neuen Arbeitsordnung. Solche allgemein ge- haltenen Vollmachten sind zurückzuweisen. Als rechtsgültige Voll- machten zu einer Kündigung sind nur solche Vollmachten an- zusehen, die entweder die Bevollmächtigung zur Kündigung aus- dnicklich festzustellen oder zweifelsfrei erkennen lassen, daß der Aussteller der Vollmacht den Willen hatte, daß die Vollmacht auch für eine Kündigung gelten solle. AIS gültige Vollmachten zu einer Kündigung können ferner nicht solche Vollmachten angesehen werden, in denen die bevollmächtigte Person nicht bestimmt be» zeichnet ist. Solche Vollmacht, in denen die Vollmacht selbst und die Unterschrift auf getrenntem Bogen stehen, sind ebenfalls zurück- zugeben bezw. nur insoweit anzunehmen, als die Unterschrift sich Glocke. Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanftall auf demselben Bogen befindet, auf dem die Vollmacht steht. Et«. Anheften von Namenlisten an die Vollmacht genügt nicht. Saarbrücken , den 16. Dezember 1912. Kgl. Bergwerksdirektion. � gez. Fuchs." Sieht da? nicht so auS, als ob die königl B e r g w er k s d i r e k t i o n den Streik absolut will? Die den einzelnen Berginspektionen durch die Vertreter der Beleg- schaffen für diese eingereichten Kündigungen wurden denn auch zurück- gewiesen. Einer Kommission wurde von der Bergwerksdirektion ebenfalls eine abschlägige Antwort erteilt. Wird nun der christliche Gewerkverein die von der Direktion zuteil gewordene Belehrung beherzigen und die einzig richtige Parole geben, daß jedes Belegschaftsmitglied persönlich die Kündigung ein- reicht? Auf alle Fälle ist der Ausbruch des Streiks um einige Tage hinausgeschoben, wenn die Gewerkvereinsführer auf ihrem Stand- Punkt verharren, daß die Kündigungsfrist unter allen Umständen ein- gehalten werden muß. Besonders auffallend ist, daß, obgleich die Bekanntmachung der Bergwerksdirektion am 17. morgens nicht nur auf allen Gruben an- geschlagen, sondern auch durch die Zeitungen bekannt gegeben war, die christlichen Versammlungsredner in den am selben Tage statt- gefundenen Versammlungen mit keinem Wort darauf eingingen. Die Wogen schlagen immer höher. Die Altverbändler warten darauf, daß die Gewerkvereinsmitglieder kündigen, sie werden, trotzdem sie von den christlichen Führern ausgeschaltet werden, treue Solidarität bezeugen._» Der Boykott über die Halbersiädter Würstchenfabrik von Christian F ö r st e r übt seine Wirkung aus, was am besten durch ein Schreiben der Firma an einen ihrer Agenten in Bremen illustriert wird. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut: Herrn Fritz Mensch, Bremen , Düsternstr. 116. Ich erhielt Ihr Geehrtes vom 3. er. und erwidere Ihnen Höf- lichst, daß ich nicdt abgeneigt bin, z. B. für Sommer(zweiter Agent)„neutrale" Dosen, d. b. ohne Firmenaufdrrick, zu liefen:, falls bei diesen Kunden der Boykott nicht ohne Einfluß ist. Leider läßt sich gegen derartige Gerüchte in den Zeitungen, die den Tatsachen direkt widersprechen, nicht viel machen. Sollten Sie jedoch hier und da Wahrnehmungen machen, die auf mein Geschäft direkt schädigend einwirken, so bin ich Ihnen für diesbezügliche Mitteilungen sehr dankbar. Ich werde dann gegen diese Leute sofort vorgehen. Trotzdem ich hier, nach dem großen Ordereingang zu beurteilen, von einem Boykott noch nichts gemerkt habe, so will ich durchaus nicht bezweifeln, daß sich derselbe hier und da mal bemerkbar macht. Ich bin der Organisation weit möglichst entgegen gekommen und bedaure, mich auf andere Sachen nicht einlassen zu können, mag eS kommen, wie es will. Hochachtungsvoll Christian Förster. In einigen anderen Schreiben an die Abnehmer behauptet die Firma sogar, daß es ihr vollkommen gleich ist. ob ihre Leute orga- nisiert sind oder nicht; dabei ist am 14. d. M. bereits wieder ein Arbeiter entlasten worden, weil er organisiert war. Durch solche Erklärungen an ihre Kundschaft will die Firma den Boykott ab- schwächen. Will die Firma Frieden mit der Organisation der Ar- bciter und ihrer Kundichaft haben, so steht ihr der Weg offen, sie braucht nur mit der Organisationsleitung zu verhandeln und Ent- gegenkommen zu zeigen. Hetzte Nachrichten* Rcichstagsersatzwahl in Rcuft ä. L. Greiz, 19. Dezember. (Privattelegramm de« „Vorwärts".) Die infolge des Todes unseres Genossen Hermann Förster notwendig gewordene Reichstagsersatzwahl brachte unserer Partei heute wieder den Sieg. Es erhielten Max Cohen (Soz.) 7907, S t r e s e m a n n(natl.) öOIK und Lattman n(wirtsch. Vergg.) 1369 Stimmen. Cohen ist somit gewählt. Bei der Hauptwahl im Januar erhielt der Genosse Förster 8542. der Nationalliberale 3804 und der Freisinnige 3319 Stimmen. Tie wirtschaftliche Vereinigung hatte damals keinen Kandidaten aufgestellt, ihr Erfolg ist auch jetzt nur ein sehr magerer gewesen. Ten Liberalen hat es auch nichts geholfen, daß die Freisinnigen diesmal auf die Ausstellung eines eigenen Kandidaten zugunsten des Nationalliberalen verzichteten. Tic Wäbler haben dafür gesorgt, daß der Scharfmacher Dr. Strcsemann wieder nicht in den Reichstag einzieht. Annahme des ÄricgsleistiingSgrsctzcs. Wien , 19. Dezember.<W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus hat, wie bereits gemeldet, das Kricgsleistungsgcsctz in der Kommissions- fassung unter Ablehnung sämtlicher Abänderungsanträge ange- nommen. Der§ 6, nach welchem das Personal der zu Kriegs- leistungen in Anspruch genommenen Verkehrsmittel- und Industrie- anlagen auf die Dauer der Inanspruchnahme des Unternehmens in dem bisherigen Arbeitsverhältniffc verbleiben muß, wurde in namentlicher Abstimmung mit 270 gegen 143 Stimmen ange- nommen. Bei§ 9 wurde ein sozialdemokratischer Gegen- a n t r a g, nach welchem die zu Kricgsleistungen Herangezogenen nicht der Militärgerichtsbarkeit, sondern der Zivilgerichtsbarkeit unterstellt werden, in namentlicher Abstimmung mit 224 gegen 201 Stimmen abgelehnt. Morgen findet die dritte Lesung der Vorlage statt. Das Haus erledigte hierauf eine Reihe von Jmmunitätsangclegenheiten. Es beschloß unter anderem, die Auslieferung des Sozialdemokraten Schuhmaicr wegen Ehrenbeleidigung des Wiener Bürger- Meisters Dr. N e u m a y e r während der Sitzung des Ge- meinderates. Um 714 Uhr abends wurde die Sitzung nach 56stündiger Dauer geschloffen. Von der Friedenskonferenz. London , 19. Dezember. (W. T. 58.) Ueber die dritte Ve- ratung der Friedensdelcgierten wurde heute nachmittag SZH Uhr folgende offizielle Mitteilung veröffentlicht: In der �dritten Sitzung der Konferenz unter dem Vorsitz des Ministerprafidenten Venizelos wurde das Protokoll der zweiten Sitzung gebilligt. Nachdem dann der erste türkische Bevollmächtigte ReschidPascha den Delegierten mitgeteilt hatte, daß ein Spezialkurier mit den erbetenen Instruktionen Konftantinopel verlassen habe, wurde die Sitzung auf Sonnabend, 4 Uhr nachmittags, vertagt. Konstantinopel , 19. Dezember. (W. T. B.) Die türkischen Bevollmächtigten in London sollten heute der Friedenskonferenz erklären, man müsse, da die Zulassung der griechischen Bevoll- mächtigten zu den Verhandlungen ohne Unterzeichnung des Waffen- stillftandcs von feiten Griechenlands die Friedensverhandlungen in die Länge ziehen könnte, in das Waffcnstillftandsprotokoll eine Zusatzbedingung aufnehmen, welche die_ Berproviantierung Adrianopels und der anderen belagerten türkischen Plätze gestatte. Gaul Singer Sc Co., Berlin S1V. H.erzu ii Beilagen m U nteryattungsbl'
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