Nr. 298. 29. Jahrgang. 1. Beilage des„ Vorwärts " Berliner Volksblatt. Sonnabend, 21. Desember 1912.
Bericht
des geschäftsführenden Ausschusses der preußischen Landeskommission 1910-1912.
Aus dem umfangreichen Bericht des geschäftsführenden AusSchusses geben wir folgenden Auszug wieder: Kaum waren die Verhandlungen des lebten Parteitages beendet, da wurde bekannt, daß die preußische Regierung dem Landtag einen neuen Wahlgefehentwurf
zugehen lassen würde. Hieß es doch in der Thronrede, mit der am 1910 aber am Sonntag, den 6. März. Tros ber blutigen unvermeidliche Erörtern des" Für" und" Wider" hielt die Kom
11, Januar 1910 der Landtag eröffnet wurde:
Endlich harrt Ihrer noch eine ernste Aufgabe. Die Vorarbeiten für eine Reform des Wahlrechts zum Hause der Abgeordneten sind ihrem Abschluß nahe. Eine Vorlage wird in einigen Wochen Ihrer Beratung unterbreitet werden.
Strenge Sachlichkeit und pflichtbewußte Staatsgesinnung wird, des bin ich gewiß, wie bisher die Entschließungen der preußischen Landesvertretung leiten. Und so erhoffe ich von der bevorstehenden Tagung segensreiche Ergebnisse für die Wohlfahrt des Vaterlandes."
Ueber den Inhalt der Vorlage erfuhr das preußische Bolt borTäufig aber noch nichts. Die Regierung wollte offenbar die Zeit zur Gegenagitation möglichst verkürzen.
Am 14. Januar 1910 wurde ein von dem deutschen Parteiborstand, der preußischen Landeskommission und der sozialdemokratischen Landtagsfraktion Preußens unterzeichneter Aufruf beröffentlicht, der alle Arbeiter zur rüstigen, unermüdlichen Agitation gegen die politische Entrechtung in Preußen aufforderte. Am 16. Januar 1910 erfolgte dann der
erste Vorstoß des Proletariats für ein allgemeines, freies Wahlrecht,
ter zu einer eindrucksvollen Kundgebung wurde. Aus allen Städten kamen gleich günstige Berichte aus überfüllten Versammlungen, in denen begeisterte Kampfesstimmung herrschte. Da sich an diesem Tage die Polizei eine weise Mäßigung auferlegte, tam es von den in Preußen üblichen kleinen Polizeipladereien abgesehen nirgends zu ernsteren Zusammenstößen.
Am 5. Februar 1910 ging der Entwurf bem preußischen Abgeordnetenhauſe zu. Seine Beſtimmungen übertrafen die ärgsten Befürchtungen. Nichts wurde der arbeitenden Bevölkerung geboten, die Herrschaft der Junter und Schlotbarone sollte unangetastet bestehen bleiben. Selbst die öffentliche Stimmabgabe blieb, bawie bie famose„ Begründung" behauptete- die geheime Stimmabgabe
Staatsfeindlichen Bestrebungen den Schein einer Stärke und Berbreitung geben, die sie nicht besißen. Nur weil die Herrschenden den bisherigen Wählern der zweiten Klasse nicht mehr recht trauten, sollte das sogenannte Bildungsprivileg eingeführt und sollten die von der Regierung abhängigen Beamten aus der dritten in die 6weite Klaffe gehoben werden.
Am 10. Februar 1910 kam der Wahlrechtsentwurf vor das preußische Abgeordnetenhaus.
Am gleichen Tage wandte sich der deutsche Parteivorstand, die Parteileitung Preußens und die Landtagsfraktion in einem Aufruf an die arbeitende Bevölkerung, mit aller Bähigkeit den Kampf für ein freies Wahlrecht in Preußen zu führen und die unHeilvolle Herrschaft der Junker zu brechen.
Die preußische Parteileitung stellte den Organisationen die Flugblätter Landbewohner, fordere Dein Recht!" und Gegen die Volksverhöhnung!" zur Verfügung, die auch in großer Anzahl verbreitet wurden. Am Dienstag, den 8. Februar, und am Sonntag, den 13. Februar, fanden in ganz Preußen überbolle Versammlungen statt, die in leidenschaftlicher Weise gegen die Wahlrechtsvorlage protestierten. Auch der verbohrteste Wahlrechtsfeind wird eingestehen müssen: der 13. Februar 1910 war ein Ehrentag des Proletariats in Preußen. Gewaltige Demonstrationen waren es, die das arbeitende Volt an diesem Lage veranstaltete. Das war ein drohendes Wetterleuchten am politischen Firmament Preußens. Dank der ausgezeichneten Disziplin der sozialdemokratischen Arbeiterschaft verliefen die Demonstrationen überall in bester Ordnung. Nur in Frankfurt a. M., Königsberg i. Pr., Neu münster und besonders alle schlug die Polizei wehrlose Versammlungsbesucher nieder. Am stärksten war die Kundgebung am 13. Februar naturgemäß fin Berlin . Hier wirkte wider Willen auch der Polizeipräsident b. Jagow mit, die Demonstrationen wirkungsvoll zu gestalten. Am Sonntagmorgen prangte folgender Ukas an den Anschlagsäulen: Bekanntmachung.
Es wird das Recht auf die Straße" verkündet. Die Straße dient lediglich dem Verkehr.
gegen die preußische Wahlrechtsvorlage" heraus, die kurz zusammen-| tariats. Die Landeskommission tam nach eingehender Beratung gefaßt Aussprüche bekannter Polititer für das allgemeine, freie zu dem Beschluß, von der Anwendung dieses Kampfesmittels zur Wahlrecht enthält. Auch wurden weitere Flugblätter und der steno- zeit abzuraten. Die ganzen wirtschaftlichen und politischen Ber graphische Bericht über die erste Lesung der Wahlrechtsvorlage im hältnisse waren in dieser Zeit für einen Erfolg nicht günstig. Die Abgeordnetenhause als Broschüre herausgegeben und in großen Auf- Kommission äußerte auch den Wunsch, eine weitere Propagierung lagen berbreitet. des Mittels in der gegebenen Situation möglichst zu vermeiden. Seinen Höhepunkt erreichte der Wahlrechtskampf des Jahres Wir befanden uns mitten im Kampf, und das bei der Diskussion Busammenstöße im Monat Februar und der später erfolgten Ver- mission für nicht geeignet, die so notwendige Einigkeit der Geurteilung der Niedergeschlagenen war die Beteiligung der Arbeiter- noffen und die erforderliche Einheit des Handelns derselben zu schaft an der Demonstration des 6. März noch stärker wie zuvor, fördern. Die Kommission ließ aber keinen Zweifel darüber, daß denn die Arbeiter waren durch die Behandlung der Wahlrechtsvor- unter bestimmten Voraussetzungen der Massenstreit angewandt und lage in der Kommission geradezu aufgepeitscht worden. mit aller Energie durchgeführt werden muß. Es koste dann, was In einer einzigen Sigung beendete die Kommission die zweite es wolle. Beratung dieses Wechselbalges.
Am Sonntag, den 20. März, erfolgten wiederum En Ronservative und Bentrum hatten hinter den Kulissen alles einer ganzen Anzahl Städte Wahlrechtsversammlungen. fein abgefartet. Die Grundlage der Bemessung des Wahlrechts nach Preußens die Flugblätter Falsche Wahlreformfreunde Auf Anregung der Landeskommission gab die Parteileitung der Steuerleistung war beibehalten, ebenso die indirekte Wahl durch und„ Der Judas unter den Parteien" heraus. Das erste Wahlmänner und die öffentliche Wahl der Abgeordneten; nur den richtete sich gegen die Nationalliberalen, das zweite gegen das zu feiner Steuer veranlagten Wählern sollten fortan 4 M. statt Bentrum. Auch die Redaktion der Parteiforrespondenz wurde durch 3 M. angerechnet werden. Eine für die Praxis unbedeutende den deutschen Parteivorstand veranlaßt, Artikel und Nachrichten, Aenderung. Für die Wahlen der Wahlmänner war die geheime die zur Agitation gegen die preußische Dreitlassenschmach geeignet Stimmabgabe vorgesehen und schließlich wurde noch die sogenannte find, den Organisationen und Parteizeitungen möglichst früh zu. Marimierung" beschlossen, d. H. es sollten keinem Wähler mehr als zustellen.
5000 M. Steuern angerechnet werden. Das war eigentlich alles! Am 10. April 1910 erhoben noch einmal gewaltige Demon Gewaltige Demonstrationsversammlungen waren die Antwort strationsversammlungen Protest, bebor das Dreiklassenparlament des preußischen Volkes auf diese unerhörte Provokation. Aus die für Verfassungsänderungen vorgeschriebene nochmalige Bu allen Orten kam der übereinstimmende Bericht, daß die Versamm- stimmung gab, bevor die Vorlage an das Herrenhaus gelangte. ungen getragen waren von hingebender Begeisterung für die Sache Entgegen der bisherigen Gewohnheit der Regierung wurden damals gestaltete sich die dortige Veranstaltung am 6. März zu der erfolg- Simmel genehmigt: Wo die Polizei aber in alter Gewohnheit die reichsten Demonstration. Die bürgerlichen Zeitungen hatten wieder Erlaubnis versagte, demonstrierte die Arbeiterschaft ohne Erlaubnis. holt darauf hingewiesen, daß die Berliner Parteileitung doch erst Am Dienstag, den 12. April, fand die lehte Beratune versuchen sollte, zu den Wahlrechtsdemonstrationen die polizeiliche des Wahlgesetzes statt, für alle Bürger in gleicher Weise und was man Schüßen- und Genehmigung zu erhalten. Vorläufig gelte das Vereinsgesetz doch die zu einer Komödie schlimmster Art ausartete. Kriegervereinen gewähre, fönne man Sozialdemokraten nicht ab- unseren Rednern schnitt man einfach das Wort ab und die Abschlagen. Um diesen Köhlerglauben zu zerstören, wandte sich die Stimmung brachte die Annahme des Monstrums. Berliner Parteileitung an den Polizeipräsidenten. Dieser aber erbot kurzerhand die Veranstaltung mit folgender Begründung: " Dem mündlich gestellten Antrag auf Genehmigung der Veranstaltung öffentlicher Aufzüge und der Abhaltung von Verfammlungen unter freiem Himmel innerhalb Berlins am Sonntag, den 6. März d. J., kann ich nicht entsprechen.
Am 13. Februar d. J. haben 100 000 nach Schäßung des „ Vorwärts" 200 000 Menschen in Berlin auf öffentlichen Straßen Aufzüge veranstaltet. Für diese war eine Genehmigung der Polizeibehörde nicht nachgesucht, also auch nicht erteilt. Folg lich handelten alle Teilnehmer gesetzwidrig. Jest würde es sich im wesentlichen um die gleichen Teilnehmer handeln.
Da diese bewiesen haben, daß sie Gefeßwidrigkeit nicht scheuer, wäre Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten. Vereinsgesetz vom 19. April 1908. R.-G.-BI. S. 151.§ 7. Jagow." An Herrn Eugen Ernst , hier. Die Antwort der Berliner Sozialdemokratie war klar und bestimmt: Troß alledem und alledem!
Das preußische Herrenhaus nahm am 15. April 1910 Stellung wurde die Vorlage einer Kommission von 20 Mitgliedern überzu der sogenannten Wahlrechtsvorlage. Nach kurzer Beratung wiesen. Die Arbeiterschaft aber war sich schon nach der ersten Lesung flar, welche Verbesserungen" der Vorlage sie von diesem Hause zu erwarten habe. Der Wahlrechtskampf nahm ungeschwächt seinen Fortgang.
Am 28. und 29. April 1910 fand im preußischen Herren. haus die zweite Lesung der Wahlrechtsvorlage und die Abstimmung darüber statt. Was man nicht für möglich hielt, geschah: Dieses mit politischer Urteilslosigkeit erblich belastete Haus brachte es fertig,
Gelbst das Abgeordnetenhaus hatte beschlossen, daß der Gesamt bie Wahlrechtsvorlage noch weiter zu verschandeln. Selbst das Abgeordnetenhaus hatte beschlossen, daß der Gesamtsteuerbetrag eines Wählers nur bis zu 5000 M. und in Gemeinden bon mehr als 20 000 Einwohnern bis zu 10 000 M. angerechnet werde, um so den plutokratischen Charakter doch etwas zu mildern. steuer eines Wählers die Summe von 3000 M., in Gemeinden von Die Herrenhäusler beschlossen: Uebersteigt die Staatseinkommens Alle Welt war gespannt auf den Ausgang des Konflikts. mehr als 20 000 Einwohnern die Summe von 6000 M., so wird Brachtvolles Wetter lub am Sonntag geradezu zu einem Spazier der überschießende Betrag der Staatseinkommensteuer nicht angeSpazier- rechnet." So bezog sich die Marimierung nur noch auf die gang ins Freie ein. Ein Massenaufgebot der Schuhleute erfolgte Staatseintommensteuern, die weit beträchtlicheren nach Treptow . Kriminalbeamte erschienen sogar mit Polizei- Kommunalsteuerzuschläge und vor allem die Grund- und GebäudeHunden und das Militär mußte marschbereit in den Kasernen steuern sollten voll angerechnet werden, auch wenn sie überhaupt bleiben. Auf der Spree kreuzte die Flotte der Polizei: ein Dampfer nicht erhoben werden, wie z. B. in den Gutsbezirken des Offens. mit Gendarmen. Der Treptower Park war von allen Seiten von Weiter hatte die Regierung in der Begründung ihrer Vorlage fich Polizei umzingelt und verbarrikadiert berbarrikadiert nicht etwa mit Eifer für die Beibehaltung der Bezirksdrittelung ins Zeug im bildlichen Sinne, sondern tatsächlich. Der direkt nach dem Parke gelegt, weil sie sich nur so eine Berücksichtigung des Mittelstandes führende Zugang der Stadtbahnstation war mit schwachen Brettern versprach. Das Herrenhaus beschloß, die Stenerdrittelung in Geverschlagen, und dahinter standen die Schutzengel des verbotenen meinden bis zu 10 000 Einwohnern über die ganze Gemeinde, in Paradieses. Während aber die Kerntruppen des Polizeipräsidenten größeren Gemeinden in Bezirken von 20 000 Einwohnern vorzuweit draußen im Osten den inneren Feind" erwarteten, demon- nehmen. strierten munter und vergnügt 150 000 bis 200 000 Berliner Arbeiter im Berliner Tiergarten für ein freies Wahlrecht in Preußen, ohne daß die Polizei vorher davon erfuhr. Und das konnte ge- Bei der wiederholten Abstimmung am 21. Mai 1910 wurden schehen, trotzdem so viele Geheimpolizisten und schuftige Agenten vorstehende Verschlechterungen noch einmal von dem Herrenhaus
auf die Partei losgelassen werden. Am Sonntag, den 13. März, fanden wiederum in einer ganzen Reihe preußischer Städte eindrucksvolle Demonstrationen Vei Widerstand gegen die Staatsgewalt erfolgt Waffen- statt, die sich um so leidenschaftlicher gestalteten, als gerade in diefen Tagen die zweite Lesung der Wahlrechtsvorlage im preußischen Landtage stattfand.
gebrauch.
Ich warne Neugierige.
Die offen zugestandene Absicht dabei war, den Arbeiten ihr kümmerliches Wahlrecht vollends zu nehmen.
bestätigt.
Die lekte Lesung der Wahlrechtsvorlage fand für das preuBische Abgeordnetenhaus am 27. Mai statt. Die Zeit mußte zur Agitation gegen diese Verhöhnung des arbeitenden Voltes ausgenutzt werden. Der deutsche Parteivorstand beschloß, einem Wunsche der Parteileitung Preußens entgegenkommend, die Maifeier 1910 für die Wahlrechtsdemonstration auszunüßen. diesem Sinne war auch der Mai- Aufruf der Partei gehalten. Die
Berlin , den 13. Februar 1910. Vom 11. bis 14. März 1910 fand im preußischen AbgeordDer Polizeipräsident. 6. Jago. netenhaus die zweite Lesung der Wahlrechtsvorlage statt, das Kopfschüttelnd lasen die Arbeiter dieses Platat, machten ihre Monstrum sollte schnell durchgepeitscht werden. Das Plenum nahm Kopfschüttelnd lasen die Arbeiter dieses Plakat, machten ihre im wesentlichen den von der Kommission präsentierten Entwurf an. Seier selbst nahm einen wahrhaft glänzenden Verlauf, die StimGloffen und gingen in die Versammlungen, die alle überfüllt Bestehen blieb die Dreitlassenschmach, blieb die indirekte Wahl durch mung der Massen war kampfesmutiger und siegesbewußter denn waren. Tausende fanden keinen Einlaß mehr und mußten bis nach Wahlmänner, blieb die öffentliche Abstimmung der Wahlmänner, zubor. Und wenn die bürgerlichen Zeitungen meinten, die VerSchluß der Versammlungen warten. Dann aber demonstrierten blieb die aller Vernunft ins Gesicht schlagende Wahlkreiseinteilung fammlungen wären nur so gut besucht gewesen, weil sie zu Wahlwohl 200 000 Bürger Berlins auf den Straßen für ein freies Wahl zugunsten der Krautjunker. rechtsdemonstrationen gestempelt wurden, beweisen fie damit selbst, recht in Preußen. Die einzelnen Züge umfaßten zehntausend und mehr Wahlrechtskämpfer. Zwei weitere Verschlechterungen erlitt noch die Vorlage. Ein- wie tief der Gedanke der politischen Gleichberechtigung in die In Solingen beschloß eine Versammlung, eine Petition an weniger als 3000 Einwohnern die Terminswahl gefekt worden mal dadurch, daß an die Stelle der Fristwahl für die Orte mit Herzen der Arbeiter eingedrungen ist. Die Parteileitung Preußens stellte den Organisationen bas baz preußische Abgeordnetenhaus zu senden, in der das Abgeord- war, ein Wahlmodus, der den agrarischen Terroristen zur infam- Flugblatt" Die Herren gegen das Wolf!" zu, welches furz fetenhaus nach dem Grundsay" Kein Wahlrecht keine Wehr- sten Wahlbeeinflussung die Handhabe bot; zweitens durch die Ver- das volksfeindliche Verhalten des Herrenhauses schilderte. Dieses pflicht" aufgefordert wurde, im Falle der Annahme der Wahlrechts- leihung des privilegierten Wahlrechts an diejenigen, die ihr nahm am 21. Mai die Vorlage nochmals mit allen Verschlechteborlage beim Bundesrat zu beantragen, die Wähler der dritten Abiturienteneramen abgelegt hatten. Für beide Verschlechterun- rungen an, worauf der Entwurf an das Abgeordnetenhaus zur Klasse in allen denjenigen Fällen vom Militärdienst zu entbinden, gen stimmte auch das Zentrum. nochmaligen Abstimmung gelangte. in denen es sich Diese Beschlüsse der Wahlrechtsschänder mußten naturgemäß Bei der durch die Beschlüsse des Herrenhauses erforderlich ge1. nur um den Bestand oder die Erhaltung des Bundesstaates die Massen zum leidenschaftlichen Protest aufpeitschen. So waren wordenen nochmaligen Beratung am 27. Mai berwarf das AbgePreußen, denn die Versammlungen am Dienstag, den 15. März, ordnetenhaus den§ 6. Dieser Paragraph behandelte die Dritte2. nur um den Schuß oder die Erhaltung der preußischen wiederum großartige Kundgebungen des Proletariats Preußens. lung; er war vom Herrenhaus noch verschlechtert worden und somit Dynastie, Hunderte von überfüllten Versammlungen legten Zeugnis dafür in den Mittelpunkt der Debatten gerückt worden. Eine Verständi3. nur um das Eigentum oder den Schuß der beiden bevor- ab, daß die Arbeiterschaft an ihren Forderungen festhielt und kein gung war ausgeschlossen. Da erhob sich der Reichskanzler und gab rechteten Wählerklassen zum Landtag, Opfer scheute, politische Rechte zu erkämpfen. folgende Erklärung ab, die die gesamte Linke des Hauses mit leb 4. Kur um die Erhaltung der bestehenden Ausbeutungs- und haften Bravorufen beantwortet: Herrschaftsverhältnisse im preußischen Staate handelt und keinerlei Interessen des preußischen oder des deutschen Volkes dabei in Frage kommen.
Aber nicht nur in Preußen, auch in Süddeutschland erhoben die Parteigenoffen Protest. Ist die preußische Reaktion doch auch eine ständige Gefahr für die freiheitliche Ausgestaltung der politischen Verhältnisse Süddeutschlands .
Die preußische Parteileitung gab in dieser Beit die beiden Broschüren Aussprüche der Wahlrechtsfeinde" und Polizei und Wahlrechtsdemonstrationen" heraus. Beide Broschüren haben durch die reiche Fülle von Material schätzbare Dienste in der Agitation geleistet.
In einer einzigen Sizung nahm am 16. März das preußische Abgeordnetenhaus mit 238 gegen 168 Stimmen das Monstrum von Wahlrechtsvorlage in der dritten Lesung an. Die Vertreter der Für die Agitation gegen das Gebaren der Volksfeinde stellte Mehrheitsparteien beschränkten sich in ihrer Angst vor der Deffentdie preußische Landeskommission den Organisationen die Flug- lichkeit darauf, ganz kurz ihre Haltung bei der Abstimmung zu blätter Die Wahlrechtsschmach!" und" Immer neue motivieren. Lasten!" zur Verbreitung zu. Die Mehrheit des preußischen Volkes protestierte gegen diese Unterdessen hatten die Verhandlungen in der Wahlrechtskom- große Schmach, die ihm aufs neue angetan werden sollte. mission des Abgeordnetenhauses bewiesen, daß eine Ausgestaltung In den Reihen der Parteigenossen wurde die Frage erörtert, ob der Wahlrechtsvorlage im volkstümlichen Sinne nicht zu erhoffen es angesichts der Polizeibrutalitäten und des provozierenden Verwar. Im Gegenteil hatten Zentrum und Konservative alles getan, haltens der Landtagsmehrheit nicht an der Zeit wäre, zu dem die Wahlrechtsvorlage noch rückständiger zu gestalten. Der Schnaps- schärfsten Mittel, des blod hatte alle Schönheiten des alten Wahlgefebes wiederhergestellt. politischen Maffenstreits,
Als Material zur Bekämpfung der Wahlrechtsvorlage gab die zu greifen. Einige Parteiorganisationen hielten die Anwendung Parteileitung Preußens die Broschüre Materialien zur Agitation dieses Kampfesmittels als die einzig gegebene Antwort des Brolce
" Durch diese Beschlußfassung ist eine Lüde im Geseß ents standen. Es gibt nach Ihren Beschlüssen keine Bestimmungen darüber, in welcher Weise die Abteilungsbildung erfolgen foll. Nach der Stellung, die die verschiedenen Parteien dieses Haufes zu der Frage eingenommen und in diesen Beschlüssen bekundet haben, ist nach Auffassung der Staatsregierung die Aussicht auf eine Verständigung über diesen Bestandteil der Vorlage ausges schloffen. Ich erkläre infolgedessen im Namen der königlichen Staatsregierung, daß sie auf die Weiterberatung des Gesetzes feinen Wert mehr legt."
Unter allgemeiner Heiterkeit des Hauses erklärte nunmehr der Vizepräsident v. Porsch: Die weitere Beratung der Wahlrechtsvor lage ist damit gegenstandslos geworden."
Damit war der Wechselbalg verscharrt. Am 1. Juni 1910 wandte sich der deutsche Parteivorstand und die preußische Parteileitung noch einmal an die arbeitende Bevöl terung Preußens, fie auffordernd, das Geschehene nicht zu vergessen und der Regierung bei der bevorstehenden Reichstagswahl die allein richtige Antwort zu geben.