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Der franzönicbe Mnifterprällclent über die KriPe. Paris . 21. Dezember.(Teputiertenkammer.) In der heutigen Sitzung erklärte Ministerpräsident Poincare : Er sei vor der Kammer zu ebenso großer Zurückhaltung verpflichtet, wie vor der Kommission für auswärtige Angelegenheiten. In einem län- geren Rückblick hob Poincare das vollständige E i n v e r- nehmen zwischen Frankreich . Rußland und England hervor. Frankreichs Verbindungen mit England seien niemals vertrauensvoller und enger gewesen.(Beifall.) Ein Teil der öffentlichen Meinung Frankreichs Hab«, wie es scheine, aus gewissen Umständen die Befürchtung hergeleitet, daß die britische Regierung in ihren Beziehungen zu den anderen Mächten eine Politik verfolge, die nicht völlig in Einklang stand mit Frankreichs Aufrichtigkeit. Die Haltung der englischen Regierung erlaube nicht, diese Befürchtung zu teilen. Greh habe nicht weniger Wert darauf gelegt, in spontaner Weise zu erklären, daß diese Besürch- tungcn nichts Begründetes hätten.(Beifall.) Poincare erinnert« des weiteren daran, daß O e ft e r- reich-Ungarn feit November klar und deutlich zu verstehen gegeben habe, daß es keine territorialen Absichten»er- folge. Sodann kam der Ministerpräsident auf die Initiative Eng- lands in der Berufung der Botschafterkonferenz zu sprechen sowie auf die Beschlüsse, die diese bereits gefaßt habe: nämlich über Alba- nien und die Frage eines AdriahafenS. Poincare erklärte: Er fei überzeugt, daß sich Serbien diesem Standpunkt an- schließen werde. Poincare fuhr fort: Man kann das Ergebnis der Friedensverhandlungen nicht vorhersehen. Wenn es unglücklicherweise zu einem Bruch käme, so würde damit die Rolle Europas nicht beendet sein, denn die Wiederauf- nähme der Feindseligkeiten könnte den Brandherd ver- g r ö ß e r n. Frankreich würde eine Vermittelung anbieten und sich bemühen, die Mächte zur Aufrechterhaltung des Friedens zu bestimmen. Aber so ausrichtig die Absichten Frankreichs sind, ebenso sehr ist es entschlossen, dieser heiligen Sache, der National- ehre, Respekt zu verschaffen.(Lebhafter Beifall.) Poincare wurde beglückwünscht. Erklärungen der sozialistischen Deputierte«. Paris . 21. Dezember.(Privattelegramm des.Vor- wärt s'.) Nach PoincareS Erklärungen, die allgemein einen gün- stigen Eindruck machten und an einzelnen Stellen, wie über die Friedensbemühungen der französischen Regierung, auch von den Sozialisten applaudiert wurden, protestierte Vaillant in einer aufmerksam angehörten Erklärung gegen die Anwendung der Anarchistengesetze gegen die proletarische Friedenspropaganda und betonte die Bedeutung des Base- ler Kongresses. Als Redner sagte, die Kommune werde diesmal nicht nur von Paris , sondern von ganz Frankreich gemacht werden, lärmte die Mehrheit. Der Präsident D e s ch a n e l erklärte: Paris und Frankreich würden ihre Pflicht erfüllen. I a u r e s begrüßte Poincares friedliche Er- klärungen, die bewiesen hätten, daß die englische Demokratie, un- gefesselt durch Geheinwerträge, dem Frieden dient. Jaures for- derte, daß Frankreich , falls die Feindseligkeiten wieder aufgenommen werden würden, seine Neutralität bewahre und auch den Kriegführenden keine finanzielle Hilfe leiste. Die Vermittelung sei wertvoll, aber nur, wenn sie einstimmig angeboten werde. Der Redner findet es tröstlich, daß die Mächtegruppen begriffen haben, daß das System des Gleichgewichts nur ein Mittel zur Einigung Europas sei. 6ncchirch-türfcirchc Kämpfe. Scharmützel hinter Saloniki. Wien » 2». Dezember. Aus Saloniki wird vom vorgestrigen Tage gemeldet: Bei Beglischta zwischen Jlorina und Koriza, zogen sich die von den Türken angegriffenen griechischen Sol- datcn, die nur eine Kompagnie stark»varen zunächst vor der Uebermacht zurück, erhielten jedoch nach zwei Stunden Verstärkun- gen und schlugen nunmehr die Türken zurück. Beglischta wurde von den Griechen wieder besetzt. Auf Mytilene . Athen , 20. Dezember. Die Griechen haben auf Mytilene die Türken aus ihren vorgeschobenen Stellungen verjagt und Achyron eingenommen. Sie setzen die Verfolgung des Feindes fort, dessen Kapitulation sicher ist. politifcbe ClcbcrRcbt. Berlin , den 21. Dezember 1912. Tas gesetzliche Umsatzstcuerverbot! AuS Sachsen wird uns geschrieben: Seit einer Reihe von Jahren spielt fast in allen deutschen Bundesstacrten die Umsatzsteuerfrage eine Rolle. Für die Mittel- ftandspolitiker und ihre Organisationen ist sie mit der Zeit das kräftigste Schlagwort geworden. Bei politischen und Gemeinde- Wahlen steht es an der Spitze ihres Programms. Sogar liberal sein wollende Politiker haben nicht selten dieses unerhörte Steuer- unrecht mitgemacht. Die Umsatzsteuer hat in Sachsen ihren Aus- gangspunkt. Hier setzte man im Jahre 18V6 in der Zweiten Kammer des Landtags damit ein, vorher war sie kaum irgendwo im Reiche bekannt. Die Konservativen brachten sie durch einen Antrag aufs Tapet. Es entstand die Frage, ob diese Sondersteuer überhaupt mit den gesetzlichen Bestimmungen des Landes über das Steuer- Wesen in Einklang zu bringen sei. Sie war von vornherein gegen die Konsumvereine gemünzt, die um diese Zeit in Sachsen einen raschen Aufschwung nahmen. Fast alle namhaften Steuer- rechtslehrer, die um ihre Meinung befragt wurden, haben die Um- satzsteuer prinzipiell verworfen! Die Konsumvereine haben eine große Anzahl derartiger Gutachten provoziert, wie es überhaupt ihrem lebhaften Kampfe gegen die Steuer zuzuschreiben ist, daß dieselbe nicht den gewünschten Umfang erreichte. Die sächsische Regierung kam den Mittelständlern bezw. den Konservativen zu Hilfe, indem sie durch eine Verordnung an die unteren Be- Hörden erklärte, daß die Gemeinden das Recht hätten, eine Umsatz- stcuer bis zu zwei Prozent für gewisse Großbetriebe im Kleinhandel einzuführen. Dieser Zustand erhielt sich bis jetzt. Die Umsatz- stcuer war eine fakultative der Gemeinden, ohne daß in einem Gesetz darüber etwas bestimmt wurde. Die Konservativen haben jedoch noch in jedem Landtage, so- lange sie die Mehrheit haü.en, durch Annahme von Anträgen die Regierung aufgefordert, die Umsatzsteuer durch ein Landes- gesetz festzulegen: die Regierung lehnte das jedoch bisher ent- schieden ab, da sie sich den in der Praxis offen zutage getretenen Härten und Ungerechtigkeiten doch nicht ganz verschließen konnte. In der bekannten Denkschrift, die sie vor einigen Jahren herausgab, wurden sogar recht scharfe Töne, gegen diese Sondersteuer ange- schlagen, trotzdem blieb die Möglichkeit ihrer Einführung bestehen. Nach den neuesten Feststellungen ist sie zurzeit ig 17 Gemeinden eingeführt. In einigen hat man sie wieder abgeschafft, m andern wesentlich ermäßigt.' Um so erstaunter war man. als die Regierung in der Borlage zu einem neuen Gemeinde st euergesetz abermals die Ein- führung der Umsatzsteuer, und zwar sogar in zweifacher Form, zu- lassen wollte. In der Kommission, die die Borlage vorzubereiten hatte, wie auch im Plenum der Zweiten Kammer wurden diese Bc- stimmungen heftig umstritten. Noch bis zum letzten Augenblick drohte das ganze wichtige Gesetz daran zu scheitern. Denn in der Zweiten Kammer wurden sie von der erdrückenden Mehrheit Sozialdemo­kraten, Nationalliberalen und Fortschittler strikte abgelehnt. Rur die Konservativen legten sich für die Umsatzsteuer ins Zeug. Die Regierung machte zwar kein Hehl daraus, daß sie keinen so großen Wert auf die rohe Umsatzsteuer lege, um ohne sie das Gesetz zurückzuziehen: sie gab aber keine bestimmte Erklärung ab und hielt die kritischen Bestimmungen aufrecht. Die Erste Kammer aber stellte glatt die Regierungsvorlage wieder her. Nun begann das sehr umständliche, verfassungsmäßig vorgeschriebene »Vereinigungsverfahre n". Danach konnte das Gesetz nur zustande kommen, wenn sich beide Kammern einigten. Die gesamte Opposition der Zweiten Kammer blieb jedoch fest und ließ durch ihre Redner keinen Zweifel darüber, daß sie das Gesetz mit der rohen Umsatzsteuer scheitern lassen werde. Das zog! Die Regierung gab nach und auch die Erste Kammer. Man wollte offenbar die Verantwortung nicht auf sich nehmen, daß eine lang und eingehend vorbereitete wichtige gesetzliche Aktion wegen einer in weitesten Kreisen unpopulär gewordenen Steuerart ins Wasser fiel. So ist denn der Beschluß der Mehrheit der Zweiten Kammer Gesetz geworden, wonach die Einführung der rohe« Umsatzsteuer direkt verboten ist! Damit hat ein jähr- zehntelanger heftiger Kampf einen gewissen Abschluß gefunden, die Gegner der Steuer haben einen nicht unbedeutenden Sieg er- rungen. Natürlich ging es nicht ganz ohne Konzessionen ab. Da, wo die Steuer besteht, kann sie noch bis 10 Jahre nach In» krafttreten des Gemeindesteuergesetzes weiter be- stehen bleiben. Ferner ist zugelassen, daß die andere mildere Form der Umsatzsteuer, eine Kombination mit der Einkommensteuer, ein- geführt werden kann, nicht muß. Eine Steuerart, wie sie in Chemnitz bereits seit längerer Zeit besteht. Danach haben gewisse Großbetriebe im Kleinhandel acht Prozent ihres Umsatzes als Einkommen zu versteuern, auch wenn der Reingewinn in Wirk- lichkeit nicht so hoch ist. Die Regierungsvorlage schlug 10 Prozent vor, und die Erste Kammer wie die Konservativen der Zweiten Kammer stimmten dem zu. während die Mehrheit der Zweiten Kammer den Satz auf sechs Prozent herabgesetzt hatte. Unsere Genossen haben natürlich auch diese mildere Form der Umsatzsteuer bekämpft. Gegenüber der rohen Umsatzsteuer ist sie aber doch das bei weitem kleinere Uebel. Da die Konsumvereine in Sachsen durchweg Staats- und Gemeindeeinkommensteuer zahlen müssen und die an die Mitglieder gewährte Rückvergütung wohl überall mindestens acht Prozent beträgt, werden sie von der milde- ren Umsatzsteuer nicht getroffen. Im übrigen enthält das Gesetz verschiedene Kautelen gegen mögliche Härten, und ferner müssen die Gemeinden die Zustimmung der Regierung bezw.. der oberen Behörde haben, wenn sie diese Sondersteuer einführen wollen. Die Landtagsersatzwahl in Teltow -Beeskow . Bei der Ersatzwahl für den verstorbenen LandiagS- abgeordneten Fetisch im Kreise Teltow- Beeskow-Storkow und Stadtkreis Berlin- Wilmersdorf finden die Wahl- männerwahlen Mittwoch. den 12. Februar 1913 und die Wahl des Abgeordneten Donnerstag, den 27. Fe- bruar statt._ Eine Verfassungsänderung in Hamburg . Das Erlöscken des AbgeordnetenmandatS in Hamburg ist bisher durch den Artikel 42 der Verfassung so geregelt, daß ein Mitglied der Bürgerschaft, das seine Wahlberechtigung eingebüßt bat. damit auch feines Mandats verlustig geht. Da von der Ausübung des Wahlrechts auch Personen ausgeschlossen sind, die mit ihrer Steuer- leistung im Rückstände sind oder sich in Haft befinden, so ergab sich die Unsinnigkeit, daß ein unschlildig Verhafteter oder ein aus nicht ehrenrührigen Gründen zu Strafhan Verurteilter zum Austritt aus der Bürgerschaft gezwungen war. Dieser letztere Fall würde zum Beispiel eintreten, wenn unser Parteigenosse Winnig, der wegen seiner bekannten Slizze.Osterode", durch die er das deutsche Osfizler- korps beleidigt haben soll, zu 2 Monaten Gefängnis verurteilt ist, in die Bürgerichaft gewählt würde, für die er als Kandidat unserer Partei aufgestellt ist. Bei einer bürgerlichen Fraktion hat dagegen schon der andere Fall Rückstand in der Steuerleistung praktisch vor­gelegen. Es ist nun von der Fraltion der Lstilcn eine Aenderung des Artikel« 42 der hamburgischen Verfassung beantragt, die das Erlöschen des Abgeordnetenmandats analog der anderen Bundes- stallten regeln will. Danach würde dieser Artikel künftig lauten: Ein Mitglied der Bürgerschaft tritt aus der Bürgerschaft. 1. wenn es in den Senat gewählt wird, 2. wenn es das Bürger- recht verliert, 3. wenn es weder seinen Wohnsitz noch seinen Ge- schäftSbetrieb im hamburgischen Staatsgebiete beibehält. 4. wenn es entmündigt wird. b. wenn über sein Vermögen Konkurs eröffnet wird, 6. wenn ihm durch strafgerichtliches Urteil die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen werden. Es ist anzunehmen, daß diese Verfassungsänderung Wider» spruchslos von der Bürgerschaft angenoinmen wird. Rücktritt des württembergischen Ministers v. Pischek . Eine kurze Antwort auf den Sieg deS schwarzblauen Blocks bei den württembergischen Landtagswahlen hat der Minister des Innern, Dr. v. Pischek gegeben. Am Freitag wurde das endgültige Wahl­ergebnis bekannt: am Sonnabend berichtete der.Staatsanzeiger- über den Rücktritt des Herrn v. Pischek , den dieSchwäbische Tagwacht" kürzlich als nahe bevorstehend angekündigt hatte. Das Ministerium des Innern übernimmt der bisherige Kultus» minister v. Fleischhauer. Als Kultusminister. der vor drei Jahren das neue Volksschulgesetz durchführte, würde er gegenüber der schwarzblauen Herrschaft des neuen Landtages einen sehr schweren Stand haben. Darum will er sein Glück als Minister des Innern versuche». Zum neuen Kultusminister wurde der Präsident des Evangelischen Konsistoriums, Dr. v. Habermas ernannt, der offenbar die Nationalliberalen und die Konservativen einander noch etwas näherbringen soll. Herr v. Pischek stand seit dem Jahre 18S4 an der Spitze des Ministeriums de ? Innern. In seinen ersten Amts- jähren zeigte er wenig Verständnis für die Sozialdemokratie. Auch im vorigen Jahre bei der Debatte über die Frage der Be- stätigung eines sozialdemokratischen Bürgermeisters für Stuttgart , behandelte er die Sozialdemokratie als eine Partei minderen Rechts. Aber er hatte im Laufe der Jahre doch einiges hinzugelernt, und verstand es schließlich, mit unserer Fraktion zusammenzuarbeiten. Unter der Verwaltung des Ministers wurde die neue Ge- meindeordnung geschaffen, durch welche die lebenslängliche Amtsdauer der Ortsvorsteher beseitigt wurde. Ferner brachte der Minister mit Unterstützung der Sozialdemokratie die neue Bauordnung zustande, und als letztes und bestes Werk das neue Schularztgesctz, das von den Konservativen aufs schärfste be- kämpft wurde. Die Stellung(der Konservativen gegenüber Herrn v. Pischek ergibt sich aus der von einem ihrer Führer in die Be- völlerung geschleuderten Bemerkung, daß es schwerer sei. eine neue Kuhmagd zu finden, als einen neuen Minister de? Innern. Es ist begreiflich, daß sich der Minister vor derartigen Säulen der staat - lichen Autorität nicht verbeugen möchte. Die Butter soll wieder teurer werden. Den Junkern bereilet es große Schmerzen, daß auf Milchrahm noch kein Zoll lastet. Butter trägt einen Zoll von 20 M. pro Doppelzentner. ES wird nun vielfach aus dem Auslande Rahm eingeführt, den unmittelbar an der Grenze errichtete Molkereien zu Butler verarbeiten. Besonders in Nordschleswig wird diese Praxis beobachtet. Der Rahm kommt aus Dänemark . In den ersten zehn Monaten deS lausenden JahreS wurden 343 009 Doppelzentner ein­geführt gegen 259 121 Doppelzentner in bei gleichen Zeit 1911. Die Entwickelung beweist, daß Deutschland in wachsendem Maße auf eine Zufuhr angewiesen ist, weil die einheimische Produktion immer weiter hinter dem Bedarf zurückbleibt. Die Agrarier allerdings sehen in der Einfuhr von Rahm nur eine Verhinderung weilerer Preistreiberei. DieDeutsche Tageszeitung" fordert deshalb die Einsührung eines Rahmzolles. Selbst nach agrarischen, für die Oeffentlichkeit bestimmten Argumenten soll lediglich die Frage der Konkurrenzfähigkeit, das heißt der Preiseulwickelung aus dem In« landsmarkte für die Einführung von Zöllen bestimmend sein. Wie steht es aber damit? Hat die Rahmeinfuhr die Preise gedrückt? Durchaus nicht. Die Preise find in den letzten Jahren vielmehr kräftig angestiegen. ES kostete z. B. ein Doppelzentner Butter in Mark: Berlin . 1. Sorte München ISOg..... 215,2 199,8 1903..... 223,6 204,7 1904..... 227,4 205,0 1905..... 235,2 218,7 1906..... 239,9 330,3 1907..... 234,6 229,8 1908..... 246,1 239,0 1909..... 241,6 244,3 1910..... 244,6 251,8 1911..... 255,0 261,2 Die Preise sind also fortgesetzt gestiegen! Im Vergleich mit dem Jahre 1907 macht die Steigerung nach der Berliner Notierung 20,40 M., nach der Münchener sogar Zl.40 M. aus. Im Kleinhandel kletterten die Preise natürlich ebenfalls hinauf. Nach den Fest- stellungen derStat. Korresp." kostete ein Kilo Butter im Durch- schnitt von 5» M.irktorten im November 1910 erst 266 Pf., im gleichen Monat 1911 jedoch 502,2 Pf. Im November diese? Jahre? ist der Preis zwar etwa? gesunken, er steht aber mit 285.1 Pf. immer noch 19,1 Pf. über dem Satz deS JahreS 1910. Angesichts solcher Entwickelung die Forderung nach Zöllen zu erheben, damit der Preis bald noch mehr steigt, dazu gehört die ganze Raffgier, durch die das bündlerische Agrariertum sich auS- zeichnet._ Politik im Beichtstuhl. Als der Pfarrer Kirchgäßner in Mörsch (Amt Ettlingen , Baden ) sein Amt antrat, gab er das Versprechen, sich in politische An- gelegenheiten im Orte nicht einmischen zu wollen. Wie der Geist- liche sein gegebeties Wort hält, davon gibt derKarlsruher Bolls- freund"(18, Dezember) ein drastisches Beispiel. Eine Frau geht zum Pfarrer beichten und im Beichtstuhl spielt sich folgender Dialog ab: Eine Frage des Pfarrer»:.Haben Sie böse Zeitungen im Hause?" Frau:.Rein-'! Pfarrer:Haben Sie nicht denVolksfteund- Z- Frau:Jawohl-. Pfarrer:So, ist das keine böse Zeitung?- Frau:Nein, ich habe noch nichts böseS darin gefunden/ Pfarrer;Wollen Sie dafür sorgen, daß Ihr Mann den«Volks» freund- abbestellt?- Frau:Das kann ich nicht, sonst habe ich den Krieg im Hause und mein Mann wird denBolkSfreund- ja doch nicht abbestellen/ Pfarrer:So. Sie können gehen und brauchen morgen früh nicht zur Kommunion zu kommen!- So wirdS gemacht. Lieber Krieg in der Familie als ein Ar» beiterblatt im Hause, Nach diesem Grundsatz arbeiten ja tausende von Priestern und manches Unglück und Elend ist auf daS Konto politischer Pfaffen zu schreiben. Rekrutenquälerei. Vor dem Kriegsgericht der 38. Division in Erfurt stand am Mittwoch der Unteroffizier Kurt Streicher von der 2, Batterie des 55, Feldartillerie-RegimentS in Naumburg wegen Soldaten- Mißhandlung, Am Donnerstag, den 21. November, nahm der Unter- offizier eine Revision der Uniform st ücke der Rekruten vor. Nach seiner Ansicht waren die Stiefel eines Rekruten nickt genügend geputzt und er machte dem Soldaten darüber Vorhaltungen. Als der Mann sich verantwortete und dabei die Beine nicht zusammenhielt, versetzte der Vorgesetzte seinem Untergebenen zwei derbe Schläge ins Gesicht, so daß die Nase blutete und anschwoll. Der Verteidiger des Angeklagten, ein Rittmeister aus Erfurt , meinte, es liege keine Mißhandlung, sondern nur vorschriftswidrige Behandlung eines Untergebenen vor, die mit e i n e m Tag gelinden A r r« st zu ahnden sei. Das Kriegsgericht aber erkannte wegen Soldateinnißhandlung auf das gering st e Strafmaß von acht Tagen gelinden A r r- st._ Ein Jahr Gefängnis wegen Rekrutenmihhandlung. Vor dem Jnsterburger Kriegsgericht hatten sich dieser Tage zwei Kanoniere wegen Mißhandlung von Rekruten zu verantworten, Sie waren am 17. Ottober auf die Rclrutenstube gegangen und halten hier, ohne daß ihnen die Rekruten eine Veranlassung dazu gegeben hatten, einige ihrer Kameraden mit Stöcken schwer mißhandelt. Sie wurden daher zu je 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Oettemleb-clugam. Die ungarische Wahlrechtsvorlage. Der von der Regierung so sorgsam behütete Wahlrechts- plan ist nun veröffentlicht. Das sozialdemokratische Partei- organ wußte sich in den Besitz des als Staatsgeheimnis be- handelten Schriftstückes zu setzen, und die Stummer vom Sonnabend bringt nun den ganzen WahlrechtSgcsctzentwurf. Dieses Wahlrechtsgesctz ist das perfideste, was ein Menschen- Hirn ausdenken kann. Es hat folgenden Inhalt: Eine all- gemeine Forderung für alle Wähler ist das filiisiährige Staatsbürgerrecht. Als zweite Hauptbedingung folgt die ein- jährige Seßhaftigkeit, von der jedoch Geistliche. Lehrer und Staatsbeamte ausgenommen werden. Sodann folgt die Alters- grenze. Die Wähler werden in zwei Alterskategorien ein- geteilt: 24 Jahre und 30 Jahre. Mit dem 24. Lebensjahre besitzt das Wahlrecht jeder, der eine Mittelschule, Gymnasium. Oberrealschule oder eine der im Range gleichstehenden land- wirtschaftlichen und kommerziellen Schulen durchgemacht hat. also das sogenannte Maturitätszeugnis besitzt. Ein Alter von 30 Jahren wird von allen anderen Wählern gefordert, um in den Besitz des Wahlrechts zu gelangen. Auch bei den 30 jährigen zeigen sich verschiedene Abstufungen. Eine Be- dingung für einen Teil lautet: Wer ungarischer Staatsbürger seit fiinf Jahren, ein Jahr seßhaft ist und eine scchsklassige Voltsschule oder eine im selben Range stehende Schule ad-