i,.m W-z-w«-. 2. Seilllge des„Uvmarts" Kerliller Nslksbllltt. Ww«»«.».?. IriUvnvitthe Rundfchau. Geschichte See ArbeiterSeivc�ung in Hamburg , Altana lind Umgegend. Bon Dr. H. Laufenberg. I. Band. Hamburg 1911. Ham - burgcr Buchdruckerei und Berlagsanstalt Auer u. Co. Kt7 S. Als die Hamburger Sozialdemokratie in diesem Jahre ihre Generalmusterung abhielt, zählte sie 62 528 Mitglieder der sozial- demokratischen Partei, darunter 8778 weibliche. Die Gewerkschaften des Hamburger Städtegebietes treten heute mit rund 130 000 Mit- gliedern auf den Plan. Am 2. Oktober d. I. konnte das Organ der Hamburger Arbeiterschaft, das„Hamburger Echo", auf ein Vierteljahrhundert erfolgreicher Tätigkeit zurückblicken. Vor 25 Jahren begann es mit einem Abonnentenstand von 8000 und hat heute eine Auflage von 70 000. Und bei den Reichstagswahlen im Januar dieses Jahres gaben von 220 803 Wählern 133 343, das sind 01,3 Proz., ihre Stimme für die Sozialdemokratie ab. Die drei Hamburger Wahlkreise, von denen der erste seit 1883, der zweite seit 1880 und der dritte seit 1800 zum festen Besitzstande der Partei gehören, erwiesen sich wieder als gesicherte Hochburgen der Sozial- demokratie. Und auch in der gesetzgebenden Körperschaft der Hansa- freistadt, ,n der Bürgerschaft, hat sich die Partei eine starke und achtunggebietende Vertretung erkämpft. Die hier angeführten nüchternen Zahlen beweisen, dast au' einem verhältnismäßig kleinen Terrain an der Elbmündung eine starke Armee des großen Heeres der zum Klassenbewußtsein erwach ten deutschen Arbeiterschaft konzentriert ist, eine Armee, an deren Ausbau und Schlagkraft täglich ausdauernd und zielbewußt weiter gearbeitet wird. Die zitierten Zahlen erscheinen aber noch viel imposanter, wenn man sich klar macht, daß diese Organisationen in kaum fünf Jahrzehnten— im Leben eines Volkes und einer Klasse eine gar kurze Spanne Zeit— zu ihrer heutigen Stärke gelangt, daß sie aus dürftigem, oft vom Sturm der Zeiten umdrohten Keime zu einem stattlichen Baume herangewachsen sind Dies Wachsen und Gedeihen der Hamburger proletarischen Ve Segung ist nicht nur der äußeren Organisationsform, fondern auch der proletarischen Wissenschaft zugute gekommen. Die innere Stärke der Hamburger Bewegung hat nicht nur Licht in viele Tausende von Arbeiterköpfen gebracht, sie hat auch den Antrieb dazu gegeben, die Wurzeln, die Triebkräfte und das Wachsen dieser Bewegung wissenschaftlich zu erforschen und aufzudecken. Das Resultat dieser Forschungen ist das vorliegende Buch des Genossen Dr. Laufenbcrg, das im Auftrage der Hamburger Partei- organisation geschrieben wurde und eine wertvolle Bereicherung der historischen Literatur über die deutsche Arbeiterbewegung bedeutet. Die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie von Franz Mehring ist gleichsam der markige, sästereich« Stamm der sozialistischen Geschichtswissenschaft. Aus ihm heraus wachsen als starke Aeste die Werke über die Arbeiterbewegung in großen Städten und Industrie zentren, so das vorliegende Buch, dann aber auch die Ge- schichte der Berliner Arbeiterbewegung, die der Chemnitzer usw. Diese spezialisierte Geschichtsforschung, die sich vorläufig noch in ihren Anfängen befindet, ist frei von jeder Scha- blonisierung, sie spiegelt die Eigenart des Forschungsgebietes wider und trägt den persönlichen Stempel des jeweiligen Verfassers. Tics trifft auch auf das Laufenbergsche Buch zu. Der ruhigen, leiden- schaftslosen, fast schwerfälligen Art des niederdeutschen Volkes und der strengen Sachlichkeit und peinlichen Gewissenhaftigkeit des Forschers und Verfassers entspricht auch der Charakter des Buches. Hinter dem stattlichen ersten Bande, der bis zum Anfange des Sozialistengesetzes geht, verbirgt sich eine jahrelange, sorgsame und bis ins kleinste gehend« Vorarbeit. Eine Unmenge von Material mußte gesammelt, durchforscht, gesichtet und verarbeitet werden; Einzelvorgänge, bestimmte Strömungen und Kämpfe in der Be wegung mußten ergründet und in ihrem Zusammenhange mit der großen Gesamtbewcgung beurteilt werden, vor allem mußten auch die ökonomischen und politischen Verhältnisse aufgedeckt werden, die aus die Entwickelung der Bewegung hemmend und fördernd einwirkten. Diese der Oeffentlichkeit verborgene und doch so mühsame und zähe Arbeit hat der Verfasser dann in seinem Buche kristallisiert. Die Geschichte der Hamburger Arbeiterbewegung setzt ein mit dem Anfange des 10. Jahrhunderts. In den einleitenden Kapiteln wird die ökonomische Struktur Hamburgs und seines Hinterlandes und deren Rückwirkung auf die soziale Schichtung der Bevölkerung dargestellt. Die Kontinentalsperre, jenes in das gesamte Wirt- schaftsleben Europas so tief einschneidende und doch ergebnislose Oampsmittel Napoleons I. gegen England, findet eingehende Be- rücksichtigung, da Hamburgs Handel und Gewerbe schwer unter ihr zu leiden hatte. Die weitere Folge davon war eine Verelendung der breiten Volksmassen, die noch durch die Grausamkeit der Kriegs- ereignisse vermehrt wurde. Im Dezember des Jahres 1813 wurden 20 000 nahrungs- und wohnungslose Proletarier von dem französi- schen General Davoust aus der Stadt in die Winterkälte hinaus- getrieben; 1100 Menschen kostete diese Kriegsbarbarei das Leben. Nach den Befreiungskriegen beginnt das Hamburger Handels- kapital allmählich wieder zu erstarken. Die Entwickelung der Textil- industrie in Deutschland , das Einsetzen der Dampfschiffahrt neben der Segelschiffahrt, die Mitwirkung ausländischen Kapitals, die politischen Umwälzungen in Süd- und Zentralamerika usw. werden von Laufenberg in ihrer Rückwirkung auf das Hamburger Kapital angeführt, das, im Gegensatz zu dem im Innern Deutschlands , nicht von den Fesseln der Kleinstaaterei gehemmt wird und eine groß- zügige Handelspolitik durch Handelsverträge usw. durchführen kann. Ebenso eingehend behandelt dann Laufenberg das Wachstum der industriellen Produktion in Hamburg selbst. Die Zermürbung der alten Zunftverfassung setzt ein. in der ersten Hälfte des 10. Jahr- Hunderts gehen Handwerksbetrieb, Manufaktur und kleiner Fabrik- betrieb nebeneinander her. und erst ganz allmählich entsteht als Gegenpol zur Erstarkung des Kapitals das moderne Lohnproletariat. Ueber diesem in ganz Deutschland einzig dastehenden Wirtschaft- kichen- Unterbau erhob sich ein politisches Gebäude mit scharfer Gruppen- und Kastenscheidung und rückständiger politischer Ver- waltung. Aber den wirtschaftlichen Umwälzungen entsprachen poli- tische Kämpfe. Sine Wirtschaftskrise und die Pariser Julirevoluiion machen das Kiew - und Mittelbürgertum mobil, das sich aber nicht gegen das Ratspatriziat und das Großkapital sondern gegen die— jüdische Konkurrenz wendet. Judenkrawall« mit Verwundeten und Toten zeugten von der Kurzsichtigkeit und politisch-ökonomischen Unreife einer Bevölkerung, die das Wesen der kapitalistischen Um- wälzung noch nicht begriff. In einem äußerst anschaulichen Kapitel schildert Laufenbcrg den großen Brand in Hamburg (1842) und dessen Rückwirkung auf hie alte Ratsverfassung, deren Unfähigkeit durch die Flammen der gigantischen Feuersbrunst beleuchtet wurde. Oppositionelle Strö- mungen brachen sich Bahn, und das Bürgertum erwachte zu regerem �tischen Leben. In diese Zeit fallen auch die ersten politischen Regungen der Hamburger Arbeiterschaft. Sie tritt noch nicht als selbständige Klasse auf den Plan, sie bildet vielmehr die Gefolg- schaff der verschiedenen bürgerlichen Parteien. Ihre Lebenslage ist alles andere als glänzend. Laufenberg bringt ausführliches Material über Lohn- und Wohnungsverhältnisse, aus dem hervor- geht, daß in der Stadt der reichen Handelsherren krasses Massen- elend herrschte, dem man durch Almosenbrocken, mehr aber noch durch eine drakonische Gesetzgebung zu Leibe ging. Der erste Ver- such proletarischer Selbsthilfe war der Ausbau der Unterstützungs- kassen der alten Zunftgesellen. Das fördernde Moment hierbei ist der Kampf zwischen eingesessenen und zuziehenden frem- den Arbeitern, die das vorwärtstreibende Element bilden. Die bornierte zünftlerische Ideologie sah schon in den Arbeitern Altonas und anderer Vororte„Fremde". Die erste auf freier, sich über zünftlerische Vorurteile hinwegsetzende Organisation war die der Haartuchweber, deren Gründer Jakob Audorf wurde.„Nicht Zunft brauchen wir, sondern Einigkit!" war dessen Losung; der Solidaritätsgedanke der klassenbewußten Arbeiterschaft hatte zum ersten Male auf Hamburger Erde seinen Ausdruck gefunden. In dieser Zeit fand auch Weitlings Handwerksburschen-Kom- munismus Eingang bei einer kleinen Schar Hamburger Arbeiter. Ein kommunistischer Zirkel bildete sich, dessen geistige Grundlage die Schriften Weitlings bildeten. Daneben entsteht, ähnlich wie in anderen Städten, ein Arbeiterbildungsverein, der zunächst noch auf die Gunst der bürgerlichen Demokraten angewiesen- war. Die erste kommunistische Zeitung Hamburgs ,„Das Blatt für Arbeiter", er- schien im Jahre 1845. Die Stürme des Jahres 1843 fachten auch in Hamburg das Feuer der politischen Kämpfe an. Die Märztage brachten blutige Straßenkrawalle. Die Arbeiterschaft kämpfte im Lager der bürger- lichen Demokratie, die im Kampfe gegen die Vertretung des Börsen- und Handelskapitals schlecht abschnitt. In die inneren Kämpfe Hamburgs spielte dann die schleswig-holsteinische Frage, die Preußen Anlaß zur Einmischung gab. Aber die partikularistlsche Kurzsichtig- keit der Hamburger bürgerlichen Demokratie lähmte die Energie der revolutionären Volkskrast. Die Bourgeoisie wagte weder in der schleswig -holsteinschcn, noch in der deutschen Frage überhaupt, eine klare und entschlossene Stellung. Die wirtschaftliche Not und die politischen Stürme des Revo- lutionsjahres schaffen auch in Hamburg die ersten tastenden An- sänge proletarischer Organisation. Die in Berlin entstandene „Arbeitervcrbrüderung" mit ihrem noch auf dem Kleinbetrieb zu geschnittenen Assogiationsprinzip fand auch im niedcrelbischen Städtegebiete Anhänger. Daneben blieb auch noch der Arbeiter bildungsverein in Tätigkeit und nahm an den Verfassungskämpfen der Revolutionsjahre teil, die durch den Einmarsch von 8000 preußi schen Soldaten in Hamburg ein unrühmliches Ende fanden. Die Großbourgeoisie hatte gesiegt und, wie im ganzen Reiche, setzte auch in Hamburg die Reaktionsperiode der 50er Jahre ein. Kommu- nistenverfolgungen und Kommunistenprozesse fanden statt, und die hoffnungsvollen Ansätze einer selbständigen Arbeiterbewegung wur den im Keim erstickt. Aber der AssoziationSgedanke war in der Hamburger Arbeiter schaft zu lebendig, als daß er durch die Büttel der Reaktionszeit er- schlagen werden konnte. Die UnterstützungSkassen, die Konsumvereins« bewegung und der Arveiterbildungsverein verliehen der Arbeiter- schaft einen gewissen Zusammenhalt. Die Anerkennung Hamburgs als Freihafen verhalf dem Handel zu neuem Aufschwung, die Spedition vermehrte sich, der Auswanderverkehr nahm zu- Die Handelskrise des Jahres 1857 förderte die Konzentration des Hamburger Kapitals. Im Gegensatz dazu wurde die Lebenshaltung der Arbeiterschaft niedergedrückt. Zahlreiche und tiefgehende Lohnkämpfe der einzelnen Berufe setzten ein: der Klasseninstinkt ringt sich in der Hamburger Arbeiterschaft zum Klassenbewußtsein durch. Das äußerte sich zunächst dadurch, daß sich im Arbeiterbildungsverein, ähnlich wie in Leipzig und anderwärts, um das Jahr 1860 eine proletarische Opposition durchsetzte, was durch die politischen Kämpfe um eine Verfassungsrevision begünstigt wurde. Die proletarische, freilich noch von kleinbürgerlich-demokratischen Anschauungen durchsetzte Opposition schaffte sich in dem„Nordstern" ein Organ, das später die Zeitung des Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins werden sollte. So zeigt Laufenberg im ersten Teile seines Buches, wie aus der Entwickelung zur modern kapitalistischen Wirtschaftsform und den mit ihr zusammenhängenden politischen Zeitkämpfen die Arbeiter- schaft als besonderer wirtschaftlicher und politischer Faktor empor- sprießt, wie die Zunftgesellen und Manufakturarbeiter zu modernen Lohnproletariern werden. Im zweiten Teile des Buches wird ge- schildert, wie diese Proletarier sich tastend und irrend daran machen, feste Organisationsformen zu schaffen. Auch die ersten Ansätze des Organisationslebens werden beeinflußt von ökonomisch-politischen Momenten, der Entwickelung der Technik, dem amerikanischen Se- Zessionskrieg usw., die den in den sechziger Jahren noch vorherrschenden Kleinbetrieb langsam zermürben. Der Gedanke eines allgemeinen ArbeiterkongresseS im Jahre 1802 machte auch die Pioniere der Hamburger Arbeiterschaft mobil, die damit mit den Arbeitern in Leipzig , Berlin usw. in Verbindung kam. Lassalles„Offenes Antwortschreiben" machte aller Unklarheit ein Ende. Eine kleine Schar Hamburger Arbeiter, darunter Aork, Perl. Audorf der jüngere, erklärte sich für Lassalle und warf der unzuverlässigen Fortschrittspartei den Fehdehandschuh hin. J» Ham- bürg entstand eine Mitgliedschaft des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins , die nach einem Jahre 480 Mitglieder zählte. Als diese im September 1804 für den jäh aus dem Leben gerissenen Laffalle Totenfeiern veranstalteten, erklang zum ersten Male Andorfs Arbeiter- und WahlrechtSmarseillaise. Bon Hamburg aus gingen die Sendboten des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins auch hinaus auf schleswig -Holstemsches Gebiet. Laufrnberg gibt von diesen Frühlingstagen der deutschen Arbeiterbewegung nicht nur eine rein geschichtliche Darstellung, er macht auch wohl, als erster, den Versuch, nachzuspüren, welche Ar- beitergruppen und welche Berufe sich vorwiegend der Lassalleschen Organisation anschlössen und welche Gründe diesen Anschluß be- wirkten. Er kommt zu dem Resultat, daß eS Angehörige des in seiner Existenz bedrohten Handwerks und der Manufaktur(Zigarren- arbeiter) sind, die sich dem Allgemeinen Deutschen Arbeiter- verein zuwenden, während sich die eigentlichen Industriearbeiter noch lange zur Fortschrittspartei halten. Was Laufenberg in diesem Zusammenhange über die historische Bedingtheit LassallcS' Agitation und Organisation sagt, verdient weit über den Rahmen der Ham- burgcr Geschichte hinaus Beachtung; eS wäre sehr interessant, wenn seine Theorie auch an anderen Mitgliedschaften des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins nachgeprüft würde. Neben den Anfängen der politischen Organisationen sprießen auS einer lebhaften Streikbewegung die ersten Versuche einer modernen gewerkschaftlichen Organisation. Aber bald sollte die junge Hainburger Arbeiterbelvegung von inneren Kämpfen erschüttert werden. Die Kämpfe innerhalb der Lassalleanischen Organisation tobten in Hamburg mit besonderer Schärfe und werden von Laufenberg mit einer Fülle von Einzelheiten behandelt. Der sachliche Kern des Zwistes war die Frage, ob selb- ständige Arbeiterpartei oder Anhängsel der bürgerlichen Demokratie, der sachliche Streit wurde aber mit großer Leidenschaftlichkeit geführt und nahm häufig die verbitternden Formen persönlicher Befehdung an. In jenen Tagen entstand die auch heute noch beherzigenswerte Mahnung Audorfs: Geist der Liebe, neige Dich zu unsrer Schaar Aller Hader schweige Nun und immerdar. Nie mehr gegen Freunde Zück' hinfort die Wehr, Da ringsum die Feinde Sind wie Sand am.Meer. Inzwischen hatte Bismarcks„Revolution von oben" eingesetzt. Bei der schleswig -holsteinschcn Frage flackerte in der Hamburger Organisation das revolutionäre Feuer des Jahres 1848 noch ein- mal auf. Sie wollte bewaffnete Freiwillige stellen, um-„Schles- wi-g-Holstcin meerumschlungcn" vom dänischen Joch zu befreien. Aber Lassalle wehrte ab. Dann kam 1800 und der Norddeutsche Reichstag; im Allgemeinen deutschen Arbeiterverein hatte der Real- Politiker Schweitzer das Steuer in der Hand. Die Darstellung dieser Periode geht in- Laufenbergs Buche weit über die engen Grenzen einer Lokalgeschichte. Die Hamburger Arbeiterschaft war die zuverlässigste Stütze Schweitzers und hat ihm bis zuletzt die Treue gehalten. Die Wahlkämpfe jener Jahre, die Fehden mit der Gräsin- Hatzfeld, die Entstehung der„Arbeiterschaften" und deren Gegengnindung, der Gewerksgenossenschaften, der Kriegszustand mit den Eisenachern, das Ringen um die Präsiden-tschaft im Allge- meinen deutschen Arbeiterverein werden von Laufenbcrg nicht allein mit wissenschaftlicher Gründlichkeit untersucht, er spürt auch den Wurzeln all-dieser Erscheinungen nach und bietet somit eine wert- volle Ergänzung der entsprechenden Kapitel in Mehrings Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. Die weit ausholende und ins Detail gehende Darstellung Lausenbergs rechtfertigt sich durch die Rolle, die Hamburgs Arbeiterbewegung bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gespielt hat und die Bebel einst zu dem Ausspruch veranlaßte, daß Hamburg die sozialistische Hauptstadt Deutschlands sei. Interessant ist dabei die Erscheinung, daß der Teil der Hamburger Arbeiterschaft, der speziell für Handel und Hafen tätig war. noch bei den ersten Wahlen zum Norddeutschen Reichstage geschlossen auf Kommando der Großhändler gegen den Allgemeinen deutschen Arbeiterverein-marschierte. Es herrschte offenbar noch das„patriarchalische Verhältnis" zwischen dem Handelskapital und seinen Arbeitern, wie es in dem Kaufmanns- roman Gustav Freytags„Soll und Haben" seine literarische Ver- klärung gesunden hat. Eine Parallele findet diese-Erscheinung in dem Verhalten der Berliner Maschinenbauer, die der Fortschritts- Partei Gefolgschaft leisteten und bei der Verhaftung Lassalles in einer Versammlung jubelten. Heute sind Hamburgs Hafenarbeiter und die Jndustriearbeiterschast Berlins die zuverlässigsten Mann- schaften der Arbeiterbewegung. Nachdem Laufenberg die Mückschläge, die der Krieg von 1870/71 der Bewegung versetzte, dann die Wirkungen des Milliardensegens in Hamburg und die ersten Wahlen zum Deutschen Reichstag geschildert hat, kommt er auf den jähen Sturz Schweitzers und die Kämpfe zwischen Lassalleanern und Eisenachern zt» sprechen. Der. Streit um das Charakterbild Schweitzers ist ja jetzt aktuell; Laufen- berg steht auf Seite Mehrings und tritt mit diesem der Ausfasfung Bebels entgegen, der im zweiten- Band seiner Memoire» Schweitzer als Streber und Bismarcksöldling hinstellt. Die Polizei- und Justizverfolgungen der Aera Tessendorf treten auch in Hamburg in Erscheinung und bereiten auch hier die Stim- mung vor. die zur Einigung der feindlichen Brüder in Gotha führte. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei, die Gewerkschaften sowie die Genossenschaftsbewegung nahmen- danach in Hamburg einen vielver- sprechenden Aufschwung. Auf dem politischen wi» auf dem Wirt- schaftlichen Kampffelde stellten die Hamburger Arbeiter ihren Mann, bis die Schüsse der Hödel und Nobiling die Ouvertüre zu dem Schandgesetz abgaben, mit dem Bismarck die deutsche Arbeiter- bewegung erdrosseln wollte. Diese schwere Zeit und den Aufschwung der Hamburger Arbeiterbewegung in den letzten Jahrzehnten wird Genosse Laufenberg in einem zweiten Bande behandeln.— Werke, wie das vorliegende, können und dürfen nicht bloß einen abstrakt wissenschaftlichen Wert haben. Auch bei ihnen muß Lassalles Wort vom Bunde zwischen Wissenschaft und Arbeit seine Geltung haben. Die Sozialdemokratie als junge, aufstrebende Kampfpartei kann die Vergangenheit nicht um ihrer selbst willen durchforschen. für sie muß die Geschichte, auch ihre eigene, eine Lehrmeisterin sein. In diesem Sinne kann das Studium des Laufenbergschen- Buches sehr fruchtbar sein: Es beleuchtetdieTriebkräfte der gesellschaftlichen Entwickelung, die verschlungenen Pfade, die Irrungen und Bruder- kämpfe einer jungen, hoffnungsstarken Bewegung. Die Erkenntnis der Gesetze dieser Bewegung, die Einsicht in früher gemachte Fehler kann den Marsch auf dem noch vor uns liegenden Wege beschtOuiit» gen. Hoffen wir, daß die deutsche Arbeiterbewegung, �te in wenigen Monaten auf ein halbes Jahrhundert ihres Bestehens zurück- blicken kann, in schnellerem Tempo ihrem Zielez der endgültigen Verwirklichung des Sozialismus, zustrebt. Ist im allgemeinen also nur Rühmliches über LausenbergS Buch zu sagen, so weist es doch einen Mangel auf, freilich einen Mangel, der in seinem Vorzug begründet liegt: es ist für das geistige Durchschnittsnivcau der Arbeiter zu wissenschaftlich. Es wird nicht viele Durchschnittsarbeiter in Hamburg geben, die sich durch den umfangreichen Band hindurch gebohrt haben. Die wissen- schaftliche Strenge des- Werkes wird durch den etwas schweren, scholastischen Stil des Verfassers gesteigert. Nur in einigen Kapiteln, so dem vom großen Brande, und bei Schilderungen, die offenbar Wiedergabe persönlicher Erinnerungen sind, ist die Darstellung lebendiger. Aber der angedeutete Mangel wird von Jahr zu Jahr weniger fühlbar werden-. Denn es wächst jetzt ein junges Geschlecht heran, das theoretisch interessierter ist als die im politischen und ge- wcrkschaftlichcn TageÄkampf und in der Kleinarbeit ergrauten Ar- beitcr. lind gerade inHamburg hat in den letzten- JahrendieBUdungZ- arbeit eine energische und systematische Pflege gefunden, und ge- rade Genosse Laufenberg ist es, der diesem Zweige der Bewegung seine Kraft ividmet. Es ist also da Gewähr gegeben, daß die Zahl derer, die die Geschichte der Hamburger Arbeiterbewegung lesen und aus ihr lernen�, von Jahr zu Jahr größer wird. E, O.
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