Nr. 301.
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Mittwoch, den 25. Dezember 1912.
Der Friede und das Schwert.
Höhnisch lacht der Klang der Weihnachtsglocken in die ge- I sie nicht nur schikanieren oder begünstigen kann, die vor allem| leute", deren Handel die Völker und Staaten durch friedliche witterschwüle Stille, die auf Europa lastet. Im St. James- die Arbeiter niederhält, von deren Ausbeutung fie leben, und Bande verknüpft. Palast in London sizen die Abgesandten der Balkanstaaten, zu deren Unterdrückung sie sich selbst zu schwach fühlen. Wie
könnten sie da wagen, sich gegen die Regierung aufzulehnen, wenn sie auch wissen, daß deren Politik ihnen das Mark aus den Knochen saugt?
stehen.
Und doch ist es bis heute nicht zum Kriege zwischen diesen Mächten gekommen, so oft auch die Entscheidung schon auf des Messers Schneide schien. Noch jedesmal schreckten sie im letzten Augenblick doch noch vor der blutigen Entscheidung aurüd.
Im St. James- Palast in London siken die Botschafter in deren Händen heute das Schicksal von Millionen ruht. beisammen, die Vertreter der Großmächte, deren Politik gcWird der Friede zustande kommen? Wird der Krieg von leitet wird von jenen Fürsten und königlichen Kaufleuten, neuem beginnen? In atemloser Spannung lauscht Europa und sie beraten, was jene andere Konferenz der Balkandeleauf das Wort, das über sein nächstes Schicksal entscheiden soll; Der Krieg auf dem Balkan war ein Krieg des jugend- gierten beschließen darf. Und hier, in dieser Konferenz der denn hebt das furchtbare Ringen von neuem an, dann sind lichen Kapitalismus dieser Länder. Er entsprach allerdings Großmächte, treten sie hervor, die kapitalistischen Gegensäge alle Furien losgelassen, dann steht die Welt in Flammen. auch dem Willen der kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen und die dynastischen, und mit höflichen Worten zückt jeder Was dann zur blutigen Entscheidung käme, das wären gerade Massen, denn das Volf erwartete von ihm die Befreiung von den Teilnehmern sein Schwert, und dessen Länge bedie Fragen, an deren Austragung Rußland , England, Dester- aus unhaltbaren Zuständen. Aber diese Zustände stimmt das Recht. Das Wohl der Balkanvölker, das Blut, reich und Italien das stärkste Interesse haben, der Besitz waren nicht nur der türkischen Zwangsherrschaft zu mit dem sie die Schlachtfelder gedüngt haben, was kümmert Konstantinopels und der Zugang der Serben zur Adria; ein danken, sie waren zurückzuführen auf die dynastische Politik das die Diplomaten? Sie sind zu Vertretern der Bourgeoisien allgemeiner Krieg wäre dann fast unausbleiblich, und was der Balkan - Fürsten überhaupt und auf die imperialistischen und der Potentaten ihrer Länder bestellt, und ihre Stimme das bedeuten. würde, das vermag heute die kühnste Phantasie Gelüste der Großmächte, deren gefügige Diener und Agenten hat so viel Gewicht als Bajonette und Kanonen hinter ihnen nicht abzuschätzen, die Einbildungskraft erlahmt vor dieser jene Fürsten stets waren, die die Selbständigkeit und das Fülle des Entsetzens. Gedeihen ihrer Länder jederzeit um ihres eigenen Vorteils Und in diesem Augenblick, mitten in dieser lastenden willen verrieten. Um die wirtschaftlichen Forderungen des Stille, die jeden Augenblick in den wütendsten Orkan über- Bauern und des Bürgers auf dem Balkan zu verwirklichen, dazugehen droht, erschallen abermals wie jedes Jahr zum zu war aber nicht ein Krieg notwendig, der das Land verwüstet Christfest die frommen Lieder vom Frieden auf Erden, und und die Menschen mordet, der ungeheure Reichtümer vernichtet Schiller hat den Frieden als lieblichen Knaben gesehen; von allen Kanzeln tönt das Gebet um Frieden von denselben und die wirtschaftliche Entwickelung um Jahrzehnte zurückRippen, die bereit sind, morgen den Sieg herabzuflehen auf wirft; hätten sich die Balkanvölker zu einer Republik ver- er lagert auf sonnigem Rasen, um ihn grasen die hüpfenden die Waffen des zur Massenschlächterei ausziehenden Heeres, einigt und ihre Fürsten dorthin gejagt, wohin sie gehören, Lämmer, und Murmeln des Baches wiegt ihn in sanften Schlummer. Entspräche der Friede auch heute noch diesem wie sie gestern gehetzt haben zu militärischer Begeisterung für sie hätten sich wirtschaftlich und politisch unabhängig ſtellen, idyllischen Bilde, die wilden Kriegsfurien hätten ihn längst den Krieg für Thron und Altar, für Gott, König und sie hätten ihre Wirtschaft und ihr nationales Leben ungeVaterland. Waren es doch gerade die Pfaffen, die in Italien hemmt und rasch entwickeln können, sie hätten alles erreicht, fchon zerrissen, und über seine Leiche hinweg tobte der am lautesten nach dem Blut der Araber und Türfen in was sie jetzt vom Kriegsglück vergeblich erhoffen. Denn diefer rasende Kriegsreigen. Aber heute ist der Friede in sichererer Tripolis schrien, und wieder sind es die Pfaffen und ihre Frieden wird aus dem Balkan noch immer kein einheitliches Sut. Nicht die Schalmeientöne bürgerlicher FriedensPresse, die in Desterreich die schamlosesten Lügen verbreiten, Wirtschaftsgebiet machen, er wird aber die Stellung, der schwärmer schüßen ihn, nicht das sanfte Geblök flerikaler um den beschränkten Spießbürger, der ihnen trotz aller nach- Dynastien in den verbündeten Staaten festigen und so ihren Schafe, ihn schirmt die wuchtige Faust des Arbeitsriesen; des gewiesenen Betrügereien noch immer glaubt, zu sinnloser Wut gegenseitigen Intrigen noch erhöhte Bedeutung verleihen, Proletariats, das sich drohend jedem entgegenstellt, der es gegen Serbien aufzustacheln. Und da sollen wir den Kündern und so werden die Großmächte neuerdings Gelegenheit er- wagen will, seinen Schützling anzugreifen, und das wohl der Lehre Jesu, die vor Entsetzen bei dem Gedanken schaudern, halten, die Staaten gegen einander auszuspielen und die weiß, daß, wer den Frieden will, nicht davor zurückschrecken daß die rote Internationale die heiligen Räume eines wirk- Fürsten gegen die Völker; die Rüstungen aber, deren Gewicht darf, ihn zu erkämpfen. Und das Proletariat ist sich dabei auch bewußt, daß es lichen Münsters durch ihre Friedensdemonstration entweihte, diese noch kapitalistisch unentwickelten Länder völlig niederes glauben, wenn sie in diesem wie in jedem Jahre an dem drückt, werden noch weiter gesteigert werden. Schon ersticht nicht nur für sein eigenes Interesse ficht, sondern zugleich bestimmten Tage wieder beginnen den Frieden zu preisen? das siegreiche Japan unter der furchtbaren Last der für das der Zukunft der Menschheit. Das Proletariat wird Aber die Pfaffen der Kirche werden nicht die einzigen Rüstungen, die ihm sein Sieg auferlegt, die Bevölkerung ver- schließlich siegen, ob auf blutiger Walstatt, ob in friedlichem sein, die heute mit heuchlerischem Augenaufschlag den Frieden kommt in Elend und Not, während die Brutalität der Re- Vertrag; aber für die Menschheit und ihre heiligsten Güter verherrlichen. Wie schön kleidet doch der Friedensmantel den gierung erstarkt und jeden Keim demokratischer Bewegung ist es nicht gleichgültig, ob ein Krieg die Arbeit von JahrZeitungsschmock, der das ganze Jahr gegen die hochberräte- erstickt. Wird das Schicksal der Balkanstaaten ein besseres zehnten vernichtet und uns in ein Zeitalter der Wildheit, der rische rote Rotte tobt, die dem geliebten Vaterland die not- sein? Was haben die blutigen Siege den Balkanvölkern Bertierung zurückwirft. Wir scheuen nicht den Kampf, und wendige Rüstung versagt, die das Militärbudget verweigert. Gutes gebracht, was ihnen die friedliche Republik nicht in eben deshalb erklären wir den Krieg der Bestialität des Wie weich wird doch dem guten Bürger die Stimmung in viel reicherem Maße und ohne alle die blutigen Opfer zuerHerz und Gedärmen, wenn er am Weihnachtsmorgen in teilt hätte?
Krieges.
Wir wollen das Wenige, was der Kapitalismus uns an Kultur gebracht, was wir mit blutigem Schweiß errungen, seinem Leibblatt von den Schönheiten des ewigen Friedens Wir Sozialisten von heute teilen nicht mehr die Illusionen nicht verwüsten lassen, wir wollen es erhalten für den Sozialiest, um den sich der jeweilige Landesvater im lektvergange- vieler Demokraten von 1848, die von der republikanischen lismus, der erst aus diesen dürftigen Keimen reiche Saat nen Jahr natürlich wieder unsterbliche Verdienste erworben. Staatsform unmittelbar auch die Erfüllung der sozialen sprießen lassen wird. Die bürgerliche Welt verlacht uns, sie Und an diesem Tage, wo die Rührung den Geldsack ergreift, Forderungen der arbeitenden Volksklassen erwarteten. Aber erklärt den Sozialismus für ein Phantasiegebilde, für einen als hätt' er Lieb im Leibe, da öffnen auch die großen Blätter sollte sich in unseren Reihen wirklich jemand gefunden haben, Spuk; sie glaubt nicht an ihn, nicht an sein Kommen. Aber den„ Friedensfreunden" weit ihre Spalten; wenigstens ein- der enttäuscht nun glaubte, die Staatsform sei überhaupt wer hinaushorcht in die brütende Stille, die heute über der mal im Jahre dürfen sie sich hier ausleben, indem sie die gleichgültig, deffen Augen mußten jezt durch den Balkankrieg Welt lastet, der hört von ferne seinen wuchtenden Tritt, und Herrscher preisen, denen es bisher gelungen, ihren Völkern geöffnet werden. Vergegenwärtigt man sich, wie das Schick- wer sich nicht völlig blenden läßt vom Licht des Alltags, der den Frieden zu erhalten, oder die, wenn sie radikal sind, sich fal dieser hoffnungsreichen Länder sich gestaltet hätte, wenn sieht den Schatten, der ihm vorausgeht. Und auch die, die zu der Behauptung aufschwingen, der Friede der Welt wäre es ihnen gelungen wäre, sich von allen ihren Fürſten zu be- nicht an ihn und an sein Nahen glauben wollen, auch sie erverbürgt, wenn die Diplomatenposten nicht mehr mit bor - freien und sich zu einer Föderativ- Republik zusammen zu blicken diesen Schatten, und sie zittern vor ihm, vor der nierten Junkern, sondern mit versierten Handlungsreisenden schließen, wie es das Programm unserer Genossen verlangt, sozialen Revolution. Dieser unheimliche, ungreifbare Dann kann man auch ermessen, wie ganz anders die Geschichte Schatten, der tiefer und dichter wird, so wie die Kriegsfacel besetzt würden. Betrachtet man diese ganze traurige Gesellschaft von Europas verlaufen wäre, wenn das deutsche Bürgertum nicht auflodert, er ist es, der das Herz derer erschaudern, ihre Hand Heuchlern und von Narren, man wäre versucht, daran zu ver- schon vor 60 Jahren zu feige gewesen wäre, um sein Schicksal erlahmen läßt, die falten Blutes die Millionen zur Schlachtzweifeln, daß es in der bürgerlichen Welt überhaupt noch ehr- in die eigene Hand zu nehmen, wenn die nationale Einigung bank senden würden. Wir streden ihm vertrauensvoll die liche Friedensfreunde gibt. Und doch schreckt auch der fried- Deutschlands durch die Errichtung einer bürgerlichen' Repu- Sände entgegen, dem leuchtenden Gott, der in der einen Hand liche Kleinbürger zurück vor den namenlosen Greueln eines blik und nicht durch dynastische Kriege verwirklicht worden das Schwert hält, in der anderen den Balsam für das Herz modernen Krieges, auch er stöhnt unter der Last der Steuern, wäre, die Deutsch- Desterreich vom Reiche losrissen und dafür der Bertretenen. Die Mächtigen der Erde wenden sich ab, sie die auch ihm das Wettrüsten auferlegte. Aber er wagt nicht das halbfranzösische Lothringen zum Reiche schlugen und wollen ihn nicht sehen, aber sie erzittern vor seinem Schatten; und darf nicht wagen, die Konsequenzen zu ziehen; denn er damit Europa in zwei feindliche waffenſtarrende Heerlager denn sie wissen, daß eine furchtbare, erbarmungslose Hand if abhängig von jenen Gewalten, die den Krieg oder doch spalteten. Natürlich wären auch dann nicht alle Gegenfäße den erfaßt und vernichtet, der auf dem blutgetränkten Pfad wenigstens das Wettrüsten wollen, die danach verlangen, an beseitigt gewesen; auch dann hätte sich der kapitalistische Im des Krieges strauchelt, und diese Angst ist es, die ihren Fuß dem Weltbrand ihr Süppchen zu kochen. Und sie fühlen diese perialismus entwickelt und die Bourgeoisien der einzelnen zaudern läßt, diesen Pfad zu betreten. Wir aber blicken ihm Abhängigkeit, aber sie wollen sich sie nicht eingestehen. Sie Staaten gewappnet gegeneinander geführt; aber die bürger- freudig entgegen, der die Pforten sprengt, durch die wir einfind heute meist nur mehr die Agenten der großen Kapital- lichen Gegenfäße und Kämpfe wären wenigstens nicht noch ziehen werden in das Reich des wirklichen Friedens. mächie oder leben doch von deren Gnade. Sie wissen, daß durch dynastische Zwistigkeiten und Intrigen verschärft und eine Handbewegung ihrer Zwingherren hinreicht, sie zu ver- berfälscht worden, und vor allem wäre die innere Politik des nichten. Wie sollen sie da den Mut aufbringen zum Kampf Deutschen Reiches ganz andere Bahnen gewandelt. wider deren Wunsch und Willen? So befolgen sie die Taktik der Schwachen und Feigen, sie heulen mit den Wölfen und noch lauter als diese.
Doch noch sind wir nicht so weit, heute ist der Friede bedroht von allen Seiten, er ist angewiesen auf unseren bewaffneten Schutz. Und wie einst der Nazarener, dessen GeAber wer von unseren bürgerlichen Friedensfreunden burtstag die Frommen heute feiern, seinen Zeitgenossen, so und Harmonieaposteln wagt es, diese Konsequenzen zu ziehen? ruft heute das Proletariat der bürgerlichen Welt die Sie kazbuckeln vor dem Friedenszaren", dessen Hände von Worte zu: dem Blut seines eigenen Volkes triefen; sie rufen Hosiannah Ich bin nicht gekommen, euch den Frieden von der Verwaltung, von der Bureaukratie abhängig, die über die Könige und Fürsten und über die„ königlichen Kauf- zu bringen, sondern das Schwert."
Aber diese unsicheren, schwankenden Existenzen sind auch