GcwerhlcbaftUcbes. Büßes 6lend! Unter keinem Weihnachtöbaum ivird Honigkuchen, Marzipan oder sonstiges Zuckerwerk fehlen. Von Jahr zn Jahr wird auch in Arbeiterkreisen immer mehr und mehr davon verbraucht. Was in früheren Zeiten als Delikatesse nur den Bessersituierten zugänglich war, ist heute zum Genuß- und Bedarfsartikel der breiten Masse getvorden. In den letzten Jahrzehnten ist nun in diesem Beruf eine gewaltige Industrie entstanden, große Fabriken beschäftigen Tausende von Arbeitern und Arbeiterinnen. Die gelernten Arbeiter dieses Berufes aber träumen immer noch von der früheren handwerksmäßigen Zeit und finden so nicht den Weg zu ihrer Organisation. Die Arbeite- rinnen stehen ihnen nun als Konkurrenten gegenüber und ver- drängen sie immer mehr und mehr. Diese Verhältnisse zeitigten Löhne, welche man als menschenwürdig nicht mehr bezeichnen kann. Ist es doch selbst in Berlin keine Seltenheit, daß gelernte Arbeiter, selbst verheiratete, noch Wochenlöhne von 21—�3 M. erhalten. Bei den Arbeiterinnen gehen die Löhne bis auf 6 M. pro Woche zurück. Eine der größten Fabriken beschäftigt Hunderte von jugendlichen Arbeiterinnen, welche alle vierzehn Tage in ihrer Lohntüte nicht viel mehr als ein Zehnmarkstück finden. Nach außen aber machen alle diese Fabriken mit so- genannten Wohlfahrtseinrichtungen eine Riesenreklame. Der Arbeiter oder die Arbeiterinnen, welche irgend welchen Vorteil davon gehabt haben, sind freilich mit der Laterne zu suchen. Mit allen Mitteln suchen die Fabrikanten zn verhindern, daß ihre Arbeiter sich organisieren, denn dann würden solche Löhne nicht mehr möglich sein. Spitzel und Angeber werden gezüchtet. Man scheut sich nicht, solchen Elementen, welche ihre Kollegen in den Versammlungen bespitzeln oder Angaben darüber machen, wer der Organisation angehört, Geldprämien anzubieten. Die Maßregelungsivut der Fabrikanten feiert wahre Orgien. Alle diese Maßnahmen können es aber nicht hindern, daß auch hier die Organisation sich immer mehr ausbreitet und die Verhältnisse drängen dahin, daß der Kampf gegen diese verlotterte Wirtschaft auf der ganzen Linie aus- brechen muß. Dabei haben große Teile dieser Arbeiterkategorien den Weg zur Organisation noch nicht gefunden, selbst Fa- milienangehörige unserer Parteigenossen nicht! Unter diesen Umständen ist es Aufgabe unserer Partei- und Gewerkschafts- genossen, überall, Ivo sie Gelegenheit haben, auf die Arbeiter und Arbeiterinnen dieses Berufs einzuwirken, daß sie auch dieser gewerkschaftlichen Pflicht nachkommen. Der Verband der Bäcker und Konditoren Ivird auf Wunsch diese Arbeiter und Arbeiterinnen auch in ihren Wohnungen aufsuchen lassen, um sie daselbst für die Organisation zu ge- Winnen. Die Adresse seines Berliner Bezirksleiters ist Engel- ufer 14. Denke also in der Weihnachtszeit ein jeder daran, daß es auch in diesem Beruf möglich wird, zeitgemäße Arbeits- bedingnngen zu erkämpfen!_ Berlin und Umgegend. Spitzel in Privatbetriebe». Vor einiger Zeit berichtete der Transportarbeiterverband im „Vorwärts", daß die Firma Johannes Gerold einen Privat- detektiv Fritz P e r s e k e, Schwerinstr. 10 wohnhaft, in ihrem Betriebe als Lagerarbeiter beschäftige. Die Anstellung dieser Art von„besonders nützlichen Elementen" scheint in der Privatiudustrie Mode zu werden. Wohlgemerkt! Es handelt sich dabei nicht um jene charakterlosen Aucharbeiter, die sich bei ihren Porgesetzten durch Zuträgereien anzuschmarotzen suchen, sondern um die Einstellung wirklicher Detektive, bei denen die Arbeilstätigkeifi nur als Porwand für ihre Anwesenheit gilt. Merkwürdigerweise geht die An- stellung solcher Leute fast immer parallel mit dem Versuch, Gelbe im Betrieb zu züchten. Auch bei der Firma Hirschhorn, Lampen-, Kochapparate- und Heizöfenfabrik in der Köpenicker Straße , ist das der Fall. Dort mußte vor einiger Zeit die Arbeiter- schast in einer Betriebsversammlung die Entlarvung eines solchen Spitzels vornehmen. Ein Vertreter des Metallarveiterverbandes verlas folgenden Brief, den ein gewiffer Franz Berg an die Direktion des Betriebes gerichtet hat: Werter Herr Direktor! Wenn ich heute an Sie schreibe, so geschieht es nur, um Ihnen mitzuteilen, daß ich manches Wissenswerte erfahren habe. Die Sachen sind viel zu heikel, um darüber zu schreiben, denn manches ist mir noch heute unglaublich mitzuteilen, ob in Wochen oder Monaten, das ist gleich. Zum Teil kann ich Ihnen meine Behauptungen beweisen, für den Rest kann ich auf Wunsch Be- weise erbringen. Ich kann Ihne n auch die Leute b e- zeichnen, von denen organisatorisch die Pro- paganda ausgeht. Ich kann Ihnen erklären, wie Gegen- stände und Waren aus der Fabrik entwendet werden. Ich habe, ohne meine Gewährsleute zu nennen, positive Beweise von an- gesehenen Arbeitern. Das Verhältnis der weiblichen zu den männlichen Arbeitern, speziell zu manchen Meistern, ist unmoralisch durch und durch. Ich spreche hier von Ausnahmen. Ich habe vieles erfahren, glaube aber, daß es noch nicht der vierte Teil ist. Da ich meine Arbeit bisher ernst und in erster Linie erledigte, so konnte �ich meine Ermittelungen nur nebenbei und vorsichtig machen. Ich werde mein Material niederschreiben und Ihnen, sobald Sie meinen Vortrag entgegennehmen wollen, die Sache mündlich mit- teilen. Für meine glaubwürdigen Ausführungen bürgen meine Be- weise, dann erstklassige Zeugnisse er st er Detek- t i V e. Bemerken will i ch noch, daß ich durch Empfeh- lung des Herrn Polizeirat Litz manch großen auswärtigen Auftrag übernahm und aus- führte. Da ich zu jener Zeit mit Erfolg Honorare manchmal über 600 M. im Monat verdiente, so wäre die Frage berechtigt, wes- halb ich nach Verlust meines Vermögens nicht wieder zu meinem alten Beruf zurückgekehrt bin.— Tie Antwort ist, das; ich ver- heiratet bin, nicht im Jahre 10 Monate in Deutschland und Ausland unterwegs sein mag, dann wurde ich bei Bremerhaven am Ende meiner Detektivtätigkeit nicht unerheblich angeschossen. Nur im äußersten Notfall greife ich darauf zurück. Wenn meine Mitteilungen mal für Sie von Interesse sind, dann erbitte ich Bescheid. Mit ergebenster Hochachtung! gez.: Franz Berg. . In diesem Brief rühmt sich der Spitzel der Direktion gegen- über, daß er in dem Betriebe sehr gute Verbindung habe, mit den ältesten Arbeitern verkehre und der Direktion somit die besten Be- richte geben könne. Der Mensch war auch, wenn er mit den Ar- beitern zusammenkam, sehr freigebig; man muß annehmen, daß die Direktion ihm diese Ausgaben nicht nur zurückerstattete, sondern darüber hinaus gegen Bezahlung alle Berichte dieses Spitzels ent- gegennahm. Derselbe Franz Berg hat beim Streik in der Gelb- Metallindustrie die Firma schon einmal durch seine Arbeitswilligen- dienste unterstützt. Er war dann einige Jahre fort, während wel- chcr Zeit er im Dienste der Polizei stand. Nach der erfolgten Entlarvung wurde von feiten der Vereinigung der Berliner Metall- ivarenfabrikanten telephonisch beim Deutschen Metallarbeiterverband der Wunsch ausgesprochen, wegen dieser Spitzelgeschichte eine Sitzung �KerantwTRedakt.: Alfred WielePP, Neukölln. Inseratenteil verantiv. im Bureau des Ilnternehmerverbandes abzuhalten. Ter Metallarbeiterverband lehnte das ab. Der Spitzel sei entlarvt, und die Arbeiter des Betriebes seien vor diesem Menschen gewarnt. Tarauf wurde dem Deutschen Metallarbeiterverband mitgeteilt, daß der Mensch von der Firma entlassen sei, weil er„seine Befugnisse über- schritten" habe. Er habe von der Firma nur den Austrag erhalten, eventuelle Diebstähle zu beobachten. Nachdem der Metallarbeiter- verband diese Stütze der Firma Hirschhorn entlarvt hat, wird sie also fallen gelassen. Vielleicht taucht Herr Franz Berg jetzt ander- wärts als biederer Arbeiter und Auchkollege wieder auf, um die Leute festzustellen,„von denen organisatorisch die Propaganda ausgeht"._____ Zur Tarifbcwcgung im Holzgcwerbc. Dem Arbeitgeberschutzverband der Holzindustriellen gefällt es nicht, daß seine Kampfesvorbereitungen öffentlich be- sprachen werden. In der letzten Nummer seiner„Fachzeitung" wird der„Vorwärts" bös angefaucht, weil er in seinem Artikel in der Nummer L94 vom vorigen Dienstag die vom Schutzverhand- an seine Mitglieder gerichtete Mahnung zur Einschränkung der Betriebe als eine Vorbereitung zur großen Aussperrung gedeutet hat. Mit gut gespielter Entrüstung schreibt die„Jach- zeitung": „Wir bestreiten ihm ldem„Vorwärts") dazu jegliches Recht, und wir können daraus Anspruch machen, daß man unsere Aus- lassungen für dasjenige nimmt, was sie besagen." Die„Fachzeitung" hätte sich diese Entrüstung sparen können, wenn sie ihr„dringendes Wort zur Mahnung" noch einmal nach- gelesen hätte. Gleich im ersten Absatz heißt es da: „Krieg oder Frieden— das ist die Losung; nicht nur aus politischem Gebiet da draußen, auch bei uns da- heim im wirtschaftlichen Getriebe vermag niemand zu sagen, ob friedliche Verständigung das Feld behaupten, ob Kampf es geben wird." An einer anderen Stelle des Artikels wird ausgeführt:„Falls es, sei es um den Orient da draußen, sei es— anderswo zu weit ausholendem Kriege kommt..." Das genügt wohl zum Beweise dafür, daß wir die Mahnung der„Fachzeitung" richtig gedeutet haben, als wir sie als eine Vorbereitung zur großen Aus- sperrung ansahen. Bei dieser Gelegenheit sei übrigens auch erwähnt, daß laut offizieller Ankündigung in der gleichen Nummer der..Fachzeitung", die an ihrer Spitze das erwähnte dringende Mahnwort enthält, die T i s ch l e r i n n u n g e n in Neukölln, Charlotten- bürg und Steglitz bereits beschlossen haben und die B e r- l i n e r Tischlerinnung im Begriff steht, sich korporativ dem Arbeitgeber schutzverband für das deutsche Holzgewerbe anzuschließen. Das sind jedenfalls auch An- zeichen dafür, daß die Unternehmer im Holzgolverbe von den fried- lichsten Absichten beseelt sind. Wer aber noch daran zweifeln wollte, wird durch den Schlußpassus der Ankündigung eines Besseren be- lehrt. Da wird einigen achtzig namentlich aufgeführten Firmen eröffnet,„daß ihre Einzelverträge mit dem Deutschen Holzarbeiterverband mit dem lö. Februar 1913 erlöschen und nicht mehr erneuert werden dürfen, da sie keinerlei Rechtsverbindlichkeit besitzen würden". Wo der Jnnungsvorstand, gezeichnet C. R a h a r d t, das Recht hernimmt, Verträge, die nach ihrem Wortlaut ein Jahr weiter- laufen, sofern sie nicht gekündigt wurden, einfach als er- loschen zu erklären, ist nicht recht erfindlich, wir hoffen aber, daß die Berliner Tischlerinnung noch Gelegenheit nehmen wird, die Oeffentlichkeit über die Rechtsgrundsätze zu unterrichten, von denen sie sich leiten läßt.— Fassen wir aber alle bisher bekannt gewordenen Tatsachen zusammen, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Arbeitgeberschutzverband für das deutsche Holz- gewerbe umfassende Vorbereitungen für eine große Aussperrung trifft, wenn er es auch für zweckmäßig hält, diese offenkundige Tatsache der Oeffentlichkeit gegenüber zu leugnen. Deutscher Bauarbeiterverband. Aus der Wahl der Delegier- ten zum Verbandstag sind als gewählt hervorgegangen: von der Sektion der Gips- und Zementbranche die Kollegen Gohlke und Haese; von der Sektion der Putzer der Kollege Lein nie; von der Sektion der Isolierer der Kollege Hinze; von der Sektion der Fliesenleger der Kollege Stege mann; von der Sektion der Baubilfsarbeiter die Kollegen Schilling, F a l k e n b e r g, Heidemann und R ö s er; von der Sektion der Maurer die Kol- legen Winzler, Thöns, Lehmann und Hanke. Der Vorstand des Deutschen Bauarbeiterverbandes, Zweigverein Berlin . Im Cafe Humboldt, B a d st r a ß e 6 4, wo bisher Anerkennung der Organisation und des Arbeitsnachweises bestand, hat der In- haber Dabbert ohne jeden Grund, nur um den ohnehin geringen Tariflohn zu sparen, die organisierten Gehilfen ausgeschaltet und Gelbe dafür eingestellt. Verhandlungen ist dieser Herr nicht zu- gängig. Der Betrieb ist für organisierte Gehilfen bis auf weiteres gesperrt. � Verband der Gastwirtsgehilfen, Zweigverein der Cafeangestellten. Achtung, Gummiarbeiter! Entgegen den im� Umlaufe befindlichen Gerüchten über den Betrieb Metzeler u. Co., Mühlenstraße, bemerken wir, daß die Firma resp. deren Asbestabteilung nach wie vor für jeden organisierten Gummiarbeiter gesperrt ist. / Verband der Fabrikarbeiter. Herr Kolonialwarenhändler Schrab, Neukölln, Weisestraße Ecke Ockerstraße, teilt uns zu der Notiz vom Sonntag„Zum Boykott der Halberstädter Würstchen usw." mit, daß er keine Würstchen der Firma Christian Förster führe und auch nie solche geführt habe. Fröhliche Weihnachten!„Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!" So dachte der Aufsichtsrat von der Deutschen Bierbrauerei in Pichelsdorf, indem er fünf Böttchern und einem Teil der Brauereihandwerker, Tischlern, Zimmerern. Maurexn, Malern usw., die Kündigung zum 31. Dezember 1912 zustellte. Angeblich sind die Löhne der Böttcher und Handwerker zu hoch und die Dividenden für den Aufsiehtsrat zu gering. In Zukunft sollen die Böttcherreparaturarbeiten sowie Arbeiten für die Handwerker außerhalb der Brauerei vergeben werden. Unter den Gekündigten befinden sich Personen, die ununterbrochen achteinhalb Jahr im Betriebe angestellt sind und solche, die ein Alter von 60 Jahren überschritten haben. » DcurlcKes Reich. Die Bewegung der Saarbergleute. Am Montag fanden Verhandlungen zwischen dem Reichstags- abgeordneten Basser mann, in dessen Begleitung sich der Vor- sitzende des Nationalen Vereins Prof. Herwig befand, mit dem Leiter der fiskalischen Berggruben Geheimrat Fuchs statt über eine Beilegung des drohenden Bergarbeiterstreiks im Saarrevier. Die Gewerkschaftsführer hatten den Professor Herwig offiziell um seine Vermittelung ersucht. Geheimrat Fuchs zeigte sich ent- gegenkommend, indem er erklärte, daß er eine ausführliche Er- läuternng zu den strittigen Paragraphen an die Gesamtbelegschaft gelangen lassen werde, die jede mißverständliche Auslegung und Anwendung der neuen Bestimmungen ausschließe und die auch bei Rechtsstreitigkeiten am Berggelverbegericht berücksichtigt werden müssen. Bei der zugesicherten loyalen Handhabung der gesamten Arbeitsordnung soll es außerdem verbleiben. Zur Lohnfrage er- klärte darauf der Vorsitzende, daß die Löhne im Oktober und No- vember gegen das Vierteljahr vorher bereits um IS Pf. pro Schicht gestiegen seien. Soweit sich nun übersehen lasse, entwickelten sich die Verhältnisse günstig, so daß seine Voraussetzung, eine weiter- gehende Lohnsteigerung werde eintreten, für die nächste Zeit als IldGlocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u, Perlagsanjtalt erfüllt anzusehen ist. Unter der weiteren Voraussetzung, daß die Bergleute selbst Störungen und Streiks vermeiden und die Leistun- gen hochhalten, sei sein Versprechen, eine Lohnerhöhung eintreten zu lassen, bindend. Eine Antwort der Belegschaft auf diese AuS- kunft des Präsidenten der Saarbrücker Bergwerksdirektion kann erst nach dem Feste erfolgen. Wie sie ausfallen wird, ist nicht voraus- zu sehen. Die Leitung der Christen tat bisher außerordentlich radikal.„Was auch die Bergverwaltung sagt, schreibt oder drucken läßt, ist. für Euch völlig gleichgültig. Ter Beschluß ist gefaßt." So verkündet ein Flugblatt des christlichen Gewerkvereins. Die Er- bitterung unter den Bergleuten ist auch derart gewachsen, daß, wenn nicht bis zum 2. Januar die Forderungen der Saarbevg- arbeitet in der Hauptsache erfüllt sind, der Streik seinen Anfang nehmen muß. Die Fördermaschinisten sind allerdings gegen den Streik. In Saarbrücken hielt der Verband der Fördermaschinisten eine Ver- sammlung ab. Es wurde beschlossen, die Arbeit nicht einzustellen, da bei einem Streit im Saargebiet die Sozialdemokraten die Lachenden seien. Tie„Deutsche Bergwerkszeitung", ein UnterneHmerorgan, rechnet auf Unterhandlungen durch die Regierung. Sie sagt: „Nachdem Staatssekretär Delbrück vor kurzem erst im Reichstage die Ansicht ausgesprochen hat, daß das Fortbestehen der christlichen Gewerkschaften zu wünschen sei, wird die Regierung nicht umhin können, mit dem Gewerlverein zu verhandeln." Das Unternehmer- organ erkennt an, daß die Löhne des Saarbergmannes ungenügend seien, es bertröstet aber die Bergarbeiter auf die Hilfe durch das Parlament und warnt sie, etlvas zu unternehmen, ehe ihre Be- schwerden im Parlament gründlich geprüft und durchgesprochen sind. — Geprüft und durchgesprochen wurden die Beschwerden des Saar- bergmannes im Parlament schon oft genug, ohne daß ihm je ge- Holsen wurde, so daß selbst den christlichen Führern der Glaube an die Hilfe des Parlaments schwand. Sagte doch Hüskes, der frühere christliche Generalissimus an der Saar :„Wer glaubt, daß der preußische Landtag etwas für die Bergarbeiter tut, ist unheilbar verrückt." Bütteldienst. „Lästig gefallen"— wie der polizeitechnische Ausdruck für Aus- länder in Preußen-DcUtschland lautet, wenn sie sich wider den kapitalistischen Herrenstandpunkt aufbäumen— war dadurch der aus Liebau in Oesterreich geborene, 28 Jahre alte Weber Her- mann Walter in Duisburg , daß er sich an einem Streik beteiligte. Der Mann war nicht etwa agitatorisch hervorgetreten. Lediglich seine Beteiligung an der Vertretung der Arbeitersache hatte genügt, um ihn �als„lästigen Ausländer" noch monatelang nach Beendigung des Streits zn verfolgen. Und wie prompt die Behörde arbeiten konnte! Am 2. Juni er. begann der Streik und schon vom 3. Juni datiert der Ausweisungsbefehl! Daß die Ordre den Verfolgten erst jetzt erreicht hat, ist darauf zurückzuführen, daß Walter auf die Weiterarbeit bei der bestreikten Firma Gebr. Schulz in Duisburg verzichtete und Duisburg den Rücken gekehrt hatte. Er war nach einigen anderweitigen vergeblichen Bemühungen in Hannover -Linden seßhaft geworden, hatte dort eine ihm zusagende Arbeit gefunden und fühlte sich dort erheblich wohler, als in Duisburg . Plötzlich nun, 8 Tage bor dem christlichen „Friedensfeste", trifft ihn der Bannstrahl der Ausweisung, wonach er innerhalb 8 Tagen das preußische Staatsgebiet zu verlassen hat! — Ein Opfer kapitalistischer Rachsucht mehr. Llcht Woche» unschuldig in Untersuchungshaft. Tie Finna Bestehorn in Aschersleben suchte den Kampf der Papierwarenarbeiter dadurch abzuwürgen, daß sie den Streikenden und Ausgesperrten sowie den Vertretern des Blichbinderverbandes einen ganzen Rattenkönig von Anklagen und Prozessen auf den Hals hetzte. Ja, selbst am Streik völlig Unbeteiligte suchte sie inS Gefängnis zu bringen. Das gelang zwar nicht in dem gewünschten Maße, aber eins ihrer Opfer, der Buchbinder G r o h, hat acht Wochen lang unschuldig im Gefängnis sitzen müssen, weil er an- geblich an den Bezirksleiter des Buchbinderverbandes K o r n a ck e r fünf bis sechs Adressen von Kunden der Firma gegeben und damit „unlauteren Wettbewerb" getrieben haben sollte. Unlauterer Wett- bewerb, daß Gott erbarm'! Steht doch auf den meisten Ver- Packungsartikeln groß und breit die Firma der Kunden verzeichnet, und es ist doch wahrlich kein Geheimnis, wo diese Verpackungen angefertigt werden. Aber die Firma Bestehorn huldigt der Abschreckungstheorie. Die Streikenden und ihre„Helfershelfer" sollten eingeschüchtert werden, und man kann gerade nicht sagen, daß Polizeibehörden und Justiz dieser Absicht der Firma hindernd in den Weg traten. Am 29. Oktober wurde der Buchbinder G r o h auf das Aschers- lebener Polizeiamt geladen und sofort verhaftet. Wegen Kon- klusionSgefahr und weil G r o h Ausländer sei, wurde der von seinem Verteidiger gestellte Antrag auf Haftentlassung abgewiesen und dem Verteidiger nicht gestattet, mit G r o h ohne Aufsicht eine Aussprache zu führen. G r o h saß erst in Aschersleben und seit mehreren Wochen in Halberstadt im Gefängnis. Am 28. Dezem- ber sollte nur vor dem dortigen Landgericht die Verhandlung gegen Groh stattfinden. Nach dem Urteil erfahrener Juristen hätte diese mit einer Freisprechung G r o h s enden müssen. Das wäre nicht nur eine Blamage für die Firma B c st c h o r n gewesen, auch die Justiz hätte sich dadurch wahrlich nicht mit Ruhm bedeckt. Ilm dem vorzubeugen, verfielen die Herren Kommissions- räte B e st e h o r n auf den früher angewandten Trick, sich als „Bahnbrecher auf dem Gebiete der werktätigen sozialen Reform- arbeit" anpreisen zu lassen. Am 19. Dezember ließ nämlich der Prokurist der Firma einen Kollegen G r o h s ins Kontor rufen und erklärte ihm, daß die Herren" B e st e h o r n den Strasantrag gegen Groh zurückgezogen hätten; sie ließen dazu noch folgendes sagen:„Wir haben aus den bisherigen Verhandlungen ersehen, daß Ihr Kollege Groh der Verführte ist, und da die Firmeninhaber nicht wünschen, daß Grohs Familie darunter leidet, die die bevor- stehenden Festtage ohne ihren Hausvater verleben müßte, die Firmeninhaber aber das Vergehen Grohs durch die Untersuchungs- Haft für vollständig verbüßt erachten, so hätten sie den Strafantrag zurückgezogen." Groh gab in einem Briefe an den Buchbinderverband der Meinung Ausdruck, daß es ihm im Interesse der Sache lieber ge- wesen wäre, wenn es zur gerichtlichen Verhandlung gekommen wäre. Am 20. Dezember hat die Staatsanwaltschaft des Land- gerichts Halberstadt die Haftentlassung Grohs ausgesprochen und der Firma Bestehorn die Rücknahmekosten des Verfahrens ein- schließlich der Haftkosten auferlegt. Damit dürfte die Sache aber noch nicht endgültig erledigt sein, denn Groh wird wahrscheinlich S ch a d e n e r s a tz von der Firma verlangen, die Unterstützung des Buchbinderverbandes, der selbstverständlich dafür gesorgt hat. daß Grohs Familie während seiner Haft keine Not zu leiden hatte. wird ihm dabei sicher sein._ Beigelegte Differenzen in einem bayerischen Bergwerk. Der preußische Fiskus hat den Bergarbeitern der Staatsgruben verschlechterte Arbeitsordnungen aufoktroyiert und läßt es eher auf einen Streik ankommen, als daß er sein Unrecht einsieht und die Verschlechterungen zurückzieht. Nicht so auf der bayerischen Staats» grübe in St. Ingbert , auf dek etwa 2000 Arbeiter beschäftigt werden. Auch dort wurde versucht, die Arbeitsordnung zu verschlechtern. Auf den Protest des Arbeiterausschusses hin erschien Herr Oberbergrat Ziegelmayer ans München , verhandelte mit dem ArbeiterauSjchuß, und die Folge der Aussprache war, daß nicht nur die Ver- schlechterlingen fielen, sondern auch kleine Verbesserungen in die Arbeitsordnung hineinkamen._______ Paul Singer& Co., Berlin SW, Hierzu 5 Beilagen u.llnterhaltungsbl.
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