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r. 303. 29. Jahrgang. 2. Beilage des Vorwärts " Berliner Volksblatt Sontag, 29. Dezember 1912.

Literarisches.

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| verständnisvoller Erziehung, individualisierender Behandlung und marsch der proletarischen Massen, um deren Kinder es sich hierbei wohlwollender Leitung und Beratung. Weil aber solch ein furcht handelt, wird die Vorausseßungen zu einer organischen Erziehung bares System, nach dem man eher reißende Tiere zähmen als arme des gesamten Volkes im Geiste der Kultur und Menschlichkeit verirrte und verlassene Menschenkinder formen und bilden kann, schaffen, in die sich dann auch eine von pädagogischen und ärztlichen alle Menschlichkeit empört und alle edlen Instinkte in uns zur Revo- Gesichtspunkten beherrschte, von religiösen, kirchlichen und patrio­Tution treibt, gilt es den Schweiß der Offiziellen und Offiziösen, tischen Einflüssen und Tendenzen befreite, lediglich dem Ideal eines der Beteiligten und Berufenen, der Fürsorge- Erziehung vor den sozialen Erziehungszweckes dienende Fürsorge- Erziehung als Augen der Oeffentlichkeit den Matel brennender Kulturschmach zu schwierigstes und bald entbehrliches Gebiet eingliedern wird. R. nehmen. Dieser Aufgabe dient der Pressedienst der Fürsorge­anstalten, vor allem aber auch das vorliegende Werk.

Deutsche Fürsorge- Erziehungsanstalten in Wort und Bild. Heraus­gegeben von Dir. P. Seiffert- Strausberg . I. Band. Carl Marholds Verlag, Halle a. S. Preis geb. 30 M. Auf dem Fürsorge- Erziehungstage in Rostock wurde der Be­schluß gefaßt, durch eine planvoll organisierte Pressetätigkeit der Fürsorgeerziehung in der Oeffentlichkeit größeres Ansehen und wohlwollendere Beurteilung verschaffen zu helfen. Die Greuel aus der Blohmeschen Wildnis und die Entmenschtheiten des Prügel-" In Wort und Bild" wird die Fürsorge- Erziehung gerecht­pastors Breithaupt in Mieltschin hatten in die sonst von hohen fertigt, gelobt, gepriesen, gefeiert, verherrlicht. In Wort und Mauern umgebenen Geheimnisse der Fürsorge- Erziehungsanstalten Bild" werden Leistungen aufgezählt und Taten gerühmt, Verdienste grell hineingeleuchtet und ihren Geist vor aller Welt als den Geist gewürdigt und Unsterblichkeiten verliehen. In Wort und Bild" ist scheuzlichster Barbarei und Bestialität gebrandmarkt. Nun galt alles vortrefflich, tadellos, mustergültig, harmonisch, ideal. Die es, den Mohren weiß zu waschen. Auf dem Fürsorge- Erziehungs- Verfasser der Artikel und Berichte schreiben mit Rosenwasser und tage in Dresden wurde denn auch verkündet, daß ein Presse- schwingen die Weihrauchkessel der Selbstverherrlichung; die Bilder ausschuß, ein Zentralbureau und verschiedene provinziale Lokal- zeigen alle Anstalten von der Sonnenseite, die Kinder im Sonn­bureaus ins Leben gerufen worden seien, und daß die Bearbeitung tagsstaat, beim Spiel oder in Arbeitsposen, denen man die er­und Beeinflussung der öffentlichen Meinung erfolgreich betrieben zwungene und gekünftelte Theatralik ohne weiteres ansieht. So werde. Bedienung nicht bloß der großen, sondern auch der kleinen wird man nie das Gefühl los, von Unwahrhaftigkeit auf Schritt Zeitungen, sowie der Lokalpresse, einschließlich der sozialdemokrati- und Tritt umgeben zu sein, die üble Luft der Heuchelei atmen zu schen, der Kreis-, der Sonntags- und der Fachblätter, Versorgung müssen und überall dem verlogenen Pharisäismus eitler Selbst­mit größeren und kleineren Artikeln, teils berichtigenden, teils gerechtigkeit zu begegnen. Ein höchst unbehagliches Gefühl, das positiven Inhalts, Stimmungsvorbereitungen für wünschenswerte bestärkt wird durch den Umstand, daß unter dem schimmernden Gesetzesänderungen, periodische Umfragen bei Behörden über ein- Mantel der wohlberechneten Täuschung allenthalben die berräteri­schlägige Vorgänge, Benutzung von Ausschnitt- und Korrespondenz- schen Zeugnisse des wahren Wesens der Fürsorge- Erziehung hervor­bureaus usw." wurden als Aufgabenkreis der neuen Institution, schauen. Da trumpft die plärrende Religiösität als A und O aller deren Sitz Strausberg ist, bezeichnet. Und just in demselben Atem- Erziehung mit arroganter Wichtigkeit auf; da macht sich der lärm­zuge wurde an die Teilnehmer des Fürsorgetages- gewissermaßen volle Patriotismus mit Fanfarenblasen und Soladtenspiel( sogar als Probearbeit der literarischen Reinigungs- und Auflacierungs- bei psychopathisch- minderwertigen Kindern, die als übermäßig anstalt der stattliche Band verteilt, der bald darauf auch im Buch- empfindsam" bezeichnet werden) breit; da steht hinter jeder Kinder­ handel erschien und der uns hier zur Besprechung vorliegt. gruppe, bei jedem Blumenbeet und auf jedem Spielplaße der uni­Ueber unsere Stellung zur Fürsorge- Erziehung, ihre Berechti- formirte Aufseher und schnauzbärtige Büttel; da werden Lobes­gung und die Bedeutsamkeit ihres Wirkens brauchen wir hier kaum hymnen gesungen auf einfache, mäßige Kost und Speisezettel ab= cin Wort noch zu verlieren. Es herrscht in der Sozialdemokratie gedruckt, die Fleisch als Seltenheit aufweisen; da wird harte Zucht, volle Einmütigkeit darin, daß die Gesellschaft das größte Interesse Arrest, Rostschmälerung, Leibesstrafe als pädagogische Weisheit und und die unabweisbare Pflicht hat, für eine gesunde Erziehung des Praris empfohlen und es als Triumph dieser Vergewaltigungs­Nachwuchses zu sorgen und aller Gefährdung und Verwahrlosung methode gepriesen, den Troß und Willen des Zöglings zu brechen"; mit Entschiedenheit entgegenzuwirken. Dies um so mehr, als heute da sieht man kleine, schwache Kinder bei Hantierungen und mit die Familie in zahllosen Fällen völlig außerstande ist, ihre erziehe- Werkzeugen umgehen und wie lang ist der qualvolle Arbeitstag! rischen Funktionen zu erfüllen und der heranwachsenden Jugend daß man das große Interesse begreift, das die ostelbischen Junker die wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Voraussetzungen zu an diesen Vorbereitungsstätten für die erbarmungsloseste Menschen­bieten, die eine gute Erziehung und sichere Bewahrung vor viel- knechtung der agrarischen Gutshöfe haben. So sorgfältig das Bild facher Verderbnis gewährleistet. Aber die Sozialdemokratie ist sich der Fürsorgeerziehung, das aus dem Buche dem Betrachter entgegen­auch einmütig klar in der Erkenntnis, daß in einer Klassengesell- tritt, abgetönt, retouchiert und koloriert ist, so eifrig man darauf schaft und im Rahmen kapitalistischer Ordnung die Fürsorge- bedacht gewesen, ihm die hellsten und freudigsten Züge abzugewinnen Erziehung niemals eine wirkliche Erziehung junger, gefallener und und es in den Glanz denkbar günstiger Beleuchtung zu rücken irrender Menschen zur Menschlichkeit sem tann, sondern als Klassen- man braucht nur ein klein wenig zu krazen und der Barbar kommt maßregel in die Erscheinung tritt, als Schußmaßnahme der bürger- zum Vorschein. lichen Gesellschaft gegen ihre ureigensten Zerfallsprodukte, gegen die Ungeheuer", die sie selbst ausbrütete und deren Frevel gegen die Welt des Besitzes und ihre heiligsten Güter mehr gefürchtet werden als alle Sünden wider die ungeschriebenen Gebote echten Menschen­tums". Darum Bändigung statt Aufrichtung und Hilfe, darum Strenge und Härte statt Milde und verzeihender Liebe, darum Schreden, Prügel, Kerkerqualen und widerliche Frömmelei statt

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Jugendbewegung.

Bom gärend Drachengift" des roten Jugend- Liederbuches. Die frommen Leser des Reichsboten", die am ersten Weih nachtstage ihr Leibblatt in die Hände nahmen, um ihre weihnacht­liche Stimmung zu erhöhen, wurden von einer erschröcklichen Ge­schichte überrascht. Ein Berliner Lehrer W." hatte eine Spalte des Pastoren- und Hofdamen- Blattes gefüllt mit dokumentarischen matisch der Herr sein Material" zu verwenden wußte! Er be= Beweisen sozialdemokratischer Jugendverheßung". Und wie dra­ginnt mit der Schilderung folgender wahren Begebenheit:

,, Vor kurzem mußte ich einem Knaben ein Buch abnehmen, mit dem er Allotria trieb, und es aufbewahren, bis die Mutter es von mir abholte. Dieses Buch gehörte, wie der Junge angab, seinem Bruder, der in der Partei ist". Es war das rote Ju gend Liederbuch" und umfaßte, wenn ich nicht irre, fast 150 Seiten Tert. In einigen freien Stunden blätterte ich dieses Liederbuch" durch Was hier Jugendlichen denn für diese ist das Machwerk vor allem bestimmt für gärend Drachengift, für Heggedanken buchstäblich ein= geimpft werden, spottet jeder Beschreibung.

Um nur wenige Beispiele aus der großen Zahl von Liedern zu nennen, zitiert der Herr teils vollständig mit entsprechenden Unterstreichungen die Lieder Nr. 42: Stille Nacht "( die bekannte proletarische Umdichtung des Weihnachtsliedes), Nr. 116: Warum?", Nr. 119:" Das Lied von der deutschen Treue" von 2. Pfau, Nr. 221: Ermahnung" von M. Kegel.

" Ist es ein Wunder, daß die rote Jugend immer frecher wird? Das sind nur etliche Proben aus dem roten Jugend- Lieder­buch", das in mehr als 100 000 Gremplaren verbreitet ist. Armes deutsches Volf. Wer es etwa noch nicht glauben sollte, daß die " Jugendgenossen" die Leibgarde der Revolution werden sollen, ras rote Jugend- Liederbuch" muß ihn überzeugen." Also beschließt der angebliche Lehrer seinen Sermon, Schade nur, daß

alles Schwindel, blanker Schwindel

ist. Keines der genannten Lieder ist in dem Jugend- Liederbuch" enthalten. Unter Nr. 42 ist im Jugend- Liederbuch zu lesen das eine Krone im tiefen Rhein von H. Dippel), Nr. 116: O Täler weit, Lied: Ein Jäger aus Kurpfalz...( in der ersten Ausgabe: Es liegt o Höhen, o schöner grüner Wald... von Jos. von Eichendorff( in der ersten Ausgabe: Turner, auf mit frohem Sange und nun vor­wärts marsch...), Nr. 119: Q, wie ist es falt geworden und so traurig öd und leer.. von Hoffmann von Fallersleben ( in der ersten Ausgabe: Viola, Baß und Geigen...), ein Lied Nr. 221 gibt es überhaupt nicht. Das Jugend- Liederbuch enthält nur 169 ( in der ersten Ausgabe 148) Lieder.

So erweisen sich die Schönmalereien und Frisierkünfte als eben­so durchsichtiges und letzten Endes verfehltes und zweckloses Be­ginnen wie die statistischen Manöver und fachmännischen Zeugnisse, die benutzt werden, um dem Bankrott der Fürsorge- Erziehung im Urteil der Oeffentlichkeit wieder aufzuhelfen. Die bürgerliche Klasse wird nie zu einer wirklichen Fürsorge- Erziehung fähig und im Grunde auch nie ernsthaft dazu entschlossen sein. Erst der Vor- Schwindel gekommen ist.

Vielleicht ist auch die so schön dramatisch wirkende Geschichte von dem mit gärend Drachengift eingeimpften" Knaben, dessen " Bruder in der Partei ist", frei erfunden. Vielleicht verrät der " Berliner Lehrer W.", wie er zu diesem hahnebüchenen dreifachen

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