zur Besserstellung ihrer Beamten und Arbeiter zu tun. Zwar ivagt sie nicht mehr, dais Steigen der Lebensmittelpreise in Abrede zu stellen, aber nicht einmal Teuerungszulagen will sie den Beamten gewähren, aus Furcht, die Teuerungszulagen könnten im Laufe der Zeit den Charakter von dauernden Gehaltszulagen annehmen. Die Behauptung, die der Finanzminister in seiner Etatsrede aufgestellt hat, daß der Arbeiter und Beamten ganz besonders gedacht sei, ist nichts als Renommisterei. darauf berechnet, denen, die nicht nachdenken, Sand in die Augen zu streuen. Gewist betragen die Löhne für 1913 L3,3 Mill. Mark mehr als die für 1911 ausgegebenen, aber auf wieviel Arbeiter sich diese Summe verteilt, wieviel Ar- beiter seit 1911 in den Staatsbetrieben mehr eingestellt sind, das hat der Minister Vorsichtigeriveise verschwiegen. Die Rc- gientng gibt zu, dast das Unterstützungsbedürfnis der Beamten durch die hohen Lebensmittelpreise austergewöhnlich gestiegen ist, sie glaubt ihre Pflicht dadurch zu erfüllen, dast sie die Fonds zur Unterstützung von Beamten erhöht. Durch einen Nachtragsetat fiir 1912 werden zu diesem Zwecke drei Millionen und durch den Etat von 1913 weitere drei Milli- onen gefordert. So speist die Regierung ihre Angestellten, anstatt ihnen ausreichende Gehälter und Löhne zu geben, mit Bettelpfennigen ab. Die Beamten und Arbeiter sollen demütig um eine kleine Gabe, um eine Unterstützung bitten, um eine Unterstiitzung zur Linderung der Notlage, die nicht sie selbst, sondern die die unheilvolle Politik der Regierung ver- schuldet hat. Sehr viel Wesens macht die Regierung von den geplanten Mastnahmen, mit denen sie die'Fleischteuerung bekämpfen will. Abgesehen von 14500CO M., die bei verschiedenen Fonds der landwirtschaftlichen Verwaltung mehr ausgeworfen sind und die unmittelbar oder mittelbar der Förderung der Viehzucht dienen sollen, ist eine Anleihe von 23 Millionen in Aussicht genommen. Hiervon sind bestimmt 10 Millionen zur tiebernahme von Stammanteilen bei gemeinnützigen Sied- lungsgescllschaften, 12 Millionen zur Kultivierung der astfriesischen staatseigenen Moore und 3 Millionen zu Melio- rationSdarlehnen, insbesondere für Drainierungen anfDomänen. Die Frage, ob das erstrebte Ziel damit erreicht wird oder ob nicht die Staatsmittel zu guterletzt auf eine Liebes- gäbe an die Agrarier hinauslaufen, wollen wir an dieser Stelle unerörtert lassen. Nicht so knauserig wie den Beamten und Arbeitern gegen- über ist die Regierung da, wo es sich um Ausgaben für kulturwidnge Zwecke handelt. Ausgaben, die sich zwar im .Kultusetat finden, die aber trotzdem mit Kultur wenig ' zu tun haben. Die Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks Förderung der Pflege der schulentlassenen ugend sollen von l'/z auf 2'/z Millionen verstärkt werden. egründet wird diese Maßnahme mit der Absicht, staatlicher- seits auch die Pflege der schulentlassenen weiblichen Jugend nach Möglichkeit durch Rat lind Tat zu fördern und die Be- strebuugen zur Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend noch nachhaltiger als bisher zu unterstützen. Wir wünschen der Regierung zu ihrem Vorhaben viel Glück. Daß sie der proletarischen Jugendbewegung dadurch nicht das Wasser abgräbt, das sollte sie doch nachgerade eingesehen haben, die 2'/z Mill. werden genau so zum Fenster hinausgeworfen sein, wie die l'/s Millionen des «JÄhreS 1912 und die eine Million des Jahres 1911. Für kirchliche Zwecke, um nur einige Daten zu nennen, werden rund 38'/z Millionen gefordert. Nicht miteingerechnet sind hierbei die Zuschüsse für die theologischen Fakultäten, die Gc- Halter für geistliche� Schulinspektoren und ebenso wenig der zahlenmäßig nicht erfaßbare Anteil des Religions- Unterrichts zu den allgemeinen Kosten der Schul- verivaltung. Diesen 2Vz und SS'/a Millionen, zusammen also 41 Millionen stehen ganze o'/z Millionen laufende Ausgaben für Zwecke des Medizinalwesens gegenüber. Also nur etwa den achten Teil dessen, ivas für das Seelenheil der preußischen Staatsbürger ausgegeben wird, verwendet der Staat für die Erhaltung ihrer leiblichen Gesundheit. Was die Regierung an Fürsorge für die Massen und ihre Bildung spart, muß sie ausgeben im Kampfe gegen das Ver- brechen. Ist es unter diesen Umständen ein Wunder, dast die Ausgaben für die Fürsorgeerziehung wiederum um eine Million gestiegen sind und sich jetzt auf 8,7 Millionen belaufen! Für die Strafanstaltsverwaltung allein der unter dem Minister des Innern stehenden Strafanstalten werden rund 10 Millionen, für allgemeine Ausgaben im Interesse der Polizei— ab- gesehen von den Kosten der Fürsorgeerziehung — über fünf Millionen gefordert. Die Polizeiverwaltung in Berlin und Umgegend erheischt die stattliche Summe von 29,7 Millionen, die Polizeiverwaltnng in den Provinzen 23,8 Millionen, die Landgcndarmerie 17,7 Millionen Mark. Auch die Bekämpfung der Polen läßt sich der preuhische Staat etwas kosten. Der Ansiedlungsfonds weist in Einnahme und Ausgabe die Summe von 27 Millionen auf, wozu aber noch eine Reihe anderer Ausgaben, z. B. die widerruflichen Ostmarkenzulagen, der Dispositionsfonds der Operpräsidente» kommen, die gleichfalls der Bekämpfung der Polen , teilweise auch der Dänen, dienen sollei«. Wir unterlassen es, auf weitere Einzelheiten einzugehen� Soviel erhellt aus den angefiihrten Daten mit aller Deutlich- keit, dast die glänzende Finanzlage Preußens in erster Linie auf die Entwickelung der Betriebsverwaltungen zurückzuführen ist, und ferner, daß der Staat, obwohl er für gewisse kultur- widrige Zwecke nutzlos Gelder vergeudet, den Beamten und Staatsarbeitern den ihnen gebührenden Anteil an den von ihnen miterzeugten Werten vorenthält. Zu erörtern wäre noch die Frage, ob es nicht endlich an der Zeit ist. mit Steuererleichterungen vorzugehen. In Preußen beginnt die Steuerpflicht bei Einkommen von mehr als 900 M. Bor 30 Jahren wollte die Regierung alle Einkoinmen unter 1200 M. steuerfrei lassen. Heute steht sie auf einem weit antisozialeren Standpunkt, am liebsten möchte sie auch noch die Einkommen unter 900 M. besteuern. Seit dem Jahre 1909 werden sogar die Einkommen von mehr als 1209 M. noch mit besonderen Zuschlägen behacht. Wenn die Regierung schon nickts von einer Heraufsetzung der Grenze des steuer- freien Existenzminimums wissen will, so sollte sie zum mindesten soviel Anstandsgefühl haben, um die Steuer- zuschlage, die ja doch nur wegen einer vorübergehenden Finanzkalamität bewilligt wurden, heute aber nicht mehr nötig sind, wieder zu beseitigen. Aber was der preußische Finanzminister einmal hat, das gibt er nicht wieder heraus, und so sträubt sich denn Herr Lentze mit Händen und Füßen gegen eine Beseitigung der Zuschläge. Die Steuerzahler werden geschröpft, Gelder werden angehäuft. die Not des Volkes steigt von Jahr zu Jahr, aber immer schärfer wird die Steuerschraube angezogen. Bar jedes Funkens sozialer Einsicht ist die Regierung ängstlich darauf bedacht. Schätze anzuhäufen. Wenn irgend wann, so ist jetzt die Zeit gekommen, die Steuerlast zu lindern, nicht nur die Zuschläge aufzuheben, sondern den Minderbemittelten weitere Erleichterungen zu gewähren. Die vermittellmg der Mschte. Ter gemeinsame Schritt, den die Mächte in Konstanti- lwpel unternehmen wollen, um die Türkei zur Nachgiebigkeit zu bewegen, kann nicht mehr lange verzögert werden. Im letzten Moment sucht die Türkei noch einmal durch die Versicherung, dast sie unverrückbar an ihre bisherigen Bedingungen festhalten müsse, ihre Situation zu verbessern. Deshalb droht sie ihre Delegierten von London abzuberufen und auch die Vorstellungen der Großmächte unberücksichtigt zu lassen. Ein Pariser Telegramm berichtet darüber: Der Londoner Sonderberichterstatter des„M a t i n" meldet, der erste türkische Delegierte Reschid Pascha habe von seiner Regierung eine Depesche erhalten, in der unzweideutig erklärt werde, daß die Türkei , welche Schritte und welche Pression auch immer die Großmächte unternehmen sollten, fest entschlossen sei, Adrianopel und die Inseln nicht abzutreten. Die Depesche füge hinzu, die Pforte halte es für wenig passend, daß die türkischen Delegierten den Auf- enthalt in London verlängerten. Was eine etwaige Drohung der Großmächte mit einer Flotteudemonstration vor Konstantinopel anlange, so hätte der Vertreter erklärt: Welchen Eindruck soll eine derartige Demonstration auf uns machen? Seit zwei Monaten befinden sich Kriegsschiffe fast aller Großmächte auf der Reede von Konstantniopel und die Bevölkerung der Hauptstadt ist an diesen Anblick bereits gewöhnt. Diese Demonstration mag ein unfreundlicher Akt und ein Beweis für die Einmütigkeit der Großmächte in der Frage Adrianopels fein, aber sie wird uns gleichwohl gleichgültig bleibem Man kann Konstantinopel nicht bombardieren, man wird es niemals wagen. Die Pression der Großmächte mit oder ohne Flottendemonstration wird vollkommen wirkungslos bleiben. Es hat vorläufig nicht den Anfchein, daß diese Sprache die geplante Intervention verhindern werde. Ein offiziöses Telegramm der„Köln . Zeitg." bemerkt nämlich, die Mächte könnten auf die Abberufung der türkischen Friedensunter- Händler kein entscheidendes Gewicht legen. Sie müßten ihr weiteres Verhalten nach der Antwort einrichten, welche die Türken auf die Kollektivnote der Mächte erteilen würden. Inzwischen könnten alle aufrichtigen Freunde der Türkei ihr nur immer wieder den Rat geben, die Feindseligkeiten nichtwiedsraufzunehmen. Denn im Verlaufe eines neuen Krieges könnte vielleicht auch der asiatische B e s i tz st a n d der Türkei gefährdet werden. Daher sei von den Meldungen siber die völlige Un- Nachgiebigkeit der Pforte im Interesse der Türkei selber nur zu wünschen, daß die Na ch r i ch t e n sich nicht b e st ä t i- gen möchten. Die Botschafterkons�renz. London , 10. Januar. Die Beratmigen der Bot- ch a f t e r im Auswärtigen Amte dauerten heute etwa zwei Stunden. Die nächste Sitzung findet am Montag statt. Die Vermittlungsaktiou. Konstantinopel , 10. Januar. (Meldung des Wiener k. k. Telegr. Korr.-Bureaus.) Die Botschafter haben bei ihrer gestrigen Zusammenkunft den» Entwurf einer Kollektivnote redigiert, die der Pforte überreicht werden soll und ihr zum Abschluß des Friedens rät. Der festgestellte Text wird noch nicht als definitiv betrachtet, und man weiß auch noch nicht, wann die Note über- reicht werden wird. Wiederaufnahme der bulgarisch -rumänischeu Verhandlungen. London , 10. Januar. Das Reutersche Bureau erfährt vom Minister I o n e s c u, daß die Londoner Unter- Handlungen zwischen Rumänien und Bulgarien wieder aufgenommen wurden. Der rumänische Gc- sandte M i s ch u habe gestern mit Dr. D a n e w verhandelt, der nach der Unterredung nach Sofia depeschierte. Jonescu erklärte dem Vertreter des Reuterschen Burruus. er könne Einzelheiten über die Unterredungen nicht mitteilen, da Be- sprechungen dieser Art den Unterhändlern strengste Ver- schwiegenheik auferlegten. Eine bulgarische Drohung. Paris . 10. Januar. Von bulgarischer Seite erfährt der „Matin", General S a w o f f habe bei seiner Unter» r e d u n g mit den türkischen Ministern in Tschataldscha gesagt: Wenn Sie Adrianopel nicht abtreten und uns zwingen, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen, dann können Sie sicher sein, daß Sie nicht bloß Adrianopel , sondern eine noch viel wichtigere Stadl verlieren werden. Türkische Preßstimmeu. Konstantinopel , 10. Januar. Die türkische Presse be- steht einmütig auf dem Besitze Adrianopels und betont, die Türkei müsse den Krieg ohne Zeitverlust Wiederaus- nehmen, falls der Schritt der Mächte auf die Abtretung Adrta- nopels abzielen sollte. Das Pressebureau dementiert offiziell das Telegramm des Reuterschen BureauS, nach welchem die Pforte selbst um eine Intervention der Mächte nachgesucht haben sollte. Die Blätter„Jkdam" und„Sabah" veröffentlichen Telegramme ihrer Korrespondenten in Adrianopel , nach denen die Lage der Festung gut und der Geist der Truppen ausgezeichnet ist. Die Verteidiger von Adrianopel entböten ihren Landsleuten ihren Gruß.(Diese Nachrichten stehen im Widerspruch mit der Tatsache. daß die Türken die Verproviantierung Adrianopels immer wieder verlangen müssen.) Die Gerüchte über Massenverhaftungen, die im Zu- sammenhang mit der Entdeckung eines Geheimkomitees stehen sollen, sind stark übertrieben. Der verhaftete P e r t e f Tewfik. der frühere Sekretär Scherif PaschaS, ist wieder ent- lassen worden. Die Regierung scheint der Sache keine Bedeutung beizulegen. Die albanische Frage. Wien , 10. Januar. Gegenüber verschiedenen in der letzten Zeit aufgetauchten Meldungen über die albanische Frage, insbesondere über die künftige Abgrenzung Albaniens , hebt das..Fremdenblatt" hervor, dast alle diese Nachrichten keinerlei Authentizität besitzen können. Es schreibt: Die Regelung der albanischen Frage haben sich die Mächte vorbehalten, und das kompetente Forum, vor welchem die ganze Angelegenheit verhandelt wird, ist die Bot- schafterreunion in London . Aus dem Meinungsaustausch der Botschafter werden sich jene Vorschläge ergeben, über welche dann die Regierungen ihre Beschlüsse fassen werden. Man wird abwarten müssen, welche Entscheidungen die Mächte über diesen Hauptgegenstand ihrer Besprechungen treffen werden. Wenn man sich diesen ganz klaren Sachverhalt vor Augen hält, wird man nicht irre gehen in der Beurteilung der albanischen Frage. Sie wird durch die Mächte gelöst werden. Serbenverfolgung in Oesterreich-Ungarn. In Serajewo wurde» acht- bosnische Student e.n serbischer Nationalität, aber österreichisch-ungarischer Staatsange- Hörigkeit, wegen Hochverrats verhaftet und in Südungarn unter der gleichen Anschuldigung ein Lehrer. ES wird sich da immer um Schwärmereien für ein großserbisches Reich handeln, dem die Schaffung von Märtyrern natürlich nur die Bahn bereitet. Die schwarzgelbe Politik scheint zu den Zeiten zurückzukehren, wo sie sich um Oberitalien brachte. Unterstützung der Flüchtlinge. Paris , 10. Januar. Die französische Regierung hat 10000 Francs gestiftet zur Unterstützung von 30 000 tür - tischen Flüchtlingen in Saloniki, die unter Hunger und Kälte leiden. Eine ähnliche Maßnahme ist bereits in M o n a st i r getroffen worden. PoUtifcKe QcbcrHcbt Berlin, den 10. Januar 1918. „Unzulasfige" Beamtenschmerzen. Aus dem Reichstage, 10. Januar. Wenn die Post- beamten von warmen Herzen und liebevollen Beteuerungen leben könnten, so hätten sie längst das Paradies auf Erden, Wenigstens müßte das tausendjährige Reich des Glückes und Wohlbehagens spätestens von der heutigen Reichstagssitzung an für sie beginnen. Ueber die Denkschrift über die Beamtenorgani- sation in der Reichspost- und Telegraphen- Verwaltung sprachen heute nur Vertreter bürgerlicher Parteien. Es war einer der seltenen Tage, an denen die bürger- liche Harmonie von Oertel bis Müller-Meiningen nicht durch den leisesten Ton sozialdemokratischer Unzufriedenheit gestört ward. Wie sonderbar! Auch an einem solchen Tage wird die Fahne der Unzufriedenheit geschwungen. Und noch sonder- barer: der wohlbeleibte Mann der„Deutschen Tageszeitung", Herr Oertel, machte sich in kühnem Tatendrange zum Fahnen- träger der Unzufriedenheit. Allerdings redete er nur der„begründeten" Unzufrieden- hett das Wort, der sicherlich auch von der Reichsposwerwaltuna Wohlwollen und Verständnis entgegengebracht werde. Daß Herr Kraetke sich beeilte. Herrn Oertel und den übrigen Rednern den Dank für ihr Interesse an den Postbeamten und für ihre zurückhaltende Kritik auszusprechen, läßt einen aus- reichenden Rückschluß auf dieses Interesse und diese Kritik zu. Nur mit dem nationalliberalen Redner Beck- Heidelberg und mit dem Freisinnigen Hubrich-Oberbarnim, die die Jnter- essen der mittleren Beamten vertraten und dabei hin und wieder kräftigere Worte fanden, war Herr Kraetke nicht ein- verstanden. Vor allen Dingen hatte es ihm eine Bemerkung des Abg. Hubrich angetan: Die Denkschrift versuche, die Vor- bildung der vor 1909 eingetretenen Beamten der niederen Laufbahn als minderwertig hinzustellen und sie habe zu diesem Zweck mit einem gewissen Behagen alles herangezogen,.was zu- Ungunsten der Beamten spreche. Herr Kraetke erlaubte sich hierbei einen Eingriff in die Rechte des Präsidenten, indem er diese Bemerkung als„unzulässig" erklärte. Der Abgeordnete Hubrich liest sich diese Kritik seiner parlamentarischen Tätigkeit durch einen Regierungsvertreter nicht gefallen und berief sich darauf. daß ihn der Präsident, der allein zu entscheiden habe, was zulässig oder unzulässig sei, nicht zur Ordnung gerufen habe. Nunmehr aber schien der Herr Staatssekretär des Reichspostamts in dem Abgeordneten Hubrich nur den ehemaligen Postbeamten und in den übrigen Abgeordneten etwas Aehn- liches zu sehen, und mit dem Eigensinn aller preußischen ..Vorgesetzten" wiederholte er seine Rüge. Der Präsident Kaempf tat demgegenüber daS mindeste, das er dem Reichstage schuldig war, indem er sich mit dem Vizepräsidenten Dove, der die Hubrichsche Wendung nicht beanstandet hatte, in Uebereinstimmung erklärte. Es hätte durchaus nichts gc- schadet, wenn dem obersten Postbeamten des Deutschen Reiches etwas kräftiger und deutlicher zu Gemüte geführt worden wäre, dast der Reichstag kein Dezernat des Reichspostanits ist, und dast er sich die schulmeisterlichen Sentenzen und Ein- griffe des Beamten Kraetke auf das entschiedenste verbstten muß. Die Szene hatte immerhin das gute, daß sie einen charakteristischen Abschluß der stundenlangen Reden über die Beamten bildete und selbst vertrauensseligen Leuten in augcn- fälligster Weise offenbarte, was unter dem Regime Kraetke an sozialpolitischen Fortschritten ini Postwesen zu erwarten ist. In später Stunde begann das Haus now die Beratung der Paragraphen des Handelsgesetzbuches, die sich auf die berüchtigte Äonkurrenzklausel beziehen. Der Staats- sekretär des Reichsjustizamts. Herr L i s c o. begründete in seinem trockenen Juristenton die von der Regierung borge- schlagenen Aenderungen. Sie sind natürlich wieder einmal völlig unzulänglich, und die AuSfübrungen des Staatssekretärs ließen deutlich erkennen, dast lediglich die Interessen der Arbeitgeber der Reichsregieruna die Hand geführt haben, als sie zur Niederschrift der GesetzeSvorlagc ansetzte. Am Sonnabend wird aus sozialdemokratischem Munde die notwendige Antwort auf die jämmerlickie GesctzeSstumpcrei gegeben werden. Genosse Giebel steht als erster Redner auf der Liste. Ter Arbeitsplan des Reichstags. Im Sentorcnkonvent wurden am Freitag die Dispositionen für die Behandlung der Geschäfte bis Ostern getroffen. Zunächst wurden die sitzungsfreien Tage festgestellt und zwar sind dafür in Aussicht genommen: der 18., 19. und 20. Januar, der—, 3., 4., 2«,.,«3. und 24. Fe bruar. ES soll der Versuch gemacht werden, den Etat noch vor Ostern fertigzustellen. Die Sozialdemokraten wünschen hierbei.- dast die S ch w e r i n s t a g e r e g e l- mäßig abgehalten würden. Die Regierung habe den Reichs- tag sehr spät einberufen, darum müsse auch damit gerechnet werden, daß der Etat vor Ostern nicht fertiggestellt werden könne. Der Versuch werde sich als ein verfehlter erweisen. Man kam überein, den nächsten Schwerinstag festzusetzen, nachdem der Etat deö Innern in zweiter Beratung durchgenommen ist: am nächsten Montag soll die zweite Lesung des Etats deS Reichsamts desJnnern beginnen. Verdächtiges Schweige«.» Die Ankündigung einer neuen-grosten Wehrvorlage durch die„Post" hat in der Preise lebhafte Erörterungen hervorgerufen. Nur das Regierungsblatt, die„Nord- deutsche AllaemeineZeitung". schweigt sich über die Alarmnachricht gründlich auS.
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