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it 14. 30. Jahrgang. 1. ßfiliijt des.lotmiirts" Kerlim UslksdlM. IttHns, 17. Jailüilt 1913. Reichstag  . 92. Sitzung. Donnerstag, den IS. Januar 1913, nachmittags 1 Uhr. Am BundeZratstische: Dr. Delbrück. Etat des Reichsamts des Innern. Vierter Tag. Mg. Haegy(Elf.): Einige Vorträge des Mg. W e t t e r I ö in Frankreich   haben in Deutschland gros'.e Aufregung verursacht rmd sind auch hier von einigen Rednern scharf verurteilt worden. Mit der Zentrumspartei des Reichstags hat Herr Wetterlo nichts zu tun. Im übrigen liegen authentische Berichte über die Reden des Abg. Wetterlö noch nicht vor. Wie vorsichtig man solchen Zeitungs» berichten gegenüber sein»ing, wird ja Herr Scheidemann wissen. Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, dah den Elsatz-Lothringischen Abgeordneten die Aufgabe zufällt, in dem gespannten Verhältnis zwischen Deutschland   und Frankreich   versöhnend zu wirken. Aufklärende Vorträge über die Verhältnisse in Elsab-Lothringen   können in Frankreich   nur günstig wirken. Sollte Herr Wetterls wirklich versucht haben, auf sranzö- sischem Boden die R e v a n ch e g e l üst e in Frankreich   in einer Weise aufzustacheln, wie das bisher noch nie geschehen ist, so würden wir keinen Anstand nehmen, darüber unser lebhaftes Bedauern auszu- sprechen. Von dergleichen will bei uns niemand etwas wissen. sBravo!) Die Seniation, die die Borträge erregt haben, läßt es gewiß wünschenswert erscheinen, daß sie im jetzigen Zeitpunkt nicht gehalten worden wären. lBravo l) Das haben die Blätter unserer Partei unumwunden zum Ausdruck gebracht. Herr Wetterlä hat selbst, als er die unerwartete Sensation seiner Vorträge bemerkte, nach Rücksprache mit seinen Freunden die Tournäe abgebrochen. In Frankreich   selbst übrigens scheint die Sensation eine sehr viel geringere gewesen zu sein als hier; die dortigen Blätter haben zunächst nur ganz unailffällige Notizen gebracht. Wir wünschen freund nachbarliche Beziehungen zwischen Frankreich  und Deutschland  . Die Elsaß-Lothringer möchten das glückliche Binde» glied einer freundschafllichen Entente sein, in welcher die endliche Sicherung des Weltfriedens eine feste Basis finden könnte. Wir bedauern, daß die sogenannte elsaß  -lothringische Frage immer wieder als bedrohliches Gespenst am politischen Horizont auftaucht. Wir meinen, es müßte der Krieg von 1870 der letzte gewesen sein, der die glücklichen Gefilde am Rhein   tränkte mit dem Blute zweier Völker, die nach unserer Meinung dazu geschaffen sind, sich zu der- stehen und Hand in Hand zu arbeiten an den Werken der Kultur des Fortschritts der Zivilisation.(Abg. Frhr. v. G a m p: Das mag Wetterls in Paris   sagen!) Ich hoffe, Sie werden gegenüber den doch gewiß nicht weltbewegenden Vorträgen des Herrn Wetterlö kühles Blut bewahren. Herr Gamp meinte, der Abg. Wetterls ge- höre danach nicht mehr in den Reichstag  . Das muß er ihm schon überlassen. Wenn ein solcher OstrazismuS gelten sollte, dürfte auch ein anderer Abgeordneter, der die Vertretung einer fron» zösischen Zeitung übernommen hat, nicht Mitglied des Reichs- tageS bleiben. Redner wendet sich dann den Universilätsverhältnissen von Straßburg   zu und rechtfertigt das Abkommen mit der Kurie über die Besetzung der katholisch-theologischen Fakultät. In sozialpolitischer Beziehung schließt er sich den von anderen Parteien gegebenen Anregungen auf eine gesunde Mittelstands- Politik an. Abg. Hoch(Soz.): Der Staatssekretär hat gestern den Versuch gemacht, sich von dem Borwurf zu rechtfertigen, daß die Sozialpolitik nicht den Forderungen der Zeit entspreche. Er hat damit etwas U n m ö g- l i ch e S versucht, denn es ist einfach ein Gemeinplatz geworden, daß der Ausbau der sozialpolitischen Gesetzgebung weit hinter dem Not- wendigen zurückbleibt. Er braucht nur einen Blick in die Blätter der Gewerkschaften zu tun, ja, nur in daS Wochenblatt der bürger- lichen Sozialpoliliker, dieSoziale Praxis'; auf jeder Seite wird er Anregung finden und Nachweise, daß das nicht geschieht, was not- wendig ist. Er hat auf die Vollendung des großen Werkes der ReichsverstcherungSordnung hingewiesen. Aber da haben ja die bürger- lichen Parteien zugeben muffen, daß das, waS geschaffen ist, ihren Wünschen nicht entspricht, daß sie zugestimmt kleines feuilleton. Zeitvertreib im Polarkreis. Kapitäw Ejnar Mikkelsen  , der drei Jahre im nördlichen Polarkreis zugebracht und zurzeit in London  iocilt, hat einem Vertreter derDaily Chronicle" folgende Mittei- lungen über sein Leben in jenen unwirtlichen öden Gegenden ge- macht. Der dänische Kapitän erzählt mit anmutiger Laune:Ich hatte nicht viel Gelegenheit während der 28 Monate, in denen Jversen mein einziger Gefährte war, englisch zu sprechen. Ich glaubte, es würde ihm helfen, die Zeit zu verbringen, wenn ich ver- suchen würde, ihm englisch beizubringen; aber aus der Sache wurde nicht Viel. Jversen war nicht begierig, eine neue Sprache zu lernen, da es schien, daß wir sehr geringe Aussichten hatten, je wieder irgend eine Sprache zu gebrauchen außer vielleicht zum Her- sagen unseres letzten Gebets. So fiel der Plan denn durch. Worüber wir während jener dunklen Monate redeten? lieber alles in der Welt. Schweigen mag Gold sein, aber nicht im Polarkreis; denn für lebendige Menschen, die sich selbst überlassen sind, ist das Reden, das beständige Reden die einzige Wohltat. Das schweigen muß unter allen Umständen vermieden werden; denn das Schweigen be- deutet dumpfes Hinbrüten. Doch ist es in der Regel gut. Streit- fragen, wie die Politik, zu vermeiden. Doch erinnere ich mich, wie wir in dem letzten verzweifelten Winter, dem dritten> dieser Ex- padition, über Politik redeten, da wir ,o ziemlich alle anderen Gegenstände erschöpft hatten. Um argumentieren zu können, wurde einer von uns ein unbeugsamer Konservativer und der andere ein Sozialist vom tiefsten Rot. Alle Dinge, über die wir stritten, waren zweiundeinhalb Jahre alt und waren vielleicht schon er- lcdigt; aber sür uns war die Welt stillgestanden. Ich glaube, wir gingen sogar soweit. Europa   in einen allgemeinen Krieg zu ver- wickeln, als es uns plötzlich einfiel, daß unter dreien Umständen rm nächsten Jahre kein Schiff naä: der grönländischen Küste kommen komtie, und die schreckliche Aussicht war zu furchtbar, als daß sich u">er Geist damit beschäftigen konnte. Wir ließen deshalb die fallen. Wir träumten viel urub fanden Trost dann, ein, ander unser« Träume zu erzählen, indem wir sie vielleicht ein wenig verbrämten. Es wird kaum glaublich scheinen, aber ich ent- sinne mich, daß ich es fast wie eine Erlösung empfand, als ich ein- furchtbaren Zahnschmerzen aufwachte. Hier war wenigstens etwas Neues; ich begann, mir auszurechnen, wre lange es �ern wurde, ehe ich zu einem Zahnarzt gehen könnte unter der Voraussetzung, daß uns im folgenden Sommer ein Schiff Mitnahme. Ich rechnete'210 Tage sagen wir 5000 Stunden Zahnschmerzen,«s dauerte nicht solange, aber doch lange genug. um mir eine andere.lrt Kurzweil erträglicher scheinen zu lassen. Ich glaube, es nmß le.cht se�. über den Hunger zu reden und zu schreiben, wenn man ihn nicht gefühlt hat; die Wirklichkeit ist nn- beschreiblich. DieKunstwerke" der Milliardäre. J,, diesen Tagen wurde in New Aork eine Ausstellung eröffnet, die nur aus falschen Kunst- werke!» besteht. Diese samnilung von Fälschungen aller Art soll dazu dienen, den allzu harmlosen Milliardäre» die Augen zu öffnen LSer die Methoden, nach denen sie seit tnelen Jahren aufs grünt- haben, weil nicht mehr zu erreichen war. Wir sind anderer Meiming, wir stehen noch heute auf dem Standpunkt, daß durch die Arbeiterfeindlichkeit des Zentrums viel weniger erreicht wurde, als erreicht werden konnte und mußte, wenn wir eine Zentrumspartei   hätten, die wirklich die Arbeiterinteressen vertritt. sLebhasteS Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) ES war also ganz unberechtigt, wenn der Staats- sekretär im Hinblick auf die Reichsversicherungsordnung vorläufig mit sozialpolitischen Maßnahmen Schluß machen wollte. Es stand schon einmal ein anderer an seiner Stelle, der auch sagte, vorläufig würde Ruhe eintreten. Aber er mußte aus seinem Amte scheiden, weil er sich nicht für befriedigt erklären konnte, weil er auch nicht das Wenige durchsetzen konnte, was er für nötig hielt, um nicht ein Minister gegen Sozialpolitik, sondern für Sozial- Politik zu sein. In bezug auf den Arbeiterschutz hat der Staatssekretär sich auf die große Zahl von Gesetzen und Verordnungen berufen Dieses viele Herumdoktern beweist ja gerade, daß man nicht so vorgeht, wie es notwendig ist. Diese vielen Verordnungen werden ja nur deshalb erlassen, weil die ganze Grundlage ungenügend ist. Auch der Deutsche Juristentag hat die Frage, ob nicht eine einheitliche Regelung der Arbeiter- und Angestelltenverficherung notwendig ist, bejaht. Der Staatssekretär hat noch nicht einmal die Kinderarbeit in der Landwirtschaft geregelt, hier ist der Ausbeutung vollständig freies Spiel gelassen. Alle diese Lücken können nur durch eine einheitliche Versicherung ausgefüllt werden. Im vorigen Jahre konnte die Regiennig noch mit einem gewissen Recht sagen. der Reichstag   müsse seine ganze Kraft daran setzen, den Etat zu erledigen. Um so mehr hätten wir erwartet, daß jetzt die wichtigsten sozialpolitischen Vorlagen so zeitig an uns kommen, daß wir sie in Ruhe beraten können. Aber noch keine sozial- politische Vorlage haben wir bekommen, trotz aller schönen Versprechungen, die während des WahlkampfeS sogar von den Konservativen gemacht wurden. Dabei hätte die Gestaltung der wirt- schaftlichen Verhältnisse für den Staatssekretär ein besonderer An- sporn sein müssen, uns jetzt sozialpolitische Vorlagen zu machen. DaS letzte Jahr hat den wirtschaftlichen Gegensatz ganz gewaltig verstärkt, das Großkapital in ganz gewaltigen Mengen vereinigt. Am Ende deS Jahres 1911 hatten 158 Großbanken ein Kapital von 15'/, Milliarden in Verwaltung, davon allein die Berliner   und die ihnen an- gegliederten Großbanken nicht weniger als 13 Milliarden. Wie diese riesigen Summen von den Großbanken benutzt werden, zeigt ein Blick in die Jahresberichte. Wir finden, daß die Dresdner Bank im Jahre 1911 einen Gesamtumsatz von 91 Milliarden gehabt hat. in diesem Jahre wird sie 100 Milliarden erreichen. Die Deutsche Bank hatte e,nen Ge- samtumsatz von 12ö Milliarden und wird in diesem Jahre vermutlich auf 150 Milliarden kommen. Mit den Mitteln, die die Großbanken aus allen Kreisen des Volkes heranziehen, greift das Großkapital in alle Erwerbskreise ein. Nicht nur die Gütcrerzeugung wird unermeßlich gesteigert, sondern auch die Ausbeutung des arbeitenden Volkes wird bis ins Unerträgliche ge- steigert. Neben den Lebensmitteln sind durch diese kapita- listische Wirtschaft auch die Preise der anderen VerbrauchSgegenstände gesteigert, der K o h l e n p r e i S unter eigentümlicher Mitwirkung der preußischen Regierung um 50 Pfennig bis 1 Mark, waß für das arbeitende Volk in Deutschland   eine Mehrausgabe von mindestens 100 Millionen bedeutet. So wird das arbeitende Volk immer mehr gedrückt und vergewaltigt, damit das Großkapital immer neue Profite bekommt. jSehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Berliner   Großbanken hatten im vorigen Jahre einen Ueberschuß von 152 Millionen Mark. Durch diese riesigen Gewinne werden den Kapitalisten die Mittel zur Verfügung gestellt, in ihren Kreisen den Luxus und die Verschwendung bis ins ä u ß e r st e, oft bis ins u n- natürliche zu steigern, während das arbeitende Volk immer mehr ausgebeutet wird. Unter dieser Ausbeutung leidet auch der Mittel- stand. Trotzdem wir zwei gute Geschäftsjahre hatten, sind viele kleine Unternehmer bankrott geworden, andere sind zurückgegangen und in größere Abhängigkeit vom Groß- lichste betrogen werden. In den Kreisen der Kenner ist es kein Ge- heimnis, daß der größte Teil der Meisterwerke, die alljährlich nach Amerika   gehen und dort die Galerien der großen Finanzkönige zieren, den Namen nicht verdient, den die betreffenden Bilder tragen. Der berühmte englische   Maler Sargent hat einmal seinem Urteil über diese Verhältnisse einen köstlichen Ausdruck gegeben. Als der Künstler in Amerika   weilte, wurde er von einem Multimillionär zum Diner geladen. Der Betreffende war überaus stolz auf sein angebliches Kunstverständnis und hielt eS für völlig ausgeschlossen, daß irgend ein Händler es wagen könnte, ihn zu betrügen. Er hatte in seiner Galerie wunderschöne Bilder von Rembrandt  , Mnrillo, Tizian   und Raffael  ; aber leider waren sie alle gefälscht. Mit Stolz führte der Hausherr feinen Gast vor diese Schätze. Sargent sah alles und schwieg. Da sagte der Millionär zu ihm:Mein lieber Freund I Ich habe die Absicht, alle meine Schätze irgend einem würdigen Institut z» schenken. Könnten Sie mir irgend ein Museum nennen oder ein anderes Institut, das wert wäre, sie zu empfangen?' Sargent dachte einen Moment nach und erwiderte dann mit größter Seelenruhe:Ich würde ein Blindeninstitut vorschlagen I.. KttUst. Drei Akademiker. Die Akademie hat die Kei letzten« ihrer Toten, den Ma-ler Hertel, den Bildhauer Lessing  , den Arche- tekten Wallot, durch GodächtnisauSstellungew ehren wollen. DaS war, WaS den fiteichStagsbau meister betrifft, berechtigt; was den Denkmalmacher angeht, überflüssig; und sür den Malprokcssor nicht ungefährlich. DaS Urteil über'Wallot steht vorläufig fest; die wenigen Blätter, die wir hier zu sehen bekommen, können es' nur bestätigen: ein produktiver Architekt, der im Detail zwar ganz vom alten Sprachgeremt gefangen war, der aber als Raumbildncr und Maffengliederer die neue Zeit zu empfinden vermochte. Ein fast genialer, weil schöpferischer Zeichner. Er macht keine Schau- bildchen; jeder Strich ist ein Baugedanke. DaS Format des Lebens ist in jedem dieser Blätter. Man spürt es doppelt, dreifach, iveiin die Zeichnungen LcffingS daneben gehalten werden. Welch stotternde Talentlosigicitl Dieser Dekorateur wußte nie, waS er wollte, und überließ sich so dem tastenden Zufall. Ohne die preu- ßische Denkmalshausse wäre dieser Dilettant wohl kaum zum Fa- brizieren gekommen. Was aber soll man sagen, wenn man hört, daß heute fast jeder staatliche Monumentalbau irgendeine Knetung des Herrn Lessing zu ertragen-hat. Das heißt: akademische Kolle- gialität. Diese fragwürdige Tugend bewährte sich auch an Hertel. Sie wollte ihm.«ine RuhmcSpyramide häufen. Möglichst viel wurde ausgestellt. Darüber vergaß man, daß jener Maler zu jener Generation der Frühreifen und in solchem Reifsein bereits Heber- lebten geHorte, zu jener Generation, der die Hälfte aller grollenden, die moderne Welt verfluchenden Akademiker beizuzählen ist. Hertel war einmal eine Hoffnung, eine Vielfältigkeit der Talente. Er konnte alles: Courbei und Watteau  , Achenbach> Piloty und Alt- Holland. Er war zugleich Menzel und Böcklin  . Und war das alles mit Grazie und Temperament. Aber: viele Väter verderben das Kind. Hertel hatte nicht die Kraft, sich selber zu finden. Er feuer- werkte eine Weile, um dann zu Asche'zu brennen. Auch er wurde ei,»er jener hohlcg Deloxateure, sie dgg wiMmimM Zeitalter fennzeichyeff-' U. Br, kapital gekommen. Hi er wird immer erklärt: wir werden den Mittel- stand schon retten, er soll nur warten. Das hören wir jedes Jahr mit denselben Worten, wobei der Mittel st and immer mehr und mehr aufgerieben wird. Gesetze zu seiner Rettung sind genug gemacht worden, aber sie haben nichts geholfen, wie wir vorausgesagt habe». Sie können eben den unvermeidlichen Entwickelungsgang nicht aufhalten. Man mag diese EntWickelung bedauern, aber man darf den Leuten nicht vor- täuschen, daß man sie zurückschrauben könne.(Sehr richtig I bei den Soz.) Es ist eine unsinnige lieber- treibung, zu sagen, die Warenhäuser arbeiten nur mit unlautereii Mitteln. Ick will Herrn Werner nicht zu nahe treten, ich glaube aber, ich habe ihn schon selbst im Warenhause kaufen sehen. (Heiterkeit.) Es ist ja geradezu lächerlich zu sagen, Wertheim   erzielt seine Erfolge nur durch unreelle Maßnahmen. Das Blühen der Warenhäuser beruht eben ans der Uebermacht des Großkapitals, und diese Entwickelung kann man nicht aufhalten, wenn man dem Großkapital Zwirnsfäden in den Weg legt, sondern man muß sie zum Wohle der Gesamtheit gestalten. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch der bäuerliche Mittelstand leidet unter dieser Entwickelung. In meinem Wahlkreise haben mir sämtliche Bauern, auch die, die Vieh halten, gesagt, wenn sie nachrechnen, was ihnen alles durch die Zölle verteuert ist, und dagegen den Nutzen halten, den sie von den gestiegenen Fleischpreisen haben, so sind sie durch diese Politik weit mehr geschädigt als gefördert. So wird also der gesamte Mittelstand getroffen. Deshalb müssen wir den Kampf gegen das Großkapital aufnehmen, und die Arbeiter stehen in diesem Kampf an der Spitze. Die Arbeiter verdienen noch nicht einmal, waS zum not- wendig st en Lebensunterhalt gehört. Trotzdem sagt man immer wieder: ES ist ja nicht so schlimm, die Sozialdemokraten übertreiben. Demgegenüber erinnere ich an die bedenkliche Tatsache, daß unsere Bevölkerungszunahme zurückgeht. Früher waren wir stolz darauf, daß das deutsche   Volk die Kraft hat, die Bevölkerung in starkem Maße anwachsen zu lassen. Jetzt werden Stimmen laut, die meinen, der Rückgang der Bevölkerugszunahme sei gar nicht so schlimm, die vorhandenen Güter reichen dann besser aus. Eine solche volkswirtschaftliche Anschauung ist längst widerlegt. Der Rückgang der Bevölkerungszunahme ist auf die Steigerung der Preise aller L-bcnSbedürfniffc zurückzuführen, und daS sollte für jeden Sozialpolitiker eine ernste Mahnung sein, sich zu fragen, ob nicht neue Wege eingeschlagen werden müssen, um den Forderungen der Arbeiter mehr gerecht zu werden. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Statt dessen sagt man den Arbeitern von oben herab: Ihr müßt noch mehr Opfer bringen, Ihr müßt noch mehr hungern, damit der Geldbentel der Agrarier geschont wird. Und in derselben Zeit bringt es ein kleines Häuflein allerreichster Leute fertig, auf einen Weltkrieg loszuarbeiten, der im letzten Grunde auch nur den Ausbeutungsinteressen einer kleinen Clique dienen soll. In dieser Zeit der allgemeinen Bedrückung des Arbeitervolkes bekommen eS die Konservativen fertig, hier und im Abgeordnetenhause den Kampf zu verkünden gegen die Grundrechte der Arbeiter. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mit Ausnahme- gesehen gegen die Arbeiter ist ja schon Fürst Bismarck  , der doch schließlich em ganz anderer Kerl war als d-r Gras Westarp, lläglich gescheitert. Dabei war die wirtschaftliche Entwickelung da- mals»och lange nicht so weit wie heute. Die Sozialdemokratie war eine ganz kleine Partei. Aber als das Ausnahmegesetz schmählich zusammenbrach, da hatte die Sozialdemokratie dreimal soviel Stimmen. Also Sie sehen, wir brauchen den Kampf gegen die Ausnahme- gesetze nicht zu scheuen. So lange Arbeiter vom Großkapital auS- gebeutet werden, werden wir auch Sozialdemokraten haben. Doch daß enthebt uns nicht der Pflicht, gegen solche Bestrebungen mit aller Kraft anzukämpfen im Hinblick auf die Opfer, die unseren Genossen solche ausnahmegesetzlichen Zustände auferlegen. Bezeichnend war die Stellung des Herrn Delbrück jju dem Vorstoß des Grafen Westarp. Man kann aus Herrn Delbrück   nicht ohne weiteres klug werden. Mit dem einen Auge sieht er nach den Konse-rvativen, mit de», anderen schielt er ganz vor» sichtig nach der Linken.(Abg. Oertel: Hört, hört I Heiter- Humor und Satire» Daumschrauben. Jott, was für ein wütendes Gebelle Boll Herr Werner in den Reichstag  'nein l Selbst der wohlbekannten höchsten Stelle Schrieb er einen dicken Tadel ein. Ja, er schumpfte als ein Oberlehrer lieber alles in der weiten Welt, Weil ihm selbst, dem Wuotansehrer, Die moderne Zeit nicht mehr gefällt. Schwer geärgert hat's Herrn Doktor Werner, Daß man ihn bloß häßlich ausgelacht Will er was erreichen, tja, so lern' er Bon den andern, wie man's macht! Proletarier, die sich koalieren. Nun zu zähmen, spür'n die Blauen Kraf� Während unsere Schwarzen hübsch lackiere« Schwarz die freie deutsche Wissenschaft, Und so brücken diese edlen Brüder Micheln, der schon ohnehin verbeult, Fest auf beide blöden Angenliver Ihre fetten Daumen, bis cr heult. Michel. Rotkzen, Die P a w ko w a brachte am Mittwoch im Neuen Operntheater für dieses Gastspiel die letzte Neuheit: L i s z t S sinfonische Dichtung Präludien, für das Ballett arrangiert von dem geschmackvollen Regisseur dieser Russen, Fokin. Die Komposition von Liszt  , die im engen Nahmen einen Reichtum an Lebens- lhythmen birgt(idtzllisches Liebesleben, Freude, Kamps und Sieg), gibt gewiß eine klangvolle und stimmungsreiche Unterlage für den Tanz. In einer arkadischen Landschaft spielen sich die heiteren Szenen ab, das Liebliche und Heitere überwiegt, während das Heroische naturgemäß zurücktreten muß und die tragischen Züge durch schwarzumflorte Gestalten personifiziert werden. Die Pawlowa und ihre Gesähriinnen in leichten präraffaelitischen Gewändern ent- falteten eine Fülle schöner, mannigfach bewegter Bilder, während Nowikoff seine kraftvolle Geschmeidigkeit spielen ließ. Diese Tanz- bilder zeigten abschließend noch einmal, welch' entzückender Wirkungen der Tanz sähig»st, wenn die- geschulte Begabung unter kunstverständiger Leitung sich betätigen kann. Ein Berliner K l e i st- H a« S. DaS Haus Mauer- straße 63, das einem Bankueubau weichen muß, war Kleists   letzte Berliner   Wohnung. Es wird von jetzt ab den Namen Kleist-HauS führen. Eine Gedächtnistafel soll quf seine Bedeutung hinweisen. Georg Kolbe   bat eine Marmortafcl geschaffen, auf der oben eine sitzende, nackte Penthesilca dargestellt ist; untev in einem Medaillon sieht man den Kopf des Dichters. Theaterchronik. Wegen eines Defektes in der Heiz­anlage muß im Theater am Nolle ndorfplatz die Premiere »von Ltzy Falls»Swdentengräfin- auf Sannabend verschoben werden