auf 50 Proz.; d!e künftig zu zahlende Rückvergütung in Betracht gezogen, kommt man schließlich auf einen'«atz von SO Pf. für das untergärige Bier. Dieser Satz steht in den preußischen Städten einzig da. überall anderswo, wo eine kommunale Biersteuer erhoben wird, erhebt man den Maximalsatz von 63 Pf. nach dem Reichs- brausteuergcsetz. Das obergärige Bier' soll mit nur 20 Pf., ge- troffen werden, um die Wcißbierbrauereien zu schonen. Der Per- ein der Brauereien Berlins und der Umgegend will nun den Bierpreis erhöhen, wenn die Besteuerung über 20 Pf. hin- ausgeht, d. h. wenn Berlin ihnen nicht einige Hunderttausend Mark jährlich schenkt, soll der Bierpreis steigen. Entweder war das ein Bluff, oder es war ernst gcnreint, und dann liegt keine Ursache vor, das untergärige Bier niedriger zu belasten, denn es würde auch dann um keinen Pfennig billiger abgegeben werden. Ich gehe auf die sehr anfechtbare Eingabe des Vereins der Brauereien hier nicht näher ein; wir werden darüber im Ausschuh weiter sprechen. Tie Steuer auf Kabaretts, Zirkusse, Tanzbelustigungen für über 1,50 M. kann man doch nicht als Besteuerung des Vergnügens des kleinen Mannes bezeichnen. Die Kinos aber besucht nicht nur der kleine und mittlere Mann, sondern in neuerer Zeit auch das bessere Publikum.(Heiterkeit; Rufe: besser gekleidete!) Fragen Sie die Theater-Direktorcn. Das Luxus-Kino kommt immer mehr in Aufnahme und verdrängt immer mehr das kleine Kino, das bisher dem kleinen Mann gedient hat. Die kleinen Kinos mit einigen hundert Plätzen sind im Schwinden begriffen, imnier mehr bemächtigt sich das Großunternehmertum dieser Art von Theatern; die Plätze werden teurer, und es ist die höchste Zeit, daß sich die Kommune dieses äußerst brauchbaren Steuerobjektcs annimmt.(Aha! und Heiterkeit.) Vor drei Jahren hat Herr Hei- rnann mit einem gewissen Recht darauf hingewiesen, daß eine in- direkte«teuer nicht zu machen sei,' ohne daß von den Blassen ein großer Teil des Einkommens fließt. Das trifft aber für jede Steuer zu, auch für direkte. Auch die äußerste Linke ist für indirekte Steuern, denn indirekte Steuern sind es, wenn ich Betriebe von Stadt wegen betreibe und aus ihnen erhebliche Gewinne ziehe. Sollten Sie am Tarif Veränderungen vornehmen, dann sorgen Sie auch dafür, daß der Mindcrertrag anders woher gedeckt wird. Für jetzt bitte ich, prüfen Sie sachlich und gründlich im Ausschuß, unbeeinflußt von außen, und lassen Sie das triviale Wort:„Wer am meisten schreit, erreicht am meisten", in diesem Falle nicht wahr werden. Es wird getrennt über die beiden Steuern verhandelt, zunächst über die B i e r st e u e r. Stadtv. Cassel(A. L.): Erst wenn wir den Etat vor uns haben, werden wir übersehen können, ob wir mit 100 Proz. auskommen; ebenso müssen wir aber auch, wenn wir es können, die Uebcrschrei- tung der 100 Proz. vermeiden. Gehen wir gar einseitig damit vor, so wird Berlin den Vororten gegenüber zweifellos ins Hintertreffen geraten. Wir können die Geschäfte Berlins auch nicht nach dem Willen einer Jntereffentengruppe führen. Diese Steuervorlage be- trachten wir rein sachlich. Daß der Magistrat die Bierbesteuerung ändert, halten wir für gerechtfertigt, nachdem die Regierung ver- fügt hat, daß von der Rückvergütung des Steuerzuschlags für das ausgeführte Bier nur noch bis 1914 abgesehen werden darf. Wir können auf einen Steuerbetrag von% Millionen unter den heuti- gen Verhältnissen nicht verzichten. Unser Parteiprogramm ver- bietet uns auch nicht die Besteuerung eines G e n u ß mittels, denn ein Lebensmittel ist das Bier nicht.(Lebhafter Widerspruch auf der Tribüne.) Außerdem handelt es sich hier nur um die Umgestal- tung einer schon bestehenden Material- in eine Fabrikatsteuer. Ver- hindern wollen wir aber, daß die Steuer auf die Gastwirte oder von diesen auf das Publikum abgewälzt wird.Wir halten die Sätze, die der Magistrat vorschlägt, für zu hoch; eine unbillige Be- lastung wollen wir vom Publikum wie von den Gastwirten abwen- den. Im Ausschutz wird eine genaue Prüfung aller dieser Gesichts- punkte stattfinden müssen. Stadtv. Wurm(Soz.): Also Berlin braucht Geld, und Berlin ist abhängig von der Steuerpolitik der Vororte. Glaubt der Kämmerer, mit diesen 1?L Millionen Berlin für später oder auch bloß für 1913 vor der Ueberschreitung der 100 Proz. zu bewahren? Bei starken Streichungen überflüssiger Ausgaben werde es ihm möglich sein, meint er. Was sind„überflüssige" Ausgaben? Das ist;a eben der strittige Punkt. Wenn nicht energisch, durchgreifend an die Finanzgebarung Berlins mit Reformen herangegangen wird, wird auch der neue Herr keine neue Lage schaffen. Die kam- munalen Betriebe stellen keineswegs eine indirekte Steuer dar. Es ist das Unglück Berlins , zur rechten Zeit verabsäumt zu haben, Elektrizitätswerke, Straßenbahnen, Untergrundbahnen usw. in seinen Betrieb zu nehmen.(Beifall und Widerspruch.) Jetzt werden wir gestraft wie die armen Sünder für das, was die Vor- fahren getan haben. Es bedarf für eine Reform eines durch- greifenden Willens; mit solchen Lappalien kann ein Etat von 300 Millionen nicht saniert werden. In den Größstädten, in den Zentren der Industrie und des Handels, Ivo die Lohnsklaven in Massen vorhanden sind, muß herzhaft dazugegriffen werden, wo das Geld zu haben ist.(Große Unruhe.) Bei der Mangelhaftigkeit der Steuergesetzgebung muß mit aller Kraft darauf hingewirkt werden, � daß die niedrige Grenze der Einkommens- und Vermögenssteuer für die Kommunen beseitigt wird. Sonst wird uns der Landtag einfach entgegenhalten, wir hätten ein anderes Kommunalabgabcgesetz gar nicht nötig. Die Notwendigkeit einer Biersteuervorlage ist durch das� Rcichsbrau- steuergesetz gegeben, aber nicht die Notwendigkeit dieser Vor- löge. Der Kämmerer versucht, das Aufkommen aus dem Brau- malzsteuerzuschlag bei dieser Gelegenheit zu erhöhen. Die Nicht- gcwährung der Rückvergütung hätte nach dem Gesetz noch bis 1919 Zeit, aber die Liebenswürdigkeit des Oberpräsidenten hat diesen Zeitpunkt schon auf 1914 angesetzt. Wir lehnen die Vor- läge ab, weil wir je d e Biersteuer für eine zweckwidrige Be- lastung der Bevölkerung und der Gastwirte halten, die ohnehin so belastet sind wie kein anderes Gewerbe.(Lebhafte Zustimmung, auch auf der Tribüne.) Tatsächlich führt heutzutage der größte Teil der Gastwirte eine Existenz von der Hand in den Mund; immer mehr Gastwirte und Schankbesitzer gehen zugrunde. Seitens der Brauereien ist etwas zu deutlich offen herausgesagt worden, daß sie selbstverständlich nicht allein die Erhöhung auf die Gast- Wirt« abwälzen, sondern noch einen Zuschlag drauflegen würden. Da kann auch die Absicht des Kollegen Cassel, die Sätze herabzu- drücken, nichts helfen, denn die Brauer erklären ja, daß nur von 30 zu 30 Pf. pro Hektoliter im Verkaufspreis gerechnet werden kann; die Brauereien würden also dann noch mehr fiir sich einzu- sacken in der Lage sein. AuchdieseSteuerwird von dem StärkerenaufdenSchwächeren.alsoaufdenGast- Wirt und Konsumenten abgewälzt werde in Die Brausteuererhöhung von 1909 hat zur Verschlechterung des Bieres und zur Verminderung des Quantums geführt; im Hektoliter Bier sind nicht mehr 23, sondern bloß noch 18 Kilogramm Malz, das Bier also dünner geworden. Die Brauereien sind in ihrer Po- , siiion seit 1909 viel mächtiger als früher; sie sind jetzt gegen die Konkurrenz bis 1918 geschützt, dadurch wird die Ringbildung be- günstigt. und das Großkapital wirkt auf die. Mittel- und Klein- brauercien geradezu verheerend. Wer das Bier zu den Luxus- und Genußmitteln zählt, verkennt völlig� die Sachlage. Die über- große Mehrzahl trinkt nicht Bier, tveil sie es trinken will, sondern ivcil sie trinken muß, da sie sonst keine Unterkunft findet bei der Mahlzeit usw. Der Gasthausbesuch ist eine soziale Notwendigkeit geworden, das Bier ein notwendiger Gebrauchsgegenstand der großen Masse. AuS derselben Anschauung heraus haben früher die Freunde des Herrn Cassel Schulter an Schulter mit uns ener- qisch Front gegen jede Biersteuer gemacht; ich verweise nur auf das Richtersche ABC-Buch. Herr Wicmer hat 1902 beantragt, jede Biersteucr zu verwerfen. Derselbe Wiemer kann auch anders; auch er hat seinen Tag von Damaskus gehabt, als er zum Bülowblock gehörte. Bei der 100-Millioncn-Fiuanzrcform erklärten die Herren sich für eine Erhöhung der Biersteuer. Nur durch gutes Bier ist es möglich, den Schnapsgenuß ernzu- dämmen. Aus diesen sozialen und wirtschaftlichen Gründen meinen wir gac nichts Gescheiteres tun zu können, als die ganze kommunale Bierbesteuerung zu beseitigen. Bisher lvar_ es ein Vorzug Berlins , daß hier, wo der Freisinn herrscht, nicht die Wege der Natwnalliberalen oder Ultramontanen in der Steuerpolitik gegangen werden. Lehnen Sie die Vorlage ab, dann sind wir auch den Braumalzsteuerzuschlag los; der Kämmerer mag dann� die großen Einkommen zur richtigen Besteuerung heranziehen.(Stür- Mischer Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Roscnow(N. L.): Recht hat der Kämmerer darin, daß eine Erhöhung der Einkommensteuer zurzeit nicht sehr angenehm ist und leicht die freilich nicht gang verständliche Neigung der Steuerzahler zur„Flucht" in die Vororte begünstigen mochte. Da die Eingemeindung der Vororte nicht verwirklicht werden kann, müsien wir tunlichst an den 100 Proz. festhalten. An eine Bier- steuer treten wir nur mit großem Unbehagen heran. Die Brau- malzsteuer einfach den Brauereien zu schenken, kann niemand uns zumuten; wir werden bei der Umwandlung nicht über die bisherige Belastung des Brauereigewerbes hinausgehen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Wer A sagt, muß auch L sagen!) In diesem Sinne werden wir im Ausschuß mitarbeiten. Stadtv. Mommsen(Fr. Fr.): Die Etatsverhältnisse sind fiir uns gegenüber diesen 2 Millionen nicht maßgebend. Wir müssen die neuen Steuern aus sich selbst heraus beurteilen. Di« Eingabe der Brauereien hat Kollege Wurm gutgläubig mit allen ihren Super- lativen als reinste historische Wahrheit hingenommen; besonders was über den Standpunkt der Liberalen zur Finanzreform von 1909 da gesagt ist, ist tendenziös gefärbt. Gewiß babcn wir damals auch einen Ausbau der indirekten Steuern mit in Erwägung ge- zogen, und in den Kommissionsberatungen haben auch der Sozial- demokratie sehr nahestehende Herren die Berechtigung dieses Stand- Punktes anerkannt.(Hört! hört!) Ein« neue Biersteuer würden wir alle ablehnen; aber die 700 000 M. Braumalzsteuerzuschlag den Brauereien zu schenken, das empfehlen wir nicht, das empfiehlt nur Herr Wurm und seine Freunde! Wir als Gemeinde haben keinen Anlaß, den Brauereien ein Geschenk zu machen. Was die Brauereien hier wollen, ist etwas ganz anderes; das ist die gleich- mäßige Behandlung des gesamten Berliner Braugswerbes. In diesem Punkte liegt die eigentliche Schwierigkeit der Verabschivdung der Vorlage. Unser. Ausschutz wird die Aufgabe zu lösen haben, die bestehende Steuer in eine kommunale Brausteuer umzuwandeln, ohne eine Mehr- oder Minderbelastung eines Teils herbeizuführen. Ein sehr schwieriges, noch gar nicht beachtetes Moment ist die Besteuerung des von auswärts hereinkommenden Bieres. Die Drohung der Abwälzung dieser Steuer wird nicht so einfach durch- zuführen sein; denn wenn die Brauereien nicht mehr als bisher zu bezahlen brauchen, können sie auch nicht mehr verlangen. Auch die Konsumenten haben doch eine geivisse Macht und brauchen sich eine Abwälzung nicht gefallen zu lassen. Hoffentlich kommt schließlich eine verständige, brauchbare Vorlage heraus, der man den Vorwurf der Rückständigkeit nicht machen kann. Stadtv. Cassel(persönlich): Ich habe nicht gesagt, daS Bier sei ein Luxus- sondern cS sei ein gutes Genußmittel. In der Debatte über die neue Lustbarkeits steuer be- merkt Stadtv. Heimann(Soz.): Der Wurm einer Lustbar- keitssteuer, so meinte seinerzeit die„Vossische Zeitung", sei 1911 so tot geschlagen, daß er keine Auferstehung mehr feiern werde. Ich hatte diese eMinung geteilt, aber wir sind wieder einmal zu große Optimisten gewesen. Der neue Kämmerer hat geglaubt, dem Wurm(Heiterkeit) neues Leben einhauchen zu sollen. Allerdings hat der Steinigersche Lindwurm in der neuen Form eine etwas weniger gefährliche Gestalt er- halten. Wir sagen aber:„Hüte dich vor dem ersten Schritt!" In den Motiven steht der kurze aber bedeutsame Satz:„Die Steuer ist entwickelungsfähig." Wir sind aber nicht nur deshalb gegen die Vorlage; sie ist, wie sie ist, für uns gerade schlimm genug. Sie stellt ja nur einen Ausschnitt aus der früheren Vorlage dar; man hat versucht, alle Vorstellungen, denen ein höherer Kunstwert innewohnt, auszuscheiden. Dieser Versuch ist aber miß- glückt, und wenn auch eine Reihe der früheren Einwände wegfällt, bleibt doch genug übrig, um auch diese Vorlage glatt abzulehnen. Der Magistrat nimmt die glatte Ueberwälzung als selbstverständlich an. Das würden wir gerade unter keinen Umständen wollen; Steuer- zahler und Steuerträger sollen identisch sein. Eine glatte Ueber- wälzung wird aber nur bei den teueren Plätzen erfolgen; in allen übrigen Fällen wird eine Abwanderung von den besseren auf die billigen Plätze erfolgen. Bei Varietes und Spezialitäten soll die Besteuerung auch stattfinden, wenn sie nur Bestandteile anderer nicht steuerpflichtiger Darbietungen sind; das erscheint sehr bedenklich. Bedenklicher noch ist der Gedanke der Besteuerung der„Revuen". Auch für einen Laien ist es klar, daß diese Be- Zeichnung leicht in irgendeine andere umzuwandeln sein dürste. (Sehr richtig!) Die KinoS und die Tanzlustbarkeiten schießen, so wird gesagt, wie Pilze aus der Erde, eine scharfe Besteuerung wäre ein gutes Werk. Objektiv find solche Argumente nichts<�ls Spiegelfechterei; ein erzieh- liches Resultat hat eine Steuer noch nie gehabt. Wollen Sie die Berliner Bevölkerung erziehen, so müssen Sie sich nicht an den Kämmerer, sondern an den Stadtschulrat wenden(Sehr ivahr!), damit man bei unserer Jugend den Sinn für edlere Kunstgenüsse erzieht. Es kommt hinzu, daß die Reichsregierung iü einer Ge- Iverbeordnungsnovclle diese Kinovorführuirgeu konzessionspflichtig machen will; auch wird ja in Berlin der Besuch der Kinos durch Kinder demnächst durch Polizeiverordnung beschränkt werden. Also hat die Steuer lediglich den Zweck, den Stadtsäckel zu füllen. Die Steuer wird, was die Hebung des Kunstgenusses betrifft, direkt schaden. Selbst in ihrer unvollkommenen Beschaffenheit sind die Kinos doch das Theater des kleinen Mannes, das man ihm auf diese Weise verteuert. Ein Teil unserer Theater, der von der Lcbewelt frequentiert wird, unterscheidet sich übrigens höchstens zu seinen Ungunsten von den Zirkussen und den Kinos. Die Erzeu- gung und Vorführung von unterhaltenden und belehrenden FilmS, wie sie jetzt in größerem Umfange angestrebt wird, wird durch die Steuer wieder verhindert. Die zugelassenen Ausnahmen genügen nach keiner Richtung. Meine Partei verwendet unendlich viel Zeit und Mühe auf die Verschaffung edlerer Kunstgenüsse für die Ar- beiterschaft. Der Zentralbildunqsausschuß unserer Partei, dem ich angehöre, hat sein Augenmerk schon lange auf den ungeheuren Bil- dungswert kinematographischcr Vorstellungen gerichtet und will solche in ganz Deutschland veranstalten. Alle diese Vorstellungen in Berlin würden steuerpflichtig sein, da dieser Ausschuß von der Stadt eine Unterstützung nicht erhält— wir würden ja eventuell eine solche wahrscheinlich gern annehmen. Die Steuersätze gehen zum Teil noch über die Sätze der früheren Vorlage hinaus. Da- mals wurde schließlich die Grenze der Steuerfreiheit bei 40 Pf. gezogen; die neue Vorlage ergreift sogar den billigsten, den 10-Pf.- Platz, und belegt ihn mit 3 Pf. Im Durchschnitt beträgt die Steuer den kolossalen Satz von 20 Proz., während die Steuer für die anderen Unternehmungen höchstens bis auf 13 Proz. geht. Erfreulich ist mir nur, daß die Vorlage mit der früheren moralisierenden Begründung aufräumt; mau gibt jetzt offen und ehrlich zu, daß auch diese indirekte Steuer nur dann etwas bringt, wenn sie auf die Massen gelegt wird. Die Rentabilität be- sonders der kleineren Unternehmungen wird sehr gefährdet werden- ja, ich zweifle überhaupt, daß diese Steuer mit ihrem Satz von 20 Proz. mit der Verfügung im Einklang steht, daß kommunale Lustbarkeiten keine Besteuerung erfahren dürfen, die zur Unter. drückung des Unternehmens führen kann. Bei dem engen Rahmen in den die Kommunen gesperrt sind, bleibt kaum etwas anderes übrig als die Erhöhung der Zuschläge zur Einkommen- st e u e r. Unsere Vorgänger, die doch sicher nicht dümmer waren als wir. sind Dutzende von Malen in den letzten 90 Jahren im Begriff gewesen, erne Lustbarkeitssteuer einzuführen, haben aber im letzten Augenblick immer wieder davon Abstand genommen. Im vorigen Jahre scheiterte die allgemeine Erhöhung der Einkommen- steuer für Groß-Berlin an dem Wider stände von Wil - m e r s d o r f; heute aber liegen die Dinge dort auch anders. Gleichviel, der Zug nach dem Westen wird, auch wenn wir als erste Kommune mit der Erhöhung vorgehen, nicht stärker werben, um so weniger, als spätestens 1914 in Charlotteniburg und WilmcrS» dorf genau das gleiche geschehen wird. Nach Abzug aller Uulosten wird ein recht bescheidener Ertrag übrigbleiben— und darum Räuber und Mörder? Darum die Belasmng der Vergnügungen der Unbemittelten mit einer exorbitanten Steuer?(Unruhe.) Davon sollten Sie doch die Hände lassen. Ein Kämmerer, der nur Kämmerer sein will, mag ja das Gold nehmen, wo er es kriegen kann; so war Herr Steiniger. Der neu« Herr hat sich ja etwas verklausuliert, aber wir als Vertretung der Bürgerschaft haben auf das Ganze zu sehen, nicht aber Mittel zur Balancierung des Etats zu ergreifen, die nur Zwiespalt und Erbitterung in die Bevölkerung tragen können. Jetzt beruft sich der Magistrat auf das schlechte Beispiel anderer Städte. Damit können wir uns nicht imponieren lassen, viele von diesen haben auch nicht 100, sondern 200 und 300 Proz. Zuschläge. Das Allgemeine Landrecht gab den Kommunen das Recht, die Ostentation und den Luxus der wohl- habenden Mitbürger mit mäßigen Taxen zu belegen. Der Berliner Magistrat von 1913 setzt sich mit einem mächtigen Sprunge über eine mehr als 100jährige EntWickelung hinweg und zieht hier die Aeruisten heran, während er den Luxus und die Ostentation der Wohlhabenden fast vollkommen steuerfrei läßt!(Lebhafter Bei- fall bei den«ozialliemokraten; Ziseben bei der Mehrheit.) Stadtv. Dovc(A. L.): Die überwiegende Mehrheit meiner Freunde stimmt dem Grundgedanken der Vorlage zu. Wenn daS Ueberschreiten der 100 Proz. des Einkommensteuerzuschlags jetzt nicht möglich erscheint, müssen wir eben die Lücke anders abfüllen. Die Kino- usw.-Steuer hat in einem Punkte sehr viel für sich: die Vergnügungssucht ist sehr stark verbreitet und gewachsen. Es gibt auch demokratische Stadtverwaltungen, wie die von Frankfurt a. M., wo die Vergnügungssteuer einen großen Teil der städtischen Ein- nahmen ausmacht. Daß nützliche Veranstaltungen nicht getroften werden, dafür sorgt§ 7 der Vorlage; die Veranstaltungen, die die Partei des Herrn Heimann plant, erscheinen mir mehr als eine Art «Parteiwissenschaft".(Große Heiterkeit.) Wir wollen die Vorlag« unabhängig von den vielfachen Angriffen, die uns als Kultur» barbaren und dergleichen bezeichneten, prüfen.(Beifall.) Stadtv. Feuerstein(N. L.): Vor zwei Jahren hatten wir dieselbe Vorlage, nur waren damals alle Theater einbegriffen. Einen Unterschied zwischen den einzelnen Theatern zu machen, ist nicht richtig; so haben wir im Metropoltheater Künstler, die sich mit denen des Königlichen Opernhauses messen können. Ueber die Kinos läßt sich viel streiten; gerade die anderen Theater mit ihren teueren Plätzen haben das Entstehen der Kinos bewirkt. Ganz ungerecht erscheint uns die Pauschalbesteuerung: für einen Tag, an dem ein Freikonzert mit nachfolgendem Tanz stattfindet, hätte ein Etablissement wie die Brauerei Königstadt oder Friedrichshain eine Summe von 300 M. zu zahlen! Wir müssen eben zu 110 Pro- zent Einkommensteuerzuschlag greifen, wenn eine andere Deckung nicht zu erwarten ist. Ich bitte die Kino-Vorlage abzulehnen. ' Stadtv. Goeroldt(Fr. Fr.) tritt ebenfalls für Ausschußbevatimg ein. Damit schließt die Beratung. Beide Steuervorlagen gehen an einen Ausschutz von 13 Mitgliedern, der sofort vom Vorstand« er- uannt wird und dem von der sozialdemokratischen Fraktion n. a. Grunwald, Heimann, Wurm, Zubeil angehören. Darauf wird gegen 10 Uhr die Sitzung abgebrochen. )üiis Induftric und Handel Segen der„Volksfürsorge". Die öffentlich-rechtlichen Lebensversichcrungsanstalten, die nach einem Plan des bekannten ostpreußischen Generalandschaftsdirektors zur Entschudung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes inS Leben gerufen wurden, und die privaten Lebensversicherungsgesell- schastcn, die bisher schon die Polksversicherung betrieben, haben sich zu einem Kartell gegen die von Gewerkschaften und Konsumgenossen- schuften gegründete„Volksfürsorge" zusammengeschlossen. Dieser Kartellvertrag ist um so interessanter, als sich bisher offen tlid> rechtlicbe und private Gesellschaften im harten Konkurrenzkampf gegenüberstanden. Nach Mitteilungen der bürgerlichen Presse treffen beide Teile unter Wahrung ihrer Selbständigkeit gewisse gemein- same Einrichtungen, durch die dem Konkurrenzkampfe die Schärfe genommen und die Polksversicherung verbilligt werden soll.'Die Arbeiterschaft wird trotzdem die Gesellschaft fiir den Abschluß von Lebensversicherungen bevorzugen, die von vornherein zum Zwecke des«chutzeS vor rein privatkapitalistischen Interessen ge- schaffen ist._ Erneuerung des Bleiweisskartells. DaS deutsche Bleiweißkartell (mit dem Bleiwcißverkaufskontor in Köln ) ist für mehrere Jahre verlängert worden. Gerichts-Zeitung* Ausschluß der Oeffentlichkeit. Es ist nachgerade ständige Praxis geworden, baß immer, wen» ein Anarchist wegen angeblich aufreizender Reden oder Preßäuße- rungen auf der Anklagebank sitzt, der Staatsanwalt wegen Ge- fährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit den Ausschluß der Oeffentlichkeit beantragt und das Gericht gegen den Widerspruch des Angeklagten dem Antrage der Staatsanwaltschaft stattgibt.— Die Wirkung eines solchen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit per- handelten Prozesses mag die sein: Am nächsten Morgen liest der brave Spießbürger in seinem Leibblattc. daß der Anarchist X wegen Aufreizung zum Klassenhatz. Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze usw. usw. zu so und so vielen Monaten Gefängnis ver- urteilt und daß der Prozeß wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unter sircngsleni Ausschluß der Oeffent- lichkeit verhandelt wurde— Den braven Spießbürger läuft eS kalt über den Rücken. Hu. denkt er. uwS für fürchterliche Dinge mutz dieser Anarchist verbrochen haben, wenn schon die bloße Er- wähnung seiner Schandtaten im Gerichtssaal« imstande ist, die Zu- Hörer zu ungesetzlichen Handlungen hinzureißen! Der brave Spießbürger gedenkt dankbaren Gemüts der Polizei, die ein wach. sames Auge auf solche verruchten Leute hat und sie zum Wohle des Staates rechtzeitig dem strafenden Arm der Gerechtigkeit über. liefert. Diese Stimmung des urteilslosen Publikums ist es in letzter Linie, auf die gestützt die Polizei ein Heer von Spitzeln unterhalten kann, um eine Handvoll harmloser Leute, teils idea- listifcher Schwärmer, teils heilloser Wirrköpse, zu„uberwachen", die im öffentlichen Leben Teutschlands nicht die geringste Rolle spielen und das Publikum viel weniger beunruhigen als die Scharf- machcrrcdcn, die wir erst in den lebten Tagen wieder von Vre- tretern der rechtsstehenden Parteien im Reichstage wie im preu» ßischen Aüge-rdnetenhause gehört haben. Auch gestern verhandelte die 12. Strafkammer des Land- gerichtS l wieder unter strengstem Ausschluß der Oeffentlichkeit gegen einen Anarchisten. Angeklagt war der Bürstenmacher Knie- stedt. Er soll durch eine Rebe m einer am 14. Oktober abgehaltenen Anarchistenversaimmlung zum Ungehorsam gegen Gesetze aus- gefordert und verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalt- Tätigkeiten gegeneinander ausgereizt haben. Nach seiner Angabc hat der Angeklagte über daS Thema: „Anarchismus und Generalstreik" gesprochen. Da zu jener Zeit eben der Balkankrieg ausgebrochen war und von alldeutscher Seite das Verlangen ausgesprochen wurde. Deuffchland habe sich, wenn Oesterreich an dem Kriege beteiligt werde, an dessen Seite zu stellen, so ging der Angeklagte zunächst ans diesen Punkt ein und
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