s. i8. ZV.»MS. i. Keililge des„Alillliltg" Kerliüer NoldsblM. s>»w-ch.W-»nisK. Keickstag. V4. Sitzung. Dienstag, den 21. Januar 1S13, nachmittags 1 Uhr. Llm Bundesratstische: Dr. Delbrück. Kurze Anfragen. Abg. Rühle<Soz.) fragt: Ist dein Reichskanzler bekannt, weshalb die Ergebnisse der am IS November 1904 im Deutschen Reiche vor- genommenen Erhebung über die Lohnbeschäftigung von Kindern im Haushalt wie in der Landwirtschaft und deren Nebenbetrieben bisher— mit Ausnahme von Bayern — noch nicht veröffenllicht worden sind? Gedenkt der Reichskanzler die als- baldige Veröffemlichung zu veranlassen? Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Der Reichs- tag hat durch seine Resolution vom 23. März 1903 zum Kinderichutzgesetze den Wunsch ausgesprochen, es möchten Erhebungen eingeleitet werden 1. zur Feststellung über die Art und den Umfang der Beschäftigung von Kindern im Haushalt wie in der Landwirtschaft und deren Nebenbetrieben. 2. zur Feststellung über die Gründe, die zu dieser Beschäftigung führen und die Gefahren, die sie fijr Leben und Gesundheit der Kinder mit sich bringen, und 3. möchte» Erwägungen angestellt werden über die zweckmäßige Art der Bekämpfung der Kinderbeschäftigung. Die Erhebungen hätten zunächst die Feststellung der Art und des Umfanges der Beschäfli- gung der Kinder zum Zwecke. Das gewonnene Material müßte gesondert werden, um die Grundlage für den zweiten Teil der Er- Hebungen zu gewinnen, die Feststellung der Gründe der Beschäfti- gung und der Gefahren, die sie für Leben und Gesundheil der Kinder mit sich dringen. Hierüber mußten die Landesver- Wallungen, namentlich sachkundige Personen aus den Schul- und Medizinalverwaltungen gehört werden. Das so entstandene Material sollte dem Reichskanzler zugehen. Aus mehreren großen Bundes st aalen ist es bisher beim Reichskanzler noch nicht eingegangen.<Hört I'hört I) Sobald das der Fall sein wird, wird es im Einvernehmen mit den Landesregierungen veröffenllicht werden. Dann wird auch zum dritten Teil, der Resolutionen zu der zweckmäßigen Art der Bekämpfung der Kinderbeschäftigung Stellung genommen werden. Wann das der Fall sein wird, läßt sich zurzeit noch nicht absehen. Etat des Reichsamts des Innern. Sech st er Tag. Die Beratung wird fortgesetzt bei den Fortdauernden Ausgaben, Kapitel 7 Titel 2. Dazu liegt eine Resolution der Kom- Mission vor, den Reichskanzler zu ersuchen, unverzüglich Maß- nahmen zu treffen, die geeignet sind, der durch die sogenannte Balorisation herbeigeführten künstlichen Verteuerung des Kaffees entgegenzuwirken. Abg. Nacken<Z.): Diese Resolution war von meinen Freunden eingebracht., Es handelt sich um eine künstliche Ver- teuerung deS Kaffees, eines Volksgetränks im eminenten Sinne, durch eine internationale Gruppe von Finanz- leuten. Andere Staaten sind schon teilweise nicht ohne Erfolg gegen diese Machenschaften vorgegangen. Die Valori- saiion des Kaffees bestand darin. daß die Regierung von St. Paolo in Brasilien , um der fortschreitenden Entwertung des Kaffees infolge zu starken Anbaues und günstiger Ernten entgegen- zutreten 1906 und 1907 acht Millionen Sack Kaffee aufkaufte und dem Berkehr entzog. In der Folge hat die Regierung dann ein Komitee gebildet, das dafür sorgte, daß nur eine bestimmte Menge Sanios-Kaffee exportiert wurde. An dieser Praxis hat man auch festgehalten, als die Kaffeepreise enorm st i e g e n. Am 16. Januar dieses Jahres hat das Valorisationskomitee in London getagt und hat beschlossen, daß von 4 408 000 vorhandenen Sack Kaffee in Europa nur 300 000 Sack zum Verkauf gelangen sollen und zwar zum Preise von 70 Pf. für das halbe Kilo. Gegen diese Preis« treibet ei hoben die Vereinigten Staaten auf Grund des Antitrust« geseyes Front gemacht und haben auch erreicht, daß für Amerika 900000 Sack zum Berkauf gelangen sollen. Leider fehlt es uns an einem solchen Gesetz, um gegen diese wucherische Mani- p u l a t i o n mit Erfolg vorzugehen. Die europäischen Regierungen, insbesondere Deutschland , sollten jedenfalls Schritte unternehmen, um den Verkauf des eingesperrten Kaffees zu �erzwingen. Vielleicht erhebt Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Belgien diplomatische Vorstellungen in St. Paolo. Eine Kouferenz von Sachverständigen würde sicher weitere Maßnahmen vorschlagen können. Wenn alles nichts hilft, muß eben auch Deuiichland ein Antitrustgesetz beschließen. Auch sollte der Kaffeeanbau in unseren Kolonien gefördert werden. sBravo!) Staatssekretär Dr. Deldnick: Auch die Verbündeten Regierungen beklagen die Folgen der Balorisation. Ich verspreche die Sache im Auge zu behalten. Abg. Molkenbuhr sSoz.): Ich bin aus der Rede des Vorredners nicht klar geworden, ob das Zentrum nun den neuen Direktor im Reichsamt des Innern bewilligen will oder nicht. sHeiterkeit.) Im übrigen bedauere ich, daß er seine Rede nicht 1909 gehalten hat. Damals wären die schönen Redewendungen vom Kaffee als Volksgetränk sehr an- gebracht gewesen.(Sehr gutl bei den Sozialdemokraten.) Auch gab es damals eine Gruppe, die den Preis des Kaffees, der im Ham- burger Hafen 80 Pf. pro Kilogramm betrug, für alle deutschen Märkte innerhalb der Zollgrenzen auf 1,40 M. pro Kilogramm hertmfbringen wollten, also auf den Preis, den jetzt Herr Nacken als wucherisch bezeichnet, und damals haben sich die Herren vom Zentrum selbst daran beteiligt.(Hört! hört! bei den Sozialdem.)— Daß der Kaffee Preisschwankungen unterworfen ist, ist bekannt. Die Verkäufer suchen mit allen erdenklichen Mitteln die Preise zu erhöhen, nicht nur von Kaffee, sondern ebenso auch bei Brot, F l e i sch und anderen Artikeln, und wir haben alle Veranlassung, der künstlichen Erhöhung der Preise nicht nur bei Kaffee, sondern auch bei Getreide. Fleisch usw. entgegenzuwirken. Kaffee gehört allerdings zu den Artikeln, deren Konsum erheblich zurückgeht in dem Maße, ivie der Preis steigt. Wenn Sie Gesetze gegen die künstliche Paistrerberei machen wollen, sind wir gewiß dabei; wir würden auch nichts gegen diplomatische Vorstellungen einwenden, die mit Frankreich und England zusammen in Brasilien zu erheben wären. Freilich könnte man uns erwidern, daß gerade bei uns die Gesetzgebung zur künstlichen Steigerung der Preise benutzt wird. Wir Sozialisten wissen ja auch, daß alle diese Erscheinungen wie Kartelle, Ringe, Trusts, nur notwendige Folgender kapitalistischen Entwickelung sind, und daß ernsthaft gegen sie erst etwas ge- schehen wird, wenn die gesamte kapitalistische Produktion beseitigt wird.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Der Titel und die Resolution werden angenommen. Beim Titel„Förderung der Seefischerei� liegt ein Antrag Fischbeck-Bassermann(Vp. und natl.) vor, den Fonds von 500 000 aus 600 000 Mark zu erhöhen. Abg. v. Löhlendorff-Kölpin(k.) begrüßt diesen Antrag im Interesse unserer Fischerbevölkerung und hebt die volkswirlschaftliche Bedeutung der Seefischerei und die Bedeutung der Seefische als Bolksnahrungsmitlel hervor. r Abg. Dr. Prcuß(Z.) schließt sich im wesentlichen dem Vor- I redner an. Abg. Noske(Soz.): Wenn konservative und Zenirumsleute jetzt sich dafür inS Zeug legen, daß unserem Volk billige Nahrung zur Verfügung gestellt wird durch Zufuhr von Fischen aus den Kolonien, so wissen wir noch gar nicht, ob wenn wirklich eine reichliche Fischzufuhr aus den Kolonien zu erwarten wäre, Konservative und Zentrum ebenso d i e Grenze dagegen sperren würden, wie jetzt gegen Fleisch aus den Kolonien.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Im Widerspruch mit den Ausführungen der Vorredner steht auch der von ihren Freunden immer wieder erhobene Ruf auf Erhöhung der Fischzölle(Sehr richtig I), der um so törichter ist, wenn inan berücksichtigt, daß große Städte in letzter Zeit dazu haben übergehen müssen, recht erhebliche Mittel bereit zu stellen, um den Fiichkonsum zu heben und die Kenntnisse über die Fischbereitung auszubreiten. Herr Diederich Hahn ist noch bis in die letzte Zeit für eine Erhöhung der Fisch- zölle eingetreten.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Ein Teil der Klagen der Fischer über die Schwierigkeit, die Fänge unterzubringen, wird wohl bald verstummen, da der Fischverbrouch sich in ständiger Zunahme befindet. Es muß nur noch gewissen Mängeln in der Verteilung der Fänge entgegengearbeitet werden. Herr v. Böhlendorff hat auch die Bedeutung des H e r i n g S als Volksnahrungsmittel gepriesen. Große Massen des Volkes sind aller- dingS auf den Hering als einzige Fleischnahrung an- gewiesen. Daher ist es geradezu ungeheuerlich, daß man sich nicht dazu entschließen will, den Heringszoll zu beseitigen. Für eine Erhöhung des vorliegenden Etalstitels treten auch wir ein, da wir uns über die Bedeutung der Fischerei für die Ernährung des deutschen Volke« klar sind/(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Struve(Vp.): Die Angriffe gegen die Rechte will ich nicht fortsetzen, weil man sich über die fortschreitende Volkswirtschaft- liche Erkenntnis auf der rechten Seite freuen soll. Der Fisc�rei- bevölkerung wird von allen Seiten dieses Hauses Sympathie ent- gegengebracht; ich hoffe daher, daß Sie unserer Resolution zu- stimmen und auch dafür sorgen werden, daß der Widerstand Preußens überwunden wird. Abg. Dr. v. Richthofcn(natl.) gibt der Freude darüber Ausdruck, daß alle Parteien der Fischereibevölkerung entgegenkommen wollen. Gerade angesichts der Fleiichteuerung gewinnt die Ernährung mit kleines Feuilleton. Mußte das sein? Von eine», Verehrer Hauptmanns wird uns geschrieben: Wir haben die beglückende Kunde gelesen, daß Gerhart Haupimann für die wahrscheinlich recht geräuschvollen Feiern der Stadt Breslau zum Andenken an den„Aufruf an mein Volk" und den Beginit" des„Befreiungskrieges" 1813 ein„Fe st- spiel" geschrieben hat. Er ist sogar swon fertig damit und hat das au« Italien , wo er sich eben von seinem etwas anstrengenden SO. Geburtstag erholt, glückstrahlend telegraphiert. Unsere Generalion � ich meine die der jetzt etwa Dreißig- jährigen— ist mit dem Glauben an Hauptmann, mit der Be- gcisterung für sein Werk groß geworden. Und wir fragen uns: mußte das sein? Es soll hier nicht um das Jahr 1813 gestritten werden, nicht um die kllnimerlicden Früchte jener für die Fürsten - befreiung ausgenutzten Volkserhebung. Es sollen auch nicht Prognosen gestellt werden, wie das Preußen von heule voraussichtlich dies Gedenkjahr einer Tat der Massen durch den Hurrapatriotismus gegen die Massen auszunutzen versuchen wird. Es soll nicht daran erinnert werden, daß gerade die Breslauer Poltzei und Regierung bemerkenswerte Proben von Bolksfcindlichkeit gegeben hat, während die Breslauer Universität ihre Liebedienerei nach oben bekundet. Das olles mag beiseite bleiben. Trotzdem: mutzte gerade Gerhart Hauptmann dies Festspiel schreiben? Es gibt doch so viele. die darin größere Uebung haben— Joseph Lauff und Gleich. strebende. Hauptmann wird ja vielleicht etwas sehr Schönes ge- schrieben haben. Das ist ja möglich. Aber hat ihn. den Dichter der„Weber", des.Hannele". deS„Fuhrmann Henschel" wirklich das unbezwingbare Muß innerlichen künstlerischen Dranges zu diesem „Festspiel " getrieben? M u ß t e das sein? Manches ist Gerhan Hauptmann mißlungen. DaS hat uns, dre wir mit leinen ersten revolutionäteu. dramatischen Siegen rhm nach wie im Rausch in eine neue Literatur hineinmarschierten, nicht irre gemacht. Uns so wenig wie ihn. Er blieb uns, trotz allem Reuen. daS neben ihm und über ihn hinaus andersgeartet empor- wuchs, der innerlichtte und doch wohl auch der gewaltigste unter den lebenden deutiche» Dichtern. (Mag sein daß wir da von Jugendeindrücken nicht ganz loskommen.) Bei diesem„Festspiel" schütteln wir verwundert den Kops. Mußte das sein? Oder hat vielleicht Gerhart Hauptmann , dessen Bild ja geschäfts- tüchtige Photogravhen gerne dem Kops Goethes anähneln, ani Ende gemeint, dieses„Festspiel gäbe vielleicht eine hübsche Parallele zu des Weimarer Gebeimrats Festsplel„Epimenides Erwachen ", daS er sich zur Feier der Rückkehr des preußischen Königs aus dem Be- sreiungskrieg<30. März 18lo> abrang? Run, diese gekünstelte und eiskalte Dichtung gehört zu den wenigen Werken Goethe«, über die die Mitwelt itiid Nachwelt bloß geschimpft hat— die Patriotischen Und Nationalen am meisten. Theater. DaS Lichtspiel-Theater am Nollendorfplatz hatte DienStaguachinittag feine„Sensation". Paul Lindaus Schauerstück„Der andere" wurde erstmalig als Film- Drama vorgeführt. Unter beständiger Orchestern, usik wickeln sich die vier Akte ab. Dies Moment ist wohl zu beachten: denn ohne jene mehr oder minder aufmunternden Geräusche würde man sich in einen Schlafraum versetzt wähnen. Nun starrt man die blitzartig wechselnden Bilder an, die bald Solo-, bald Ensembleszenen zeigen und dem Zuschauer erst so recht eindringlich zu Bewußtsein bringen, was ein künstlerisch geschaffenes Drama bedeutet und was ei» raffiniert technisch gezimmertes Theaterstück ist. Paul Lindau hätte des Films nicht bedurft: sein„Anderer" war schon ein Film- Drama von Haus aus! Lindau dramatisierte gewissermaßen eine Sentenz von Taine, wonach jemand infolge eines durch Krankheit, einen Unglücksfall oder ähnliches bei ihm hervorgerufenen „DämmerungszustandeS" oder zeitweisen Defekts in seiner Er- innerungsmaschinerie Handlungen begehen könne, von denen er, wieder„zu sich" gekommen, nichts weiß.„Der andere" begeht in einem solchen Zustande einen Einbruchsdiebstahl bei sich selbst. Stücke der Handlung sind zu einer Art logischen Geschlossenheit vor- täuschender Aktwirkung neben- und nacheinander zusammengefügt und durch vorausgehende Texttafelu erklärt. DaS psychologische Ele« ment fehlt, weil dem Film die Sprache fehlt, ohne die nun ein für alle Mal kein Drama,.'das ja doch ein Ausschnitt eines pulsierenden Lebens ist und sei» soll. denkbar ist. Gewiß, die Filintechuik hat ungeheure Fortschritte gemacht. Die Figuren treten mit stupender Plastik in und aus dem Rahmen. Wir sehen sie agieren mit Händen, Armen und Beinen: wir sehen sie die Augen öffnen, schließen, glotzend rollen; wir sehen sie den Mund zum Sprechen öffnen, die Lippen mokant oder zun, Kusse siw kräuseln und spitzen; wir sehen das ganze Mienenspiel eines froh sich erhellenden oder in Zornesleideni'cbaft oder sonstwie arbeitenden Gesicht«— aber die Sprache? Kein Laut. Puppen sind es, die dort»hr, fast möchte man sagen automatisches Unweien treiben. Aber eindrucksvoll ist das alles doch, wird man ein- wenden. Nichts davon— einen in der Seele noch lange nach- schwingenden Eindruck nimmt man schwerlich niit. Wem es Ver- gnügen bereitet. Bassermann und die übrigen„Mitwirkenden" recht nah oft die lächerlichsten Fratzen schneiden zu sehen, der mag ja auf seine Rechnung kommen. Aber ein Filmdrama kann und wird uns nie wirkliche und wahrhaftige Äunst ersetzen. Es ist sowohl für bevorzugte.Film"-Schauspielcr als auch für alle gegeuwärtigen wie zukünftigen Filmdramatiker, mögen sie nun Lindau , Wedekind/ Haupt- und Sudermann oder wie sonst noch heißen, nur ein G e s ch ä f t— ein G e s ch ä f t. s. K. Münchener Theater. Die Kammerspiele brachten Shaws Einakter:„Bkanco Posnets Ertveckung" erfolg- Seefischen erhöhte Bedeutung; doch muß auch besier für den Trans- port der Seefische gesorgt werden. Abg. Körsten(Soz.): Die Fischer leben vielfach noch unter Ausnahmegesetzen. Jede kleine llcbertreiung wird bei ihnen bestraft: die Strafen, die unnachsichtlich vom Fischprüfer festgesetzt werden, steigen sehr schnell auf 100 und 150 M., und bei der dritten Bestrafung wird ihm die Erlaubnis zum Fischen entzogen. Damit werden dem Fischer zugleich die Bedingungen seiner Existenz entzogen: er greift dann häufig zum Raubfis'chfang, und wird er dabei gefaßt, so kommt er ins Zuchthaus. Warum geht man nicht zunächst mit einer Verwarnung vor? Dem Großkapital hat man die Zugangs- stellen der Fische überwiesen und wehe dem Fischer, der solcher Slelle bis 200 Meter nahe kommt. Auch fiskalische Gewässer ver- pachtet man nicht an die Fischer, weder an einzelne, noch an eine Gesamtheit von Fischern, sondern sie werden an Privatleute verpachler, selbst wenn diese weniger Pacht bieten als die Fischer. Die Aufsichtsbeamten dagegen gehen überaus scharf gegen die Fischer vor. sobald die geringste Ileberlretung gegen � die Bestimmungen des Fischereigesetzes vorkommt. Sie selbst freilich übertreten die Bestimmungen auch, ohne daß ein Hahn danach kräht. Auch gegen die Fischer sollte eine mildere Praxis platzgreifen. (Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Böhlcndorff-Kölpin: Gegen ein nicht genügendes Wohl- wollen der Behörden den Fischern gegenüber haben auch wir dem preußischen Abgeordnetenhaus, wohin die Rede des Vorredners eigenrlich zum größten Teil gehörte, stets Stellung genommen. Der Antrag Fischbeck-Bassermann, den Etatstitel im Jahre 1914 zu erhöhen, wird angenommen. Beim Titel Unter st ützung deutscher Seemanns» Heime im Ausland befürwortet Abg. Meycr-Herford(natl.) einen Antrag auf Erhöhung dieses Fonds im nächsten Jahre. Abg. Sivkovich(Vp.): Die Seemannsfürsorge in fremden Hafenstädten muß der freien Liebestätigkeit Überlasjen bleiben und darf nicht verstaatlicht werden. Immerhin könnte von Reichs wegen erheblich mehr geschehen. Das kleine Schweden tut auf diesem Gebiete erbeblich mehr, zahlt für diesen Zweck 38 000 K.. das gewallige Deutiche Reich nur 22 000 M. Wir treten für den Anirag auf Erhöhung des Fonds ein. Abg. Henke(Soz.): Ich muß einiges Wasser in den Wein der Begeisterung über die Seemannsheime gießen, lieber die Bedeutung der Seemannsheime für die Seeleute an sich besteht keine Meinungsverschiedenheit. Aber die Seemannsheime sind nicht, wie das sein müßte, neuiral geleitet, sie sind mit der Zeit mehr und mehr zu Hilfsmitteln des Reedereikapitals zur Bekämpfung der Ar« beiter geworden, wobei diesem die Kirche gute Dienste leistet.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dabei haben die Reeder selbst bei Errichtung von Seemaunsheimen stet? sehr zugeknöpfte Taschen gezeigt.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) In den„Blättern für Seemann«- Mission" rät ein Pastor den Seeleuten, sie sollten wirkliche Uneigennützigkeit für die Schiffer und für die Reeder beweisen. Dabei ist die Ausbeutungssucht des Unternehmertums im Schiff- iahrtsgewerbe zur Genüge durch empörende Zeugnisse bekannt. Das Reedereikapiial steh: auch der Organisation der Seeleute b e- sonders feindselig gegenüber.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Daher kann diese Mahnung des Pastors nur zurückgeführt werden auf vollständige Unkenntnis der Verhältnisse lm Seemannsberuf. Es ist nicht zu bestreiten, daß in den. Seemannsheimen eine Muckerei sondergleichen zu- gunsten der Reeder getrieben wird, und' daß sie zugleich auch zu Heuerbureaus geworden sind. Sie bilden die Melde- stellen für Schiffsjungen. Ein junger Mann meldete sich vor einigen Jahren bei der deuti'ch-evangelischen Seemannsmission für eine Schiffsjungenstelle. Der Seemannspastor für die Ostseehäfen stellte »hm alsbald eine solche Stelle in Aussicht, und zwar unter den verlockendsten Bedingungen, eine Stelle auf einem erstklassigen Schiff der Hochseefischereiflotte mit günstigen Lohnverhältnisien, so daß der Schiffsjunge große Ersparnisie machen könnte. Die Reederei hätte sich erboten, die Ausrüstung selbst zu besorgen, allerdings würden die Kosten dafür später vom Lohn abgezogen. Der junge Mann erklärte sich bereit, die Stelle anzunehmen. Darauf wurde ihm schon mitgeteilt, daß er sich mit genügenden wollenen lliiterkleidern zu versorgen habe. Also die gesamte Ausrüstung wurde doch nicht geliefert. Schließlich schrieb ihm dann der Pastor, er sehe sich genötigt, bei den erheblichen Unkosten von dem anzustellenden Bewerber uni einen freundlichen Beitrag für das Seemann shei», zu bitten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn jeder derselben 5 M. entrichten würde, wären die Unkosten gedeckt. Das reich zur Uraufführung. Die nachdenkliche Geschichte eines wild- westamerikanischen Pferdediebes, der einen Gaul stiehlt, um einer Mutter rascher ärztliche Hilfe für ihr krankes Kind zu Herschaffen. Auch in dieser„melodramatischen Predigt" paart sich sozialer Lebensernst mit unzähmbarer kritischer Spottsucht. Gleichzeitig versuchte im Schauspielhaus der früher ernster zu nehmende K o r- f i z Holm Wedekind auf dem Gebiet der Kolportage mäßiger Schlüsseldramatik Konkurrenz zu machen. Das Modell zu„M a r y s großes Herz" lebt und genießt in München , und die elegante Gesellschaft hatte am Premierenabend genug zu tuscheln und zu zischeln. Das Stück spielt durchaus in der moralischen Unter- schicht, in jener hohlen, müßiggängerischen Lcbeweltschicht, die mit dem Unterleib denkt. Kokottengeist, Geschlechtsperspektive, im Mittelpunkt die„Frau von sechzig Jahren", aber nicht als die Fort. setzung der Balzacschen„Frau von dreißig Jahren", sondern als langverehelichteS Amüsierweib und Daucr-Erotikerin. Diese„in Ehren erblondete" Mary, Blamage für ihren Trottel von Mann, Kompromittierung für ihre Kinder, ein großes Gelächter für die Umwelt, hätte als Lustgreisin dem Spott ausgeliefert werden sollen. Dazu fehlte aber Holm der Mut; er versuchte fast eine Apotheose auf„die modernste, stilvollste Frau". Trotzdem gefiel der Bilder- bogen aus dem Sumpf der bürgerlichen Gcnußwelt der Mehr, heit,_ m. Notizen. — Straußen« Oper„Ariadne auf NaxoS " wird, nachdem das übrige Deuischland nun bald darüber zur TageS- ordnung übergegangen sein wird, am 18. Februar auch in Berlin aufgeführt werden, und zwar wegen der intimeren Wirkung im kgl. Schauspielhause. Frl. Bosetti wird dazu aus München ver- schrieben, weil unser Frl. Hempel— in Amerika singen muß. — Sudermanns Theaterpläne. Wie ein kluger Geschäslsmann, der nicht jede Saison dasselbe bringt, will Suder- mann seinem letzien modernen Drama nun wieder ein historisches (oder phamastisches) folgen lasten. Es soll, wie er einem englischen Journalisten erzählte,„Der letzte Dichter" heißen und um 400 nach Chr. in Rom spielen(in der dunkelsten Periode natürlich). Dann will Sudermann noch 3—4 Jahre andere Dramen ausführen und hierauf zum Roman zurückkehren. — Ein Kongreß fürA.esthetik und Kunst wissen- s ch a f t— der erste seiner Art— soll diesen Herbst in Berlin tagen. — Eine Jubiläums-Ausstellung in Karlsruhe . Die Stadt Karlsruhe wird im Jahre 1915 zur Feier des 200jährigcu Jubiläums ihres Bestehens eine Kunst-Ausstellung veranstallen. Mit dieser Ausstellung, die ein umfassendes Bild der zeitgenössischen Kunst geben soll, wird zugleich das ständige Ausstellungsgebäude, das die Stadt errichten läßt, eingeweiht werden.
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