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Nr. 277.

Erscheint täglich außer Montags. Preis pränumerando: Viertel­jährlich 3,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. fret in's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Belt" 10 Pfg. Post- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band: Deutschland u. Defterreich Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Poft Zeitungs- Breisliste

für 1898 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Bereins- und Beriammlungs Anzeigen 20 Pfg Inierate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in Der Grvedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen tagen bis 7 Uor Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor: mittags geöffnet.

Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: Sozialdemokrat Berlin Berliner

Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Abonnement auf den

Sonnabend, den 25. November 1893. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Mit dem 1. Dezember eröffnen wir ein neues Monats­Ff

Vorwärts

Berliner Volksblatt

mit der illustrirten Sonntagsbeilage

,, Die Neue Welt".

Für Berlin nehmen sämmtliche Beitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Beuthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus,

wöchentlich 28 Pfennige.

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sie dem deutschen Volt präsentirte ist die Börsensteuer am populärsten. Wenn einmal geblutet werden soll, ein tüchtiger Aderlaß applizirt werden ben Spalten eines großen Theils der bürgerlichen Presse nichts zu thun. Was an der Börse ge- und verhandelt Die übergroße Majorität des Volkes hat mit der Börse wird, das ist der durch die Ausbeutung der Arbeiterklasse

Steuerbouquet zieren, weiß man auch, daß die tollsten Spekulationen Gegenstand ganz besonderer Aufmerksamkeit der betreffenden Schatullen­so mag der Börse verwaltungen sind. so tönt es aus

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und aus den Reihen der Gesetzgeber. Die öffentliche Meinung hält, gewiß nicht mit Unrecht, erzeugte Mehrwerth, um den sich die Kapitalistenklasse in Börse und Schwindel für ziemlich gleichwerthige Begriffe. wilder Spekulationswuth untereinander an der Börse rauft. Von konservativer Seite wird der Aufruf zum Kampfe Die Vorgänge an der Börse haben für uns nur insofern gegen das moderne Sodom und Gomorrha noch mit dem Interesse, als dieselbe ein Spiegelbild der herrschenden Zu­bekannten Tropfeu antisemitischen Del's gesalbt, und die stände ist, in welchem sich die ganze Fäulniß und Kor­Ahlwardtpresse fordert sogar, daß der gesammte Steuerruption der bürgerlichen Gesellschaft darstellt. bedarf des Reiches aus den Börsensälen herausgeholt Von diesem Standpunkt aus können wir der Börsen­wird. Wie die Dinge nun einmal liegen, wird die Börsen- steuer, ganz abgesehen von unserer sonstigen Gegnerschaft, steuer vom Reichstage angenommen werden, wobei wir nur nicht das Wort reden. Die Spekulations- und Spiel­wünschten, daß der vielgefräßige nimmersatte Militärmoloch geschäfte der Großen werden durch die in Aussicht genom­gleichzeitig den Mammonstempel in der Burgstraße mit ver- mene Steuererhöhung nicht verhindert. Wer mit Hundert­schlingen möchte. tausenden und Millionen spielt, läßt sich nicht durch eine Steuer hiervon abschrecken. Der Zweck, den die Vertheidiger der Börsensteuer im Auge haben, nämlich das Kapital dem unsoliden Börsengeschäft zu entziehen und dem Handel und der Industrie zuzuführen, wird nicht erreicht, weil, wie gesagt, sich die Spekulation an teine Steuerschranken bindet.

Unsere Parole: Nieder mit dem Militarismus! weist uns unsere Stellung gegenüber der Börsensteuer an. Wir Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements sind gegen die Bewilligung der Vorlage, weil wir dem zum Preise von herrschenden Militärsystem alle Mittel verweigern, gleich viel aus welcher Quelle dieselben entnommen werden. Aber auch aus anderen Gesichtspunkten sind wir Gegner der Börsensteuer- Vorlage.

3,30 Mark für das Quartal

entgegen.( Eingetragen in der Post- Beitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708.) Wir ersuchen unsere Postabonnenten höflichst, das Abonnement rechtzeitig aufzugeben, damit die regelmäßige Neu hinzutretenden Abonnenten wird der bisher erschienene

Theil der

Skizzen aus der sozialistischen Bewegung in Rußland

auf Verlangen gratis nachgeliefert.

Die Redaktion und Expedition des ,, Vorwärts" Berliner Volksblatt.

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Dazu kommt, daß die deutschen Spekulanten vermöge Das Publikum, das an der Börse gewinnt und ver- des Telegraphen sich mit großer Bequemlichkeit der aus­dient" d. h. diejenigen Leute, welche an dem Steigen und ländischen Börsen bedienen können, wo der deutsche Steuer­Fallen der Kurse ein Spekulationsintereffe haben befigt fiskus nichts zu sagen und auch nichts zu holen hat. in unseren Augen ungefähr dieselbe moralische Qualität, Will man die an den Börsen erfolgende Ausraubung wie die Helden des hannoverschen Spielerprozesses. So mit einiger Aussicht auf Erfolg besteuern, so ist die Vors

sicher Herr v. Meyerinck, deffen Sarg seine Freunde mit auslegung hierfür eine internationale Vereinbarung darüber,

einem Echleppsäbel" geschmückt haben sollen, und der olle auf welche Weise die Börse dem Militarismus tribut ehrliche Seemann" den Stempel für Spielfarten in jeder pflichtig gemacht werden soll. Höhe gezahlt haben würden, so gern zahlen die Börsen­haie" erhöhte Abgaben, wenn sie nur ihrer Spiel- und Spekulationswuth fröhnen können.

Von diesem Theil der Börsengeschäfte reden wir über haupt nicht; sie sind durch Steuern nicht genirt und können nur durch Gesetze beseitigt werden, durch welche die Börse selbst mit all' ihrem Schwindel beseitigt wird.

Hieran denft aber bekanntlich die Regierung nicht, und ebenso wenig haben die tonangebenden Parteien des Reichs­tages diese Absicht.

Die Börsensteuer. Statt des Wortes Wir leben im Zeichen des Ver­fehrs" tann man füglicherweise sagen: Wir leben im Zeichen der Verkehr- und Verzehrsteuern". Die Deckungs­Was die Börsenenquete der letzten Jahre in dieser mittel für die neueste Heeresverstärkung sollen beschafft Hinsicht für Resultate zeitigen wird, bleibt abzuwarten. werden. Die Liebesgabe" von 40 Millionen Mark ist ein Eine sehr drastische Illustration zu dem Verlangen, den Rühr mich nicht an" für die Regierung, weil die neuen Pfuhl des Lafters auszubaggeru, würde die Offenlegung Freunde unserer exkommunistischen Finanzerellenz den der Kundenregiſter der Bankiers und Banken ergeben. Schutz der Landwirthschaft", d. h. die Versorgung einiger Wer die Dinge einigermaßen fennt, weiß, in welch Tausend verschuldeter Großgrundbesitzer als die Pflicht und wahnsinniger Weise die Edelsten der Nation", vorzugs­Aufgabe des Deutschen Reiches betrachten. weise auch die nothleidenden Agrarier", in Getreide und Fonds spekuliren, und wie die gescheitelten oder tonsurirten Stellvertreter Gottes der Stätte des Spiels ein sehr irdisches Interesse bezeugen.

"

Der Liebling der Agrarier", Herr Dr. Miquel, mußte gegen den bösen Reichskanzler ins Feld rücken und Ein­nahmen schaffen, welche den Leuten, die sich nicht wie Graf Caprivi rühmen fönnen keinen Ar und feinen Halm" ihr Eigen zu nennen, feine Steuerschmerzen verursachen. Von allen Blüthen, welche das den" patriotischen" Bewilligern der Heeresverstärkung präsentirte oder richtiger durch

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Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Daß der Papst sein Vermögen durch Rothschild in Paris verwalten läßt, spricht nicht für die übermäßige Solidität des vatikanischen Geldverkehrs, und weil die gekrönten Häupter Europas an dem Börsengetriebe interessirt sind,

Plöglich machte der Wagen eine Biegung nach einem großen Feld. Anton drehte sich um und erblickte viele Reihen von Kutschen und tausende von Köpfen, überragt [ 16 von hohen Balken, von denen zwei Schlingen herabhingen. Diese Masse stummen, sklavischen Volkes erweckte in Antons Herzen ein quälendes Gefühl. Es ist scheußlich zu sehen, wie das Volt, welches man so geliebt hat, für das man

aus der sozialistischen Bewegung sein Leben läßt, so gleichgültig der Hinrichtung zuſieht.

Skizzen in Rußland .

( Aus dem Russischen überfest.)

Es ist traurig, an einem solchen Morgen sterben zu müssen", sagte unwillkürlich Antons Kamerad; die Lust zum Leben, hervorgerufen burch die Pracht der Natur, ließ sein Herz heftig schlagen.

Anton blickte ihn an und sagte:

" Was thut es... wir sterben nicht umsonst! Es ist uns nicht gelungen, mit unserem Leben der Sache viel Nutzen zu bringen, nüßen wir ihr mit unserem Tode. Hoffen wir, daß unser Tod uns einige Nachfolger aus der Menge, die unserer Hinrichtung zusieht, verschafft.

Nach kurzem Schweigen fuhr er fort:

Wir wollen tapfer sterben! Beigen wir, wie Sozialisten sterben. Das ist unsere Pflicht."

Der Wagen setzte seine Fahrt fort. Die Stadt war nicht mehr zu sehen, hinten den Bäumen wurden Villen sichtbar; an den Seiten des Weges gingen Leute, die sich Derspätet hatten.

Antons Kamerad sah sich auch um, und bei dem An­blicke der Stricke zitterte er- widerwärtig und schrecklich waren diese tödtlichen Schlingen anzusehen, die sich im Winde bewegten.

Anton bemerkte die Angst seines Kameraden und nahm sich vor, ihn zu unterstützen, damit er mit Ehren sterbe. " Höre," flüsterte Anton ihm zu, sei tapfer. Wir wollen unseren Feinden nicht das Recht geben zu sagen, daß wir Feiglinge sind."

Der Wagen fuhr durch eine breite Straße, die durch zwei Reihen Soldaten gebildet wurde, hinter denen sich das Volk drängte. Die eine Reihe, welche vor dem Schaffot stand, öffnete sich.

"

Es lebe das Volk!" rief Anton mit voller Stimme, und stieß seinen Kameraden ant. Dieser wiederholte mit seiner jungen hellflingenden Stimme diesen Ausruf, dadurch ermuthigt sagte er zu Anton:

" Ich werde mit diesen Worten sterben."

Der Wagen hielt an. Die schrille Stimme des alten Generals kommandirte: Präsentirt das Gewehr"; ein junger Adjutant verlas eilig mit aufgeregter Stimme das Urtheil.

So lange dies nicht geschieht, wird sich das eigentliche Spiel- und Spekulationsgeschäft der Besteuerung in Deutsch­ land entziehen, und wo das nicht der Fall ist, sich durch die Steuer in feiner Weise seiner Thätigkeit eindämmen lassen. Als willkommenes Steuergebiet bleibt nun noch das kleine Anlage- und Umtauschgeschäft an der Börse. Diese Finanz­operationen zu besteuern, liegt keine Veranlassung vor, weil hier die Steuer als eine Erschwerung und Be hinderung des Verkehrs wirkt. Es ist schlechterdings unmöglich, das Spekulationsgeschäft durch die Steuer zu treffen, ohne zugleich auch das sogenannte solide Geschäft heranzuziehen. Während nun aber nicht ein ein­ziges Epiel- und Spekulationsgeschäft infolge der Börsen, steuer unterbleiben wird, ist mit Sicherheit zu erwarten­daß die Besteuerung auf den Kleinverkehr im Effektengeschäft lähmend und hindernd einwirken wird. Dazu kommt noch, daß die Steuer natürlich auf das kaufende oder verkaufende Publikum abgewälzt wird und weder die Bankiers noch die Banken trifft.

Soweit im Börsenverkehr von kleinen Geschäftsleuten die Rede sein kann, werden diese vorzugsweise von der Börse nsteuer getroffen, weil jede Transaktion, die sie durch ihren Bankier vornehmen lassen, besteuert wird und das durch die Kosten auf das vorgenommene Kauf- oder Berkaufs­geschäft erhöht werden.

Anton umarmte kräftig seinen Kameraden, tüßte ihn dreimal und sagte:

" Wir sterben nicht umsonst, mein Täubchen. Alles ist Unsinn, und das ganze Leben ist ein Unsinn... nur unsere Sache ist groß."

"

Es lebe das Volk!".... rief der Jüngling kräftig aus. Der Trommelwirbel rollte an allen Seiten des Vierecks; die weißen Kapuzen verdeckten das Gesicht Anton's und seines Kameraden. Ihre Augen erblicken nicht mehr den blauen Himmel nur ein trübes Licht dringt durch die starke Leinewand; in ihren Ohren sauste es von der lauten Musik der Trommelschläger und der Hornisten; die Lippen flüstern unhörbar die letzten Worte. Und plößlich noch der letzte physischen Schmerz noch der letzte physischen Schmerz... die Köpfe neigten sich auf die Brust, auf ewig erlosch in ihnen der ehrenvolle Gedanke, ewige Finsterniß trat ein.

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Die Trommeln ertönten immer fort. Stumpf glogte das Volk die in der Luft hängenden Körper seiner Freunde an. Ein gebildeter Gutsbesitzer bat den Staatsanwalt um ein Stück von dem Strick- weil es glückbringend im Kartenspiel sei.

Die Terroristin.

Wie sehr wird sich jener Leser täuschen, welcher in folge der Ueberschrift dieser Skizze glaubt, daß ihm das Bild einer Frau mit einem Furiengesicht, mit blutrünstigen Augen, ohne Verstand und Herz vorgeführt werden wird.

Um sofort einen solchen Leser angenehm zu enttäuschen, beginnen wir aleich mit der Beschreibung Raja's .