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meinben, in denen die SoMlbeinolraiie einen Einfluß ausübt, und dort sprickt das Ergebnis durchaus zu unleren Gunsten.(Vize- Präsident Dave ruft den Redner zur Sache.) Wenn Sie dem Bevölkerungsrückgang Einhalt tun wollen, müssen Sie für Mutter« und Säuglingsschutz sorgen. Hier sollen einer privaten Anstalt 60 000 M. überwiesen werden. Diese Summe zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit für ein Reich von 66 Millionen ist nur ein Tropfen auf einem heißen Stein. Im vorigen Jahre bereits sprach man davon, die Summe zu verdrei- oder zu vervierfachen-, sie müßte aber mindestens zehnmal so hoch sein. Aber was kümmern sich die Mehrheitsparteien und das Deutsche Reich um die Erfüllung von Kulturausgaben. Bei der Beratung der Reichsversichernngsordnnng traten wir für weitgehenden Mutterschutz und für SchwangerschastSversicherung ein. Aber dafür ist in Deutschland kein Geld vorhanden. Deutsch - fand steht mit an erster Stelle in bezug aus die SänglingSiterblich- keit, deshalb liegt die Errichtung einer Anstalt zur Bekämpfung und Erforschung der Säuglingssterblichkeit im Interesse des Reiches. Es ist die Pflicht des Reiches, Borkehrungen zu treffen, um die jungen Menschenleben und die Mütter zu schützen. Lehnen Sie unseren Antrag ab, so beweisen Sie damit, daß die Mehrheitsparteien wohl bereit sind Hunderte von Millionen zu bewilligen, um neue Werkzeuge für den Menschenmord zu schaffen, aber nicht Mittel zu bewilligen für Mutter- und Säuglingsschutz, für Kultur- zwecke, denen nachzukommen Menschenpflicht ist. jBravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. v. Graefe(k.): Die Argumentation deö Vorredners er- innertc an das Wort rDie Armut kommt von der Pauvertä". (Heiterkeit.) Daß die Säuglingssterblichkeit mit den traurigen so- zialeu Verhältnissen zusammenhängt, wissen wir auch, uns über die Ursachen dieser sozialen Verhältnisse auseinanderzusetzen, ist hier nicht die richtige Gelegenheit. Die Sozialdemokratie stellt bekanntlich alle sozialen Maßnahmen in den Dienst ihrer besonderen Zwecke für die Umwandlung der Gesellschaft.(Sehr richtig! rechts.) Wir wollen alle kommunistischen Beigeschmäcker(Heiterkeit bei den Soz.) bei der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit vermieden sehen. Das Schwergewicht in der Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit liegt in der Familie, in den Kommunen, sowie in der privaten Fürsorge. Die Ueberuahme dieser Aufgabe durch den Staat lehnen wir ab.(Bravo ! rechts.) Abg. Heyn(Vp.): In Pommern ist die Säuglingssterblich- keit besonders groß. Die Hauptursache der Säuglingssterblich- keit ist die mangelnde Stillfähigkeit der Mütter. Viele Säuglinge sterben auch an Verdauungsstörungen durch Uebcrernährung infolge des Unverstandes der Mütter, die das Kind zu früh mit Vollmilch und festen Speisen ernähren. In den besser bemittelten K r e i s e n fehlt eS den Müttern vielfach an dem Willen, ihr Kind selbst zu stillen. Gegen die Gründung einer Reichsanstalt haben wir wesentliche Bedenken. Die Summe im Etat sollte wesentlich erhöht und daraus den Provinzen mehr Mittel zur Per- fügung gestellt werden. Vor allem muß auch das Vormundschafts- Wesen gründlich reformiert werden. Abg. Mumm(Wirtsch. Vg.): Der erste Redner hat es verstanden, selbst in diese Frage parteipolitische Streitigkeiten hineinzubringen. Ich will ihm auf dies Gebiet nicht folgen. Bei Gründung einer Reichsanstalt würde das Auguste-Viktoriahaus durch Wegfall des Reichszuschusses in schwere Bedrängnis kommen. Deshalb bitte ich unserem Antrage zuzustimmen. Abg. Schirme»(Z.): Der sozialdemosratische Redner hat versucht, die katholische Bevölkerung des Zentrums für die Säuglingssterb- lichkeit verantwortlich zu machen. Das weise ich zurück. Vielfach liegt die große Säuglingssterblichkeit in bestimmten Be- zirken an der Beschaffenheit des Viehfutters infolge deS kalkrciche» Bodens. Wir stimmen dem Antrag Mumm zu. Der Antrag A l b r e ch t(Soz.) wird abgelehnt, der Antrag M u n, m a n g e n o m m e n. Zur Förderung der Erforschung und Bekämpfung der Tuberkulose werden 100 000 M. gefordert. Abg. Rühle(Soz.): Auch diese Summe ist viel zu klein. Das Reich hat die Pflicht, reichere Mittel zu vorbeugenden Maßnahmen, insbesondere gegen die K i n d e r t u b e r k u l o s e zur Verfügung zu stellen. Für da« höhere Lebensalter ist ein Rückgang der Sterblichkeit an Tuber- kulose festzustellen, für die Jugend ist eher eine Zunahme er- folgt, erst in der allerletzten Zeit ist die Sterblichkeit hier stationär geworden. Systematische schulärztliche Unter- fuchungen haben ergeben, daß die Tuberkulose unter den Schul- kurdern vielmehr verbreitet ist, als man früher glaubte. Die Be- kämpfung dieser Volkskrankheit bei der Jugend hat bisher Fiasko erlitten. Das hat auch Ministerialdirektor Dr. Kirchner gelegent- lich zugegeben. Gestiegen ist die Tuberkulosesterblichkeit in den aller- ersten Lebensjahren, während sie z. B. in England gesunken ist. Viel mehr könnten die Gemeinden in der Bekämpfung der Tuberku- lose tun i ihre Leistungen sind durchaus unzureichend. Daher sollte das Reich durch eine großzügige Organisation den Kampf gegen die Tuberkuloie aufnehmen. Sehr verbreitet ist in der Jugend auch die latente Vorform der Tuberkusose, die S k r o p h u- lose. Daß über deren Umfang systematische Untersuchungen not- wendig sind, sagt auch das Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose, Es liegt heute eine Resolution zu diesem Titel vor, ihn im nächsten Jahr um 60 000 M. zu erhöhen. Das ist sehr be- scheiden. Der Reichstag hat am 23. März vorigen Jahres bereits eine Resolution angenommen, die einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Tuberkulose verlangt. Wir können da- her wohl erwarten, daß nunmehr bald etwas Ernstliches geschieht, namentlich prophylaktische Maßnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose unter den Jugendlichen; denn auf den Jugendlichen be- ruht die Zukunft der Nation.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf Westarp<k.): Wir haben beantragt, den Titel im nächsten Jahre um S0 0V0 M. zu erhöhen; diese Summe möchten wir der neuen Sektion überwiesen sehen, die sich im Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose speziell beim Mittelstand, der der Versicherung nicht unterliegt, gebildet hat. Die Resolution wird angenommen. Beim TitelBeitrag zu den Unterhaltungskosten einer deutschen Versuchsanstalt für Luftschiffahrt" bedauert Abg. Dr. Beizer(Z.>, daß die Schaffung eines inter­nationalen Lustschiffahr tS rechts am Widerspruch Eng- lands scheitere; um so notwendiger sei die Schaffung eines deutschen LuftschiffahrtSrechts, daS namentlich auch die Frage der Haftpflicht regeln müsse. Direktor im Reichsamt deS Innern Lehmann teilt das Bedauern deS Vorredners, daß eine internationale Regelung nich« zustande ge- kommen ist. Ob der in Aussicht genommene Gesetzentwurf auch die Frage der Haftpflicht regeln wird, läßt sich zurzeit noch nicht sagen. Abg. Erzbergcr(Z.); Noch vor Erlaß eines Gesetzes müßte min- bestens durch eine Verordnung dem Unfug ein Ende gemacht werden, daß jeder mit ganz beliebigen Motoren ohne jede behörd - liche Abnahme auf die Menschheit l o S g e la s s en werden kann. m., Ministerialdirektor Lehmann: DaS ReichSamt des Innern hat schon vor zwei Jahren an die Landesregierungen das Ersuchen ge- richtet, für S i ch e r h e i t« m a ß n a h m e n bei Flugversuchen Vor- sorge zu treffen. Es bestehen auch eine ganze Reihe von Vorschrriren für Flugzeuge und Luftichiffer.. Zum TitelErweiterung des Karser-Wilhelm- Kanals 7. Rate ö6 Millionen" wird eine Resolution der Budget- kommiision angenommen, die sorgfältige Durcharbeitung der Vorarbeiten bei der Ausschreibung öffentlicher Arbeiten wünscht, damit die Submittenten in der Lage sind, angemessene Gebote ab- zugeben. ����tlichen EtatFörderung des Klein- w ob nun g s wesen s 4 Millionen" liegt eine Resolution Mumm(Wirtsch. Vg.) vor. den Betrag für WohnungSfürforge im nächstjährigen Etat angemessen zu erhohen. Die Budgetkommission beantragt in einer Resolution die auSge- worfeue Summe zur Förderung der Herstellung von Kleinwohnungen im nächsten Etat angemessen zu erhöhen, und in einer zweiten Resolution wünscht sie noch im Herbst dieses Jahres einen Gesetzentwurf, durch welchen das Reich in Verbindung mit den Einzelftaaien unter gewissen Bedingungen die Bürgschaft für zweite Hypotheken der Kleinwohnungsbauten gemeinnütziger Baugesellschasten übernimmt. Abg. Goehre(Soz.) Die Hoffnung auf die baldige Inangriffnahme einer gründ- lichen reichsgesetzlichen Regelung des Wohnungswesens ist wieder einmal niedergeschlagen. Schuld daran lrägt Preußen. Der Reichstag hat wiederholt einnnitig ein R e i ch s w o h n u n g s- aufsichtsamt geforderl. Infolge �dessen fing die Regierung schon an, einen entgegenkommenderen Standpunkt einziinehmen als früher. Es wurde die Einbringung eines Reichsgcsctzes in Aussicht gestellt. Damit erkannte die Regierung die Kompetenz deS Reichs­tages, das Wohnungswesen zu regeln, ausdrücklich an. Ich betone das besonders, da jetzt jedenfalls Herr Delbrück wieder erkläreu wird, die Regelung des Wohnungswesens sei Landesiache. Seine Rückkehr auf den früheren Standpunkt ist offenbar eine ganz frei- willige(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten), sie ist das Werk Preußens, das diesmal von dem Par- tikularismus einiger süddeutschen Slaaten unterstützt wurde, Preußen wird von der Furcht geleitet, daß die Wohnungsreform vom Reiche viel vorteilhafter betrieben würde, als es mächtigen preußischen Interessenten lieb ist. Die süddeutschen Bundesstaaten, die Preußen dabei geholfen haben, haben der Reaktion einen guten Dienst erwiesen. ES zeigte sich gerade wie bei der Frage der Wahlurnen, daß der Staats- sekretär Dr. Delbrück zum Rückzug und zur Unterwerfung unter Preußen gezwungen wurde. DaS beweist wieder, daß in Wahrheit die Reichsregierung die preußische ist, daß die einzelnen Staats« sekreiariate immer mehr nur abhängige Depeudancen von Preußen werden. Bor hunderr Jahren erklang der Ruf:Preußen, immer die Preußen" als Jubelruf. Herne muß derselbe Ruf uns mit Grimm und Zorn erfüllen, denn immer finden wir Preußen im Kampf gegen die Vorwärts- e n t w i ck e l u n a. Gegen ein solches Preußen muß der Reichstag Front machen. Preußen will nun den Schaden dadurch gut machen, daß eS selbst einen WohnungSgesetzentwurf eingebracht hat. Die Drohung des Slaatssekrelärs, wenn Preußen nichts tue, werde das Reich selbst vorgehen, war offenbar recht harmlos, es war wohl nur die etwas pikante Einkleidung der nüchternen Mitteilung, daß Preußen auf diesem Gebiet vorgehen werde. Herr Delbrück wußte offenbar, als er die scheinbare Drohung gegen Herrn Dallwitz aus- sprach, bereits, daß das Manuskript des preußischen Eni- murfs bereits fertig war. Aber der Reichstag darf sich das Verdienst zusprechen, daß durch sein forlgesetztes Drängen Preußen endlich zu seinem Vorgehen gezwungen worden ist. Freilich bedeuret der preußische Entwurf nicht im geringsten einen Ersatz für das, was auf reichsgcsctzlichem Gebiete zu geschehen hat. und darf uns keineswegs veranlassen, die Hände in den Schoß zu legen. Zunächst wissen wir ja noch gar nicht, ob und wann der Entwurf überhaupt an den Landtag gelangen wird. Er könnte ja auch nur eine vorläufige Irreführung des Reichs- t a g S und ein Köder für die bevor st ehenden Land- tagswahlen sein. Auf jeden Fall gilt daS Wort: vsstigia terrent(Die Spuren schrecken). Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß dieser Entwurf ebenso im Schubfach des Handelsministers liegen bleibt wie der von 1004, von dem er im übrigen nur einen verwässerten Aufguß bedeutet. Aber auch wenn der Entwurf im Landlage eingeht, haben wir aus sein Schicksal keinen Einfluß. Deshalb dürfen wir nicht ruhen, um so weniger, wenn man sich den Entwurf näher ansteht. Seine erste Hälfte enthält allerhand Erfreuliches, wenn die Bestimmungen der beiden ersten Paragraphen Gesetz werden, wird der Kleinwohniings- bau gefördert werden. Was aber daS Reich gefordert hat, ist in dem Entwurf überhaupt nicht oder nur in kümmerlichen Ansätzen enthalten. Der Entwurf enthält kein Wort von einem Landeswohnungsamt, kein Wort vom Ausbau des Erbbaurechts. Deshalb mutz diese Arbeit unS im Reiche vorbehalten bleiben und wir dürfen nicht rasten. Der Entwurf kennt keinen allgemeinen Wohnungsnachweis, er ist jedes Fortschrittes bar. Wohnungsordnungen kennt er nur für Gemeinden mit über 10 000 Einwohner, die viel schlechteren Wohnungsverhältnisse in kleineren Städten und auf dem Lande läßt er völlig unberührt. Und die Wohnungsordnungen sind fast ganz dem Belieb ejn der Polizeibehörden überlasten. Wohnungsämter werden nur gefordert für Gemeinden mit über 100 000 Einwohner, und die Befugnisse dieser Wohnungsämter hängen ganz in der Luft, sie erhallen nach dem Entwurf nicht die geringste Macht. Soweit das Reich einzugreifen hat, versagt derEntwurf völlig, insbesondere macht er ein ReichswohnungS- gesey nicht überflüssig, im Gegenteil, er schreit geradezu nach einem ReichswohnungSgesetz als seiner notwendigen Ergänzung. Kommt ein solches Amt, so ist jede gründliche auch einzelstaalliche Wohnungsreform gefährdet. Wir brauchen ferner ein großes Kredit- institut für Schaffung zweiter Hypotheken in irgend einer Form und einen allgemein organisierten Wohnungsnachiveis im Jmereffe der Mieter und der Hausbesitzer. Eine Regelung des Kredit- wesens für Kleinwohnungen hat der Slaatssekretär in Form eines Reichspfandbriefinstituts angekündigt. Hoffentlich wird die Reform nun wenigstens an diesem Zipfel angefangen. Wir Sozial- demokraten werden nicht ruhen und nicht rasten, immer wieder für eine reichsgesetzliche Regelung des Wohnungswesens zu wirken. Die noch bestehende Wohnungskommission sollte nicht ausgelöst werden, sondern sollte als hoffentlich recht fühlbarer Stachel im Fleische der Reichsregierung bestehen bleiben. Bielleicht gelingt es unS, in diesem engeren Kreise wie bisher in aller Ein- tracht die Dinge vorwärts zu treiben. ES muh schließlich auch auf diesem dunklen Gebiet des Wohnungswesens bei uns im Reiche licht und hell werden.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Graf v. Posndowsky: Die Voraussetzung unter der der Herr Slaatssekretär auf die Einbringung eines ReichswohnungS« gesetzeS verzichtet hat, hat sich erfüllt. Man wird sich bei dieser Sachlage vorläufig beruhigen müssen. Wir dürften aber auf die Forderung eines Reichswohnungsaesetzes zurückkommen, entweder wenn das preußische Wohnungsgesetz nicht eine Gestalt bekommt, die den wirklichen Bedürfnissen unseres Volkes entspricht oder wenn, falls das preußische Gesetz in befriedigender Form ver- abschiedet werden sollte, dann die anderen Staaten nicht den gleichen Weg wie Preußen gehen. Ich hoffe, daß das politische Schwer­gewicht des Deutschen Reichstags groß genug sein wird, um die Verbündeten Regierungen zu verantasien, dann selbst ein genügendes Reichswohnungsgesetz vorzulegen. Aber ganz abgesehen davon, sind auch andere positive Maßnahmen nötig, wie eine Aenderung des Hypothekenbankgesetze« und der Ausbau des Erbbaurechts im . G-B. Die Grundbesitzpreise haben heut« in Deutschland eine Höhe erreicht, wie in keinem anderen Kulturlande Europas . Wollen wir das Wohnungswesen fördern, so müssen wir auch denen, die nur ein kleines Sparkassenmaterial besitzen, es ermöglichen, sich ein wirkliches Heim zu schaffen. Ein großer Teil der Leiden unseres Volkes geht aus dem Wohnungselend in den Groß- st ä d t e n yervor.(Lebhaftes Sehr richtig y Wir haben eine Un- inenge von sozialen Resolulionen angenommen, vielleicht gar einige, die sich kreuzen. Ich wünschte, wir stellten die Einzelsragen zurück und konzentrierten die ganze Kraft dieser Versammlung auf eine großzügige Wohnungspolitik. Von solchen positiven Maßnahmen verspreche ich mir eme größere staatserhaltende Wirkung als von Ausnahmegesetzen, die in diesem Reichstag keine Mehrheit finden und wahrscheinlich auch nicht in einem künftigen Reichstage.(Bravo ! links und im Zentrum.) Abg. Dr. Brgband(Vp.): Daß wir in der wichtigen Frage des Wohnungswesens so viel als möglich tun müssen, davon sind wir alle überzeugt; um so mehr können wir davon Abstand nehmen, noch viel darüber zu reden. Schließen wir lieber den Etat deS Innern heute ab.(Bravo ! bei der Volkspartei.) Hieraus wird ein Vertagungsantrag angenommen. Nächste. Sitzung: Freitag 1 Uhr.(Forlsetzung der Beratung, dann Justizetat.) Schluß°/«7 Uhr. Mgeoränetenbaus. 126. Sitzung. Donnerstag, den 6. Februar 1913, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: v. Dallwitz. Die innere Verwaltung. Die Beratung wird fortgesetzt bei der Polizeiverwaltung in den Provinzen. Abg. Ramdohr<fk.) spricht über die Leutenot auf dem Lande, die es verschulde, daß das Personal nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgesucht wird. Ter Präsident erklärt, daß daS alles nicht zur Sache gehöre. Dann spricht der Redner über den Telephonkonflikt des Rechtsanwalts Paechter in Be r l i n und wird wieder zur Sache gemahnt. Auch auf dein Lande müssen Fremdenbücher eingerichtet werden. In der Steinmepstraße zu Berlin (Glocke I) ist ein ztvölsjähriges Mädchen(Glocke!) versteckt worden.(Ruf: Zur Sache. Heiterkeit.) Wenn ich das nicht vortragen darf, werde tcb das Material dem Abgeordneten des betreffenden Wahlkreises und dem Minister unlerbreiten.(Heiterer Beifall.) Abg. Dr. Flcsch(Vp.) spricht über den Mangel an Ein- fluß der Städteverwaltungen auf die Polizei. Minister des Innern v. Dallwitz antwortet aus die Beschwerde des Vorredners, daß der Magistrat in Frankfurt a. M, dem die Baupolizei zusteht, alle Bmipolizeiverordiiungeit dem Polizei­präsidium vorlegen müsse. Das ist keine Beeiiurächligung der Selbstverwaltung, denn die Polizei ist eine Funktion des Staates. Uebrigens hat jene Vorschrift auck den Zweck, die rechtliche Be- gründung der Verordnungen zu prüfen, damit sie nicht der Auf- Hebung unterliegen. Das liegt doch auch im Jniereste des Publikums. Das will doch auch der Antrag S ch i s f e r I. Abg. Dr. Flesch(Bp.j: Die Rechtslage ist mir bekannt, aber wenn den Gemeinden Polizeifunktionen übertragen werden, muß ihnen dieselbe Freiheit dabei gelassen werden, wie bei ihren richter- lichen Funktionen._®cr Antrag Schiffer will alles eher als eine Beschränkung der Selbstverwaltung. Minister v. Dallwitz erwidert u. a.. daß die Uebertragung von Polizeifunktionen auf die Gemeinden widerruflich durch den Minister erfolge und jederzeit zurückgezogen werden könne. Der Titel wird bewilligt. Beim TitelP o l i z e i s e k r e t ä r e" usw. werden die Redner. die zumeist über die Anstellungsverhältnisse sprechen, vom Vizepräsi- deuten Dr. Porsch sehr energisch kontrolliert und wiederholt zur Sacke gerufen. Bei der Gendarmerie wünscht Abg. Hammer(k.) eine bedeutende Erhöhung der Gendarmerie und trägt Gendarmenwünsche vor, die diese als Militärs nicht in Petitionen niederlegen können. Mehrere andere Redner bringen ebenfalls Gendarmenivünsche vor. Abg. Dclius(Vp.) rügt, daß bei den Dienstversammlungen die Gendarmen, die 30 bis Jahre Dienstzeit hinter sich haben, eine halbe Stunde Griffe kloppen müssen. Man sollte sie lieber über den Verkebr mit dem Publikum belehren und die A r r e st st r a f e n aufheben. Im Ausland zieht man die besten Elemente zum Sicherheitsdienst heran, warum nicht auch bei uns? Ein Regierungskominissar: Die Klagen rühren von inaktiven Gendarmen her, heute treffen sie nicht mehr zu. Abg. Borchardt(Soz.): Wir kommen in anderer Art in Fühlung mit den Gendarmen wie Sie, aber aus Ihren Klagen über die loziale Lage der Gen- darmen haben wir gelernt, daß der preußische Staat nicht einmal den Gendarmen, seinen Stützen gegen die rote um- stürzlerische Rotte, auskömmlichen Lohn zahlt und diese erwachsenen Männer, diese AussichtSpersonen, wie Schulbuben behandelt und sie sogar das. was sie nicht recht gemacht. fünfzigmal ab sch reiben läßt. Wie muß die Autorität der Gendarmen durch alle die hier vor- getragenen Disziplinarmittel gehoben werden, so wenn der Gendarm einmal nicht nach Hause kommt und seine Frau auf die Frage der Kinder nach dein Vater antworten muß:der brummt im Arrest!"(Heiterkeit links.) Trotz jahrelanger Klagen ist daS noch nicht amgehoben, ein Beweis, daß Sie auch in dem Gendarmen einen Proletarier erblicken, dem man alles bieten kann und den man sogar noch mundtot macht, denn er darf sich weder beschweren, noch auch mit einem Abgeordneten in Verbindung setzen, wie uns Herr Hammer erzählt hat, er muß dazu erst die Hilfe seiner Schwiegermutter in Anspruch nehmen.(Hört! hörtl und Heiterkeit links.) Seit Jahren klagen Sie hier vergeblich über die geringe DienstaufwandS- entscyädigling von 192 M. pro Jahr gleich 62 Pf. pro Tag, wovon der Gendarm sich beköstigen, notwendige Dienstausgaben, Schreib» Materialien usw. bestreilen muß. UebrigenS steigt die Dankbarkeit und Hochachtung der bürgerlichen Parteien für die Gendarmen von Jahr zu Jahr. Sie klagen, daß das Abgeordnetenhaus so furchlbar wenig Zeit habe, daß wir Sozialdemokraren zu lange reden, indessen verirödel» sie die Zeit und einer Ihrer Redner nacb dem anderen wiederholt mit liebevoller Breite, was der Vorredner über die braunen Handschuhe, die Uniformen der Gendarmen usw. gesagt hat. ES sehlt nur noch, daß wir auch über die Unterhosen und Nachthemden der Gendarmen in der Debatte unterrichtet worden wären.(Heiterkeit.) Diese Reden zum Fenster hinaus werden alljährlich gehalten und sogar Herr v. Pappen heim war vorhin darüber schon verzweifelt. Wir stud mit ihm betrübt und meinen, daß die Zeit deS Hauies bester verwendet werden kann. (Abg. v. P a p p e n h e i m: Wenn Sie es nur nicht vergessen möchten!) Deshalb sage ich es ja. damit eS sich Ihre Freunde zu Herzen nehmen. Manche Abendsitzung könnte dadurch vermieden werden. Nun wollen wir uns aber auch mal über die Tätigkeit der Gendarmerie und darüber. waS dieses Institut im Staate schafft, unterhalten. Abg. R a m d o h r hat-S beklagt, daß auf dem Lande die Meldung von Verbrechen durch die Fußgeudarmen so langsam übermiitelt werden und e« fehle vielfach noch am Telephon. Nun, die Ar- beiter- Radfahrervereine würden sich in solchen Fällen gern zur Naivrichtenüb-rmiltelung zur Verfügung stellen, aber statt sie zu unterstützen, werden sie von den Gendarmen schikaniert, iiatürlich auf Beireiben der L a n d r ä t e und A m t ö v o r st e b e r. Nicht weit von Berlin befindet sich eilte Gastwirtschaft mit dem patrio. tischen NamenZum alten Ziethen". Eines Tages gab der Gastwirt sein Lokal zu einer sozialdemokratischen Vereinsversammlung her. Darauf er- schien der Landgendarm bei ihm und befahl ihm: Jetzt darfst Du Dein Lokal nicht mehrZum alte» Zieten" nennen!(Hört I bort l links.) Der Wirt ließ sich das nicht vorschreiben, da mußle sich der Gendarm höchst eigenhändig an die Arbeit machen und die In« schrift überpinseln.(Hört! hörtl linls. Abg. Hots» mann: welcher Pinsel hat das angeordnet! Lebhafte Heiter. keit links!) Natürlich wurde dem Wtrt auf seine Beschwerde be» scheinigt, daß er denAlten Zieteu" wiederherstellen dürfe. Mußte der Gendarm vielleicht auch noch den Pinsel und die Farbe von den 52 Pf. täglich bezahlen! Seine Autorität wurde durch dieses Borgehen gewiß nicht erhöht! In Heinrichswalde -in Ostpreußen kamen in einer Privatwohmmg einige Sozialdemokraten zusammen, um etwas zu besprechen. Der ängstliche Hauswirt hatte die Polizei benach.