Risiko verknüpft. Andererseits sind die Türken aber doch nichtso stark, um ihrerseits zum Angriff vorzugehen oder gar einenVorstoß zum Entsatz Adrianopels zu wagen. Dafür scheintdie jungtürkische Heeresleitung aber etwas anderes zu Planen.Sie muß. schon aus politischen Gründen, wenigstens denVersuch einer Offensive machen. Daher ist E n v e rBei mit der Armee, die bisher bei Ismail an der kleiwasiatischen Küste in Reserve stand, bei Rodosto gelandet, umvon hier aus den Bulgaren an der Tschataldscha-Linie in dierechte Flanke zu kommen. Die Stärke der Enver Bei zurVerfügung stehenden Truppen betragt 20000, nach andererLesart 80000 Mann. Die Bulgaren sollen Gegenmaßregelngetroffen und ihr Hauptauartier um 50 Kilometer vonTschataldscha zurück nach TscherkaSkoj verlegt haben.Auf der Halbinsel G a l l i p o l i. mit deren Besitz auch dieBeherrschung der Dardanellen verbunden ist, stehen 45000Türken unter dem Befehle Fachni Paschas. Sie haben dieAufgabe, die Dardanellcnforts und die Werke von Bulair zuschützen. Ein Teil der bulgarischen Armee, seine Stärke wirdauf 40 000 Mann beziffert, war nördlich von Bulair konzentriertworden. Am Dienstag sind die türkischen Truppen, die nörd-lich Bulair standen, von den Bulgaren hinter die Befestigung�linie zurückgeworfen worden. Weitere Kämpfe um den Besitzdieses Schutzwallcs der Halbinsel, die dann kaum noch zuhalten wäre, sind zn erwarten. Diese Bedrohung der Dar-danellen, die, wenn sie erfolgreich ist, die Meerenge, dasMarmarameer und damit Konstantinopel der griechischen Flotteausliefern würde, ist in politischer Hinsicht noch bedeutungs-voller wie das Schicksal Adrianopels.Das türkische Umgehungsmanöver.Nonstantinoprl, 6. Februar. Die Bulgaren haben sichauf die Linie von Tscherkesköj zurückgezogen. Manglaubt, daß dieser Rückzug den Zweck Hot. der durch die ge-plante Landung türkischerTr Uppen in Rodostobeabsichtigten Flankenumgehung zu entgehen.Uebcrall Kämpf.Sofia, 7. Februar. An dem gemeldeten Kampfe südlichdes Kawakflusses nahm auch die t ü r k i s ch e Flotteteil. Fhr Feuer fügte aber den bulgarischen Truppen keineVerluste zu. Bei T s ch a t a l d s ch a gingen mehrere türkischeInfanteriebataillonc, von der Artillerie der Forts unterstützt,gegen das Torf I z z c d i n vor und versuchten auf das rechteUfer der Kara-Su zu gelangen. Sie wurden von den bul-garischen Vorposten zurückgeworfen und kehrten mit empfind-liehen Verlusten in ihre Stellungen zurück.— Die B e s ch i e>ßung Adrian opels dauert fort.Adrianopel und Skutari.Sofia, 7. Februar. Amtlichen Nachrichten zufolge ist diefortdauernde Beschießung AdrianopelZ erfolg-reich. Die englische Sanitätsmissio» und die Mission derjüdischen Humanitären Organisationen sind angewiesenworden, sich angesichts der in wenigen Togen zu er-wortenden Kapitulation Adrianopels zur Abreisedahin bereit zu halten.•*' Vor Tschataldscha sind bisher nur unbedeutendeDorpostengefechte vorgekommen, welche resultatlos verlaufenM'd.„Mir" meldet, daß der Kommandant von SkutariEssad Pascha getötet sei und sein Nachfolger seit gestern mitden Belagerern über die Uebergabe Skutaris ver»handle, tvclche stündlich zu erwarte n sei.Serbische Hilfe.Konstantinopel, 7. Februar. Aus den Dardanellen ein-treffende Reisende erzählen, daß griechische Trans-portdampfer den Versuch machten, serbische Trup-Pen an der G a l l i p o l i gegenüberliegenden K ü st e zulanden. Die Truppen seien in Saloniki eingeschifft wor-den mit der Angabe, daß sie für Durazzo bestimmt seien. AusGallipoli sind gestern zahlreiche muselmanischeFlücht-l i n g e an Bord des Lloyddampfcrs„Bukowina" hier ein-getroffen.An der Küste des MarmarameereS..Konstantinopel, 7. Februar. Das Kanonenboot„Z o h a f"bombardierte gestern nochmals M h r i o f i t o. das dieBulgaren kurz vorher besetzt hatten. Die bulgarische Artillerieerwiderte das Feuer. Tie Bulgaren haben auch Schar köjbesetzt. Die Behörden von Myriofito wurden an Bord des„Zohaf" gebracht und nach Gallipoli befördert.Vvrpostengefechte.Konstantinopel, 7. Fobruar. Wie amtlich aus Kalikratiagemeldet wird, haben die türkischen Truppen gestern dieStation Bai t sche i sch k ö j an der Bahnlinie nach Tschataldschasowie die dem rechten Flügel der türkischen Armee gegenüber ge-liegen en Höhen besetzt. Die türlischen Erkundungsabteilungen sindmit dem Feinde in Fühlung.Kein Fremdenschut» in Adrianopel.Sofia, 6. Februar. Tie Gesandten einiger Troßmächiewurden heute bei dem Ministerpräsidenten Gcschow wegen de» Verlangens der Konsuln in Adrianopel vorstellig, daß eine neu-träte Zone festgestellt werde oder �daß ihnen und den f r e m-den Kolonien die Ermächtigung gegöbcn werde, die Stadtz n v e r I a s s e n. Der Ministerpräsident antwortete,«daß«s k c i n ePräzedenzfälle dafür gebe, daß Konsuln oder anderen Per-soncn gestattet werde, einen belagerten Platz zu verlassen, und daßauch ernste Gründe dav bulgarische Generalquartierverhinderten, den Konsuln und den fremden Kolonren inAdrianopel den Auszug oder die Errichtung einer neutralen Zonezu gestatten. Demi niemand könne dafür bürgen, daß nicht ver-sehentlich Granaten in diese Zone fielen, was für das Militär groß«Schwierigkeiten zur Folge haben würde.Ein Ministerwechfrl.Konstantinopel, 7. Februar. Der Evkafminifter HoiriPascha ist zurückgetreten, weil er, wie verlautet, die Ver-antwortung für die Leistung der Vorschüsse aus dem Re-scrvefonds der Pakufgüter an die Regierung nicht übernehmenwollte. An die Stelle Hairis tritt interimistisch der JustizministerIbrahim Pascha._Der Kampf um die lllacht.Alle Vertuschungsversuche helfen nichts. Der u n h a l t-bare Gegensatz deS Junkerregiments in Preußen zu denVerhältnissen in, Reiche tritt bei jeder Gelegenheit zutage.Der Reichstag hat am Freitag noch seine ganze Sitzungmit der Aussprache über die Wohnungsfraas ausfüllenmüssen, obgleich die Parteien am Tage vorher der Meinungwaren, daß sie die Angelegenheit ganz kurz erledigen könnten.Der Grund für die unerwartete Ausdehnung liegt denn auchnicht, twtz ihrer Wichtigkeit, m der WohnungssrägS, auf diewir noch zurückkommen, sondern darin, daß die Junker dieseGelegenheit zu einem Vorstoß gegen die Reichsverwaltungund den Reichstag benutzten.Mit dieser edlen Aufgabe war wieder Graf v. Westarpbetraut worden. Als Vorwand benutzte er die Aeußerung desStaatssekretärs des Reichsamts des Innern, daß das Reicheingreifen müsse und werde, falls die Einzelstaaten— dasheißt tatsächlich Preußen— in der Wohnungsfrage auchfernerhin versagen sollten. Ter Herr Graf ist angeblich überdiese Erklärung des Staatssekretärs aufs höchste entrüstet.Er sieht darin eine unentschuldbare Versündigung gegen—den preußischen Geist: das Reich dürfe sich unter keinen Um-ständen in die Verhältnisse Preußens einmischen', es müssedie Rechte der Einzelstaaten genau so achten, wie die Einzel-staaten die Rechte des Reiches. Diesen Vers wiederholtespäter übrigens auch der sreikonservative Abgeordneter e n d t.Jl)nen trat in treffender und glücklicher Polemik GenosseLedebour mit dein Nachweis entgegen, daß die preußischenJunker ganz und gar nicht die von ihnen jetzt so sehr ge-priesene Verfassungstreue bekunden, wenn es gilt, ihrenVorteil auch im Reiche zu wahren. Er erinnerte daran, daßdie Junker im preußischen Treiklassenhause noch in den letztenTagen die preußische Regierung ausgefordert haben, ihrenEinfluß auf die Reichsverwaltung rücksichtslos zum Vorteilder in Preußen herrschenden Clique und zmu Schaden desganzen arbeitenden Volkes auszunutze»«. Wie überall, sohaben auch hier die Junker eine doppelte Moral. Wie eSihrem Vorteil entspricht, sind sie bald für, bald gegen die Ver-fassung.-So haben die Junker es seit jeher gehalten. Und dieHerren in den Reichsämtern sind es ja nur zu sehr gewohnt,sich nach dem Junkerregiment in Preußen zu richten. AuchHerr Delbrück hat diesen Gehorsam seit jeher betätigt.Er bemühte sich denn auch, jetzt den Junkern zu versichern,daß er es mit seiner Erklärung über das Wohnungsgesetz garnicht so schlimm gemeint habe.Damit erreichte er aber bei den Junkern gär nichts. Fürsie ist allein entscheidend, daß der Staatssekretär daran ge-dacht hat, sich in dieser Frage nicht ganz nach ihrem Willenzn richten. Und es handelte sich ja durchaus nicht um dieWohnungsfrage allein. Der Staatssekretär, meinen dieJunker, läßt überhaupt die erwünschte pupillavijche Sicherheitvermissen. Hätte er sonst mit dem preußischen Ministeriumdes Innern wegen der einheitliche». Wahlurnen in Konfliktkommen können? Jeden nennenswerten sozialpolitischenFortschritt verhindert Preußen. Und gerade jetzt wollen dessenJunker nur absolut zuverlässige Handlanger. Es drängt dieSteucrfrage. Und schließlich droht die Wahlreform inPreußen.In allen diesen und vielen weiteren Fragen sind dieJunker um ihre Machtstellung besorgt. Sie sehen überallFeinde. Das Junkerregiment widerspricht bereits so sehrden Bedürfnissen unserer Zeit, daß es auf allen Gebieten dieEntWickelung hemmt und für das arbeitende Volk unerträg-lich geworden ist. Je eifriger sich daher die Junker als dieRetter, als die einzig wahren Hüter des Vaterlandes auf-spielen, um so weitere Kreise des arbeitenden Volkes er-kennen in ihnen die schlimmsten Feinde unseres Vaterlandes.Ter Staatssekretär kennt natürlich sehr genau den Ernstder gegenwärtigen politischen Lage und er wecß, daß ihm mitdem Vertuschen nicht geholfen ist. Deshalb scheute er nichtdavor zurück, auf den„grundsätzlichen" Gegensatz zwischenihm und dem Grafen Westarp, das heißt, zwischen der Reichs-Verwaltung mit dem Reichskanzler an der Spitze und demJunkerregiment in Preußen einzugehen: die Junker wollenin Preußen und im Reich bei allen Fragen auch fernerhineinzig und allein ihren Vorteilen folgen und nicht die ge-ringste Rücksicht auf den Willen des deutschen Volkes nehmen,wie er sich in der jetzigen Zusammensetzung des deutschenReichstags zeigt. Das Reich muß sich, das ist der„Grundsatz"der ostpreußischen Junker, der preußischen Junkerwirtschaftfügen: alles, was dem im Wege steht, muß beseitigt werden.Das geht aber nicht mehr: die 110 Sozialdemokraten imReichstage machen es unmöglich, daß die Pläne der Junkerwie früher verwirklicht werden. Daher steuern die Junkerauf einen Konflikt des jetzigen Reichstags mit dem Reichs-kanzler und dem Staatssekretär des Innern los, wobei sieselbstverständlich auf die H i l f e des Zentrums rechnenund wohl auch rechnen können. Ihr ganzes Auftreten ist,wie Genosse Ledebour den Herren unter Zustimmungnicht nur der Sozialdemokraten zurief, nur Stimmungsmachefür die Wahl des preußischen Dreiklassenhauses sowie für dieAuflösung deS Reichstags. Aus diesem Grnnde krönen siestets ihre Angriffe gegen den jetzigen Reichstag und gegen dieReichsverwaltung mit dem Sammelruf: Gegen die Sozial-demokratie, neue Ausnahmegesetze gegen die Arbeiterklasseund ihre Organisationen!Hier will die Reichsverwaltung nicht mitmachen. Siewill offenbar nicht alles auf eine Karte setzen: das Spiel istihr zu gefährlich.Auch das Lockmittel eines Kampfes gegen die Sozial-demokratie übt nicht einmal auf die Reichsverwaltung mehrdie von den Junkern gewünschte Wirkung aus. Die jetztmaßgebenden Herren in der Reichsverwaltung haben gelernt.daß mit Ausnahmegesetzen gegen die Sozialdemokratie nichtsauszurichten ist. Der Kampf der Arbeiter um bessere Lebens-und Arbeitsbedingungen ist keine Erfindung der Sozialdemo-kraten, sondern das naturnotwcndige Ergebnis der Wirt-schaftlichen EntWickelung. Deshalb müssm sie den Forderungen der Arbeiter mehr und mehr Rechnung tragen, sollnicht die Sozialdemokratie immer stärker und schneller an-wachsen.Das rief der Staatssekretär des Innern den Junkern zu,und das läßt begreifen, daß es ihm graut vor den Folgen, dieein Kampf mit Ausnahmegesetzen gegen die Sozialdemo-kratie haben muß. Denn daß ohne den Druck der Sozial-demokratie eine segensreiche soziale EntWickelung unmöglichist, das weiß der Staatssekretär des Innern selbstverständ-lich, wenn er es auch nicht aussprach. Was er aber sagte,war trotzdem eine klare Absage an Grafen v. Westarp undseine politischen Freunde.Das Auftreten des Staatssekretärs Dr. Delbrück er-innert an die letzte Rede, die in« Reichstage sein Amtsvor-gänger Graf Posadowsky als Staatssekretär gehaltenhat. Auch Graf V. Posadowsky erklärte damals den oft-preußischen Junkern, daß er ein„grundsätzlicher" Gegner ihrerPolitik sei. Er wolle kein Minister gegen, sondern fürdie Sozialpolitik sein. Herr v. Delbrück hat am Freitagdasselbe, wenn auch mit anderen Worten gesagt. Grafv. Posadowsky war kurze Zeit nach jener Rede aus seinemAmt ausgeschieden worden. Wie es Herrn v. Delbrück er-gehen wird, das wird di« Zukunft sehr schnell zeigen,Die Arbeiterschaft kann mit guter Zuversicht den wetterenVerlauf der Dinge abwarten. Wie es auch immer kommt,ob die Herrselzende Klasse die Sozialdemokratie bekämpft nachdem Rezept der ostpreußischen Junker oder nach dein de.'jetzigen Staatssekretärs und des jetzigen Reichskanzlers:unter allen Umständen wird die Sozialdemokratie weiter undweiter erstarken, bis sie ihre Aufgabe vollständg erfüllt hat.Aber freilich— je besser die Arbeiter ihre Verbände ausgebauthaben, je eifriger sie die Aufklärung betreiben, je tatkräftigersie für ihr gutes Recht eintreten, um so schneller werden siedas unhaltbare schmähliche Junkerregiment in Preußen undim Reich beseitigen und freie Bahn schaffen für eine jegens-reiche EntWickelung unseres öffentlichen Lebens.Daher gilt es geriistet zu sein für die be-v o r st e h e n d e n Kämpfe. Bei der L a n d t a g s w a h lmuß die Stimme des arbeitenden Volkes trotz aller Hemm-nisse durch das Treiklassenwahlsystem laut und deutlich er-schallen. Und wenn unsere Gegner in der nächsten Zeit eineNeuwahl des Reichstags haben wollen, nun gut.dann muß sie so ausfallen, daß sie die Beseitigung desJunkerregiments erst recht beschleunigt.Die Hlchermlttmschz-Mobllllatlo)) InStraßburg.Die Welt lacht wieder. Und ihr Lachen klingt wie Hohngelächier,noch maliziöser, noch schriller, als vor einigen Jahren über die bc-rühmte Köpenickiade des Schuhmachers Voigt, der an der Spi�eseiner„zehn Mann" ungeniert die Köpenickcr Stadtkasse plünderte.Und die Welt hat leider ein Recht, auf Kosten des deutschen Milita-rismus und des deutschen RegierungSshstemS zu lachen; denn«inGeistesgestörter, ein unzurechnungsfähiger entlassener Zahlmeisitr-Aspirant hat mühelos die höllssten Spitzen der Verwaltungs- nieder Militärbehörden im reichsländischen Straßburg getäuscht unddie ganze Straßburger Garnison niitsamt dem Prinzen Joachimund dem Statthalter auf die Beine gebracht. Alle haben sich leichtdurch de» keineswegs besonders schlauen Trick eines UnzurÄ-nungSfähigen täuschen lassen! Der Witzbold, nnt Namen Wolttr.hat an sich selbst von Weißenburg auö ein Telegramm gerichtrt.und dessen Text dann so geändert, daß es folgenden Wortlallterhielt:„An das Kaiserliche Generalgouvernement,, Garnisot-Hauptwache. Straßburg.Die gesamte Garnison ist von der Hauptwache aiuSsofort zu alarmieren. Ich treffe im Kraftwagen um 12 Uhrauf dem Exerzierplatz Polygon ein. Wilhelm I. B.fMit diesem Falsifikat geht er, nachdem er sich in den Anzugeines Postboten gesteckt hat, nach der Garnison-Hauptwache und b>btdort das Telegramm ab. Und nun verläuft alles, wie der gtist-gestörte Zahlmeister-Aspirant es sich gedacht und es beabsichtigthatte. Die Meldung wird genau nach Schema k' weitergegeben,Generalkommando und Statthaltcrei geraten in größte Aufregung.Eilordonanzen und telegraphisch« Befehl« fliegen hin und her. Weit-hin erklingt das„Tä— tätätä, tä— tätätä!" deS Alarmrufs—und nun folgt«in Schauspiel, das die„Straßbuvger Neue Zeitung"recht anschaulich folgendermaßen schildert:„Durch die Hohenlohestraße saust, lvas der Gaul lere»kann, ein einzelner Reiter. Dahinter Begleiter. Größte( le.Der Vorderste treibt unaufhörlich voran. Es ist Prinz Joach ai,der von deS VaterS Ankunft ebenfalls gebärt und nun als OW'leutnant die Mobilmachung mitmacht. Das war zweifellos dieHöhe des Witzes, den sich Wolter leistete, daß er Statthalter undPrinz hinaus aufs Feld brachte. Prinz Joachim nahm sich nichteinmal Zeit zum Mittagessen, wie man erfährt. Esreichte gerade, um in die Uniform zu schlüpfen. Das Frühstückblieb unberührt, und ein Lakai machte sich ein Gewissen davauS.seinen Herrn so wenig innerlich vorbereitet da draußen zu wissen-Er brachte ihm Brötchen nach. Doch schien der Prinz wenigHunger zu haben, denn er winkte ab.... In weitem Umkreis um den Polygon stellten sich dieTruppen auf, um nach 1 Uhr mit der Parade zu beginnen. Dieeinzelnen Musikkapellen nahmen gegenüber den FürstlichkeitenAufstellung und ließe» ihre Regimenter zugweise vorbeidefilieren.Inzwischen war aber ein Telegramm vomKaiser aus Königsberg eingetroffen, in demdieser seinem Sohn. Prinz Joachim, seine Ankunst dortselbst mit.teilte. Nun war guter Rat teuer. Offensichtlich war man dasOpfer einer Mhstlfikation geworden. Es wurde deshalb derBefehl erteilt, die Truppen sollten wieder in ihre Kasernen ein-rücken. Die ganze Militärverwaltung war aufden Schwindel eines gutüberlegten und wohl-durchdachten FastnachtSscherzeZ horeinge-fallen."Jawohl, gründlich hereingefallen! Zwar hatten alle patriotischen Zeitungen tagelang vorher davon berichtet, daß der Kaiseram S. Februar in Königsberg sein und dort an der Jahrhundert-seier teilnehmen werde, doch keiner der hohen Herren weiß etwa»davon oder denkt daran. Die Folgen der Fastnacht beherrschen alleKöpfe. Auch ist der Inhalt dcS Telegramms recht kurtos! Seitivann weiden denn solche Telegramme an die Garnison-Hauptwachegerichtet, statt an den Gouverneur oder den Kommandanten Unddann die Anweisung, von der Hauptwache aus die Garnison z«:alarmieren! Ist daS der richtige militärische Weg, oder hat dieAlarmierung nicht ebenfalls durch die dazu berufene obersteKominandostelle am Platze zu geschehen? Zudem läßt»der Witzbol�Wolter den Kaiser sagen:„Ich treffe ein", während der Kaisenimmer im plurulie msjesUtieus von sich spricht. ES scheint abe:,daß die bloß« Ankündigung,-der Kaiser werde zur Jnspizievung derGarnison eintreffen, solche Verwirrung angerichtet hat. daß man aneine auch nur oberflächliche Prüfung der Echtheit deS Telegrammsgar nicht gedacht oder etwa auffteigewde dunkle Zweifel rasch unter-drückt hat.Auch die Tatsache, daß die Art der Beförderung und das Aussehen der Depesche nicht den Bestimmungen entspricht, die für diejlebermittelung von Staatsoepeschen gelten, fällt nicht auf— allesist im höchsten Maße aufgeregt, die gewöhnlichen Begriffe von Zeitund Raum sind futsch!Der ganze Vorfall ist so sehr bezeichnend für die Artund Weise, wie nervös bei uns gearbeitet undregiert wird, daß die Meldung, der Kaiser sei, als er von demGeschehnis erfahren habe, sehr ungehalten gewesen, recht begreiflich erscheint. Und noch ärgerlicher soll man in denhohen militärischen Kreisen Berlins, im Kriegs.Ministerium fein, ist doch dcr Borfall durchaus keine Emp-fehlung für die vorbereiteten neuen enormen HeereSvorlagen; denner beweist kaum, daß in der so hochgepriesenen Armee kaltblütigeRuh« als eine der nötigsten Eigenschaften per Truppenführer gilt.Das scheinen denn auch die Herren selbst und die ihnen zurVerfügung stehende„vaterländische" Presse zu fühlen; denn bereitsverkünden verschiedene für oie neuen Heeresvorlagen eifrigagitierende Blätter, daß die Militärbehörden nichtdiegeringsteSchuldan demSchauspiel in Straß-bürg treffe, nur die Zivilbehörden hätten sich als lurvös erwiesen. Die Organisation der Armee und ihre Bereitschaft hättesich vielmehr aufs gländzendste bewährt.