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bcmoTralcn.) Ich wünschte. der jetzige Herr Stnatsse!retär würde dieser geistigen Richtung, dieser Partei gegenüber, etwas mehr Kraft und Energie und etwas mehr Ablehnung zeigein Also wir haben ganz andere Gründe als das Zentrum. Es ist in der Tat eine Demonstration, wie Herr Schiffer meinte, wenn wir dagegen sind. Gewitz wird Wegegen des Fehlens des sechsten Reichsanwalts nicht eine Anklage weniger erhoben werde«, aber wir haben nicht die Möglichkeit, der NeichSanwaltschaft in irgend einer Weise entgegenzukommen nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben. Die Schuld ist noch nicht ver- jährt, die die Reichsanwaltschaft auf sich geladen hat im Prozeß gegen unseren Kollegen und meinen Freund Dr. Liebknecht, als Herr O h l s h a u s e n sich hinstellte und gegen diesen Mann, der nichts getan hat, als ehrlich seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, eine Zuchthaus st rase beantragte. Herr Ohls- hausen hat damals die Bestimmung des Strafgesetzbuchs, daß bei solchen politischen Prozessen, wo Zuchthaus neben Festungsstrase an- gedroht ist, aus Zuchthaus erkannt lvcrden soll, wenn die Tat aus ehr- loser Gesinnung heraus begangen ist, so ausgelegt, als ob eine republikanische und eine antimilitaristische Gesinnung immer eine ehrlose wäre. Er hat damit das Reichs st rafgesetzbuch verdreht.(Sehr wahr I bei den Sozialdeniokraten.) Nachdem das Reichsgericht das abgelehnt hatte, hat zwar nicht mehr er, aber die Reichsanwaltschaft zum zweiten Male im Ehrengerichtsprozeß gegen Herrn Kollegen Dr. Liebknecht denselben Versuch gemacht, eine politische Ueberzeugung zu infanneren. Wir wissen, Herr Ohlshausen ist ein Jurist von solcher Bedeutung und solchem Scharf sinn, daß wir nicht glauben, er habe selber an eine solch unm% liche Auslegung des Reichsstrafgesetzbuches geglaubt. Wir wissen, daß das eine Verbeugung vor anderen Kreise» gewesen ist, vor denen, die den ganzen Prozeß damals eingerührt haben.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Solange die Reichsanwaltschaft diese Schuld nicht gesühnt hat, daß sie sich zum Instrument einer politischen Gehässigkeit und Ehrabschneiderei gemacht hat. mag sie sich ihr Brot von jenen Kreisen erbitten, wir Wersen ihr keinen Brocken hin.(Bravo I bei den Sozialdemokraten.) Was hier vorgeschlagen wird, über eine Aenderung des Ge setzeS über das geistige Eigentum, geht nach meiner Meinung nicht an. Ich kann in dieser Sache nur meine persönliche Meinung sagen, da meine Fraktion darüber nicht beraten hat. Es handelt sich ja dabei auch um eine Sache, die hoch über allen Parteien steht, Wagner« Kunst ist nicht mehr Sache einer einzelnen Partei, sondern Sache deutscher Kultur. Ich persönlich würde nichts dagegen haben, wenn das Deutsche Reich sich auch darauf besänne, daß es auch Kultiirpflichten hat, und eine Stiftung machte, um die mustergültige Aufsührung eines solchen Werkes zu unterstützen, wie es früher König Ludwig von Bayern getan hat Ich würde mich vor einem solchen ersten Schritt selbst dann nicht scheuen, wenn ich wüßte, daß als Zweiter für dies öffentliche Stipendium dann Major Laufs in Betracht käme.(Heiterkeit.) Wir wissen, daß der Geschmack bei den Mächtigen immer nicht allzu stark entwickelt gewesen ist. Aber hier handelt es sich darum, eine Sache, die nicht mehr Sache der Mächtigen, sondern Sache des ganzen Volkes wäre, zu unterstützen, und wenn Herr O e r t e l bereit wäre, eine Million vom Militäretat zu streichen und für einen neu zu schaffenden Kulturetat zu bewilligen, so wäre ich für meine Person auf der Stelle dafür. Was Herr�O e r t e l über die Sensationspresie gesagt hat, waren Gemeinplätze. Es war gewrß alles sehr richtig. Aber dieselbe Presse, auf die er mit berechtigter Entrüstung hingewiesen hat, ist es auch, die die eigentlich dynastische Politik vertritt, nicht aus Ueberzeugung, sondern aus Scrvilismus und Sensationsmache. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Presse, die mit Begeisterung schildert, wie sich das Volk auf der Straße rauft, wenn Se. Majestät einen Zigarrenstummel wegwirft.(Heiterkeit.) Herr O e r t e l sprach von dem Pöbel, welcher an diesen Sensations» berichten über nichtswürdige Verbrechen Gefallen findet. Ja, das ist Pöbel. Aber, verehrter Herr Kollege, wenn dieser selbe Pöbel das ist nämlich derselbe schreit: Köpft, peitscht, schießt mit Kartätschen, dann werden Sie sagen: Das ist die wahre Stimme des Volkes 1(Sehr gut 1 bei den Sozial­demokraten.) Ich habe große Bedenken gegen jeden weiteren Versuch, gesetzgeberisch gegen die unsittliche Schundliteratur vorzugehen. Wir wollen sicher nicht die Schundliteratur fördern, aber wir haben da doch unsere Erfahrungen. Was Herr Oertel vorbrachte, war alles richtig, aber diese Allgemeinheiten helfen uns nicht eine Spur weiter. Es kommt immer auf die An- Wendung der Bestimmungen an, die darüber gegeben werden. Herr Oertel sagte, das Schlimme bei solcher Literatur wäre, daß sie in eie Hände unreifer Menschen fallen könnte. Ja, das ist schlimm, aber das ist auch bei jeder guten Literatur möglich, also aus dieser Gefahr, daß junge Menschen etwas für sie Unverstand- liches. Unpassendes in die Hände bekommen können, können wir das Kriterium nicht hernehmen, denn dann müßten wir auch unsere ernsteste und tiefste Literatur an den Pranger stellen. Und wir fürchten eben, daß das geschehen werde. Wir scheuen das Feuer, weil wir gebrannt find. Wir wissen ja doch, wie eine gänzlich unwissende Die Tragödie in der Komödie. Als der Hauptmann von Köpenick seinen genialen Spitzbubenstreich ausführte, lachte alle Welt über die famose Satire, die er geschaffen hatte. Der Hauptmann von Köpenick wurde eine lustige Person, eine Erscheinung des öffent- lichcn Lebens, die wie eine zündende Operettenmelodie wirkte. Als dann aber die Gerichtsverhandlung kam, schlug die Stimmung um. Aus dem humoristischen Spitzbuben, der so famose Satiren schuf, wurde in jähem Wechsel ein von der polizeilichen Aussicht gehetzter, von der Gesellschaft getretener und ruinierter armer, bemitleidens- werter Mensch. Die Komödie verwandelte sich in eine erschütternde Tragödie. Der Zahlmeisteraspirant von Straßburg über- trifft seinen Vorgänger noch an genialer Kühnheit des entworfenen Plans. Er übertrifft ihn so sehr, daß wir im Interesse Deutsch - lnnds sehr wohl aus eine weitere künstlerische Steigerung verzichten könnten. Sonst wird schließlich noch ein bezechter Jenenser Student in fideler Stimmung das liebe Vaterland mobil machen und die gesamte Flotte auf einen Wasser bummel um den ganzen Erdball senden. Die Satire des Straßburger Dichters läßt an Kühnheit bereits nichts zu wünschen übrig. Sie hat völlig genügt, das Lachen der Komödie in ganz Europa erschallen zu lassen. Das Lachen der Komödie I Ist es wirklich nur eine glänzende Komödie von beißender Satire oder kann das gerichtliche Verfahren auch hier die erschütternde Tragödie bringen? Uns ivill scheinen. als ob bereits nach den vorliegenden Nachri-bten die menschliche Tragödie in vollem Gange wäre. Zu welchem Zweck inszenierte der Zahlmeister die Alarmierung? Er wollte beweisen, daß er zu- rechnungsfähig sei. Ein Mensch aber, der offiziell für verrückt gehalten wird, sich selber aber für vernünftig hall, befindet sich in einer geradezu grauenvollen Situation. Wie soll ein Mensch seinen Verstand nachweisen, wenn er offiziell für verrückt erklärt ist? Daß er das große Einmaleins beherrscht, den phthagoräischen Lehr- satz beweisen und eine Gleichung zweiten Grades mit zwei Un- bekannten rechnen kann, besage gar nichts. Wir haben einen Idioten gekannt, der in der Prima alle anderen mathematisch schlug. Die normalen verstandesmäßigen Funktionen besagen nichts, weil sie auch ein Verrückter besitzen kann. Was, zum Teufel, soll der Mann dann aber anders tun, als eine anormale kom- plizierte Rechnung korrekt durchzuführen? Wieviele politische Posten mußte der Straßburger mit absoluter Sicherheit in seine Rechnung einführen, wenn sie klappen sollte! Den Telegraminstil des Kaisers, die Politik der Plötzlichkeiten, den Kadavergehorsam des Militärs, um nur die Hauptposten zu nennen Nachdem nun aber die Rechnung geklappt hat. hält man ihn erst recht für verrückt. Hätte er den phthagoräischen Lehrsatz bewiesen, hätte man ihn ausgelacht. Hätte er gar nichts getan. Staatsanwaltschaftsbehörde gegen die ernstesten, gediegensten literari- schen und künstlerischen Werke vorgegangen ist. Hierin liegt auch der Grund, weshalb die Sachverständigen nicht zu entbehren find. Ja, wenn alle Richter und Staatsanwälte etwas von Wissenschaft, Lite- ratur und Kunst verstünden, dann könnte man die Sachverständigen entbehren.(Sehr gut! bei den Soz.) Was verstehen sie denn aber davon I Ich erinnere an folgenden typischen Fall. Es wird ein Bild als angeblich unsittlich angeklagt, ein wirklich ernstes bedeutendes Werk, ein nacktes Weib. Jetzt deduziert der Staatsanwalt, und ihn: folgt das Gericht, so: In dem Bilde ist zwar nichts, das an sich erotisch wäre, aber die Absicht, unsitt- liche Empfindungen zu erregen, geht daraus hervor, daß die Brüste des Weibes gerade in der Mitte des Bildes sind.(Hört! hört I und Heilerkeit.) Was ist das für eine Ahmmgslostgkeit von den Gesetzen der künstlerischen Komposition, die unter Umständen zwingt, wegen der Massenverteilung oder wegen der Linienführung die Sache gerade so zu machen und nicht anders. Und dieser Blödsinn ist aus den Akten der Staatsanwaltschaft in das gerichtliche Urteil übergegangen! Das beweist, daß man doch Sachverständige braucht, welche den Leuten erst einmal auseinander setzen, was die Regeln der Kunst erfordern. Daun ist der Fall des Buches von Hans Hyan erwähnt worden. Es handelt sich um das Problem, wie es zu verhindern ist, daß ein Buch ohne Kenntnis des Verlegers und Verfassers im Ramsch nebenbei, ohne daß sie Gelegenheit hatten, sich zu verteidigen, plötzlich verurteilt ist. Das Buch von Hyan ist ein gediegenes. ernstes, ein erschütterndes Buch von fozialpädago- gischem Werte, wie wenige. Es ist übrigens imVorwärts" als Zeitungsroman erschienen und zwar schon seit Jahren verbreitet, da begann der Frldzug des Polizeipräsidenten von Berlin gegen Herrn Paul Cassirer . Sie wissen, weshalb.(Zuruf: O ja I Heiterkeit.) Cassirer gibt eine ZeitschriftPan" hergus, das Buch ist in einem Verlage er- schienen, derPau-Verlag" hieß, aber gar nichts mit Paul Cassirer zu tun hat. Da sagte sich bei der Staatsanwaltschaft jemand: Pan-Pan, das muß zusammengehören, und eröffnete so- fort das Verfahren gegen Herrn Paul Cassirer , der mit dem Buche nichts zu tun hat. So praktiziert bei uns die Staatsanwaltschaft und sie ist auch eine Justizbehörde. Das Verfahren endete mit vollkommener Freisprechung. Als sie erfolgt war, sagte der Staatsanwalt:Das macht mir gar nichts, ich habe inzwischen das Buch in einem Prozeß gegen einen anderen mitverurteilen lassen und schrieb an das Gericht wörtlich:Ich beantrage, die vom Gericht freigegebenen Exemplare des Buche?:Die Verführten" mir zu übersenden zwecks Vernichtung auf Grund des Urteils vom so- undsovielten."(Hört! hört l) Es wäre Pflicht der Staatsanwaltschaft gewesen, von dem anderen Prozeß den Verleger zu benachrich- ligen, auch wenn das Gesetz ihn nicht dazu zwingt, dann häite der Verleger auch dort für Verteidigung gesorgt, und es wäre auch dort Freisprechung erfolgt. Die Beschlagnahme trotz der Freisprechung ist, wie das Reichsgericht sagt, einunerwünschtes Er- gebnis". Meine Freunde und alle gebildeten Leute werden sagen: Das ist Unsinn. (Sehr gut!) Die Sache hatte aber noch ein Nachspiel. Es wurde nämlich auch eine neue Auflage dieses Buches auf Grund jenes Urteils beschlagnahmt. Das steht im Widerspruch mit dem Gesetz. Seit 20 Jahren stellt nach der Judikatur jede neue Auflage eines Buches eine neue Tat dar. Wenn ich ein ver- urteiltes Buch in neuer Auflage erscheinen lasse, kann ich deshalb von neuem angeklagt werden. DaS ist gewiß bedauerlich Nun soll aberr auf einmal die Veröffentlichung einer neuen Auflage nicht mehr eine neue Tat sein. Das ist eine schlanke Gesetzwidrigkeit und die Richter haben diese Gesetzwidrigkeit gebilligt. Hier ist dringend Abhilfe notwendig, wie auf vielen Gebieten unseres Preß- rechtes. Vor 10 Jahren habe ich diese Notwendigkeit schon betont. So wie ich unsere Reichspolitik beurteile, möchte ich allerdings bei- nahe sagen, es ist gut, daß wir kein neues Preßrecht inzwischen bekommen haben, denn es würde höchstwahrscheinlich nur ver« schlechtert worden sein.(Sehr wahr! ber den Sozialdemokraten.) Eine andere sozialpolitisch wichtige Frage muß ich erwähnen. Beim Berggewerbegericht in Dortmund ist ein neues Statut erlassen, wonach die Arbeiter ihr Wahlrecht für die Beisitzer zu den Gewerbegerichten nur an dem Ort auszuüben haben, wo sie in Beschäftigung stehen, während nach dem auch der Wohnort in Frage kommt; außerdem sollen die Beisitzer aus ihrer Mitte wählen, also aus den auf ?,eche Beschäftigten. Wird ein solcher Beisitzer abgelehnt, at er auch die Befähigung zum Amt des Beisitzers verloren.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Arbeitgeber selbst verklagt ist, so kann er einfach den Richter aus seinen Dien st en entlassen, und wird ihn auf diese Weise auch als Richter loS. Der Handelsminister in Preußen hat diesem Statut zugestimmt mit der Begründung, die Gewerbeordnung schreibe nur ein Minimum vor für die Bestimmungen bei der Bekleidung des Amtes, man könne daneben noch schärfere Bestimmungen durch Statut festsetzen. Mit demselben Recht könnte der preußische Handelsminister in das Statut hineinschreiben, Sozialdemokraten oder Mitglieder des alten Bergarbeiter- sie der so hätte er die offizielle Annahme seiner Verrücktheit bestätigt. In der Köpenicker Satire steckte eine Tragödie des Zuchthauses. In der Straßburger scheint eine Tragödie des Irrenhauses zu stecken. Die Opcrnhauskomödie. Es ist kläglich zu sehen, wie diese unklare Zeit sich und ihrer verwackelten Größe ein Denkmal setzen möchte. Man will ein Opernhaus bauen, dem König und seinem tose zu Ehren, dem Volk als freundliche Gabe. Für das HauS des önigs glaubt die Baubureaukratie sich allein zuständig; das Theater des Publikums mag dann immerhin einer von diesen peinlich freien und schließlich unbequemen Künstlern be- kommen. In der Physiologie wäre solche Kreuzung geradezu eine Sensation, in der Architektur scheint sie den Harm- losen Mitgliedern der Budgetkominission eine Selbstverständlichkeit. Keiner dieser dreifach gesiebten Volksregierer merkt den Unsinn, der da gebraut werden soll. Und welch lapidarer Unsinn: ein Künstler wird zu einem Beamten i» das Joch gespannt. Die architektonischen Gedanken einer Persönlichkeit werden den Geheimen und Wirklichen Räten(die Kanzleiräte inbegriffen) ausgeliefert. Auf das Er- gebniS solches Ringkampses kann man gespannt sein. Herz- liches Beileid aber dem Erkorenen; Otto March , dieser ausgezeichnete Meister, dessen Werke nie den Geist der Einheit verleugnen, hat solch Schicksal nicht verdient. Seine Vorschläge gehörten zu den besten, jenes schwer ausgekämpften und fast spurlos vorüber- gegangenen Wettbewerbes, der den deutschen Künstlern die Anteil- nähme an dem Vau des Opernhauses sichern sollte. Nun wird auch diese einzige Frucht all der Mühe, mit der das allgemeine Interesse um diesen Bau warb, halb verloren gehen. Und dann: wie töricht: die Baubureaukratie wolle das Haus dem eine», die Ge- stallung des Platzes einem anderem übertragen. Warum, weshalb. wozu? Niemand weiß es. Wahrscheinlich darum, weil die klarste unserer architektonischen Erkenntnisse un« lehrte, daß Play und Moiiuiiient untrennbar zueinander gehören. Wirtschaft. Horatio! Indessen was klagen und staunen wir? Es bewährt sich an diesem Opernbausbau genau die Wirtschaft, die der Zwutrigkeit unseres politischen Daseins beschieden ist. Künftige Geschlechter werden an diesem Wilhelminischen Hoftheater den Kampf des Volkes mit dem Kronreif deutlich ablesen können. Er. Tabak als Choleraschutz. Entgegen früheren Anschauungen, die in dem Tabakrauch wegen seiner beizenden Wirkung auch ein wirk- sanieS Desinfiziens erblickten, galt nach neueren llittersuchungen daS Nikotin durchaus nicht als Antiseptikum. Nun aber hat Professor Wenck vom kaiserlichen Gesundheitsamt festgestellt, daß der Tabak ein starkes Gift gegen Cholerakeime darstellt. In Zigarren näm- lich, dir mit einem 1500 000 Choleravibrionen enthaltenden Wasser« Verbandes sind nicht wählbar. In Preußen ist in dieser Beziehung alles möglich, und bei den Grubenmagnaten erst recht I(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Nun zu dem vielerörterten Gebiet der Klassenjustiz. Herr Müller- Meiningen hat das angezogen, was ich zum Fall Hildebrand gesagt habe. Was hat das aber mit den Richtern zu tun. Es war das ein verfehlter taktischer Akt, das habe ich meinen Freunden gesagt und sage es noch. Aber das rechtfertigt doch nicht die Dinge, die hier von den Richtern erwähnt sind. Seit 13 Jahren wiederholt sich hier immer dasselbe Schauspiel, man kann sich»och so vorsichtig und reserviert ausdrücken, kaum hat man geschlossen, so tritt die ganze Phalanz von rechts bis links, bis zu Herrn Müller-Meiningen auf und protestiert gegen Verallgemeinerungen, und dann bringen die Herren s e l b st eine ganze Reihe solcher Dinge vor.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Was haben denn Dr. Cohn und Lands- b e r g übertrieben, was haben sie vorgebracht, ohne akten- mäßigen Nachweis. Was wir vorbringen, prüfen wir auch nach, und deshalb zerrinnen Ihre Vorwürfe gegen uns in nichts. Selbst die liberale Presse lamentiert, wir brächten nur Einzel- heiten vor. Auf Einzelheiten baut sich das Urteil auf; würden wir sie nicht vorbringen, so würde es heißen, das sind all- gemeine Behauptungen ohne Beweis.(Sehr richttgk bei den Sozialdemokraten.) Unsere Kritik richtet sich vor allem auch gegen die Staats- anwaltschaft, die sogar daS Oberorgan der Klassenjustiz ist. Sie sagen, die Richter können nicht aus ihrer Haut heraus, sie können sich von den Einflüssen der Beziehungen und Anschauungen, die sie in das Amt mitgebracht haben, nicht betreten. Mir scheint aber. daß manche Richter von dem Recht auf das dicke Fell doch einen sehr ausgiebigen Gebrauch machen.(Heiterkeit und Sehr gut!) Sie erklären die Sache wohl, aber damit ist sie doch nicht gerecht- fertigt. Herr Schiff er sagt, auch wir Sozialdemokraten würden Klassenjustiz treiben. Ich verbitte mir diese Insinuation. Ge- rade die Arbeiter bemühen sich sehr ernst, wo sie als Richter fun- gieren, dem Gegner gerecht zu werden.(Sehr wahr I b. d. Soz.) Wir stehen mit unserer Kritik der Klassenjustiz ja auch nicht allein. Herr von Grotthuß, also einer der Ihrigen, hat in seinem Buche über die Klassenjustiz 100 Seiten mit derartigen Urteilen zusam menge st ellt. Gewiß gibt es Richter, die sich von solchen Fehlgriffen freihalten. Ich Halle das nicht für ein besonderes Kunststück eines Richters, aber ich erkenne es dankbar an. Natürlich gibt es auch große Gebiete, in die die Klassenjustiz überhaupt nicht hineinspielt; wo aber die Interessen der aufstrebenden Klasse mit denen der herrschenden zusammenstoßen, werden die Richter vielfach durch die Unkenntnis der sozialen Verhältnisse und durch die Vorurteile, die sie aus ihrer Klassen- und Berufs- stellung mitbringen, beeinflußt. Die politisch gefärbten Prozesse machen ja nur einen kleinen Bruchteil der Strafprozesse aus. aber gerade bei diesen Prozessen ist die Zahl der Fehl- griffe relativ sehr groß.(Lebhaftes Sehr richtig!> Schon 1907 brachte ich einen Fall aus Breslau vor, wo ein Arbeitersekretär auf Grund einer verfehlten Auslegung des§ 153 der Gewerbe­ordnung zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilt wurde. während bei genau demselben Tatbestand zunächst die Erhebung der Anklage abgelehnt wurde und später von demselben Gericht Freisprüch erfolgte.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch bei politischen Beleidigungsklagen wird mit zweierlei Maß gemessen. Herr Dr. Müller- Meiningen erwähnte daS Urteil des Amtsgericbls in Lemgo in bezug auf Neumann-Hoser; derartiges kommt gegen uns alle Tage vor. Ich erinnere nur an den Artikel derPost", daß Richard Fischer sich an Maschinenlieferungen bereichert haben sollte. AIS die Untersuchung die völlige Haltlosigkeit ergab, wurde das Verfahren ei ng« st ellt, weil nunmehr kein öffentliche» Interesse vorlag.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Wäre nicht der Verleumder, sondern der Sozialdemokrat bloßgestellt worden, so hätte sicher da« öffentliche Interesse vorgelegen. Etwas Aehnliches habe ich beim letzten Wahlkampf in Dessau erlebt, wo unser Blatt auf ein beleidigendes Flugblatt des Reichsverbandes antwortete. Der Redakteur wurde verurteilt, die Direktoren des Reichsverbandes wurden freigesprochen. Ich hatte da den urkundlichen Beweis, daß nicht gleiches Recht für alle gilt.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bewußte Rechtsbeugung I) Ich will auch den Prozeß gegen den Rechtsanwalt L e V y in Essen erwähnen, der nicht mein Parteigenosse ist, aber in einer Versammlung gesagt hatte, die Vorgänge bei den Streikprozeffen im Ruhrrevier erweckten den Anschein der Klassenju st iz. Als Verteidiger stellte ich unter Beweis, daß grundsätzlich die Ein- lassungSpflicht auf 24 Stunden beschränkt wurde, daß die Angeklagten, die in' Haft saßen, ein Schriftstück zur Unterzeichnung bekamen, wo- nach sie auf die Jnnehaltung der Ladungssrist verzichteten, daß zu- folge dieses Galopps ein Angeklagter sowohl vor der Straskanmwr wie vor dem Schöffengericht wegen derselben Sache angeklagt wurde daß Strafen entgegen dem Gesetz verhängt wurden. Alles dies wurde vor dem Gericht als wahr anerkannt.(Lebhaftes Hört I hört!) Trotzdem sprach das Gericht eine Verurteilung aus, und zwar mit Hilfe des beliebten Dolus eventualis.(Hört! hört l bei den tropfen bebandelt wurden, waren innerhalb von 24 Stunden alle Keime getötet. Ebenso wurde in den während der Hamburger Choleraepidemie dort hergestellten Zigarren nicht ein einziger Komma- bazillus gefunden. Einen indirekten Beweis für die Ansicht Wencks liefert auch die Tatsache, daß seinerzeit kein Tabakarbeiter in Ham- bürg an Cholera gestorben ist. Nottzeu. Kunstchronik. Die C o r i n i h- Ausstellung in der Sezession bleibt jetzt jeden Tag bis 5 Uhr abends und an Sonntagen bis 6 Uhr geöffnet. Peer Gynt im- Schauspielhause. Da» Kgl. Schauspielhaus will seinen Winterschlaf durch eine Auffuhrung von Ibsens Peer Gynt unterbrechen(aber vielleicht erst in der nächsten Saison). Herr Clewing soll die Titelrolle spielen. ck.. c- fipntnnt örn IS B,-- Lichtbildern). Die Flugmaschine auf der Briefmarke. Nun erobert sich die Flngmascbine auch die Briefmarken. Zum erstenmal erscheint setzt das Bildnis einer Flugmaschme auf einem Postwert- zeichen und zwar auf der 20 Cent-Marke einer neuen Serie vo.r Paketmarten, die von der Postverwattung der Vereinigten Staaten herausaeaeben wurden. Die Dkarke L�lZrt zu einer Reihe, die die Tätigkeit der amerikanischen Post in allen Einzelheiten illustriert. So sieht man auf der 1 Cent-Marke emen Postbeamten, der am Post- tische die Briefe sortiert, anf der 2 Cent-Marke einen Briefträger. der seine» Brief abgibt, auf der 4 Cent-Marke erfcheint ein Land- brieslräaer niit seinem Karren und auf der 20 Cent-Marke die Flugmaichineim Postdiensi'. Farmen für Paradiesvögel und Reiher. In Paris hat sich eine Liga für Vogelschutz gebildet, die mit einem interessanten Plan vor die Oeffentlichkeit tritt. D,e L'ga will die Hinmordung der seltenen Vogelarten, der Paradiesvogel und der Reiber. durch die Tat bekämpfen Und als das beste Mittel gegen die Massenmorde von Vögeln für Modezwecke will man die Produktion der so gesuchten Federn organisieren, um dadurch ein Abschießen der Vogel überflüssig machen. Man will al,o den- selben Weg beschreiten, der auf der Jagd nach Straußenfedern durch die Anlage großer Siraußenfarmen ersolgreich beschntten wurde. (Fragt sich nur. ob sich Paradiesvögel alklimattfiereu und»lichten lassen.)