Einzelbild herunterladen
 
  
Kr. 39. 30. ZahtMg. 1. KcilU des Jonrttlf letlinet DsllisdlM. Zonnllbtnd, 15.|rI)riiotl9l3. Reichstag. 112. Sitzung. Freitag, den 14. Februar 1S13, nachmittags 1 Uh r. Am Bundesratstisch: Kraetke, Kühn. Die zweite Beratung des Postetats Wird fortgesetzt. Abg. Nacken(Z.): Wenn man objektiv sein will, mub man im Eegensay zu dem sozialdemokratischen Redner anerkennen, daß es der Reichspostverwaltung gelungen ist, ihren angesichts des inS Riesenhafte sich steigernden Verkehrs sehr schwierigen Aufgaben ge- recht zu werden, daß sie stets bemüht gewesen ist. nicht dem Verkehr nachzuhinken. Allerdings haben auch wir noch manche Wünsche, so sollten die seit Jahren schwebenden Erwägungen über die Beseitigung der Portofreiheit für Fürstlichkeiten endlich zum Abschluß gelangen. Wünschenswert ist auch eine Reform der Fernsprechgebühren, um einen AuS« gleich zwischen Stadt und Land, und in der Stadt zwischen den Vielsprechern und Normalsprechern herbeizuführen. Einen besonderen Mißstand bildet die mangelhafte Telephonverbindung zwischen Berlin   und einigen Großstädten, nament- lich Köln  , worunter in ganz besonderem Maße die Presse leidet. Soweit irgend möglich, sollte die Postverwaltuna Lieferungen (Uniformen usw.) in kleinen Losen an die in den betreffenden Orten ansässigen Handwerker vergeben, das liegt im Interesse des Hand- Werks und dient einer gesunden Mittelstandspolitik. Auch die Beamtenkonsumvereine schädigen den Mittelstand sehr; ich will über ihre Berechtigung oder Nichlberechtigung nicht sprechen. Aber keinesfalls gehört es zu ihren Ausgaben, teure Zigarren und Weine zu führen. Ferner sollte die Zentrale auf Verminde- rung des Schreibwerks hinwirken. Der Staatssekretär sollte sich entschließen, einige Dezernate der Postverwaltung mit durchgebildeten Kaufleuten zu besetzen; das würde für die Leitung dieses großen Verkehrsinstilutes nur von Nutzen sein. Für die Beamten bringt der Etat neue Stellen, aber nicht genügend, um das auszugleichen, was in früheren Jahren ver- säumt ist. Meine Freunde werden der Resolution der Kommission zustimmen, die eine stärkere Vermehrung der höheren Stellen ver- langt, ebenso der, die verlangt, daß die Post- und Telegraphen- sekretärprüfung zum zweitenmal wiederholt werden kann. Der Erklärung des Reichsschatzsekretärs, daß der Reichstag   in den Etat keine Zulagen einstellen kann, muß ich auf das entschiedenste namens meiner Freunde widersprechen; die Auffassung des Staats- sekretärs würde eine unzulässige Beschränkung des Budgetrechts des Reichstags darstellen., Beim Etat des ReichSamts des Innern hat der Reichstag ohne Widerspruch der Regierung auf einen Antrag Erzberger-Paasche- Westarp für einen zweiten Direktor eine persönliche Zulage i n d e n Etat eingesetzt, ß 3 des Besoldungsgesetzes sagt zudem:Zu- lagen können nur insoweit bewilligt werden, als es der Reichs- hauShalt bestimmt." Meine Freunde halten es für eine Staats- Notwendigkeit, den Klagen der unteren und mittleren Postbeamten abzuhelfen; das ist ebenso eine Staatsnotwendigkeit wie die Sicherung des Vaterlandes nach außen hin. Man darf nicht nur nach außen hin für Ruhe und Sicherheit sorgen, sondern muß auch im Innern für Zufriedenheit sorgen. Wir halten unentwegt an den Beschlüffen zweiter Lesung vom Jahre 100!) fest, und stimmen der Resolution der Kommission zu. die noch vor der dritten Lesung einen entsprechenden Gesetzentwurf zum Be- soldungsgesetz verlangt. Mit einem Schlage könnten dann die Klagen der unteren und mittleren Postbeamten aus der Welt ge- schafft werden. Die Erbitterung in diesen Kreisen ist viel tiefgehender, als man in den Kreisen der Regierung meint. Gibt die Regierung dieser Resolution nicht Folge, so hat den größten Schaden das Retch und der in anarchische Gedanke. Durch Ersparungen z. B. bei den O st markenzulagen und Erhöhung von Einnahmetiteln auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre lassen sich die nötigen Gelder beschaffen. Wir wollen allen Postunterbeamten 100 M. Zulage bewilligen. Von hoher idealer Bedeutung sind die von uns in der Kommission beantragten Kinderzulagen. Sie sollten für alle unteren und mittleren Beamten im Reich, Staat und Kommunen eingeführt werden. Redner äußert des weiteren Wünsche auf Besserstellung der Tele- ?raphenarbeiter und der Postagenten. �Sehr wichtig jist die Ein- ührung von BeamtenauSschüsscn, in denen auch Betriebsfragen be- sprachen werden sollten. Die Krankenkasse für die Unterbeamten bedarf in verschiedenen Punkten des AusbauS.(Bravo I im Zentrum.) Reichsschatzsekretär Kühn: Die Zulagen, die die Kommission be- schloffen hat, sind keine Zulagen im üblichen Sinne; bei dem zweiten Direktor im Reichsverficherungsamt dagegen handelte eS sich um eme der durchaus üblichen Funktionszulagen. Staatssekretär Kraetke: Der Erlös aus den Automaten be- v!e lungtüite London  , 11. Februar.(Eig. Ber.) Zu den wertvollsten Be- richten vom Kriegsschauplatz gehören zweifelsohne die Mitteilungen, die Fräulein W. Edith D u r h a m als Spezialberichterstatterin der»Daily Chronicle" in den letzten Monaten veröffentlicht hat. Fräulein Durham ist als gute Kennerin der Verhältnisse in Monte- nearo und Nordalbanien bekannt, und aus ihren Berichten spricht daher jene ins Einzelne gehende Sachkenntnis, die bei so vielen .anderen durch die Einbildungskraft ersetzt wird. Namentlich was Fräulein Durham über die Jungturken geschrieben hat, ist der Beachtung wert, da es so manches Streiflicht auf die jüngsten Er- eignisse im nahen Osten wirft. Fräulein Durham meint zwar in Ihrer wenig schmeichelhaften Schilderung der Jungtürken  , daß sie dielleicht nur mit Exemplaren dritter Güte in Berührung ge- kommen fei. aber diese Typen scheinen doch ziemlich verbreitet zu isein. Sie schreibt, daß die jungtürkischen Offiziere in Nord- albanien, anstatt die albanischen Verhältnisse zu studieren, ihre Zeit damit vertrödelten, zu prahlen, wie sie Algerien  , Tunis  . Aegypten  . Bosnien. Serbien   und Bulgarien   zurückerobern würden. um dann bis nach Wien   vorzudringen. Deutsch verstanden sie, aber von deutschem Wissen besaßen sie fast nichts. So berichtet Fräu- lein Durham. wie im Jahre 1911 die Cholera im Heere von Sku- tari ausbrach. Man hatte an einem Abhang einen Abort gerade über den Bach angelegt, aus dem die Bewohner des nächsten Dorfes ihr Trinkwasser schöpften(wobl eine Art türkischen Wasscrklosettsk). AlS ein Englander einen in Europa   ausgebildeten jungturkischcn Offizier darauf aufmerksam machte, daß dies doch sehr gesund- beitsschädlich sei, fragte dieser erstaunt:Warum?" Das Lustigste ledoch. was die Korrespondentin erzahlt, sind ihre Erfahrungen nnt dem Kommandanten Hussein Riza. Als im Juli des Jahres 1911 der Krieg mit Montenegro auszubrechen drohte, kaufte die türkische   Regierung bei der englischen Firma Thornycroft einen Dampfer zum Transport der Truppen auf dem See von Skutari. Bezeichnenderweise erstand sie einen Personen- dampscr, ausgestattet uilt cleitrischem Licht, Zentralheizung und Salon erster Klasse,-f o» in Sektionen transportiert werden, und die türkliche Gesandtschaft in London   schickte einen englischen Ingenieur nach Meoua, um de« Dampfer dort zu- jsammenzusetzen, vergaß aber ganz, die Behörden in Skutari zu benachrichtigen, die bis zur Ankunft des Ingenieurs von dem Kauf üherhqupt nichts wußten.'eine gnzexe englisch sprechende trug 1311 fünf Millionen, es sind 81 Millionen Marlen auf diese Weise zum Verkauf gelangt. Die Zahl der Telegraphenan- stalten auf dem flachen L a n d e wird in jedem Jahre um 800 bis 1000 vermehrt. Mit Reklame habe ich keine guten Er- fahrungen gemacht, sie gehört auch eigentlich nicht in den öffentlichen Postverkehr. Ich werde damit nicht weiter gehen als ich durch Verträge gebunden bin. Dann kommen z. B. Leute, die prinzipiell in kein Warenhaus gehen, die sagen: weshalb soll ich mir, wenn ich auf der Post meine notwendigen Geschäfte erledige, diese verwünschte Reklame gefallen lassen. In bezng auf die K o n s u m g e s ch ä f t e stimme ich dem Vorredner zu. daß sie nur zu gründen sind, wo ein wirkliches Bedürfnis vorliegt, und daß sie auf keinen Fall Luxus- artikel führen sollen; eine entsprechende Verfügung ist auch ergangen. Herr Abg. Eberl stellte es gestern so dar, als ob Versicherungs- gesellschaften einen Vorzug gegenüber Gewerkschaften und Krankenkassen in bezug auf die Behandlung von Geschäfts- papieren besitzen. Das ist nicht der Fall. Wir werden aber, um ihn völlig zu beruhigen, in der Postordnung an der betreffenden Stelle stattVersicherungsgesellschaften usw." setzen:Versicherungsgesellschaften, Berufsgenoffenschaften, Kranken- lassen usw." An der praktischen Handhabung wird daran nichts geändert; Papiere, die nicht den Charakter einer persönlichen Korre- spondenz haben, werden zu dem billigeren Portosatz befördert. Abg. Beck(natl.): Bis zur dritten Lesung werden wir hoffent- lich zu einer Einigung mit den Verbündeten Regierungen in bezug auf die Besserstellung der Beamten kommen; das wird um- gewisser geschehen, je entschlossener und einmütiger der Reichstag zeigt, daß er den Mißmut unter den Unterbeamten und mittleren Beamten zu beseitigen bestrebt ist. Ueber die staatsrechtliche Auffassung in bezug auf die eingestellten Zulagen will ich mit dem Reichsschatzsekretär nicht rechten; daß die Zulagen mit dem bestehenden Gesetz vereinbar sind, darüber haben meine Freunde keinen Zweifel, und wir hoffen, daß auch die Regietung diesen Zulagen ihre Zustimmung geben wird. Mit den g e- h ob en en U nt e r b e a m t'e n hat die Kommission sich nicht in einer besonderen Resolution beschäftigt; auch sie sind aber der Fürsorge bedürftig, und ich bitte um Zustimmung zu der Resolution Ablaß  , die eine Einheitlichkeit in der Besoldung bei den ge- hobenen Unterbeamten herbeizuführen wünscht. Auch die von der Kommission angeregten Kinderzulagen sollen nicht nur den Unterbeamten, londern auch den gehobenen Unterbeamten zugute kommen. Eine Resolution Ablaß   wünscht, daß die kündbaren Post- und Telegraphengehilfinnen nach Ablauf einer angemessenen Frist unkündbar werden. Auch wir halten das für billig und werden für diese Resolution stimmen. Anerkennen muß ich, daß unsere Post- und Telegrophenverwalwng rüstig vorwärts- geschritten und keineswegs so rückständig ist, wie eS nach den Ausführungen des Abgeordneten E b e r t erscheinen könnte. Die vermehrten Ausgaben, die wir wünschen, lassen sich durch die EntWickelung unseres PostwesenS mit seinen erhöhten Ueber- s ch ü s s e n rechtfertigen. Schon aus dem UeberweisungS  - und Scheckverkehr lassen sich höhere Ueberschüsse erzielen; auch die Beamtengehälter sollten auf diesem Wege gezahlt werden. Es handelt sich bei dem, was die Beainten jetzt bekommen sollen, ledig- lich um einen Ausgleich der Unstimmigkeiten und Härten des Be­soldungsgesetzes. Wir haben dann noch eine Reihe weiterer Wünsche, zunächst den nach einem einheitlichen Weltporto. Ferner sollte die Postverwaltung bei Erweiterungen sich mehr in Fühlung mit den Gemeindebehörden halten. Abg. Dr. Oertel(k.): Der sozialdemokratische Redner hat auch bei diesem Etat von dem voll gedeckten Tisch gesprochen, den die Regierung den Agrariern zurecht gemacht hat. Ich habe wenig von diesem voll gedeckten Tffch bemerkt.(Große Heiterkeit.) Ich habe diese Dinge schon sehr oft gehört.(Zuruf bei den Sozial- demokraten: Die Wahrheit kann man nicht oft genug hören.) Man hört leider auch die Unwahrheit fehr oft. An der Güte des Post- etatö hat zum Teil natürlich unsere günstige Wirtschaftslage schuld, deren Aufstieg wir zum großen Teil unserer Finanzreform verdanken. Herr Ebert meinte, der Etat biete keinen Anlaß, dem Staatssekretär Lorbeerkränze zu winden und Weihrauch zu streuen. Nun, der Postetat kann sich sehen lassen, er ist vorsichtig und umsichtig aufgestellt; und auch unsere Postverwaltung kann sich sehen lassen, im Ausland wird das auch ganz allgemein anerkannt. Herr Ebert sagte, die Postverwaltung sei allen Ber- kehrswünschen abgeneigt. Das ist eine gewaltige Uebertreibung. Manchen Wünschen ist sie natürlich abgeneigt, es gibt ja auch un- vernünftige, auch Sie könnten nicht alle Wünsche befriedigen, wenn Sie auf dem Stuhl des Staatssekretärs säßen.(Abg. V o g t h e r r sSoz.j: Das kommt noch.) Ach nein, im Zukunftssiaat würden nicht Sie, sondern Herr Wendel Poststaatssekretär werden.(Heiterkeit.) Herr Ebert sagte weiter, die Herren Kraetke und Kühn seien ein Herz und eine Seele. Wenn darin der Vorwurf der Fiskalität liegen soll, ist auch der Reichstag daran schuld, der ja immer Sparsamkeit predigt.(Zust. rechts.) Würde der Staatssekretär hier einen Etat ohne Ueberschüsse vorlegen, nun, mit Limonade würde ihm hier nicht aufgewartet werden.(Heiterkeit und Sehr richtig! rechts.) Die Be- Person am Orte war," berichtet Fräulein Durham,mußte ich zuerst den Uebersctzer spielen. Weder der Gouverneur, noch der Kommandant Hussein Riza wußten, daß das Schiff gekauft worden war, und sie wußten noch viel weniger, daß sie Vorbereitungen zu seiner Zusammenstellung treffen mußten. Als ich Hussein Riza die Pläne auseinandersetzte, benahm er sich wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug.Elektrisches Licht! Mon Dieu! Wie schön! Zentralheizung! O! wie vergnügt ich bin! Salon erster Klaffe!" Bitte, Exzellenz," sagte ich,wir müssen sofort entscheiden, was zu tun ist" Wie Sie ohne Zweifel wissen, kann das Schiff jetzt jede Stunde eintreffen. Jeder Tag, an dem der Kapitän im Hafen auf- gehalten wird, muß bezahlt werden. Wie Sie schon verstehen werden, wir bezahlen nichts; es ist eine Angelegenheit Ihrer Regierung." Mon Dieu, mon Dieu!" rief Hussein Riza aus,vielleicht sogar 50 Pfund den Tag." Möglicherweise 100 Pfund, Exzellenz," sagte ich;wir müssen sofort handeln." «Aber es ist Ramadan  (der Fastenmonat)!" rief er kläglich aus..... Im weiteren Verlauf der Erzählung berichtet Fräulein Dur- ham, wie schließlich die Sektionen des türkischen   Militärtransports in Medua ankamen. Aber da stellte sich heraus, daß man keinen Lichter hatte, um die Schiffsteile auszuladen. Der englische  Kapitän fluchte und fuhr nach Fiume, wo er das Zeug auspackte und von wo er nach Hause fuhr. In der Verzweiflung tele- graphierte Hussein Riza nach dem türkischen Konsul in Fiume, da- mit dieser den Dampfer dort zusammensetzen lasse. Aber plötzlich erinnerte er sich, daß die österreichischen Arbeiter höhere Löhne be- anipruchten als die türkischen. Er bestellte die Arbeit ab und wollte nun den Ingenieur nach Fiume schicken. Wegen der Choleragefahr konnte dieser jedoch Skutari nicht verlassen. Nun verfiel Hussein Riza auf die brillante Idee, auf dem See von Skutari eine tür  - kische Kriegsflotte zu bauen. Der in Fiume liegende Raddampfer sollte zwei Kanonen tragen! Der englische   Ingenieur bekam eineiig Lachkrampf, als er daran dachte, wie nach den ersten Schüssen der-vampfer aus den Fugen gehen würde. Schließlich meinte er aber:Nun. wenn ihr erstklassige Personendampfec zu Kriegs- zwecken kaufen wollt... mir ist's recht." Bald darauf brach der Krieg mit Italien   aus. Wegen der Gefahr, von den Italienern auf der See weggenommen zu werden, mußten die Schiffsteile zn Fiume liegen bleiben, wo sie vielleicht noch zu fMev sind............ sprechung der Denkschrift nannte Herr Ebert eine glatte Absage des gesamten Reichstages an den Staatssekretär. Nun, wir billigen sein Verhalten, auch das gegenüber der Sozialdemokratie. In den Betrieben der Postverwaltung ist k e i n P l a tz für einen Angestellten, der sich zu einer republikanischen Partei bekennt und für sie sich betätigt.(Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Auch im sozialdemokratischen Zukunfisstoat würde mich der Postsiaatssekretär Wendel sicherlich im Postbetriebe nicht dulden, trotz seiner persön- lichen Sympathie für mich(Heiterkeit), wenn ich einer monarchischen Partei angehörte und gegen die Republik   putschte.(Zustimmung rechts. Lachen bei den Sozialdemokraten.) Nun zur Sache(Große Heilerkeit). Für die höheren Beamten stimmen wir der Resolution der Kommission zu; auch für die höheren Beamten ist die Schaffung besserer Verhältnisse notivendig. Auch der beantragten Besserstellung der Nnterbeamten stimmen wir zu. Wenn alle Unterbeamten 100 M. Zulage erhalten, dürfen wir sie auch den Landbrieftrügern nicht vorenthalten. In bezug auf die Postgehilfinnen bleibe ich auf meinemstark antifemininen" Standpunkt; sie nehmen eben immer künftigen Familienvätern die Stelle fort. Auf keinen Fall dürfen Frauen im Postdienst die Vor- gesetzten von Männern sein, da? darf höchstens in Familien vorkommen.(Heiterkeit.) Die Einstellung der Zulagen in den Etat haben wir mitgemacht, da die Regierung wiederholt einmütige Resolutionen des. Reichstags in dieser Richtung unbeachtet ge- lassen hat. Berechtigt zu einer solchen Einstellung sind wir auf jeden Fall. Würde der Bundesrat sie ablehnen, so wäre damit wohl der ganze Etat abgelehnt. Der Staatssekretär hat Erwägungen bis zur dritten Lesung zugesagt. Er sollte diese Erwägungen aber recht beschleunigen, damit etwas wirklich Greifbares herauskommt. Mit leeren Händen können wir kaum wieder vor die Oeffentlichkeit treten, nachdem diese Forderung vom Reichstag zum dritten Male einmütig erhoben ist. Dann ein ernstes Wort an das Zentrum über die O st m a r k e n z u l a g e n. Sie mögen bei ihrer Einführung gute Gründe dagegen gehabt haben. Aber jetzt haben die Beamten jahrelang die Zulagen ge» nossen im Vertrauen auf die Stetigkeit der Reichsgesetzgebung und der Verwaltung. Wir könnten die Zulagen als außerordentliche un- widerrufliche Zulagen auch für die Postbeamten in Elsaß-Lothringen  gewähren. Dadurch würde der Ostmarkenzulage ihr Name und auch ihr politischer Charakter genommen.(Lachen bei deir Sozialdemokraten.) Ich bitte Sie, diesen Weg zu betreten angesichts der Notwendigkeit eines gemeinsamen entschiedenen Zusammengehens aller bürgerlichen Parteien, die in wenigen Wochen an uns ge- bieterisch herantreten wird.(Bravo  ! rechts.) Abg. Kopsch(Vp.) bringt zunächst' Wünsche aus Handelskreisen vor auf Einführung eines einheitlichen Weltportos, Ermäßigung des Strafportos, Ausdehnung des Brieftelegrammverkehrs usw. Der Gipfel des Bureaukratismns ist die neue Bestimmung, wonach bei Versendung von Wahlflugblättern als Drucksachen in Zu- kunft nicht mehr die Li st enn Ummer des Wählers hairdschriftlich außen auf das Kuvert ge- schrieben werden darf. Die Tclegrammfreiheit der Fürsten   soll jetzt auch ausgedehnt sein auf eine Telephon fr eiheit. Auf welche gesetzliche Bestimmung gründet die Postverwaltung die Gewährung dieses neuen Privilegs? Die Aufbesserung der Beamtengehälter beträgt durch- schnittlich nur 15 Proz., die Verteuerung der Lebens- Haltung mindestens 30 Proz. Also von der Wirtschafts- Politik der Rechten haben die Postbeamten nur Schaden gehabt. ES herrscht daher in den Reihen aller Kategorien von Postbeamten eine gewisse Erregung. Wir haben für das älteste Drittel der Assistenten Zulagen von 300 M. in den Etat eingestellt. Die Be- rechtigung dazu kann dem Reichstag nicht bestritten' werden; freilich kann der Bundesrat die Erhöhung ablehnen. Dann trägt aber der Bundesrat die Verantwortung für das Nichtzustande- kommen deL Etats mit allen seinen Konsequenzen. Redner befürwortet die Resolutionen auf Besserstellung der Nnterbeamten und auf unkündbareAn stell» na derPostgehilfinnen nach angemessener Zeit. Auch den Wünschen der Telegraphen- arbeiter sollte die Verwaltung, wenn sie auch nicht sämtlich erfüllbar sind, wohlwollend entgegenkommen. Zur Ostmarken- z u l a g e ist unsere Stellung bekannt. In bezug auf die staatsbürgerlichen Rechte der Beamten ver- langen wir im Gegensatz zur Rechten, daß sie außerhalb des Dienstes sich so frei betätigen dürfen wie jeder andere. Einem Postbeamten, der als Mitglied der Bürgerschaft in Hamburg   über die T e u e r�u n g sprach, wurde eine Ver- Warnung erteilt, obwohl er bestritt, in der Form wie die Zeitungen berichtet hatten, sich geäußert zu haben. Die Zeugen, die er für sich anführte, u. a. Abg. H e ck s ch e r wurden nicht g e- hört. Wenn ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Post- Verwaltung und allen Beamten herbeigeführt werden soll, so muß die Verwaltung auf die Wünsche und Forderungen der Beamten in wohlwollender Weife eingehen.(Bravo I bei der Volkspartei.) Die Weiterberatung wird vertagt auf Sonnabend 11 Uhr. Schluß 6'/z Uhr. Dorck über die Reaktion. Preisend mit viel schönen Reden geht's jetzt in dem für permanent erklärten nationalen Bierkommers her. Die Helden von 1313 hurra hoch! Mit Gott für König und Vaterland! Die nationale Erweckung! So schallt es in den Fest- reden. Von den Ergebnissen einer objektiven Geschichtsforschung ist begreiflicherweise dabei keine Rede. Wie das Volk damals zum Tank für seine Opfertaten, die heute noch so schönen Stoff für Ansprachen liefern, über den Löffel barbiert wurde, wie es mit Undank und Mortbrüchigkeit bestraft wurde, weil es seinenangestammten Herren" gegen den Korsen geholfen hatte, davon wird nichrs laut. Da ist es gut, an Zeugnisse der Zeit zu erinnern- Wie der Nationalheld Uorck über die Folgen derFreiheitskriege  " gedacht hat, zeigt ein von ihm an den Oberpräsidenten von Westpreußen  Schön gerichteter Brief aus dem Jahre 1822. der in de»Preuß. Jahrbüchern" veröffentlicht wird. Dorck schrieb damals:Die Regsamkeit der Zeit spricht sich jetzt über alle Teile der Erde aus. und es ist nicht zu leugnen, daß der Kampf der alten Stoffe mit den neuen eine Explosion vorbereitet. Wenn man die Resullate aller seit kurzem gehaltenen Beratungen genau erwägt, so läßt sich von der zu Verona   wahrlich mehr fürchten als hoffen. Unsere Staatskünstlcr haben uns leider schon früher nicht nur um die Frucht gebracht, deren Genusses sich unser Volk durch die ewig denkwürdige Kraft- äuherung noch würdig gezeigt hat, sondern haben auch alles in ein solches Verhältnis gestellt, welches das Ganze fort- reißen; ja zu vergraben droht. Nichts ist wohl unpassender, als ohnmächtig gegen Elemente der Natur streben zu wollen. Der Flut eine zweckmäßige Richtung zu geben, dies nur kann Segen bringen. Eine Verdammung führt zu Durchbrüchen, und diese stürzen in Untergang. Es gab einen Moment in unserer Zeit, der unserem Staate eine würdige Stellung hätte geben können. In diesem Mo- mente die Meinung der Zeit auffassen und sie mit Weisheit leiten. würde uns zum Hauptstützpunkt hon Deutschland   gemacht und ein moralisches sowohl als ein physisches Uebergewicht gegeben haben. ?lber zum Auffassen wie zum Leiten großer Begebenheiten gehört eine andere als durch Wollust entnervte und durch Alter abge- stumpfte Kraft. Sich dabei noch brüsten mit den ehemals so viel gepriesenen diplomatischen Kniffen und mit der sogenannten schlauen Gewandtheit, ist Albernheit. So etivas ist der Zeit cbenso- wenig anpassend, als die ehemaligen steifen Rockschöße- Schivächc gebiert Furcht, und Furcht verbirgt steh hinter Trug und Lüge... Es ist traurig, daß die Geschichte der Gegenwart nicht fruchtbar wird, tür d«s ggyze so wenig wie für den einzelnen."