Nr. 39. 30. Jahrgang.
Mädchenmordprozeß.
2. Tag.
Die Beweisaufnahme erstreckte sich am gestrigen Tage wesentlich darauf, ob das getötete Mädchen Rosenburg Selbstmordgedanten gehabt, ob sie ferner am Abend ihres Todestages den Angeflagten besucht habe und ob das Testament von ihr geschrieben sein könne.
In einem Brief an ihren Bruder hat die Verstorbene geschrieben, daß sie wegen wiederholten Mergers mit ihrer Dienstherrschaft und aus Angst, daß sie das dem Angeklagten geliehene Geld niemals wieder bekomme, das Leben satt habe".
geschloffen und bleibt dabei, obgleich der Angeklagte zweimal in sehr erregtem Tone mit den Worten dazwischen fährt: Das ist eine ganz gemeine Lüge!" Der Vorsitzende muß ihm dies ernstlich untersagen.
Eine Schwester des Angeklagten, eine Frau Reind, bekundet u. a., daß die ihr bekannte Margarete Rosenburg nach einem Streit mit ihrer Schwester geäußert habe, sie werde sich die Pulsadern aufschneiden. Sie selbst sei der Ueberzeugung, daß die R. Selbst Auch der Zeuge Gärtner Theodor Birkenhauer in Wilmers- mord verübt habe. dorf bekundet, er habe den Angeklagten am frühen Morgen des Von wem rührt das Testament her? 23. März auf der Straße gesehen. Gerichtschemiker Dr. Jeserich hat die Tinte untersucht, die bei Die Lehrersfrau Hedwig Rosenburg aus Tangermünde ist dem Angeklagten polizeilich beschlagnahmt worden ist, und sie mit die Schwägerin der Getöteten. Sie weiß, daß die Schwägerin ein- der Tinte verglichen, mit der der an den Rechtsanwalt Thinius mal brieflich einen Selbstmordgedanken ausgesprochen hat. Die gelangte Brief und das Testament geschrieben worden ist. Das Verstorbene sei ernst und sparsam gewesen und habe manchmal Gutachten des Sachverständigen geht dahin, daß Brief, Kuvert geäußert, daß sie kein Glück im Leben habe. adresse und Testament nicht mit gleicher Tinte geweteben ist, daß Der Lehrer Rosenburg, der Bruder der Getöteten, ist durch die angewandten Linten aber von gleicher Art sind, wie die be Die Witwe Kuschke, bei der der Angeklagte bis zu seiner Ver- Krankheit am Erscheinen an Gerichtsstelle verhindert. Es muß schlagnahmte Tinte. Zweifellos ist auch, daß das Datum auf dem haftung gewohnt hatte, bekundet, daß die Rosenburg eines Tages deshalb seine kommissarische Aussage verlesen werden. Der Zeuge Testament nachträglich hinzugefügt worden ist. Der Sachverstän zu ihr gekommen sei und ihr geklagt habe, daß ihr Bräutigam befundet, daß seine Schwester seit ihrer Bekanntschaft mit Stahl dige ist, nachdem der Schreibsachverständige Schulrat Grabow inStahl ihr immer zurede, sie wollten sich beide erschießen; sie könne nichts mehr sparte, sondern fort und fort Beträge ihres Guthabens zwischen verstorben war, auch damit betraut worden, die beiden dies doch aber unmöglich ihren alten Eltern antun. Acht Tage abbob und diese dem Angeklagten zuwandte. vor dem Tode der R. habe ihr Stahl erzählt, die R. habe sich schon Der Zeuge hält es für ganz ausgeschlossen, daß fich feine wem sie wohl herrühren, zu begutachten. Dr. Jeserich fommt auf Schriftstücke in Bezug auf die Schriftzüge und auf die Frage, bon einmal in der Schule durch Erhängen das Leben nehmen wollen Schwester selbst getötet habe; sie habe auch mit einer Schußwaffe Grund längerer interessanter Darlegungen zu dem Schluß: Zweiund sei dann von der Mutter abgeschnitten worden. Jetzt habe gar nicht Bescheid gewußt. Die Behauptung des Stahl, daß Grete fellos zeige der Brief an den Rechtsanwalt Thinius und der Tefta ihm die R. seinen Revolver weggenommen, hoffentlich werde sie Rosenburg schon einmal als Ninde habe Selbstmord begehen und ments- Brief einen gefünftelten, zusammengestellten Schriftzug. nicht Selbstmord verüben. Einige Tage vor der Tat habe der An- später einmal versucht habe, sich die Pulsadern zu öffnen, sei er: Ge handelt sich um eine mühsame Nachbildung der authentischen getlagte sie gebeten, ihm 10 Marf zu leihen. Sie habe ihm das funden. In einigen Briefen habe die Schwester Furcht vor Stahl Schrift der Rosenburg. Die vorliegenden beiden Briefe rühren Geld gegeben, am nächsten Tage wären auch die übrigen 15 Mart, ausgedrückt. Der Zeuge hat der Schwester dringend zugeredet, sich feinesfalls von der Rosenburg her. Sie können von Stahl herdie in der Kommode lagen, verschwunden gewesen. Wegen dieses von Stahl zu trennen, dieser Brief habe auch seine Wirkung ge- rühren; den positiven Schluß, daß sie von Stahl herrühren müssen, Diebstahls war, wie der Vorsitzende feststellt, ein Strafverfahren tan, denn die Schwester sei ernsthaft gewillt gewesen, das Ver- fönne er jedoch nicht ziehen, obwohl sich manche Eigentümlichkeiten eingeleitet worden. Dasselbe endete mangels ausreichenden Be- hältnis mit dem Angeklagten zu brechen. Richtig sei es, daß fie zeigen, die mit der Schrift Stahls übereinstimmen. weises mit Freisprechung. Die Zeugin erzählt weiter, daß sie in einem Briefe den mehrfach erwähnten Vorgang im Tiergarten, Das Gutachten des Graphologen Langenbruch, welches von am Todestage der Rosenburg schon vor 9 Uhr zu Bett gegangen wo sie sich beide hätten töten wollen, erwähnt und auch einmal diesem in längerem Vortrage und unter Vorzeigung zahlreicher fei. Gegen 10 Uhr habe es geklopft und nachdem Stahl ge- fich dahin geäußert hat: Wenn ihr die ganze Sache über" würde, Tafeln mit Schriftproben begründet wird, geht dahin: Es handelt öffnet hatte, habe sie mit aller Bestimmtheit die Stimme der würde sie Gift nehmen. Der Zeuge, der der Schwester immer sich in dem Brief an den Rechtsanwalt Thinius und in dem TestaRosenburg erkannt. Es könne, wiederholt die Zeugin auf vielfache mit Rat zur Seite stand und ihr Vertrauter war, ist der festen ment nicht um eine natürliche Schrift, sondern um eine fünstlich Vorhaltungen, gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die Rosen- Ueberzeugung, daß sie an ihn Abschiedszeilen zurückgelassen hätte, hergestellte Schrift auf Grundlage der Schrift der Rosenburg. Nach burg an jenem Abend in dem Zimmer des Angeklagten gewesen wenn sie Selbstmord hätte begehen wollen. Sie habe eine ernste einem gründlichen Vergleich der Schrift in den Briefen mit der fei. Gegen 6 Uhr morgens habe sie gehört, wie der Angeklagte auf Lebensauffassung gehabt und sei fparfam, gutmütig und offen- Schrift des Angeklagten, fommt dieser Sachverständige zu dem dem Korridor mit den Schlüsseln flapperte. Als sie ihm dann den herzig gewesen. Der Angeklagte habe viel mit einem Revolver Schluß: Es würde gegen sein Gewissen sein, wenn er in diesem Kaffee brachte, sei sie ganz erstaunt darüber gewesen, daß der An- herum hantiert und außerdem auch einen Schlagring bei sich ge- Falle nur von einer Wahrscheinlichkeit sprechen wollte, er habe vielgeklagte, ganz gegen seine Gewohnheit, schon wach gewesen und führt. Während eines Besuches, der den Angeklagten auf mehrere mehr persönlich die Ueberzeugung erlangt, daß der Angeklagte bie sogar fix und fertig angezogen war. Tage zu ihnen geführt, sei er ihm und seiner Ehefrau unheimlich beiden Briefe geschrieben hat. Der Zeuge Noßmann, der Wand an Wand mit dem Ange- geworden. Eines Nachts sei es seiner Frau gewesen, als wenn flagten wohnte, will am kritischen Abend eine Zwiesprache zwischen jemand an der Schlafstubentür gerüttelt hätte. Dies hat den Zeudem Angeklagten und der R. gehört haben; es hörte sich an, als gen veranlaßt, am nächsten Tage in Gegenwart des Angeklagten ob beide sich zankten. Der Zeuge hat dies, noch bevor er von dem zu sagen:" All mein Geld ist beim Bantier und Diebe würden in Tode der R. Kenntnis erhalten, seiner Mutter mitgeteilt. der Wohnung nichts finden." Der Zeuge hat schließlich erklärt, daß die Schwester den Brief an den Rechtsanwalt Thinius und das Testament entschieden nicht geschrieben hat, sondern die Schriftstücke von der Hand des Angeklagten herrühren dürften.
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Der Verteidiger stellt eine Reihe Beweisanträge, die dartun sollen, daß die Mitglieder der Mordkommission angenommen hätten, es liege Selbstmord vor und daß der Vater der Getöteten an Geisteskrankheit gelitten und ihre Tante sich erhängt habe. Sämtliche Anträge werden vom Gerichtshof abgelehnt, da die darin berührten Tatsachen als wahr unterstellt werden können. Sehr erregt wird der Angeklagte bei der Vernehmung des Zeugen Gärtners Joseph Kubala, Wilmersdorf , Berliner Str. 105. Dieser hat, als er am Morgen des 23. März um 5% Uhr die Jalousie seines Geschäfts aufzog, den Angeklagten auf der Straße gesehen. Er kam von Halensee her und ging in sein Haus. Es ist dies die Zeit, wo nach Ansicht der Anklage der Angeklagte den Testaments"-Brief der Rosenburg in den Brieffaften geftedt haben dürfte. Der Zeuge hält einen Irrtum seinerseits für ganz aus.
Die Mutter der Getöteten, Frau Hedwig Rofenburg geb. Saffe aus Neu- Haldensleben, ist der festen Ueberzeugung, daß sich die Tochter nicht selbst erschossen hat. Ihre Tochter habe nie an so etwas gedacht, auch noch niemals einen Selbstmordversuch ge= macht. Was den Vorfall im Tiergarten betrifft, der sich am 24. Januar v. J. abgespielt hat, so habe ihr ihre Tochter feinerzeit geschrieben, daß ihr dabei der Angeklagte den Revolver an die Stirn gefest, sie ihm aber die Hand weggeschlagen habe und weggelaufen sei. Die Tochter sei ein gutes Mädchen gewesen, die nimmermehr ein solches Unglüd über ihre Familie freiwillig gebracht hätte.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Bahn beantragte, noch einen außerhalb wohnenden Sachverständigen zu hören. Der Gerichtshof lehnt diesen Antrag ab.
Formulierung der Schuldfrage. Nach Schluß der Beweisaufnahme verliest der Vorsitzende die auf Tötung mit Vorsatz und Ueberlegung lautende Schuldfrage. Rechtsanwalt Bahn beantragt, noch die Unterfragen aus§ 216 ( Tötung auf ernstes Verlangen) und aus§ 267 und 268( Urkundenfälschung) zu stellen.
Staatsanwaltsrat Hook widerspricht aus rechtlichen Gründen. Rechtsanwalt Bahn meint, daß der Angeklagte bei Nichtzulassung dieser Fragen in seiner Verteidigung beschränkt sein würde. Gs lasse sich die Möglichkeit doch denken, daß die Geschworenen zu der Annahme kämen, daß die Rosenburg sich selbst getötet und der Angeklagte, nachdem er gesehen, daß sie tot war, die Gelegenheit benutzt habe, um als ihr Erbe aufzutreten.
Der Gerichtshof behält sich die Beschlußfassung vor und ver tagt die Sizung auf Sonnabendmittag 1 Uhr.
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