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Em furchtbarer Austritt, der mit einem Selbstmord endete, spielte sich gestern abend auf dem Grundstück Müllerstratzc 162a ab. Hier wohnte seit einem halben Jahre im vierten Stock des Quer- gebäudeS der 30 Jahre alte Schlosser Wilhelm S ch m i c g l e r, dem seine Geliebte den Haushalt führte. Das Paar geriet oft in Zwist, weil Schiniegler gern trank und mitunter mehrmals in der Woche betrunken nach Haufe kam. Wenn ihm dann die Geliebte Vorhaltungen machte, so kam es in der Regel zu heftigen und lärmenden Auseinandersetzungen. Im.Hause glaubte man, daß der Schlosser wohl nicht»ganz richtig" sei. Gestern abend gegen ohi Uhr geriet Schmiegler, der wieder angetrunken war, über die Vorwürfe seiner Geliebten so in Wut, daß er sein Taschenmesser zog und auf sie eindrang, um sie zu erstechen. Als sie ihm zur Abwehr in den Arm siel und ihm das Messer mit Gewalt ent- riß, zog sie sich blutende Verletzungen an Händen und Armen zu. Wahrend sie jetzt nach �der Küche eilte, um das Blut zu stillen und abzuwaschen, begab sich Schmieglcr nach dem Fenster der Stube, riß es auf und sprang auf den Hof hinab, wo er tot liegen blieb. Ein Arzt, den die Hausgenossen holten, konnte nicht mehr helfen. Die Leiche wurde beschlagnahmt und noch dem Schau- hause gebracht. Die Verletzungen des Mädchens erwiesen sich als unbedeutend. Vorort- l�admcdtem Schöneberg. Aus der Stadtverordnetenversammlung. Zunächst fragte der liberale Stadtverordnete Bamberg   an, ob es zutreffe, daß auf der Untergrundbahn eine Berkehrsvcrschlechterung in der Zugfolge eingetreten sei. Stadtrat Licht erklärte, daß nur ein Versehen vorliegen könne. Eine Verkehrsverschlechterung nach der Stadt hinein sei vollständig ausgeschlossen, ebenso eine Ueberfüllung der Wagen. Tagegen lasse sich eine Stockung von der Stadt" nach Schöneberg   hinein nicht vermeiden. Hierauf berichtete der Peti- tionsausschuß über die Petition, den Beginn des Unterrichts in den Volksschulen, namentlich in den niederen Klassen, erst um 3 Uhr beginnen zu lassen. Der Referent V e st e r beantragte, über diese Petition zur Tagesordnung überzugehen. Eine vom Magi- strat an die Eltern gerichtete Umfrage hätte ergeben, daß 6600 Eltern für den Siebenuhr-Schulbeginn und nur 1700 für den Achtuhr-Beginn gewesen seien. Wetekamp(Lib. Fr.) meinte, in hygienischer Hinsicht hätten die Eltern selten etwas für ihre Kinder übrig. Den Eltern sei es recht, wenn die Kinder lange in der Schule bleiben, dann brauchten sie sich nicht um dieselben zu bekümmern. Genosse K üt e r wünschte, daß die Umfrage noch einmal wiederholt werden möge; dabei müsse den Eltern klar ge- macht werden, Ivorum es sich handele. Es sei kein Zweifel, daß alsdann die Antworten anders ausfallen würden. Wenn der Unterricht auf dieselbe Zeitdauer ausgedehnt bleibe, so werde ein gleiches Resultat herauskommen. Die Versammlung beschloß hier- auf Uebergang zur Tagesordnung.   Die Änrobesitzer petitionierten erneut um Aufhebung der Kinosteuerordnung. Der Referent Starke betonte, daß die Steuer einen nennenswerten Ertrag eingebracht habe. Der Etat sei nicht dazu angetan, diesen Betrag zu missen; er beantrage daher, über diese Petition ebenfalls zur Tagesordnung überzugehen. Genosse Küter trat für Aufhebung der Kinosteuer, die eine der ungerechtesten Steuern sei, ein. Es stimmten 26 Libe- rale für Beibehaltung, während die sozialdemokratische und freie Fraktion mit 22 Stimmen in der Minderheit blieb. Genosse Q b st berichtete über die Einführung inländischen Fleisches; eine bereits eingetroffene Probelieferung sei sehr gut ausgefallen. Zu- dem stelle sich das Pfund um S Pf. billiger als das hiesige Fleisch; nebenbei werde das ausländische Fleisch weiter bezogen. Wünschens- wert wäre es, wenn der Deputation auch zwei sachverständige Bürgerdeputierte angehörten. Tie Vorlage ivurde angenommen. Nunmehr erfolgte die zweite Lesung des Etats. Bei dem Wohlfahrtsetat wurde beschlossen, dem Frauen- und Mäd- chenverein für Ferienansflüge den Betrag auf 2300 M. zu erhöhen. Ferner wurde gewünscht, daß die Schreibstube an das Arbeitsamt angegliedert werde. Der Magistrat wollte die Schreibstube auf- heben. Die Armcnverwaltung soll angehalten werden, bei Kranken- Beförderung die städtischen Einrichtungen mehr zu berücksichtigen. * Ebenfalls angenommen wurden die Etats Badeanstalt, Arbeitsamt, Nnterkunftsraum, Rechtsauskunftsstelle, Freibank, Volksuntcr- Haltungen; bei dem Etat des Kapitels Volksunterhalwngcn wurde gewünscht daß der Magistrat sich mit der Freien Vo'ksbühne in Verömdung setzen möge, um hiesigen Einwohnern den Besuch guter Vorstellungen zu geringen Eintrittspreisen zu ermöglichen. Die Etats Krar.kenMgrderung, Stiftungen, Fortbildungsschule für Knaben und Mädchen wurden ebenfalls angenommen. Zum Volksschuletat hatte die sozialdemokratische Frak- Hon beantragt, eine Speisung der Kinder auch während des Sommers zu veranstalten. Diesem Antrag wurde zugestimmt, während der Antrag, die Lernmittel für bedürftige Schüler der Normalschulen hinreichend zu erhöhen, um die Unentgeltlichkeit der Lernmittel für alle Gemeindcschüler durchzuführen, wieder gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt wurde. Genosse M o h S begründete den Antrag und wies auf die guten Erfahrungen hin, die in der Fortbildungsschule gemacht wurden. Dort würden die Lernmittel unentgeltlich geliefert. Der Einkauf im großen ermögliche eine Verbilligung der Lernmittel. Drin- gend notwendig sei es auch, daß der fortwährende Wechsel der Bücher an den einzelnen Schulen endlich aufhöre, dainit die Eltern nicht zu unnützen Ausgaben verleitet werden. Die Einheitlich- keit der Schulbedarfsartikel für Grotz-Berlin   wäre ebenfalls am Platze. Den Kindern werden häufig Strafen angedroht, wenn die Schulbücher nicht sofort beschafft werden. Dem könne vorge- beugt werden, wenn die Gemeinde die Lernmittel liefere. S ch u l r a t K o b wollte auf die prinziepielle Seite der Frage nicht eingehen, hielt den Antrag aber für überflüssig, da die ein- gesetzten Mittel immer ausgelangt hätten; eine Umfrage unter den Lehrpersonen hätte ergeben, daß keine Bücher oder Hefte ver- langt würden. Hierauf berichtete Genosse Molken buhr über die Vorlage betreffs Bewilligung von 2700 M. zur Entrich- tung der Beiträge für die nach dem Gesetz über die Versicherung der Privatangcstellten zu versichernden Personen. Redner wies darauf hin, daß, obwohl das Privatangestelltengesetz eigentlich eine Wohltat bedeuten sollte, es in Wirklichkeit Gehaltsabzüge bis zu a'A Proz. des Gehaltes verlangt, so daß viele Versicherte in eine schwierige Lage geraten. Nach längerer Debatte wurde folgende Resolution angenommen: »Der Magistrat wird ersucht, in Erwägungen einzutreten, ob und in welcher Weise den versicherungspflichtigen Angestellten und Beamten Erleichterungen bezüglich der Beitragszahlung geschaffen werden könnten." Di« Wahlen für die Deputationen wurden gemäß den Be- schlüssen des Ausschusses bestätigt. Von unseren Genossen gehören an der Deputation für die Armendireition: Hoffmann, Peterson und als Bürgerdeputierter Czeminski; Wohlfahrtspflege: Küter, Rottländer. Dr. Röder; Arbeitsamt: Küter, Henkel. Herter. Ko- fanke; Freibank: Magnan; Grundeigentum: Obst,' Rottländer; Aufschluß für das Südgelände: Fintel  , Obst; Kanalisation: Bäum- ler, Hoffmann; Finanz: Magnan. Molkenbuhr; Einquartierung: Wolframm; Friedhof: Hoffmann. Hierauf erfolgte geheime Sitzung. Eharlottenburg. Oberbürgermeister Schustehru» ist am Dienstagnachmittag im Hotel Bristol plötzlich ernstlich erkrankt. Er befindet sich noch im Hotel, da er zurzeit nicht transportfähig ist. Neukölln. Das Verbot gegen die Erteilung von Unterricht an Kinder des Eiternd ereins, wovon in der gestrigen Notiz die Rede war. stützt sich, wie uns der Einsender der Notiz mitzuteilen bittet, nicht auf eine Verordnung vom 26. Dezember 1908, sondern auf einer solchen vom Jahre 1808. Schon um des ehrwürdigen Alters dieser Verordnung willen teilen wir dies besonders mit und nicht zuletzt deshalb, weil wir daraus ersehen, wie sich das Rechts- und Geistesleben längst verstorbener Generationen ungeschwächten Einfluß auf unsere Zeit zu erhalten vermocht hat. Lichtenberg  . Ein schwerer Betriebsunfall ereignete sich am Montagnachmittag in der Fabrik von Schweitzer u. Oppler in der Rittergutstratze. Der 37jährige Arbeiter Lindow, Schreinerstr. öl wohnhaft, sollte zwei Eisenbahnwagen aneinander koppeln. Hierbei geriet er zwischen die Puffer der Güterwagen, die ihm den Brustkasten eindrückten. In schwerverletztem Zustande wurde L. nach der Lichtenberger Rettungs  - wache gebracht, wo er bald darauf verstarb. Die Leiche wurde nach dem Schauhause gebracht. Tegel  . Ei» Unfall bat sich in der 2. Gemeindeschule ereignet. Während der Physikstunde in der II. Mädchenklasse führte der Lehrer den Schule- rinnen ein Experiment vor; die Mädchen hatten sich, um den Bor  - gang besser verfolgen zu können, rings um das Katheder aufgestellt. Plötzlich explodierte mit lautem Knall ein GlaSgefäß und mehrere Glassplitler flogen der lljährigen Erna Korthmann in daö linke Auge, das schwer verletzt wurde. Das Mädchen erhielt von einem hinzugerufenen Arzt die erste Hilfe und wurde auf seine Veranlassung nach der königl. Augenklinik in Berlin   gebracht. Hier mußte sofort eine Operation vorgenommen werden. Leider hat sich die Verletzung als so schwer erwiesen, daß eS kaum gelingen dürfte, die Sehkraft zu erhalten. Wandlitz  . Das aichteingelöste KönigSwort", über dieses Thema referierte in einer gutbesuchten öffentlichen Versammlung Parteisekretär Genosse Brühl. Nach den mit lebhaftem Beifall oi-'ienommenen Aus- sührungen ersuchte der Vorsitzende Genosse Geßner die Versammelten, das Gehörte zu beherzigen und in den bevorstehenden Kämpfen ihre Pflicht zu erfüllen. schönwalde lBezirk Pankow). Ueber Literatur und Bildung sprach auS Anlaß einer vom Kreis- Bildungsausfchuß im Lokal von Schulz veranstaltete Bücheraus- stellung Gen. I a k o b s e n. Die Zuhörer folgten den Darlegungen mit sichtlichem Interesse. Mit dem guten Verlauf der Ausstellung sowie dem beachtenswerten Umsatz an Büchern kann der Bildungs- ausschuß zustieden sein. Spanvan. Grabschändungen sind auf dem Begräbnisplatz an der Pionier- stratze ausgeführt worden, indem Spitzbuben von den Umfriedigungen der Erbbegräbnisse wertvolle Metallstücke auS Bronze losgebrochen und gestohlen haben. DieFreie Turnerschaft Spandau" hat neben den beiden Männer- abteilungen eine Damenabteilung ins Leben gerufen. Frauen und Mädchen, welche gewillt sind dieser Abteilung beizutreten, werden zu der am Donnerstag, den 20. d. Mts., stattfindenden Versammlung, bei Borcbardt. Seeburger Str. 26. eingeladen. Die Turnstunden finden jeden Donnerstag im selben Lokal statt. Potsdam  . In der letzten Stadtvcrordnetensitzung brachte der Vorsteher ein Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse zur Verlesung, worin diese unter eingehender Darlegung der Gründe die Stadt- verordnetenversammlung ersucht, von der Errichtung einer Land- krankenkasse Abstand zu nehmen. Der Magistrat erklärte, in dieser Sache bereits Beschlutz gefaßt zu haben, der in einer der nächsten Sitzungen den Stadtverordneten unterbreitet werden soll. Hierauf wurden eine Reihe Etats für 1913 erledigt. Beim Etat des Vik- toria-Krankenhauses entspann sich eine längere Debatte über die Verpflegungssä�e der ersten und zweiten Klasse, die erhöht werden sollen. Die Löhne der Hilfskanzlisten werden erhöht, außerdem erhalten sie Ferien von 3 6 Tagen. Dieser Punkt brachte zum Ausdruck, daß bezüglich der Hilfskanzlisten beim Magistrat recht wenig schmeichelhafte Zustände herrschen. Die Löhne seien recht unzureichende, und wo es sich um einigermaßen anständigen Lohn handelt, sei dieser durch Ueberarbeit verdient worden. Das Ueber- stundenwesen sei beim Magistrat schlimmer, als dies in gewerb- lichen Berufen der Fall ist. So seien Leute vorhanden, die täglich bis zu 14 Stunden Schreibarbeit verrichten, um einen auskömm- lichen Lohn zu haben. Ein älterer Hilfskanzlist, der schon einige Jahre beim Magistrat sei, babe ein Jahreseinkommen von 914 M., andere wieder 1020 M., 1150 M., 1470 M. und so weiter steigend bis zu 2600 M. DaS Projekt der Erbauung eines Kanals Leipzig  - Eilcnburg-Torgau-Potsdm soll propagiert werden. Ob und wann sich der Staat �ur Erbauung dieses Kanals entschließen wird, ist natürlich unbestimmt. Für die Weiterführung der Pflasterung der Straße 1 und für Herstellung der Zufahrt zum Heiligen See wer- den 9400 M. bewillig!. Zum Rathausneubau erfuhr man, daß er auf den jetzigen Platz des Rathauses zu stehen kommt. Hus der Frauenbewegung. Landfrauc«. Als eine neue Erscheinung in der diesjährigen agrarischen Woche fand gestern im Herrenhause die erste Landfrauenversammlung statt. die von der Kommission zur Pflege der weiblichen Landjugend der evangelischen Frauenvereine einberufen worden war. Natürlich waren dort keine Bauernfrauen, geschweige denn Landarbeiterfrauen und Landarbeiterinnen, sondern adlige Damen, die an Großgrund- besitzer verheiratet find, und einige Pastoren versammelt. Frau v. Schwerin  -Janow sprach über Frauennöte auf dem Lande, die sie in wirtschaftliche, geistige und sittlich religiöse schied. Die wirtschaftliche Not der Landarbeiterfrauen bestehe weniger i» ungenügendem Berdienst, als vielmehr in der Unkenntnis der Hauswirtschaft, des Gartenbaus, der Kinder« und Krankenpflege. Sonst hörten wir immer von unseren Agrariern, daß nur die Fabrikarbeiterin in den großen Städten häusliche Tätigkeit und Sitte versäume, grau v. Schwerin wußte aber auS eigener Anschauung, daß die Frau auf dem Lande weder Kochen noch Nähen, noch Gartenarbeit und Säuglingspflege gelernt habe. Vielleicht wirken die adligen»Landftauen" einmal auf ihre Männer und Söhne, daß die Volksschulen auf dem Lande verbessert und der Fortbilvungsschulzwang eingeführt, die Löhne gesteigert und die Arbeitszeit verkürzt werde, dann wird e» an diesen Fähigkeiten auf dem so sehr gepriesenen Lande sicher weniger fehlen. DaS wichtigste Heilmittel der Fraucnnöte war der Rednerin natürlich die Sorge für die Seele, die religiöse Einwirkung. Auch zwei weitere Rednerinnen, die über Jugendpflege sprachen, legten das Hauptgewicht auf daS religiöse Moment. Sonntagsschule und Konfirmandenfürsorge emp« fahlen sie als Heilmittel gegen die Wühlarbeit der Umsturzpartei, die sich jetzt auch auf dem Lande geltend mache. Aus der Welt des Scheins. »Faules, verdorbenes Volk," knurrt der Papa Spießer in sich hinein, wenn er im Familienblättchen lieft, wie das Leiben   der Bühncnangestellien in eitel Freude und Sonnenschein verfließt. »Das braucht sich nicht sorgen, dem fällt das Geld von selbst in den Schoß und die Ehre obendrein." Ja, Freude und Sonnenschein! Trug und Lüge und glänzender Firnis sind sie, wie so vieles am Theater; Kulissen hinter denen sich dft häßliche Wirklichkeit birgt. Fällt der Flitter der Verkleidung auf einen Augenblick, dann grinst das graue Elend um so abstoßen- der hervor. Wie jammervoll und unwürdig besonders die Lage der weiblichen Bühnenmitglieder ist, beweist aufs neue ein düsterer Bor- fall, der aus Colmar   gemeldet wird. Tort erstach in der Nacht zum 4. Februar die Ballettmeisterin H. M. ihren Geliebten, den Automobilhändler M. auf einem Maskenball. Während einer Aus- einandcrfetzung hatte M. die Tänzerin so brutal ins Gc- ficht geschlagen, daß sie zu Boden stürzte. Nach dem Bericht von Augenzeugen soll er sich dann noch auf sie geworfen und sie gewürgt haben, worauf die Mißhandelte, um sich zu wehren, nach ihrem Gegner stach. Einer anderen Version zufolge soll M. erst zugc- schlagen haben, als ex den tödlichen Stich bereits erhalten hatte. Welche von den beiden Darstellungen zutrifft, das wird vom Gericht wohl erwogen werden, denn es ist wichtig für das Ausmaß der Strafe und das juristische Gewissen ist ein peinliches Ding. Ob aber außer dem juristischen da auch das soziale Gewissen wird mitsprechen dürfen? Erbärmlich, wie die der meisten ibrcr Kol- leginnen waren die Existenzbedingungen, unter denen die Tänzerin leben mußte. In Colmar   hatte sie, wie dieBallett-Union" mit- teilt, sechsmonatliches Engagement mit einem Monatseinkommen von 200 M., was einem Jahresverdienst von 12 0 0 M�aleich- kommt. Es verdient dabei festgehalten zu werden, daß das Theater in st ä d t i s ch e r R e ß i e geführt wird. Als Meisterin und Solo- tänzerin hatte Fräulein M. eine Reihe vertraglicher Verpflichtun- gen zu erfüllen, die erhebliche Auslagen mit sich bringen. Ihre Bc- mühungen, ein Sommerengagement zu finden, scheiterten, so daß ihr eben nur der übliche Ausweg blieb sich einen zahlungsfähigen Liebhaber zu suchen. Seelisch und körperlich brutal mißhandelt. hat sie sich nun von ihm befrelt. Nun wird sie als Angeklagte vor die Schranken des Gerichts treten müssen und wird zurSühne" in den Kerker wandern. Und doch ist sie ein Opfer des fluchwürdi- gen Systems, das so viele Frauen zwingt, mit ihrer Arbeitskrast auch ihren Leib auf dem Markte zu verschachern; das die Armen schuldig werden läßt, um sie dann zu gräßlichster Pein zu ver- dämmen. Seit Jahren dringen immer neue Klagen der Bühnen- angestellten an die Oeffentlichkeit. Immer wieder wird darauf hingewiesen, welche Schmach den weiblichen Mitgliedern beständig angetan wird. Die helfen könnten, sind bis heute tatenlos und stumm geblieben. ES bleibt darum dem Bühnenproletariat nur der eine Ausweg aus seinen schweren Röten: mit Hilf« einer starken Organisation sich würdige Lohw- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Ein kleines Häuflein ist schon eifrig am Werke. Mögen auch die anderen sich der gleichen Pflicht ernsthaft bewußt werden. Ei» Ledigenheim für Arbeiterinnen soll in Ansbach   errichtet werden. Auffallenderweise haben dabei die Industriellen und zwar hauptsächlich die größten Scharftnacber die Hand im Spiele, so daß man sich leicht denken kann, welcher Zweck mit dieser Gründung, die die Stadt in die Hand nehmen wird, verfolgt wird. Man glaubt damit die ledigen Arbeiterinnen in ein größeres Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmertum zu bringen und sie von densozialdemo- kratischen Gewerkschaften" fernhalten zu können. Deshalb sind auch in der vorbereitenden Versammlung zwar die gewerblichen Korpo- rationen, nicht aber die Vertreter der Arbeiterorganisation zugezogen worden. Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit. Die Frage nach den Ursachen des Geburtenrückganges und der Einschränkung der Kinderzeugung ist so oft erörtert worden, daß eS kaum möglich ist, neue Gesichtspunkte heranzuziehen. Eine uns vorliegende Arbeit von dem bekannten Münchener   Arzt Dr. Julian Marcusc(Die Beschränkung der Geburtenzahl. München   bei Ernst Reinhardt. 1913. 151 S. 2,80 M.) zeichnet sich daher weniger durch neue Erkenntnisse aus, als durch eine bei aller Vorsicht recht frische Art, die Probleme anzufassen und zu beantworten. Statt einer Gesamtübersicht des Inhalts, die Bekannte« wiederholen müßte, sei daher nur kurz auf einige für Proletarierinnen wichtige Resultate hingewiesen. Die zunehmende Berufsarbeit der Frau hat notwendig eine Reihe von organischen Störungen zur Folge. Wenn junge Mäd- chcn von 14 bis 16 Jahren unmittelbar nach der Schule der Fabrik überliefert werden, erleidet die in diesen Jahren sich vollziehende Reifung der Geschlechtsorgane durch die anhaltende körperliche Ar- beit in geschlossenen Räumen, die einseitige Inanspruchnahme be- stimmter Muskeln und Organe, den Mangel an freier Bewegung und frischer Luft, die besonderen Schädigungen der Technik des Berufs Hemmungen aller Art. Erkrankungen der Geschlechts- organe und Unfruchtbarkeit sind leicht Folgeerscheinungen dieser Störungen. Für die verheiratete Fabrikarbeiterin bildet die Per- einigung von Berufsarbeit und Mutterschaft körperlich und Wirt- schaftlich eine große Belastung. Die Tatsache, daß die Arbeit von Frauen zwischen 36 und 50 Jahren zunimmt, beweist, daß ge- rade die zunehmende Kinderschar die Mutter auS dem Hause treibt. Die Lebensbedingungen des Prole- tariats verursachen den Widersinn, daß der Erwerbszwang der Mutter um so dringender wird, je notwendiger und dringender die Mutterpflichten im Hause sich geltend machen.Für die vcr- heiratete Arbeiterin wird daher die Einschränkung der Kinderzahl geradezu zur Lebensnotwendigkeit, ihr aufgezwungen zur Er- Haltung der Arbeitsgelegenheit sowie des Arbeitsverdienstes und durch die Rücksicht auf ihre Abwesenheit vom Hauswesen. Und auch für die noch nicht erwerbstätige Frau der arbeitenden Klasse ersteht die Notwendigkeit der Beschränkung des Nachwuchses auf eine bestimmte Zahl, wenn sie sich auch dem Zwange der Er- werbstätigkeit entziehen und ihre Kräfte dem Hauswesen erhalten will", folgert mit Recht ein bürgerlicher Autor. Unter der Viel- gebärerei leiden Mutter und 5dind. In den Altersklassen von 25 bis 35 Jahren ist infolgedessen die Sterblichkeit unter den Frauen größer, alz bei den Männern, während für die anderen Alters- klaffen das Umgekehrte gilt. Neben der Trennung der Mutter vom Säugling infolge der Berufsarbeit der Mutter ist auch die häuft. gere Schwangerschaft geradezu eine Ursache der säuglingssterblich- keit. Nach den Feststellungen von Geißler in sächsischen Bergbau- gebieten starben(im ersten Lebensjahre) in Familien mit mehr als zwei Geburten von den Erstgeborenen 23 Proz.. von den Sprößlingen an fünfter Stelle 26 Proz., von den zwölften und späteren Kindern 60 Proz.! Mit zunehmender Geburtenzahl steigt auch die Sterblichkeit der Kinder. Jedes später geborene Kind hat viel weniger Aussicht zu leben, als seine älteren Geschwister. Zu dem gleichen Ergebnis gelangte Hamburger, der diese Verhältnisse bei 1042 Berliner   Arbeiterfrauen und bei 119 wohlhabenden Frauen untersuchte. Es starben bei den Reichen, die nur halb so oft geboren wie die Arbeiterfrauen. 18 Proz.. bei den Proletaric- rinnen aber 51 Proz. Also nicht einmal die Hälfte aller geborenen Proletarierkinder blieb am Leben. Ist es da nicht vernün'tlger. die Frauen beschränken von vornherein die Geburtenzahl, als daß sie unnütz ihre Gesundheit, ihr Leben, ihre ersten Kinder aufs Spiel setzen, um nachher doch die in Sorge und Not Empfangenen zu verlieren? Solange für Mutter und Kind nicht ausreichend gesorgt wird, ist es nur zu verständlich, daß die Mütter selbst Mutter- und Säuglingsschutz durch Einschränkung der Geburten- Häufigkeit treiben. Das entspricht dem individuellen Egoismus