Einzelbild herunterladen
 
furMe, seine ganze EntWickelung führt dahin. Die Nationalliberalen und Konservativen werden natürlich den Antrag ablehnen, die Volks- Partei wird vielleicht getrennt stimmen. Ich verstehe allerdings nicht, was die Liberalen abhält, für die Aufhebung des Jesuiten  - gesetzes zu stimmen. Man sagt, der Jesuitenorden iei eine inter­nationale Gesellschaft. Aber international ist unsere ganze christliche Kirche, alle Weltanschauungen sind international, hier sitzt die rote Internationale, dort die goldene, und da die schwarze.(Große Heiterkeit. Zurufe: Und da drüben die grüne!) Nein, die Herren sind vollständig frei von jeder Jnter- Nationalität, das ist eine besondere Sorte, die nur in O st e l b i e n sitzt.(Stürmische Heiterkeit.) Ferner sollen die Jesuiten   das Recht zur Revolution verkünden. Nun, das ist schon verkündet worden von hervorragenden Staatsrechtslehrern, von berühmten Philosophen, ja auch in konservativen Zeitungen und in Reden preußischer Junker.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Am wenigsten begreife ich den Abscheu der Liberalen gegen diese Theorie, die doch selbst vor Jahren die Revolution sehr stark in die Praxis umgesetzt haben. Leute mit solcher praktisch-revolutionären Vergangenheit sollten Sozialdemokraten und Jesuiten   nicht vorwerfen, daß sie die revolutionäre Doktrin verteidigen.(Sehr wahr!) Und sind nicht die ganzen Befreiungskriege vor 100 Jahren durch eine revolutionäre, hochverräterische Tat eingeleitet worden?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Der Kampf gegen den Klerikalismus kann heute nur mit den modernen Waffen des Geistes geführt werden, aber nicht mit der rohen Gewalt von Aus- nahmegesetzen. Die Liberalen sollten doch endlich mithelfen, dem Zentrum dies billige, stets wirksame Agitationsinittel zu nehmen, und es ihm unmöglich machen, seine Sünden auf politischem Gebiet stets mit dem Jesuirenmantel zu verhüllen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen auch den Kampf gegen den Kleri- lalismuS, gegen den Jesuitismus, aber wir wollen einen offenen und ehrlichen Kampf, nicht einen Kampf, wo man dem Gegner erst die Hände bindet uud ihn dann zum Zweikampfe herausfordert. In der Presie find eine Anzahl Vorschläge zur Milderung des Jesuitengesetzes unterbreitet worden. Ich möchte auch einen Vorschlag belannt geben, der wohl nicht so viel diskutiert worden ist:man soll die zielbewußten Jesuiten   fernhalten, weil ausgesprochene Anhänger der jesuitischen Lehren niemals Gewähr für gesetz- mäßiges Handeln bieten. Nicht zielbewußten, nicht öffentlich auftretenden Jesuiten   könnte im Lande eine ruhige Wirksam- keit gestattet werden." DaS Zentrum wird wahrscheinlich mit diesem Vorschlag nicht einverstanden sein. Er ist gemacht worden im Juni 1912 im Bayerischen   Landtage vom Staatsminister v. Soden.(Sehr gut! und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Allerdings nicht für die Jesuiten  , sondern für die Sozialdemokraten. In der Zentrumspresse war zu lesen, daß in unserer Fraktion eine Kölner   Richtung für den Fortbestand des Jesuilengesetzes eintrete. Nun habe ich früher ein- mal bei uns sprechen hören von einer Berliner   Richtung, von einer Kölner   Richtung noch nicht. Sie können auch nicht verlangen, daß es in jeder Partei so sein muß wie bei Ihnen.(Große Heiterkeit.) Wir stimmen Mann für Mann für die Aufhebung des Jesuitengesetzes.(Hört I hört I bei den Konservativen.) Selbst wenn wir glauben würden, daß die Jesuiten   uns Schaden zufügen würden, würden wir die- selbe Haltung einnehmen, denn wir werden niemals für ein Ausnahmegesetz zu haben sein.(Sehr gut l bei den Sozialdemokraten.) Wir haben die Oualen, das Unrecht, die Ver- gewaltigung, die unseren alten Führern unter dem Sozialistengesetz zugefügt worden sind, noch nicht vergesien. Eine Partei, die zwölf Jahre unter dem Ausnahmegesetz gestanden hat, die heut« noch in allen Bundesstaaten verfemt und verachtet wird, gegen die man jetzt wieder Ausnahmegesetze schmiedet, tritt niemals für ein Aus- nahmegesctz ein. Wir hassen die Jesuiten   nicht, aber noch viel weniger fürchten wir sie. Darum geniert es uns auch nicht, wenn jetzt das Zentrum seine Jesuiten   anbietet als Retter des Staates, als Bewahrer von Thron und Altar. Die Jesuiten   sollen die Sozialdemokraten bekehren. Das ist eine der schwersten Jesnitcnmissionen, die es jemals gegeben bat.(Große Heiterkeit, Zuruf bei den Sozial- demolraten: Und die gelingt vorbei 1) Der Klerikalismus ist für uns kein Hindernis im Vorwärtsschreiten, das haben die letzten Wahlen bewiesen mit dem Fall der Bischofsitze Metz, Würzblirg und Köln  . ES beweist die ganze Verständnislosigkeit deS Zentrums gegenüber der sozialistischen   Bewegung, wenn man meint, eine große ökonomische Bewegung stilllegen zu können durch die Religion.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Der Pap st mit allen Bischöfen und Jesuiten   werden den B o r m a r s ch des Sozialismus nicht aufhalten. ES gibt nur ein Mittel gegen die gewaltsame soziale Revolution: das ist die große soziale Reform. Sie verhindern, heißt, die Revolution vorbereiten. Aber wenn es noch Mntel gibt gegen die gelvaltsame soziale Revolution, so gibt es doch kein Mittel gegen den Sozialismus, praktisch nicht. Theoretisch wobl? Vernichten Sie alle Fabriken, zerstören Sie Reichtum und Kapital, beseitigen Sie Armut und Elend, ver- bieten Sie den Fortschritt in Wissenschaft und Technik, legen Sie die ganze moderne wirtschaftliche Bewegung still, dann wird die Sozialdemokratie zugrunde gehen. Aber bis dahin bleibt es bei dem Wort derKreuz�Zeituna":Die Sozial- demokratie ist das Problem aller zukünftigen Politik." Die Macht mutz noch geboren werden, die den Sozialismus nieder- ringt.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Junck(natl.): Der Antrag des Zentrums wird ja zweifellos in diesem Hause eine erhebliche Mehrheit finden. DaS ist für uns wichtiger als das Jesuitengesetz selbst. ES beweist, daß zwei diametral verschiedene Parteien sich hier zusammenfinden zum gemeinsamen Wirken allerdings nur negativer Art.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Sehr positiv 1) Unter diesen außerordentlich markanten politischen Umständen müssen wir eS doch bedauern, daß die Regierung an diesen Beratungen sich gar nicht be» t e i l i g t. Es wäre doch wohl richtig gewesen, wenn der führende oder der doch wenigstens zur Führung berufene Reichskanzler(Heiterkeit und Hört I hört!) hier erschienen wäre und uns dargelegt hätte, wie es gegenüber den fortgesetzt zutage getretenen Versuchen dieser Mehrheit, die Regierungspotitik zu durchkreuzen, überhaupt noch möglich ist. eine aktive positive Politik zu treiben.(Aha I und ironische Rufe: Auf- l ö s u n g I im Zentrum.) Die Aufhebung des Jesuitengesetzes ist für uns natürlich u n- annehmbar. Das bedeutet keineswegs eine Unfreundlichkeit gegenüber der katholischen Bevölkerung.(Lachen im Zentrum.) Es besteht aber in weiten evangelischen Kreisen die Be'ürchtung. daß unter der Zurückberufung der Jesuiten   der konfessionelle Frieden, den wir aus tiefster Seele wünschen, leiden könnte. (Lachen im Zentrum.) Vor allem aber gilt der Jesuitenorden für uns als Anwalt der Bestrebungen der römischen Kurie, das kirchliche Recht über das staatliche zu stellen. Ich erinnere nur an die neuesten Enzykliken des Papstes, auf die von unserer Regierung leider nicht die nötige Antwort erteilt worden ist. Daher sind wir äußer stände, unsere Hand zur Zurückberufunq der Jesuiten  , des Garderegiments der Kurie, zu bieten. (Zuruf: Bafsermann aber nicht!) Wenn der Antrag hier angenommen wird, wünschen wir aller­dings, daß der Bundesrat bald mit einem deutlichen Ja oder Nein seine Entscheidung trifft. Wir wünschen nur. daß gerade in der jetzigen Situation der Reichskanzler den Reichstag   recht bald vor die große nationale Frage der Vermehrung der Wehrkraft stellen möge.(Bravo I bei den Rattonalliberalen, Gelächter bei den Sozialdemokraten und im Zentrum.) Abg. Graf v. Kunitz(f.): Wir wissen uns frei von kultur- kämpferischen Bestrebungen, unS liegt auch jede Unfreundlichkeit gegen die katholische Konfession fern, aber wir sind nicht gewillt. evangelische Interessen preis zu geben. Gerade weil wir den kon- fessionellen Frieden wollen, müssen wir auf die Ueberzeugungen Rück- ficht nehmen, die in evangelischen Kreisen auf Grund geschichtlicher Erfahrungen tief eingewurzelt sind. Wir stimmen daher gegen den Antrag.(Bravo  ! rechts.) Abg. Dr. Müller- Meiningen  (Vp.); Namens meiner Freunde habe ich zu erklären: wir erkennen an, daß der§ 1 des Jesuiten­gesetzes eine unerwünschte Unklarheit enthält, die auch durch die Auslegung des Bundesrats nicht beseitigt ist. Ein kleinerer Teil meiner politischen Freunde wird für Aufhebung deS Ge­setzes stimmen, vor allem deshalb, weil er es für ein Ausnahme- gesetz hält. Die große Mehrheit meiner Fraktion lehnt dagegen die Aufhebung des Z 1 ob. Der Charakter als Ausnahmegesetz wird verneint in der Erwägung, daß die Re- gelung der gesetzlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche zur individualisierenden Behandlung zwingt. Die Zuständigkeit der Einzelstaaten zur Regelung der Verhältnisse des Ordens würde auf jeden Fall aufrecht erhalten bleiben. Um jeden darüber auftretenden Zweifel auszuschließen, haben wir unseren Antrag eingebracht. (Bravo I bei den Freisinnigen.) Abg. v. Morawski(Pole, auf der Tribüne unverständlich) erklärt sich f ü r den Antrag des Zentrums. Abg. Merti»(Rp.): Wir werden gegen den Antrag des Zentrums stimmen. Wir wandten uns schon früher gegen die Jesuiten   wegen ihrer Jnternationalität. Und auch heute fehlt ihnen der volle Kern nationaler Gesinnung. Die katholische Kirche   hat in keinem Lande der Welt eine so gesicherte Existenz wie in Deutschland  , und das soll auch so bleiben. In den weitesten Kreisen gilt der Orden Jesu   als eine Kampfesorganisation. Wir können seiner Zulassung nicht zustimmen.(Bravo  ! rechts.) Abg. Graf v. Oppersdorf(b. k. F.): Der Jesuit   gehört zuerst der Kirche und dann erst dem Orden an, die religiöse Tätigkeit ist für ihn die Hauptsache, die Ordenstätigkcit kommt in zweiter Linie. Die priesterliche Tätigkeit eines Jesuiten  in einer Gemeinde unterliegt der Beaufsichtigung des Pfarrers der Gemeinde. Die Kirche hat den Orden zugelassen, und er kann nichts tun, was nicht vereinbar ist mit den Lehren'der katholischen Kirche  . Der Reichskanzler wies auf die Zeilen hin, in denen der Glaubenshaß unser Vaterland zerriß; soll man Dinge, die vor mehreren hundert Jahren geschehen sind, den Jesuiten   heute anrechnen I Als vor hundert Jahren Napoleon   durchs Brandenburger Tor   ritt, huldigten ihm sieben preußische Minister; soll man das den heutigen preußischen Ministern anrechnen?(Heiterkeit.) Möge sich das alte Bismarcksche Wort endlich bewahrheiten, daß die Deutschen   nur Gott fürchten und sonst nichts. Der Weg dazu führt auch über die Auf- Hebung des Jesuitengesetzes.(Bravo I im Zentrum.) Abg. Mumm(Wirtsch. Vg.) spricht über das Verhältnis von Staat und Kirche, und schließt mit dem Wunsche, das christliche Volk möge sich unter dem Kreuz zusammenfinden. Abg. Dr. Haegy(Elf. Z.): Der Jesuitenorden ist nur ein bescheidener Ast am Baume der katholischen Kirche  , er arbeitet mit denselben Mitteln wie die Kirche überhaupt. In seine Tätigkeit hat der Staat so wenig einzugreifen wie in die des evangelischen Bundes. Damit schließt die erste Beratung. Es folgt sofort die zweite Lesung. Abg. Dr. Erdmann(Soz.): Wir werden gegen den Antrag Ablaß   stimmen, denn wir wollen nichts dazu beitragen, daß Ausnahmegesetze in den Einzel- staaten aufrecht erhalten bleiben. Der Abg. Junck erklärte sich gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes, weil er lieber positive Arbeit leisten will. Die positive Arbeit sieht er wohl in der Verteuerung der Lebensmittel, in der Bewilligung von Millionen und Milliarden für Heer und Flotte.(Sehr gut! bei den Soz.) Mit positiver Arbeit in unserem Sinne würde er dem Volke sicherlich einen größeren Dienst erweisen. Er will das Gesetz zur Wahrung des konfessionellen Friedens aufrecht erhalten. Aber dieselben Nationalliberalen haben die Volksschule nach und nach dem JesuitiSmuS ausgeliefert.(Sehr wahr! bei den Sozial- demolraten.) Einige hundert Jesuiten   wollen sie außerhalb deS Landes halten, aber jährlich übergeben sie Hundert- tausende von Kindern dem jesuitischen G e i st. Nieder mit den Jesuiten  , aber hoch der jesuitische Geist! das ist der Ruf der Nationalliberalen. Die Negierung würde mit der Aufhebung deS Jesuilengesetzes nur allpreußischer Tradision folgen. Friedrich Wilhelm I.   lieble die Katholiken nicht, aber den Katholiken der Grafschaft Glatz   gab er trotzdem freie Religionsübung und gegen 400 Taler zur Erwerbung einer grenadiermäßigen Person noch weitere Zugeständnisse.(Heiterkeit.) Vielleicht stellt das Zentrum auch grenadiermäßige Personen oder genügend Stimmen zur Bewilligung ganzer Bataillone.(Heiterkeil.) Ucbrigens hätte das Zentrum, wenn es wollte, die Aufhebung des Gesetzes längst erreicht. Wenn man öv Jahre ausschlaggebende Re- gierungSpartei ist, kann man schon elwaS erreichen. Wenn das Zentrum nur die Hälfte der Energie, die es zur Beseitigung der Erbschaftssteuer aufgewandt hat, zur Beseitigung des Jesuitengesetzes aufgewandt hätte, so hätte eS seine geliebten Jesuiten  längst. Also nicht dem Zentrum zuliebe, sondern weil ivir in dem Gesetz ein Ausnahmegesetz erblicken, das wir bekämpfen, selbst wenn eS unsere schlimmsten Gegner trifft, werden wir für den Antrag des Zentrums stimmen.(Bravo I bei den Sozialdemokralen.) § 1 wird gegen die Stimmen der Rechten. Nationalliberalen und deS größten Teils der Bolkspartei angenommen. Bei§ 2 befürwortet Abg. Müller-Meimngen(Vp.) nochmals den Antrag Ablaß  . Abg. Graf Westarp(k.): Wir lehnen den Antrag ab, weil er unklar ist. Daß die landeSrechtltchen Bestimmungen bestehen bleiben ist auch unsere Meinung. Abg. Schultz(Rp.): Auch wir lehnen den Antrag ab, weil er nach unserer Meinung das Gegenteil von dem erreichen würde, was er will. Abg. Gröber(Z.): Entweder enthält der Antrag etwa« Selbst- verständliches oder etwas Unrichtiges. Wir wollen die Enischeidung der Frage, ob es sich beim Erlaß des Jesuitengesetzes nur um eine Suspension der betr. Landesgesetze handelte, daß diese also von selbst wieder in Kraft treten, wenn das Jesuitengesetz beseitigt wird, den Gerichten überlassen. Im übrigen würde natürlich das von dem Abg. Müller-Meiningen als so freiheitlich gepriesene Reichsvereins- gesetz dann auch für die Jesuiten   gellen.(Sehr gut I im Zentrum.) Auf keinen Fall kann mau von uiis verlangen, daß wir von vorn- herein, ohne die einzelnen Bestimmungen zu kennen, uns für die Aufrechterhaltung alles möglichen polizeilichen landrechtlichen Plunders (Große Heiterkeit.) aussprechen. Wir bieien nicht die Hand dafür, in den Einzelstaaten neue Ausnahmegesetze zu schaffen. Abg. Dr. Junck(natl.): Wir find der Ansicht, daß. wenn das Reichsgesetz aufgehoben werden sollte, es nicht wünschenswert wäre. auch die betr. Landesgesetzgebung zu beseitigen. Den Antrag Ablaß  halten wir nicht siir notwendig; fällt die Reichsgesetzgebung fort, lebt die Landesgesetzgebung ohnehin wieder auf. Wir werden aber für den Antrag stimmen(Große Heiterkeit), weil wir leine Tendenz billigen und dazu beitragen wollen, die immerhin zweifelhafte Frage zu klären. Abg. Dr. Müller-Meiningen  : Wir würden den Antrag zurück- ziehen, wenn auch Zentrum und Sozialdemokraten die Selbst- Verständlichkeit dessen, was er will, ausdrücklich anerkennen würden. Aber gerade das Herumdrücken des Abg. Giöber ist uns sehr ver­dächtig.(Gelächter im Zentrum.) DaS Reichsvereinsgefetz nimmt übrigens ausdrücklich die Kongregationen und die Ordenstätigkeit aus und überläßt sie der Landesgesetzgebung. ß 2 des Gesetzes wird hierauf aufgehoben. Der Antrag Ablaß   wird gegen die Stimmen der Freisinnigen und National- liberalen abgelehnt. Auf Antrag Spahn(Z.) wird auch sofort in die dritte Lesung de« Antrags eingetreten. Auch hier wird-- ohne Debatte die Aufhebung deS Jesuitengesetze« beschlossen; ebenso in der G e s a m t« abstimmung. Das Resultat wird mit lebhaftem Beifall im Zentrum begrüßt.(Zischen bei den Nationalliberalen.) Darauf ist die Tagesordnung erledigt. Nächste Sitzung: Donnerstag 1 Uhr.(Fortsetzung der 2. Beratung des Postetats.) Schluß ö Uhr.  _ Mgeorclnetenbaus. 136. Sitzung. Mittwoch, den 19. Februar 191S, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: B e s e l e r, später S y d o w. Der Justizetat. Auf eine Beschwerde des Abg. Goebel(Z.) über angebliche Nicht- berücksickitigung der katholischen Presse bei Bekanntmachungen der Justizbehörden, antwortet der Minister, daß dies Sache der Lokal- bebörden sei und Bevorzugung irgendeiner konfessionellen Richtung nicht stattfinde. Abg. Boisly weist es zurück, daß Abg. Dr. Liebknecht   aus Fällen seiner Privatpraxis den Schluß gezogen habe, daß die Richter sich gegen Wiederaufnahmeverfahren sträuben. Die folgenden Redner beschästigen sich mit Neubauten von Ge« richtsgebäuden. Nach längerer Debatte wird die von der Budget- kommissiou gestrichene erste Baurate von 200 000 M. für ein Gerichts» gebäude in Beuthen  (O.-S.) bewilligt. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Was Herr Boisly tatsächlich behauptet hat, war unrichtig, seine Schlußfolgerungen sind belanglos und ich habe keine Veran- lassung, darauf einzugehen. Bei zahlreichen Positionen des Eials bezeichnet die Verwaltung selbst die Justizgefängnisie als außerordentlich mangelhaft und in faniiärer Beziehung geradezu bedenklich, so daß sie wohl zum Strafvollzug un- geeignet sind. Es muß schon sehr schlimm sein, wenn sich die Regierung selbst zu solchen Einaeständniffen genötigt sieht. Um so berechtigter mutz aber der Wunsch erscheinen, daß bei Errichtung neuer Gebäude nicht nur die Bausachverständigen, sondern auch die Hygieniker um Rat gefragt werden. Der Regie« r u n g S v e r t'r e t e r hat gestern abend meine Beschwerden über die gesundheitlichen Einrichtungen in den Gefäng- nisten in einem Tone beantwortet, wie ihn noch niemals ein RegierungSvenreter in diesem Hause gegen einen Abgeordneten gewagt hat. Ich hätte den Lärm hören wollen, wenn ein Regierungskommissar derart gegen ein Mitglied einer der großen Parteien des Hauses aufgetreten wäre und der dann unter der Anführung des Herrn v. Pappenheim   entstanden wäre I Ich hatte meine Beschwerden in durchaus angemessener Weise vor- gelragen und habe daraus eine Antwort bekommen, die nur mit einem treffenden Berliner   Ausdruck, der aber nicht parlamentarisch sein würde, zu beantworten wäre. Offenbar bat der betreffende Herr noch nicht gelernt, lvie sich ein Regierungsver« treter hier auszudrücken hat. Wenn aber etwa diese Ausdrucksweise in den Kreisen der Gefängnisverwoltung imponieren sollte, so hoffe ich, daß man sie dort nur als eine Entgleisung betrachten und meine begründeten Beschwerden nach Gebühr beachten wird. Das Eingeständnis der schlechten baulichen Zustände der Gefängnisse durch den Etat selbst ist aber ein neues Argument für die Notwendigkeit, uns durch Denkschriften laufend über die Zustände in den Gefängnissen Auskunft zu geben. Der RegierungS- Vertreter scheint aber auch eine klare Erkenntnis über das Notwendige n i ch t b e s e s s e n und meine Angriffe durchaus miß- verstanden zu haben. Im Interesse eines ordentlichen Strafvollzugs ist die Schaffung sanitärer Zustände in den Gefängnissen durchaus unentbehrlich.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit ist der Justizetat erledigt. Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung. Beim. M i n i st e r a e h a l t" ist die allgemeine Besprechung. Abg. Hammer(k.) lobt die Schutzzollpolitik, die ein allgemeines wirtschaftliches Aufblühen bewirkt, das Handwerk nicht geschädigt und die Auswanderung gewaltig herabgedrückt habe Er fordert die Errichtung von Submissionsämtern und Maß» regeln zur Hebung deS Handwerkerstandes, damit die rote Flut nicht noch weiter steige, und wendet sich gegen die Animierung von Handwerkern durch Banken zum Börsenspiel. Abg. Dr. Grunenberg(Z.) wünscht bessere kommerzielle Aus- bildung der Konsulatsbeamten, Vermehrung der H a n d e l s« sachverständigen im Ausland, ProduktionSstatistik und ein Einschreiten gegen Wanderlager und Warenhandel der Beamten. Wenn auch das Wohnungswesen landesgcsetzlich zu regeln ist, so bleiben dem Reich noch genug Aufgaben hierbei. Die Bäcker et Verordnung wird zu rigoros gehandhabt, das Re- klameunweien erfordert eine Verschärfung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Abg. Dr. Schrödcr-Kaffel(natl.) wünscht Beseitigung der Rechts« Unsicherheit im Versicherungswesen und bedauert die Ein- schränkung des Rekursrechts durch die Reichsversicherungsordnung. Die Errichtung von Landkrankenkassen sollte in keiner Weise erschwert werden. Der Wohnungsgesetzentwurf ist eine Abschwächung des Entwurfs von 1904, er wird genau daraufhin zu prüfen sein, ob er nicht zu sehr in die kommunale Selbstverwaltung eingreift. Erb- baurecht. Hypothekenrecht, Schaffung von Pfandbriefinstitulen für den KleinwohnungSbau u. a. m. wäre besser reichsgesetzlich zu regeln. Warum ist die Regierung gegen du Zulassung der Aktien der Deutschen   Erdöl-Aktiengesellschast an der Berliner Börse   ausgetreten? Die Konsumvereine, mindestens die aufgespeicherten Rabatte müssen höher besteuert werden. Dies darf aber nicht mit der Besteuerung der Rabattsparvereine verknüpft werden. Wir wünschen mildere Handhabung der Bäckereiverordnung. Auch wir wünschen Aufhebung des§ 100q der ReichSgewerbe- ordnuug(Verbot der Festsetzung von Mndestpreisen durch die Innungen). Handelsminister Dr. Sydow: Die Regierung fördert das Hand­werk. soweit eS nur möglich ist. Die Errichtung von Land» krankenkassen wird von der Regierung in keiner Weise er- schwert. Von einem ZentralsubmiisionSamt für ganz Preußen kann keine Rede sein. Die Jnirasisetzung des zweiten Teiles des Ge- setzes über die Sicherung der Bauforderu n g e n würde das ganze Bauwesen den großen Banken ausliefern, die allein die Gesetzesbestimmung der BausickerungShypolhek erfüllen und die ver« laugte Kaution hinterlegen können. Dazu hat noch kein Bundesstaat die Courage gehabt.(Heiterkeit.) Wir haben aber Erhebungen in Groß-Berlin, Breslau  , Köln  , Stettin   und Kiel   an- gestellt und das statistische Landcsamt beabsichtigt das wertvolle Material über die Ursachen des Bausckuvindel« in Berlin   in etwa zwei Monaten zur Veröffentlickiung bereit zu stellen. Erst nach Anhörung der Handwerks-, Handelskammern und Gemeinde- Vertretungen kann die Entscheidung über die Einführung des Gesetzes getroffen werden. Bei der Neuregelung der Reichsgewerbeordnung wird die Denkschrift deS Handwerks- mid GewerbekmmnertagS dem Reichsamt des Innern gute Dienste leisten. Der Widerstand gegen die Aufhebung des ß 100 q entspringt nicht einer Engherzigkeit, sondern der Erwägung, daß eS auch andere Menschen als Handwerker gibt(Heiterkeil), hohe Preise allein können übrigens dem Handwerk auch noch nicht helfen, wie die Fleischer ersahren habe». Die Zulassung von Wanderlagern soll vom Bedürfnis abhängig gemacht werden. Ueber die Sonntagsruhe in der Binnenschiffahrt wird zwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern verhandelt. Nachdem jetzt alle Bäckereien geprüft und erhebliche Verbesserungen durchgeführt sind, wird man dauernde Dispense für Bäckereien, die schon vor Erlaß der neuen Bäckereiverordnung bestanden, weitherziger gewähren können.(Bravo  !) Die Nichtzulassung der 13,8 Millionen Aktien und 6 Millionen Schuldverschreibungen der Deutschen   Erdöl-Aktien- geiellschaft ist erfolgt, weil der Prospett unklar ist und weil diese Papiere zur Spekulation, je nach den Ausfichten de« Reichs- petrolemnmonopolgesetzes gedient haben würde«. Auch»«um in