Einzelbild herunterladen
 

Nr. 45. 30. Jahrgang. 1. KcilW des Jurrttts" KM» KolMntt. Aonnabend, 22. Februar 1913. Reichstag I, 118, Sitzung. Freitag, den 21. Februar ISIS, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstisch: v. Jagow.Wackerzapp. Abg. Frhr. v. Richthofen snatl.) stellt folgende Anfrage: Welche Matznahmen zum Schutze der Deutschen in Mexiko sind seitens des Herrn Reichskanzlers erfolgt? Staatssekietär des Auswärtigen Amts v. Jagow: Ich freue mich, dem Hause mitteilen zu können, das; kein Reichsangehvriger den Unruhen in Mexiko zum Opfer gefallen ist. Ein einziger Deutscher, der es sich nicht nehmen Uetz , in den Stratzen Photo- graphische Aufnahmen zu inachen trotz aller ein- dringlichen Abmahnungen ist leicht verwundet worden. Gleich nach den ersten Meldungen, die wir von den Unruhen in Mexiko erhalten haben, haben wir den kaiserlichen Gesandten beauftragt, sich mit dem Botschafter Nordamerikas in Verbindung zu setzen und die nötigen Schritte zum Schutz unserer Landslcute zu tun. Es ist darauf zuerst versucht worden, die Kämpfe zu lokalisieren und die Stadtteile, wo die Fremdenkolonien sind, von den Kämpfen auszunehmen. Diese Vereinbarung hat sich leider nicht als ausführbar erwiesen. Darauf wurde ein Lsstnndiger Waffenstillstand erwirkt, während dessen den Reichsangehörigen Ge- legenheil gegeben wurde, sich aus der Gefahrenzone heraus in eine Vorstadt zu begeben, wo der Gesandte Häuser gemietet hat. S. M. Schiff.Bremen " ist zurzeit in Philadelphia zur Vornahme größerer Reparaturen. Aber die amerikanischen Schiffe, die sich in den mexikanischen Gewässern aufhalten, sind, wie aus Washington gemeldet wird, angewiesen, als Zufluchtsstätte für alle Fremden zu dienen und nach Möglichkeit auch auf dem Lande ür den Schutz von Eigentum und Leben der Fremden zu sorgen. Wir haben der Regierung in Washington für dies Entgegenkommen gedankt. Sollten Reichsangehörige Schaden aus Anlatz der Un- ruhen erleiden, so wird nach den Grundsätzen des Völkerrechts die mexikanische Regierung dafür ersatzpflichtig gemacht werden. Im übrigen bewahren wir den Ereignissen in Mexiko gegenüber die Zurückhaltung, welche wir inneren Vorgängen in fremden Staaten gegenüber beobachten müssen. Das wird uns aber nicht abhalten, für den Schutz unserer Landsleute, für die Wahrung unserer Interessen, soweit erforderlich, mit Nachdruck einzutreten.(Bravo !> Nach debatteloser Annahme des Gesetzes über eine deutsch - österreichische Grenzregulierung in dritter Lesung wird die zweite Lesung des Etats des Reichseisenbahnamts fortgesetzt. Abg. Schwabach (natl.) wünscht eine Erklärung des ReichSeisen- bahnamtes darüber, ob die deutschen Eisenbahnen jeden Augenblick für den Kriegsfall bereit seien. Wir bedauern, daß dem Wunsche des Reichstags, die Dienst- und Ruhezeiten des Eisenbahnpersonals einheitlich zu regeln, nicht Folge ge- geben worden ist. Es sollen einige Verbesserungen in der Dienst- und Ruhezeit erfolgt sein; darüber möchten wir nähere Mitteilungen haben. Wünschenswert wäre auch ein einheitliches Staats- arbeiterrecht, zumal das Arbeitskammergesetz endgültig ge- scheitert ist. Eine Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen und ihre Ucbernahme auf das Reich könnte natürlich nur unter Entschädigung der Einzelstaaten er- folgen. Eine Schwächung der Finanzen der Einzelstaaten mühte ausgeschlossen sein. Die bedauerliche Verquickung der preuhi» schen Eisenbahneinnahmen mit den ollgemeinen SlaatSfinanzen würde dann ein Ende haben. Die gemeinsame Materialbe- s ch a f f u n g für alle deutschen Eisenbahnen würde enorme Erspar- nisse zur Folge haben. Eine nationale Anstandspflicht wäre eine völlig paritätische Behandlung aller deutschen Eisenbahnen. Die Zulassung von Umleitungen bis zu 20 Proz. sollte aufgehoben werden; dazu die Hand zu bieten wäre Preutzen verpflichtet. Davon, daß Preutzen Hessen gewissenmaheu Ubers Ohr gehauen hätte, kann keine Rede sein. Das hat der hessische Minister Dr. Braun in letzter Zeit ausdrücklich betont und diese Ausführungen scheinen auch auf den Abg. H a s e n z a h l nicht ohne Eindruck ge- blieben zu sein, der sich über den preugisch-hessischen Vertrag wesentlich milder ausdrückte als früher sein Parteigenosse Ulrich. Abg. Hähnlc(Vp.): Eine reichsgesetzliche Regelung der Arbeits- und Ruhezeiten des Eisenbahnpcrsonals wäre um so notwendiger, weil dadurch für daS ReichSeisenbahnamt die beste Grundlage für seine Tätigkeit gegeben wird. Der plan- mähige Dienst bat in den letzten Jahren zugenommen. Dazu kommt die auherordentliche Anspannung des Personals infolge des Wagenmangels. Wenn Verbesserungen im Wege der Ver- einbarung zwischen den verschiedenen Eisenbahnverwaltungen erfolgt I sind, so begrüßen wir das, halten aber nach wie vor die reichsgesetz- l liche Regelung für den einzig richtigen Weg. Die Güterwagen- gemeinichast ist zu begrüßen als ein Anfang zur Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens. Unter dem jetzigen Um- leitungssystem haben die süddeutschen Staaten sehr zu leiden. Unter der Konkurrenz der einzelnen Staaten leidet der Gesamt- verkehr.(Sehr richtig I) Eine A e n d e r u n g der heutigen Zustände ist dringend notwendig. Eine Ueberführung aller Bahnen in das Eigentum des Reiches halten wir für undurchführbar, jedenfalls zur- zeit aussichtslos. Eher ist eine Betriebsmittel- oder eine Betriebs- und Finanzgenreinschaft der deutschen Bahnen zu erreichen. Hier- über sollte uns das ReichSeisenbahnamt eine Denkschrift vorlegen. (Bravo I) Präsident des Reichseisenbahnamts Wackerzapp: Die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Eisenbahnbedienstelen gehören nicht zur Zu- ständigkeit meines Amtes. Entgegentreten muß ich der Art und Weise, wie Herr H a s e n z a h l das preußisch- hessische Abkommen beurteilte. Die Behauptung, daß Hessen von Preußen übers Ohr gehauen sei, ist schon wiederholt zurückgewiesen worden; Hessen hat vielmehr bei diesem Abkommen ein gutes Geschäft gemacht. Die Tilgung der hessischen Staatsschulden ist zum Beispiel nur dadurch möglich geworden. Nicht verständlich ist uns auch die Behauptung des Abg. Hasenzahk, daß im Verkehr Basel Berlin die rechtsrheinische Linie vor der links- rheinischen bevorzugt sei. Die Tatsachen beweisen das Gegenteil. Eine reichsgesetzliche Regelung der Dienst- und Ruhezeiten des Eisenbahnpersonals ist nicht notwendig und auch nicht zweckmäßig. Eine Ueberbürdung des Personals ist auch heute ausgeschlossen. Es ist nicht richtig, daß der planmäßige Dienst des Lokomotiv - Personals zugenommen habe. Nach den Dienstplänen beträgt die Arbeitszeit des Eisenbahnbetriebspersonals 12 Stunden. Aus- genommen sind nur Zeiten besonderer Betriebs- st o ck u n g e n wie im letzten Herbst im Ruhrrevier. Wenn der Abg. Hasenzabl einzelne Dienstpläne anführte, wo eine längere Arbeitszeit vorgesehen ist, so können solche Fälle nur dann etwas beweisen, wenn zugleich die Arbeitsleistung hinzugefügt wird. Denn Dienstzeiten von 1416 Stunden sind nur zulässig dort, wo die Betriebsverhältniffe einfach und daher die Arbeit nicht besonders anstrengend ist. Neuerdings ist die Dienstzeit des Lokomotivpersonals um eine Stunde täglich verringert worden. Mit einer eiheblicken Vermehrung des Personals ist begonnen worden. Die Mehrkosten belaufen sich auf 25 Millionen M. jährlicki. In bczug auf die Vereinheitlichung des deutschen Eisenbahnwesens haben die Regierungen der Etnzelslaaten ihre ablehnende Stellung beibehalten, sie wollen ihre Selbständigkeit aus diesem Gebiete behalten. Deshalb erübrigt es sich auch, Richtlinien für eine solche Vereinheitlichung aufzustellen und eine Fachkommission für die Vorbereitung der Vereinheitlichung des Eisenbahnwesens ein- zusetzen. Schließlich kann ich noch die Anfrage des Abgeordneten S ch w a b a ch nach der militärischen Leistungsfähigkeit unserer Eisenbahnen bejahen.(Bravo !) Abg. Graf Kunitz(k.): Mit der preußisch-hessischen Eisenbahn gemeinschaft ist Hessen gut gefahren. Zur Vereinheitlichung der Eisenbahnen nimmt der preußische Eisenbahnminister kaum eine stärker ablehnende Haltung ein wie der preußische Finanzminister; auch das gesamte preußische Ministerium und beide Häuser des Landtages würden einem Uebergang der Eisenbahnen an das Reich nicht zustimmen. Wenn der württembcrgische und der badische Finanzminister sich zugunsten der Vereinheitlichung ausgesprochen haben sollen, so darf man nicht übersehen, daß gerade die württem- bergischen und die badischen Eisenbahnen sehr schlecht rentieren. Man kann von Preußen wirklich nicht verlangen, in eine Finanzgemein- schaft mit diesen Staaten einzutreten. Eher wäre schon an eine Betriebs mitteige meinschaft zu denken. Abg. Stolle(Soz.): DaS ReichSeisenbahnamt ist eine Aufsichtsbehörde über die sämb lichen Eisenbahnen im Deutschen Reich, es bat für die nötigen B e- t r i e b s m i t t e l zu sorgen, es muß Sorge dafür tragen, daß die Sicherheit auf den Bahnen gewährleistet ist, es steht ihm die Kontrolle über das Tarif Wesen zu. Auf allen diesen Gebieten sind Mängel geradezu schreiender Natur vorhanden, die abzuschaffeil daS Reickseisenbahnamt die Pflicht hat, und auch der Reichstag muß das Reichseisenbahnamt hindrängen für die Beseitigung der Mängel zu sorgen. Wenn das Rcichseisenbahw amt die nötige Energie anwendet, so wird die Abschaffung der Mängel gelingen. Wo ein Wille ist. ist auch ein Weg. Ein Uebelstand ist zunächst der Mangel an Betriebs- Mitteln. Vor kurzem haben wir über den Mangel an Betriebs- Mitteln im Kohlenrevier interpelliert Der Präsident des Reichs- eisenbahnamts gab ihm auch unumwunden zu. er sagte, daß weder Rleines fcirillcton Vorn Berliner Thcatcrgcschäft. Uns wird geschrieben: Daß das Berliner Theaäergeschäft mit zu den unsolidesten Erwerbsarten gehört, darüber sind sich wohl alle Beteiligten einig. Was aber in den Kreis der öffentlichen Erörterung gezogen wird, ist immer nur die Unsolidität der Gründung und die Unsolidität den An- gestellten gegenüber. Um die Unsolidität dem Publikum gegenüber kümmert sich niemand und die Schuld daran liegt wohl be> unserem lieben Publikum selbst, das sich alles bieten läßt und gewohnt ist, in jedem blinkenden Uniformknopf und deshalb vermutlich auck in jedem Theatcrtassiercr die von Gott gewollte Obrigkeit zu respek- tieren. Der kleine Schwindelscherz, daß auf den Anschlagzetteln die erste Besetzung angekündigt, während die zweite oder dritte Garnipur vor die Rampe geschickt wird, mag schließlich noch hin- gehen, obzwar es sich um nicht weniger als einen glatten Betrug handelt. Was aber der eingehendsten Erörterung würdig wäre, sind die unerschwinglich hohen Eintrittspreis« der Berliner Theater, die es ja bewirkt haben, daß der beste und empfänglichste Teil der Berliner Bevölkerung sich den Theaterbesuch gründlich abgewöhnt hat. Die Berechnung, auf der diese Eintrittspreise beruhen, geht dahin, daß, wenn nur ein Drittel aller Sitzplätze bezahlt ist, nicht nur alle Unkosten und die oft wucherisch hohen Darlehns- zinsen gedeckt sind, sondern auch noch ein angemessener Gewinn sich ergibt. Nun sei ohne weiteres zugegeben, daß ein Theater ein mit besonderem Risiko verbundenes Unternehmen ist, denn Mißerfolge sind hier häufiger als Erfolge. Dennoch ist es klar, daß ein Ge- schäft, das so kalkuliert, nicht anders als unsolide bezeichnet werden kann. Eine Gesundung der Theaterverhältnissc wird erst möglich sein, wenn sich die Unternehmer zu einer radikalen Herabsetzung der Eintrittspreise entschließen werden. Wie unergründlich die Geduld der Berliner Bevölkerung ist, und wie man trotz der hohen Preise, neben Verdruß und Mißvergnügen auch noch das beschämende Gefühl des Uebervorteiltseins nach Hause tragen kann, dafür bietet das folgende, kleine Erlebnis ein Beispiel. Ich wollte mir am Montag TolstoisLebendigen Leichnam" ansehen und begab mich Sonntag an die Kasse des Deutschen Theaters. Der Herr hinter dem Schalter erklärte, daß in dem mir erschwinglichen Zweiten Rang nur noch Sitze in der siebenten methe zu haben wären. Auf meine mißtrauische Frage, ob man ovrt auch etwas sehen könne, sagte er bieder, die Sitze wären gut. Eine Dame hinter mir warnte mich. Als ich ihm dies vorhielt, bekam er einen Anfall von Ekstase und tragischem Pathos, den man füglich nur unter dem ideellen BegriffChuzpe"(jüdische Spezialität von Frechheit) zusammenfassen kann. Immerhin, der Mann in seinem Zorn wirkte suggestiv und ich kaufte die Plätze. Als ich ihn zwei Tage später zur Rede stellte, erklärte er kalt- blütig, er wäre nie dort oben gewesen. Ein S i tz platz kostete mit Garderobe und Zettel drei Mark 4 5 Pf., und dafür hatte ich das Vergnügen vier Stunden lang in einer abscheulichen Luft zu st e h e n sitzend war von der Bühne überhaupt nichts zu sehen und zwischen dem Radau im Korridor und dem Krachen und Aechzen des Gestühls war auch hin und wieder ein Wort von der Bühne zu hören. Im allgemeinen Interesse aber möchte ich Herrn Reinhardt nun gebeten haben, einmal nur einen Akt in der siebenten Reihe des Zweiten Ranges zuzubringen und ich bin sicher, daß er diesem Unfug ein Ende machen und entweder die letzten Reihen kassieren oder nur als billigste Stehplätze verkaufen lassen wird. I. L. W. Dramatische Smartncß. Ein findiger Kopf der bürgerlichen Presse hat die geschäftliche Idee gehabt, ein wirkungsvolles Lustspiel als Aktie»Unternehmung entstehen zu lassen.' Das Manuskript wird an eine ganze Reihe von Bühnenschriflstellern gesandt, und jeder, der eine wirkungsvolle Szene oder einen guten Witz beisteuert, wird an den Tantiemen beteiligt. Sonderbarerweise empfindet man in der bürgerlichen Presse diei'eS durchaus gesunde Unternehmen als komisch. Wir fragen: warum? Was tut der Mann anders, als daß er aus der geschäftlichen Biihnenfadrikation die geschäftlichen Konse- quenzen zieht? Daß eine Lustspielfirma bis jetzt im allgemeinen nur zwei Autoren umfaßte, ist zunächst etwas rein Aeußerlickes. Der Geist des Unternehmens kann ganz derselbe bleiben, auch wenn zwanzig Firmeninhaber beteiligt sind. Dann ober ist die Zahl zwei auch noch außerordentlich trügerisch. In Wirklichkeit halten jene Zwei schon immer eine ganze Anzahl von stillen Teil- h a b e r n, die ihnen bewährte Szenen, wirkungsvolle Einfälle und erprobte Witze lieferten. Wenn nun das Geschäftslustspiel, das der Sacke nach so okt ein Aktienunternehmen war, auch der Form nach eins werden soll, was wäre dagegen wohl einzuwenden? Höchsten? doch, daß man früher seine stillen Teilhaber nicht zu bezahlen pflegte und also billiger davon kam. Und an dieser Wirtschaft- lichen Erwägung wird der neue Reformator denn auch wahrscheinlich Schiffbruch leiden. Die Post im Dienste der Bolksbildung. Die belgische Regierung und die belgische Postverwaltung beschäftigen sich gegenwärtig, wie dieRevue" berichtet, mit einem großangelegten Plane, der daraus abzielt, die Organisation des Postdienstes der Volksbildung dienstbar zu machen. Es handelt sich um eine Art kostenfreier VolkS- bibliothek; alle Postämter, auch die kleinsten in den Landbezirken, die Betriebsmittel noch die baulichen Anlagen ausreichten, und suchte den preußischen Eisenbahnminister mit der ungewöhnlichen und uner- warteten Steigerung des Verkehrs vom Jahre 1909 an zu decken. Ich lasse es dahingestellt, ob die preußische Eisenbahnverwaltung damit entschuldigt' ist. Ich weise aber auf die außer- ordentliche Verkehrsstockung bei den letzten Kaiser- Manövern in Sachsen hin. Hier kann doch von einer un- erwarteten Verkehrssteigerung nicht die Rede sein, hier wußte man bis auf die Minute, wann die Züge für die Mannschaften, die Pferde und das Material einzustellen waren. Hier lag der Fehler keines- Wegs an den mangelnden Betricbseinrichtungen und mangelnden Baulichkeiten, sondern der ganze Apparat klappte nicht. (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Eine oberste Aufsichts- behörde muß doch auch von Zeit zu Zeit inspizieren und auf Ab- Hilfe drängen, wo sie Mängel findet. Was iväre wohl geschehen, wenn ein Zug mit Kanonen nicht rechtzeitig herangeschaffr wäre? Aber daß Tausende von Gewerbetreibenden schwere Schädigung erlitten, weil ihre Waren nickt rechtzeitig herangeschafft wurden, kümmert die Verwaltung nicht. Wie schlimm die Verhältnisse waren, geht daraus hervor, daß selbst aus konservativen Blättern Schmerzens- schreie ertönten. Warum sind denn nicht die nötigen Betriebsmittel und Bauten vorhanden? Weil überall im Deutschen Reich bei der Eisenbahn das fiskalische Interesse über dem von Handel und Verkehr steht. Was nützen die schönen Reden, die der Reichskanzler auf dem Handelstage hält, wenn man so wenig Rück- ficht auf die Interessen des Handels nimmt. Warum baut man nicht die nötigen Anlagen. Nirgends könnte doch ein Kapital sich besser verzinsen, das beweist ja die kolossale Steigerung des Verkehrs. Eine zweite Klage betrifft das T a r i f w e s e n. Nach der Reichs- Verfassung hat das Reichseisenbahnamt für die Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife zu sorgen, aber heute noch warten Land- Wirtschaft und Industrie auf diese Herabsetzung. In schlechten Jahren sagt man zu den Petenten, wir können auf die Einnahmen nicht ver- zichten und in guten Jahren wieder sagt man, Ihr habt ja selbst so gute Einnahmen, deshalb brauchen die Tarife nicht herabgesetzt zu werden. So ist diese Frage auf ein totes Gleis geschoben. Die preußische Eisenbohnverwaltung sollte es für eine Hauptausgabe halten, die Tarife zu ermäßigen, damit der deutsche Handel mit dem Auslande konkurrieren kann. Wir brauchen mit unserer Tarifpolilik uns doch nicht von Oesterreich in den Schatten stellen zu lassen, was dort geleistet wird, sollte doch auch in Deutschland möglich sein.(Zustimmung bei den Sozialdcnio- kraten.) Kleine Ermäßigungen sind ja hier und da ein- getreten, aber im Königreich Sachsen z. B. in unglaub- lich kleinlicher Weise, so daß eine ganz außerordentliche Zerfahrenheit und Zerrissenheit, eine geradezu hrmmelschreiende Zersplitterung herrscht. Die Vereinheitlichung des Eisenbahn­wesens ist daher eine dringende Notwendigkeit.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten) Anfänge dazu sind ja auch schon gemacht worden, aber wenn die preußische Eisenbahnverwaltung nicht weiter- gehen will, wenn sie zu den anderen sagt, ich bin groß und ihr seid klein, so müßte eben das Reichseisenbahnamt regulierend eingreifen. Was soll man dazu sagen, daß zwischen Preußen und den sächsischen und süddeutschen Eisenbahnen noch 26 verschiedene Güter- tarife bestehen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dieser Zerrissenheit und Zerfahrenheit muß endlich ein Ende gemacht werden. Bei den preußisch- sächsischen Eisenbahnen existieren noch 12 160 Wegübergänge, die nur mit Handschranke zu schließen sind, und 14 103 Wegübergänge, die ganz ohne Schranke sind. (Lebhaftes Hört! hört!) Da muß ja beinahe täglich ein Unglück passieren. Die Statistik der Unfälle weist denn auch Zahlen von Verletzten und Getöteten auf, b c- trächtlicher als in einer blutigen Schlacht.(Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Eine beträchtliche Zahl von Unfällen ist auch auf Mängel des Oberbaues und Mängel des Materials zurückzuführen. Hat denn da bei der Abnahme des Materials eine Nachprüfung stattgefunden? Es mag ja sein, daß der Herr Präsident des Eisenbahnamtes nachweisen wird, auf 100 000 Tonnenkilometer ist die Zahl der Unfälle aus 0,01 pro 1000 verringert. Aber die Technik hat doch auch bedeutende Fort- schritte gemacht und ist doch auch dem Eisenbahnbetriebe zugute gekommen. Wenn auch eine kleine prozentuale Besserung in der Unfallziffer eingetreten ist, so kann das nicht ausschlaggebend dafür sein, daß so viel Hunderte und Tausende ihr Leben eingebüßt haben.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Für die Sicherheit des Betriebes kommt in erster Linie in Betracht, daß keine Uebcr- bürdung des Eisenbabnpersonals stattfindet. Wenn der Präsident des Reichseisenbahnamtes heute erklärt hat, die Lohnskalen und Betriebseinteilung sei Sache der Einzelstaaten, so sage ich: Nein, sollen eine Biichersammlung erhalten. Die Bücher werden kostenfrei an das Publikum verliehen. Durch die Organisation der Post wird es möglich, die Bücherbestände zwischen den einzelnen Postämtern gegenseitig umzutauschen und zu ergänzen. Die Leser dieser staat- lichen Volksbildung haben bei Entnahme des ersten Buches nur eine Kaution von 3 Fr. zu stellen, damit die Post gegen Verluste, die durch das Abhandenkommen oder die nachlässige Behandlung von Büchern entstehen können, bis zu einem gewissen Grade gedeckt ist. Die Errichtung solcher Büchereien in den Dörfern und kleinen Land- gemeinden soll auch den Bewohnern abgelegener Gegenden die Möglichkeit schaffen, mühelos den Weg zu den BildungSquellen finden zu können. Eine elektrische Stadtküche in London . Eine große elektrisch be- triebene Stadtküche ist jetzt probeweise in London in dem Stadtteil von Marylebone eingerichtet worden. Sie soll für das Personal der Stadtverwaltung und für alle Angestellten der städtischen Behörden die Mahlzeiten und_ den Tee liefern, insgesamt für gegen 1000 Menschen. Zugleich aber ist vorgesehen, den Dienst dieser elektrischen Stadtlüche auch der Oeffentlickkeit und dem einfacheren Publikum zugänglich zu machen. Die aufgestellten Apparate ermög- lichen die Bereitung von Fleischspeisen, Gemüse und Kartoffeln sowie von Fischen; alle Mahlzeiten werden zu bestimmten, sehr billig fest- gesetzten Preisen abgegeben, damit die ärmeren Bevölkerungsschichten aus dieser Einrichtung, die einstweilen einen Versuch darstellt, Nutzen ziehen können. Humor und Satire. Wer ist'S? Wer schwingt den Stock und macht Geschrei und sehnt sich sehr nach Prügelei? Ist'S ein versoffenes Subjekt, das irgendwo im Rinnstein steckt? O nein, o nein, ich feh'S genau, es ist der Oldenburg von Januschau . Ist es ein Kerl, verlumpt, vertiert. der Weib und Kinder malträtiert? Der mit dem Knüppel überfällt den Wandrer: Leben oder Geld! O nein, o nein, ich feh'S genau, es ist der Oldenburg von Januschau . Ist's ein Sadist, ein tolle? Biest. das nur mit Grausamkeit genießt? Ein Viech mit Mörderlustinstinkl, das Peitsche. Stock und Messer schwingt? O nein, o nein, ich feh'S genau, es ist der Oldenburg von Januschau .