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Nr. 279.

Erscheint täglich außer Montags. Prets pränumerando: Viertel jährlich 8,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. frei In's Haus. Einzelne Nummer 6 Pfg. Sonntags: Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 8,80 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz band: Deutschland   u. Defterreic Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Poft Beitungs- Breisliste für 1893 unter Nr. 6703.

Vorwärts

10. Jahrg.

Insertions- Gebühr beträgt für die fünfgeipaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Bfg., für Vereins: und Versammlungs- Anzeigen 20 fg Inferate für die nächste Mummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ift an Wochen: tagen bis 7 Ubr Abends, an Sonn­und Fefttagen bis 9 1hr Vor­mittags geöffnet. Fernsprecher: Amt I, 4186. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin  !

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Abonnements- Einladung.

Dienstag, den 28. November 1893. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Politik, daß je unproduktiver, fulturwidriger, gemeinschäd- Es wurden bis 1892/93 einschließlich ausgegeben für Rech­licher und volksfeindlicher die 3 vecke sind, um desto ge- nung der Gesammtheit aller Bundesstaaten: waltiger der Aufwand ist, der dafür gemacht wird. 1. Heeres verstärkungen, Steigerung der Mit dem 1. Dezember eröffnen wir ein neues Monats Rulturaufgaben erscheinen nur als läftiger Ballast, der keiner Operations- und Schlagfertigkeit des Abonnement auf den Heeres, Truppen- Dislokationen u. s. w., Vervollständig des Waffen Materials, Aenderungen der Wehrpflicht u. f. w., zu sammen 2. Thorerweiterungs- Bauten

Vorwärts"

Berliner   Volksblaff

mit der illustrirten Sonntagsbeilage

Die Neue Welt".

Für Berlin   nehmen sämmtliche Zeitungsspediteure, sowie unsere Expedition, Benthstr. 3, Bestellungen entgegen zum monatlichen Preise von

1 Mark 10 Pfennige frei ins Haus,

wöchentlich 28 Pfennige.

3,30 Mart für das Quartal

Beachtung werth ist, der geistige und gesellschaftliche Fort­schritt, Volksbildung, Arbeiterschutz, Kunst und Wissenschaft, öffentliche Gesundheitspflege haben nicht einer Federflocke Gewicht gegenüber dem Brennusschwert, das der unersätt­liche Militarismus in die Wagschale wirft.

3. Garnisoneinrichtungen in Elsaß- Lothringen  4. Festungsanlagen

5. Vervollständigung des deutschen   Eisenbahn­

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674 838 995,14 M. 1517 688,33 n 86 868 918,41" 146 552 685,27

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"

Der Appetit kommt beim Essen, und so folgt der ersten Milliarde für Heereszwecke die zweite, dieser die dritte. Einhalt kann nur dann diesem mörderischen Treiben ges neges im Interesse der Landesvertheidigung 106 888 625,24 boten werden, wenn das Volk sich vom Militarismus, das 6. Bu eifernen Vorschüssen für die Verwal­heißt vom Klassenstaat emanzipirt. Die wirklichen Produ- 7. Marine verwaltung tung des Reichsheeres 969 785 111,39 zenten, das heißt die breite Masse, werden durch die Guts 8. Für den Nord- Ostsee- Kanal 258 784 901,87 und Blutsteuer am schärfsten, am meisten getroffen. Und immer riesiger wird die Schuldensumme, die das jünge Reich Bayern   wurden ausgegeben für Für Rechnung der Bundesstaaten mit Ausschluß von aufhäuft. 100 414 628,01 m. 1075 692,25"

W

1. Kasernenbauten. 2. Vermehrung

des Schanzzeugs der Infanterie

61 587 002,09

Das herrliche Kriegsheer und die stolze Flotte sind es, die am Mark der werkthätigen Bevölkerung zehren. Der Für außerhalb nehmen sämmtliche Postanstalten Abonnements neue Reichsschah- Sekretär, Graf von Posadowsky Wehner  , 8. Erweiterung oder Neuerwerbung zum Preise von hat im Auftrage des Reichskanzlers dem Parlament von Artillerieſchießplätzen. 1 154 908,38 eine Denkschrift über die Ausführung der feit Die riesigen Beträge, die durch Anleihen aufgebracht dem Jahre 1875 erlassenen Anleihegeseße vorgelegt, worden find, hat Moloch Militarismus direkt oder mittelbar entgegen.( Eingetragen in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1893 deren Angaben die verhängnißvolle Wirkung des stehenden verschlungen. Dazu treten noch die ungeheuren Summen, unter Nr. 6708.) Wir ersuchen unsere Postabonnenten höflichſt, Heeres auf unsere gesammten ökonomischen Zustände in ein die Jahr für Jahr durch den Schröpfkopf des Zollaufwand­das Abonnement rechtzeitig aufzugeben, damit die regelmäßige helles Licht rücken. steuer- Systems, das die Besizlofen am härtesten trifft, dem Zustellung des Blattes feine Unterbrechung erleidet. Neu hinzutretenden Abonnenten wird der bisher erschienene der Deutschrift vom 22. November 1892, wenn man die zwecke verpulvert werden. Der Gesammtbetrag der Anleihekredite belief sich nach Bolte entzogen und als laufende Einnahmen für Heeres­im Etatsjahre 1892/93 gemachten Ersparnisse u. s. w. in So billig ist der bewaffnete Friede, dieses herrliche Abzug bringt, auf Schutzmittel gegen den äußeren und gegen den inneren 1 756 000 372 M. 33 Pf. Feind.

Theil der

Skizzen aus der sozialistischen  

Bewegung in Rußland  

auf Verlangen gratis nachgeliefert.

Dazu sind neu hinzugetreten nach dem Reichs- Haus­halts- Etat für 1893/94: 152 228 147 M.; nach dem Nach trags- Etat vom 23. Juli 1893: 48 060 694 M., so daß zur Zeit sich die Anleihekredite im Ganzen auf

Die Redaktion und Expedition des Vorwärts" Berliner Volksblatt. belaufen. Das sind nahezu Zweitausend Millionen Mark!

1956 289 218 M. 33 Pf.

Hiervon sind bis Ende Oktober 1893 realisirt worden durch Aufnahme einprozentiger Anleihen 445 705 010,05 m. durch Aufnahme 3/2 prozentiger Anleihen 771 274 260,63 M. durch Aufnahme 3 prozentiger Anleihen 586 614 122,50 M. insgesammt also find bis zum Oktober 1893 von

1803 543 392,68 M.

Wofür Geld da ist! Einen sicheren Wegweiser für die Beurtheilung der Wirthschaftszustände des Reiches besitzen wir in der Geschichte der Reichsschulden. Gerade jetzt, da der Steuerquellenfinder Deutschen Reiche  und Reichspumpminister Miquel daran gegangen ist, die Steuerkraft des deutschen   Volkes auf das Ausgiebigste in zu 4, 42 und 3 pCt. geborgt worden. Anspruch zu nehmen, ist es von Nußen, denen, die Mittel Die Verzinsung dieser Reichsschuld erfordert für für die Reichsausgaben aufzubringen haben, die Ver- das Haushaltungsjahr 1894/95, wie der Etatsgesetzentwurf schuldung des Reiches wieder einmal vor Augen zu führen. für 1894/95 ergiebt, einen Betrag von Wohin treiben wir? Die Aufgabe einer erleuchteten

71 996 000 m.,

Finanzpolitik ist es, das Ausmaß der Ausgaben nach dem also ungefähr zweiundfiebzig Millionen das Jahr! Werth des Zweckes zu bestimmen. Wie aber steht es bei Aus der Denkschrift über die Anleihegesetze erfahren uns? Das gerade ist der Grundzug der klassenstaatlichen wir auch näheres über die Verwendung des Reichspumps.

ald Oper

Feuilleton.

Nachdruck verboten.]

Skinen

den stark Verdächtigen, es war gefährlich, ihn zu besuchen, und die Kameraden gingen selbst zu ihm hin, da das Risiko zu groß war. Aber Raja konnte es trotzdem nicht unter­[ 18 lassen, den Kameraden täglich zu besuchen; sie brachte ihm Milch, erzählt ihm Neuigkeiten und sieht mit Schmerzen, wie sein Zustand täglich schlechter wurde, ohne daß der Kranke selbst an den nahen Tod glaubte. Er war überzeugt, daß er wieder genesen wird, ärgerte sich über die verdammte Erkältung", welche ihn so aufhält. Er will, wenn auch sein Zustand sich in den nächsten Tagen nicht beffert, trozdem die Reise fortsetzen. Raja's Herz frampfte sich vor Schmerz zusammen, als sie ihm sagte:

aus der sozialistischen   Bewegung in Rußland  .

" Nein, warten Sie noch ein wenig, Sie müssen sich erst mehr erholen." Sie meinte, daß er im Laufe einer Woche sterben wird,

-

Für soziale Politik aber, die den gesellschaftlichen Uebeln entgegentritt, ist, wie es in dem alten Burschenliede heißt kein Geld in Bänken".

Herr Miquel aber naht schon mit seinen Blutegel­Plänen.

Politische teberlicht.

Berlin  , den 27. November.

Aus dem Reichstage. Der erste Tag der Etats­berathung gehört von jeher zu den sogenannten großen Tagen" des Reichstags. Entsprechend diesem Herkommen waren heute die Tribünen und die Size der Vertreter des Bundesraths vollständig besetzt, die Abgeordnetensite dagegen starrten in öder Leere.

Eingeleitet wurden die Verhandlungen durch den neuen Staatssekretär der Finanzen. Da es altes Herkommen im Reiche ist, diesen Posten mit einem Manne zu besetzen, der mit dem Finanzwesen möglichst wenig zu thun hatte, so fann es nicht verwundern, daß auch der Graf von Posa­

reichend.

,, Nun, wie steht es?" fragte ihn Raja, ihm die Hand Morgen findet unsere Hochzeit statt und wir reisen dann sofort ab."

Bravo! Endlich!"... rief Raja aus.

Sie gingen, sich leise unterhaltend, dem Meeresufer ente lang, und niemand, der dem jungen Paare begegnet wäre, hätte ahnen können, daß das Terroristen seien.

An einer Kurve, die die Eisenbahn beschreibt, steht das Stationshaus mit einem kleinen Garten; die Bahn geht auf einer Aufschüttung in fast gleicher Höhe mit den Fenstern des Mezzanin an dem Hause vorbei; sie tritt aus einem Walde heraus und verläuft in der Steppe. Hier ist nur ein Haltepunkt fahrender Züge.

( Aus dem Russischen   überseht.) Nach der ihr so sympathischen Thätigkeit im Volke mußte sich Raja entschließen, die Gönner zu bearbeiten: mit ihnen liberale Gespräche zu führen, ihre Neugierde be­friedigen, sie überzeugen, sie schelten, ihnen schmeicheln, um sie zu bewegen einige zwanzig Loose von der Lotterie zum der Arzt hatte es ihr gesagt. Der Stationschef war ein noch junger Mann und ein Besten der Radikalen zur Weitervertheilung anzunehmen. Biele Nachdem Raja eine Weile bei dem Sterbenden verbracht Protegée des Direktors; er hatte sich vor kurzem in der Grimassen und lange Gefichter bekam Raja zu sehen bei der hatte, mußte sie wieder gehen, und für die Lebenden sorgen: Stadt verheirathet und kam von da mit einer jungen Frau, Aufforderung an die Gönner, ihre Sympathie durch den Einem Kameraden mußte sie für einige Tage eine ungefährliche ihrem Bruder und einer Köchin zurück. Alle Bediensteten Ankauf von Kreditbilleten zu beweisen. Aber wie viel öfter Wohnung aufsuchen, ein anderer brauchte einen Paß, und auf der Station gratulirten den Neuvermählten und be­noch begegnete sie Fällen von Furchtsamkeit, die bald lächer- an verschiedenen Orten hatte sie Zusammenkünfte verabredet. neideten sie: so hübsch und sympathisch war die junge Frau. licher, bald aufregender Natur waren. Abends mußte sie einige Besuche machen: nicht zur Erholung Aber sie beneideten sie umsonst sie wußten nicht, daß die Buweilen bemächtigt sich Rajas eine wahre Wuth über von des Tages Last und Mühe, sondern zum Nußen ihrer jungen Leute, trotzdem sie verheirathet waren, wie Bruder diese Gönner, es war ihr so widerwärtig, sie zu besuchen, Partei in einem Hause waren zwei junge Mädchen, die und Schwester mit einander lebten, und der Bruder und diese platonischen Ergüsse ihrer Sympathie anzuhören, sie zu gewinnen hoffte; in einem zweiten hoffte sie die Be- der jungen Frau durchaus nicht ihr Bruder, und daß sie oft in Versuchung gerieth, ihnen ihre wahre Meinung tanntschaft eines Beamten zu machen, der ihr nüßlich sein die Köchin keine wirkliche Köchin war, sondern daß zu sagen und sie nicht mehr aufzusuchen. fonnte; in einem dritten erwarteten sie von ihrer Propa- alle vier Personen nur als Parteigänger zu einander ge­

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Raja scheute jedoch keine Mühe, auch die größte ganda begeisterte Jünglinge. Außerdem mußte Raja noch hörten. Ebenso wenig wußten die Leute, daß von dem nicht, wenn sie nur für die Sache von Nußen war. für die Arbeiter sorgen: fie braucht Bücher nnd Berichte. Bimmer aus, welches als Schlafzimmer der Neuvermählten Die Groschen, die die Gönner geben, waren waren un- und bei allem dem muß sie noch Beit erübrigen, um Briefe galt, in der ersten Nacht der angebliche Mann und umgänglich nöthig, folglich muß man sie sammeln, wenn zu schreiben und zu dechiffriren. Schwager angefangen hatten, einen unterirdischen Gang zu

auch mit Widerstreben. Als Raja einmal den ganzen Vor- Raja hatte sich ausgeruht und sah auf ihre Uhr: ihr graben, und daß die Frau und Köchin die ausgestoßene mittag in Geschäften herumgelaufen war, erinnerte sie sich Kamerad mußte gleich eintreffen. Und in der That näherte Erde in Körben in den Garten trugen und dort aus­eines franken Sozialisten: er hatte in Geschäften eine Reise sich ihr auf dem Fußwege ein junger Mann von hohem schütteten. Niemandem fiel es auf, daß ab und zu aus unternommen und war unterwegs erkrankt. Er gehörte zu Wuchse mit einem breitkrämpigen Hute auf dem Kopfe. dem Nachtzuge ein Mann oder eine Frau ausstiegen, sich