Kr. 65. 36. Iahrgaug. 2. KeilM des.loririirtö" Serliner PoMiitt Post«!!, 18. Wik! 1913, StsMilche! zur lüechtlprechung in llnssllveriicherungsischen. g. h. Der soeben erschienene Geschäftsbericht deS Reiche Versicherungsamtes für das Jahr 1913 bringt wieder die Ueberficht über die Rechtsprechung in Unfallversicherungssachen. Das Bild, das die Ueberficht gewährt, ist in diesem Jahre von besonderem Wert, weil das Jahr 1912 das letzte ist, in dem die früheren gesetzlichen Bestimmungen über daS Verfahren in Kraft waren. Mithin gibt uns die jetzt vorliegende Ueberficht die Möglichkeit für ein ab schließendes Urteil über die Entwickelung der Recht- s p r e ch u n g in den von der Ueberficht erfaßten Punkten. Die Zahl der berufsfähigen Bescheide weist eine eigentümliche Schwankung auf. Es wurden erlassen im Jahre 1998 im ganzen 422 912 berufungsfähige Bescheide .. 1999„, 422 976 ., 1910.. 416913 ,„ 1911„. 409 284 , 1912.. 424 855 In den Jahren 1919 und 1911 sehen wir einen beträchtlichen Rückgang, dem aber im letzten Jahre eine um so größere Zunahme gefolgt ist. Die Zunahme deS letzten Jahres ist aber fast ganz auf die gewerbliche Unfallversicherung beschränkt: hier ist die Zahl von 232 877 im Borjahre auf 248 967 im letzten Jahre gestiegen. In der landwirtschaftlichen Unfallversicherung dagegen ist sie fast unverändert geblieben: 176 788 gegen 176 407 im Vorjahre. Wodurch die Schwankung in der gewerblichen Unfallversicherung herbeigeführt ist, läßt sich im einzelnen nicht genügend übersehen, da die Angaben, die hier in Betrcht kommen— die Zahl der zum erstenmal entschädigten Unfälle und die Zahl der Bescheide wegen veränderter Verhältnisse— nur für die ganze Unfallversicherung vorliegen. Nach einer vorläufigen Ermittelung belief sich die Zahl aller Unfälle, die bei den BerufSgenossenschaften, Reichs-, Staats-, provinzial- und gemeindlichen Ausführungsbehörden zum ersten Mal entschädigt worden sind, im Jahre 1998 auf 141 848 .„ 1999, 136 441 . 1919. 132 718 , 1911, 133 365 . 1912, 137 445 DaS letzte Jahr weist eine verhältnismäßig große Zahl derartige. Unfälle auf. Sie erreicht jedoch nicht die Zahl des JahreS 1998 Trotzdem ist die Zahl der berufungsfähigen Bescheide im Jahre 1912 um fast 3999 größer als im Jahre 1993. ES muß daher noch der andere Umstand in Betracht kommen. Unter den berufungsfähigen Bescheiden waren solche, die eine neue Feststellung der Entschädigung infolge Veränderung der Wer Hältnisse, Ruhen der Rente und Abfindung zum Gegenstand hatten, im Jahre 1998 im ganzen 183511 . 1999.„ 186 601 . 1910„, 185 348 . 1911„. 179 264 . 1912.„ 185 842 Hier finden wir das letzte Jahr mir einer recht hohen Zahl, die hinter der höchsten— des Jahres 1999— nicht weit zurückbleibt. Demnach ist anzunehmen, daß zu der außergewöhnlich hohen Zahl der Bescheide in der gewerblichen Unfallversicherung sowohl eine größere Zahl von Unfällen als auch eine größere Zahl von Herab- setzungen der Rente infolge Veränderung der Verhältnisse mit- gewirkt haben. Die BerufSgenossenschaften konnten nach dem bisherigen Recht die llnfallentschädigung durch Bescheid nur innerhalb der ersten fünf llotenklage. vocv von Cränen wollen wir nichts wissen» nichts von Klagen oder stillem Schmerz um die Opfer, die er hingerissen, jener zweimal blutigrote März. Sie, von denen uns die Lieder melden, fielen ohne CQehruf und Segrein. Ziemt es uns, den Snkeln jener neiden, die wir feiern wollen, weich zu sein i Enden tSne untre Cotenhlage, fett und festlich, wie ein Kämpfer fingt, daß sie laut an alle Obren schlage, daß sie werbend durch die Länder klingt. Wie ein Hufschrei soll das Lied erschallen, wie ein Schwur und eine Zuversicht, daß auch uns, wenn dann die CdOrfel fallen, daß auch uns nicht neldenmut gebricht. preist die Welt seit alters den Heroen, der im Kampfe fiel fürs Vaterland, haben endlich wir den wahrhaft hohen, einzig höchsten Opfertod erkannt. Lauter tönt das Lied zu ihrem preise, die gefallen für das beste Gut. stiieht für eines Volkes enge Kreise» für der Völker freibelt floß ihr Blut. ?a, kein Opfer will ihr Cod bedeuten nur für eines Volkes kurze Zeit; dieses Opfer gilt für alle Zeiten, gilt der Menschheit und der Menschlichkeit. Rudolf franz. Erinnerungen au die Märztage. Die authentischen Dokumente über die Berliner Märztage Von 1848 mehren sich begreiflicherweise nur spärlich. Einmal werden der Augenzeugen immer weniger, dafür wird andererseits, da sie Vorwiegend dem gesättigten Bürger- tum angehören, das Bedürfnis, den revolutionären Geist ihrer Ver- gangenheit zu verleugnen, immer stärker. Eine der weniger be- kannten Reminiszenzen an das revolutionäre Berlin findet sich in den vor einem Jahrzehnt erschienenen Erinnerungen von S e- bastian Hensel(«Ein Lebensbild aus Deutschlands Lehrjahren�). Um 1839 als der Sohn des Malers Wilhelm Hensel und der Schwester Felix Mendelssohn- Bartholdys, Fanny , zu Berlin geboren, bezog er 1343 das Köllnische Gymnasium. war zunächst Landwirt in Ostpreußen , bis er schließlich im Berlin der � Jahre von der Rechtskraft der ersten Feststellung ab neu feststellen. j Später durste dies nur auf Antrag durch Entscheidung deS SchiedS- gerichts geschehen. Derartige Anttäge wurden anhängig demacht: im Jahre 1912 in 47 782 Fällen ,„ 1911„ 45 667, , 1919. 49 481„ „ 1909, 39 315. . 1998, 32 980. Wiederum zeigt sich eine verhältnismäßig große Zunahme, deren Bedeutung wir aber erst dann richtig erkennen können, wenn wir die Zahlen für die gewerbliche Unfallversicherung und für die landwirtschaftliche neben einander stellten. Die Zahl der Anträge betrug in der gewerblichen landwirtschaftlichen Unfallversicherung 1912 34 294 13 578 1911 31 191 14 566 1919 26 938 13 543 1999 25 694 18 621 1998 19 267 12 813 Die Zunahme beschränkt sich fast ausschließlich auf die gewerb liche Unfallversicherung. Im letzten Jahre weist die landwirtschaftliche Unfallversicherung sogar eine Abnahme auf. Die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist aber über den Verdacht erhaben, daß sie mit einer gar zu großen Rücksicht auf die verunglückten Versicherten be- lastet sei. Trotzdem ist ihr die gewerbliche Unfallversicherung in der — Kunst, die Unfallentschädigungen herabzusetzen, offenbar sehr überlegen. Hoffentlich werden die neuen gesetzlichen Bessimmungen für das Verfahren diese Kunst erschweren.(Siehe Anmerkung am Schluß.) Fast alle Anttäge gehen nämlich'von den Berufsgenossen� schaften auS: beinahe 94 Proz. Die Zahl der Stteitsachen, mit denen sich die Schiedsgerichte (Oberverficherungsämter) zu befassen hatten, bettug: im Jahre 1912 insgesamt 134 567 «„ 1911, 130 373 ,. 1910„ 129 161 .. 1909. 130 923 „ 1908. 120 848 Bon den Fällen, die die Schiedsgerichte entschieden haben, fielen auS zu Gunsten des Rentenbewerbers Versicherungsträgers 1912.. 17 714 Fälle 84 142 Fälle 1911.. 18 987, 85 811. 1910.. 19 713. 88 972, 1909.. 20 517. 83 781. 1908.. 19 325 76 034. DaS Verhältnis hat sich im Laufe der letzten Jahre nur un- wesentlich verschoben. Die große Mehrzahl der Streitfälle wird zu Ungunsten der Rentenbewerber entschieden. Dies hat einen doppelten Grund. Zunächst sind die gesetzlichen Bestimmungen für die Renten bewerber sehr ungünstig. Viele Rentenbewerber können es nicht be- greifen, daß sie nicht mehr zu verlangen berechtigt seien, als ihnen die Berufsgenossenschaften bieten, und glauben den Sachverständigen nicht, die ihnen von einer Berufung abraten. Außerdem kommt aber sehr in Bettacht/ daß es für die Rentenbewerber schwer ist, die Beweise für ihre Behauptungen beizubringen. Nament. lich leiden sie darunter, daß sich viele Aerzte weigern, ein Gutachten gegen ein zU ungünstiges Gutachten des von der Berufsgenossenschaft ausgesuchten Arztes abzugeben. Diese Umstände wirken in der Landwirtschaft noch stärker als in der Industrie. Daher erklärt es sich, daß der Anteil der zugunsten des Rentenbewerbers entschiedenen Fälle in der gewerblichen Unfall- Versicherung etwa? höher ist als in der landwirtschaftlichen. Auch hier ist eine Besserung von den neuen gesetzlichen Bestimmungen zu erhoffen, da den Rentenbewerbern die Beschaffung der ärztlichen Gut achten erleichtert worden ist.(Siehe Anmerkungen am Schluß.) Gründerzeit sein eigentliches Feld zu finden wußte: die Einführung der Wiener Cafös in seiner Vaterstadt, die Errichtung des Kaiserhofs, die Anlage der Voßsttaße u. a. m. gehen auf ihn zurück. Diese Wandlung von dem gleichmäßig kunstbeseelten wie demokrattschen Geiste des Mendelssohnschen HauseS, welch letzterer auch in der Lust des damaligen Ostpreußen seine Nahrung fand, zu der industriell- utilitaristischen Gesinnung der siebziger Jahre, kurz die typische nationalliberale Degeneratton, spiegelst sich auch in der Wiedergabe seiner Erinnerungen; was zweifellos ihm und seinesgleichen damals Herzenssache gewesen war, möchte er jetzt ironisieren und durch eine gewisse Schnoddrigkeit ins Banale ziehen. Trotzdem bleibt er ein guter Beobachter und Schilderer, der uns ebenso von dem ent- flammten revolutionären Geiste seines LateinlehrerS Benary, wie von dem des Schülers selbst zu berichten weiß, als er das Thema des Abiturientenaufsatzes von Ende Februar 1848:.Not gibt Kraft' kühn im Sinne der kommenden Tage behandelt hatte. Der Erfolg der Märztage gab den aufrührerischen Gedanken des Primaners die Sanktion. Ueber die historischen Vorgänge lassen wir ihn selbst reden: „Am 18. März, einem Sonnabend, ging ich nachmittags über den Schloßplatz nach dem Laboratorium des Köllnischen Gymnasiums . Tausende von Menschen füllten den Platz, jubelnd. Hurra schreiend in dem Gefühl endlicher Erlösung und froh des gemachten Anfangs. Plötzlich erschien Militär, Dragoner ritten in die dicht gedrängten Massen hinein, ich kroch unter dem Bauch eines Pferdes durch und eilte die Breite Straße hinab. Alles war wild auseinander gestoben, ein paar Schüsse fielen, und als ich am Gymnasium ankam, wurde ein großer Omnibus umgestürzt, quer über die Straße geschleift. einige andere Fuhrwerke dazu geworfen, das Pflaster blitzschnell auf- gerissen, und eine mächtige, die ganze Breite Straße sperrende Barrikade wuchs wie durch Zauberei empor. Ich half, was ich helfen konnte, und ging dann ins Gymnasium. Da war alles wüste und leer, das Laboratorium geschlossen, kein Lehrer, kein Schüler an- wefend". Die vorläufige Ruhe ließ Hensel gettost zu seinem Mittag- essen im Hause des Onkels Dirichlet kommen, wo man jedoch seine Absicht, nachmittags auf die Barrikade zu steigen, durchaus nicht würdigte und ihn daher kurzerhand einschloß. .Der lange Abend und die Nacht vergingen in banger Er- Wartung: man hörte das Kleingewehrfeuer, das Donnern der Artillerie, an verschiedenen Stellen war der Horizont von Feuer- schein erleuchtet, am intensivsten nach dem Oranienburger Tor zu, wo große Artillerieschuppen niederbrannten. Endlich gegen Morgen wurde es ruhiger und man ließ mich hinaus. Ich eilte sofort nach meiner Barrikade, unterwegs waren schon viele Spuren des Kampfes sichtbar. Tote wurden auf Bahren durch die Straßen getragen, umringt von heulenden und tobenden Menschenhaufen— man sah plötzlich Gestalten von einer Wildheit und Ver- Wahrlosung, wie man sie früher nie gekannt hatte. AIS ich das Gymnasium erreichte, sah ich ein unsägliches Bild der Verwüstung. Die Barrikade war zerstört. Tote lagen darauf herum, das Haus der damaligen d'Heureuseschen Konditorei(heute Leineweber). daS die Breite Straße vis-a-vis dem Palast abschloß. war buchstäblich mit Kugellöchern gespickt, der schrecklichste Anblick war aber das Gymnasium selbst. Hier hatten sich die blusigsten Kämpfe abgespielt, auf den Fluren lagen die Leichen, die Treppen hinunter floß noch das Blut, alle Klassenzimmer lagen fußhoch voll Die Zahl der beim Reichsverficherungsamt anhängig gewordenen Rekurse bettug: im Jahre 1912 insgesamt 22 827 „„ 1911„ 24 184 , 1910. 25 666 „„ 1909, 25 234 ,. 1908. 22 552 Die Zahl ist seit dem Jahre 1919 ständig gefalleu: ein Beweis, daß das Geschrei über die immer schlimmer werdende Belastung des Reichsversicherungsamts überttieben war. Die Abnahme ist dadurch herbeigeführt, daß in einem immer kleineren Teile der Fälle Rekurs eingelegt wird. Auf je 199 rekurs- fähige Schiedsgerichtsurteile entfielen im Jahre 1919 noch 28,79 Rekurse .. 1912 nur 25,72 Der Rückgang zeigt sich sowohl in der gewerblichen Unfall- Versicherung, als auch in der landwirtschaftlichen und sowohl bei den Rekursen der Rentenberechtigten als auch bei denen der Ver- ficherungsträger. Der Ausgang der Klagen ist auch vor dem ReichSverficherungS- amt in den meisten Fällen für die Rentenbewerber ungünssig, jedoch ist eine allmähliche Besserung in dieser Beziehung nicht zu ver- kennen. Dies verdanken die Arbeiter fraglos der segensreichen Tätig- keit ihrer Arbeitersekretariate. A n m. Ob die Besserung, die hier von den seit dem 1. Januar in Kraft getretenen Vorschriften erhofft wird, in der Tat eintteten wird, erscheint sehr ftaglich. DaS seit dem 1. Januar in Kraft ge- tretene Verfahren dürfte in seiner Gesamtheit eher als eine erheb- liche Verschlechterung selbst des bestehenden ZustandeS z» be- ttachten sein._ Zum Sterukliel-Prozeß. Aus Arbeiterkreisen gehen uns unter anderem folgende Zeilen zu: Der Sternickel-Prozeß, der in so schrecklicher Weise beendet wurde, gibt doch zum Denken besonderen Anlaß. Es sollen nun Menschen mit dem Tode büßen, was die Gesellschaft durch die heusige Wirtschaftsordnung sündigt. Ich möchte mich hier nur mit den Verhältnissen beschäftigen, in denen sich hier die drei fügend- lichen Arbeiter, der 17jährige Willi Kersten, dessen ISjähriger Bruder Georg und der 18 Jahre alte Franz Schliewenz kurz vor ihrer Tat befanden. Wer in ähnlichen Verhältnissen auf der Wanderschaft war, wer es kennt, monatelang arbeitslos zu sein, der weiß, daß täglich Vergehen vorkommen würden, wenn die Arbeiterorganisasionen nicht da wären. Diese geben durch ihre Unterstützungseinrichtungen, aber vielmehr noch durch die Festigung der Moral dem Mitglied einen sicheren Halt. Aber trotzdem suchen Regierung und deren Schützlinge, die poli- tischen wie die gewerkschaftlichen und wirtschaftlichen Organisa- tionen der Arbeiter niederzuhalten und zu schädigen und be- günstigen dadurch doch nur die Unmoral. Würde die bürger- liche Gesellschaft, die über die Mörder den Stab bricht, vorerst für gesetzliche Festlegung kurzer Arbeitszeit sein, würde die Volks- schule frei werden von Bibelsprüchen und von Legenden über Fürstentaten: eine Verminderung solcher Straftaten wäre die Folge. Aber der Kapitalismus will ja Nicht sein eigenes Grab schaufeln. Daher auch der Kampf gegen Arbeiterbildungsbestre- bungen, Turnvereine und unsere Jugend. Mit Wohltätigkeitsein- richtungeu sucht'die Gesellschaft ihre Güte zu beweisen. So ist auch das HerbergS- und Wandererverpflsgungswesen gegen früher eine solche Einrichtung. Aber sie ist auch danach und birgt viele schlechte Keime. Tagsüber ist der Handwerksbursche die Landsttaße gewandert und mit oft durchnäßten Kleidern ins Städtchen ge- kommen. Umsonst hat er Arbeit gesucht und findet in der Herberge Rast. Hat er kein Geld, so muß er dafür einige Stunden, oft bis zum halben Tage, arbeiten. Es ist schrecklich, schon durch Unter- ernährung entkräftet, noch etwa einen halben Tag Holz zerkleinern. Steine klopfen oder Wasser ttagen zu müssen. Vielfach gibt eS dann nach kurzer Zeit Blutblasen an den Händen und bei Krank - sein liegt es im Belieben der Verpflegungsstelle den„Kunden" abzuschieben oder zu behalten. So lag eS ja auch mit den Ver- Pflastersteinen, die hinaufgeschleppt waren, um den stürmenden Soldaten auf die Köpfe geworfen zu werden.' Geschmückt mit dreifarbigen, schwarz-rot-goldenen Kokarden und Schleifen, die in improvisierten Buden feilgehalten wurden, sucht der Abiturient in Begleitung eines Mitschülers seinen Direktor August auf, den er durch einen Säbelhieb verwundet und in tiefer Trauer über den Tod ffeines Neffen Holtzendorff findet; dieser war für den Versuch, seine Tante zu schützen, von den eindringenden Soldaten grund- und zwecklos massakriert worden. Auf der Treppe ttafen die Herren Primaner ihren Cieero-Lehrer, Herrn Selckmann—„und er bat uns um Feuer, denn natürlich rauchten wir. Da wurde uns klar, daß wirklich eine neue Aera der Weltgeschichte angefangen habe: Selckmann mit einer riesengroßen schwarz-rot-goldenen Schärpe, Selckmann— uns nicht nur ruhig rauchend sehend, sondern uns kardial und kamerad- schaftlich um Feuer bittend— es war ungeheuer.... Bon da ging ich zu Paul Mendelssohns und fand sie in tiefer Trauet: Gott - hold Heine, Tantens Bruder, hatte einen Schuß in den Hinterkopf er- halten und starb nach wenigen Stunden. So sah ich die Folgen des Kampfes aus nächster Nähe und konnte Gott danke«, so davon ge- kommen zu sein.' Angesichts dieser Ereignisse war an das mündliche Examen, das dem beendeten schriftlichen hätte folgen sollen, vorderhand nicht zu denken, vielmehr hatten die Herren Primaner auch nichts Besseres zu tun, als„Bürgerwebr' zu spielen und unter Führung ihres Direktors ein fliegendes Korps zu bilden; equipiert mit Artillerie- schleppsäbel,' weißer Mütze mit trikolorem Rand und einer Art Schützenjoppe nahm man das Pdssagierzimmer der Hauptpost zum Hauptquartier. Als Mitglied dieses Korps war Hensel� denn auch Augenzeuge der Szenen vom 21. und 22. März, da der König einmal unter Führung des Tierarztes Urban seinen Umritt durch die Sttaßen hielt und zu einer Ansprache genötigt wurde, und dann am Tage der Beisetzung der Barrikadenkämpfer seinen ebenfalls recht unfrei- willigen Respekt durch Hutabnehmen bezeugen mußte..Peinlich' nennt Hensel spater diese Szenen, aber er fügt doch gerecht genug hinzu: „Unbegreiflich ist eS mir stets gewesen, wie der Mamr, der da- mals so gänzlich den Kopf verloren hatte, sich so tief erniedrigt hatte, später eS übers Herz bringen konnte, andere wegen lange nicht so schlimmer Taten in dieser Zeit zu besttafen.' Prostitution und Schauspielkunst. In der Rachtversammlung, in der über die Not der Kinoschauspieler verhandelt wurde, kam auch zur Sprache, daß Prostituierte als Kinoschauspiele- rinnen agieren. Unter den bürgerlichen Zeitungen, die von dieser. Tatsache mit einigem Erschrecken Notiz nahmen, befand sich auch das „Berliner Tageblatt'. Wir möchten mit diesen Zeilen die Frage aufwerfen:„Warum? Warum so schamhaft, wenn man so gut unterrichtet ist, wie es die kundigen Thebaner im Feuilleton deS„Berliner Tageblatts' sind?' Daß eine Prostituierte sich unter die Kinoschauspielerinnen ver- irrt, würde sich am Ende ertragen lassen. Schlimmer ist es schon, daß in unserem ganzen normalen Theaterleben die Prossitution sozusagen zum Handwerk gehört. Die Schauspielerinnen müssen sich rerch« Freunde anschaffen, um die K o st ü m e bezahlen zu können, die ihnen der Herr Direttor nicht bezahlt. Die Kosten des m o- deinen Kostüms zwingen die Schauspielerinnen zur Prostitusion.
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