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Erkranluug des Papstes. Der Zustand Pius X. , der schon seit längerer Zeit an einer Rierenlronkheit leidet, hat sich bedenklich verschlimmert. DaS Herz funklioniert nur noch schwach und die Fiebertemperatur ist auf SS'�T Grad gestiegen. Ter Papst verweigert die Nahrungsaufnahme. Seine Uuigebung überredet ihn nur mit Mühe, wenigstens Milch und Eier zu sich zu nehmen._ Ein ostelbisches Kulturbild. In der vor der Reichstagsstichwahl herausgegebenenWahl- z.eitullg" des Bochumer VolksblattcS"', für die Genosse Pierenkämver in Bochum verantwortlich zeichnete, war eine auS einem polnischen Blatte stammende Notiz abgedruckt worden, nach der eine 80jährige kranke GutSarbciterin im Wege der Armenpflege von dein Guts- Verwalter Nebe in Radiin(Posen) in einem Schweinestalle unter- gebracht worden sei. pet Verwalter stellte Strafantrag. Die Sache wurde mehrfach vertagt, da auch gegen den Redakteur des polnischen Blattes und einen Probst als dessen vermeintlichen Mittäter Anklage erhoben worden war. Am Sonnabend hatte sich nun in der Straf- fache gegen Genossen Pierenkämper das Bochumer Schöffengericht mit der Angelegenheit zu beschäftigen. Dabei wurde ein agrarisches Kullurbild aufgerollt, Ivie es krasser kaum denkbar ist. In dem auf Antrag des Verteidigers verlesenen Urteil aus dem Prozeß gegen den polnischen Redakleur und den Probst wurde als Ergebnis der Hauptverhandlung festgestellt, daß in dem betreffenden Raum, der ursprünglich ein Kuh stall gewesen ist, sich bis zwei Tage vor der Einpferchung der kranken Greisin Schweine befunden haben, daß der Stall unmiltelbar an einen anderen Schweinestall grenze und in un- mittelbarer Nähe sich der Misthaufen befindet. Ter Raum selbst hat keinen Fußboden und keine Decke gehabt. Die Scheiben des ein­zigen vorhandenen Fensters von etwa einem halben Meter im Quadrat sind zum Teil entzloei gewesen. Auch war kein Ofen vor- handen. Der andere Raum, in den die Greisin dann gebracht worden ist, war nach den in der Verhandlung gemachten Fest- stellungen noch schlechter. Der vorhandene Ofen ist so dekelt gewesen, daß er wegen des austretenden Rauches unbrauchbar war. Die Fensterscheiben waren entzwei, das Bett eingebrochen. Der Verwalter hat sich, nachdem er die Anordnung getroffen, der Kranken das Essen zu bringen, überhaupt nicht um sie gekümmert. Niemand bat die Kranke gepflegt oder gereinigt, obwohl sie an einein schweren chronischen Blasenleiden litt. AngesichlS dieses vernichtenden Urteils der Armenpflege auf diesem Mustergute beantragte der Amtsanwalt ohne weiteres die Freisprechung de-Z Genossen Pierenkämper, und das Gericht entsprach diesem Antrage, Einzug des Erzbischofs Hartman» in Köln . In Gegenwart des Oberpräsidenten von Rbeinbabcn, der Spitzen der Militär« und Zivilbehörden Kölns , der Regierungspräsidenten von Aachen und Düsseldorf , der Oberbürgermeister von Aachen und Bonn , von Vertretern der Rheinischen Adelsgenossenschaft, der evange- lischen und jüdischen Geistlichkeit, von Reichstags- und Landtags- abgeordnete» sand heute die Inthronisation des Erzbischofs von Köln , Felix von Hartmann statt. Um&3/4 Uhr wurde der Erzbischof in feierlichen, Zuge aus den, Palais abgeholt und gegen S Uhr hielt er unter Glockengeläute und Orgelllang seinen Einzug in den Dom, too ihn Dom- probst Berlage und das Metropolitankapitel empfingen und ihn zum SalramentSaltare geleiteten. Hier verrichtete der Erz- bischof eine kurze Andacht. Er wurde dann zum Hauptaltar und zum erzbischöflichen Thron geleitet, aus dem er Platz nahm. Hierauf wurde die päpstliche Präkonisationsbulle verlesen. Dann zelebrierte der Erzbischof daS Pontifikalamt. Rekrutenmisthandlungeu in grostem Umfange gelangten gestern vor dem Kriegsgericht der Königl. Landwehr- Inspektion in der Hasenheide zur Aburteilung. Unter der Anklage der Mißhandlung Untergebener in 43 Fällen, der vorschriftswidrigen Behandlung in drei Fällen und der Achtungsperletzung hatte sich der Vizewachtmeister der Landwehr Hintz zu verantworten. Er wurde im vorigen Jahre entlassen und richtete dann an das Generalkommando eine Eingabe, in der«r um Wiedereinstellung ins Regiment bat. Dabei ließ er in dem Bericht durchblicken, daß in seiner Batterie alles mögliche vorgekommen sei, und daß sich mehrfach Vorgesetzte gegenüber den Untergebenen Vergehen hätten zuschulden kommen lassen. Während man aber die Vergehen an- derer Unteroffiziere unterdrückt habe, sei er entlassen worden. Es wurde nun eine Untersuchung eingeleitet, die damit endete, daß zwei Offiziere verurteilt und einige andere von den gegen sie erhobenen Anklagen freigesprochen wurden. Die Mann- schaften der Batterie wurden allesamt vernommen und sie gaben fast sämtlich an, daß sie von den Unteroffizieren mißhandelt worden seien. Hintz habe sie jedoch am meisten geschlagen. Nun wurde auch gegen H. selbst die Anklage erhoben. Er war in den Jahren 1311/42 Rekrutenunteroffizier, und während dieser Zeit hat er, wie in der gestrigen Verhandlung festgestellt wurde, die Mihhand» lungen ausgeführt. Die Anklage nahm 43 Fälle an, doch ist heute gar nicht mehr festzustellen, wie oft sich der Angeklagte an den Untergebenen vergriffen hat. Beim Turnen ließ H. fast stets einen Stock in Aktion treten, mit dem er den Mannschaften.nachhalf". Kam einer nicht über das UebungSpferd, so gab» einen Schlag mit dem Stock aufs Gesäß. Dies war an der Tagesordnung. Die Leute ließen sich ruhig alles gefallen und rede- ten�über die Mißhandlungen gar nicht! Aber auch der Säbel in der Scheide wurde beim Turnen angewandt. Der Beschuldigte schlug damit auf die Untergebenen ein. Beim Unter- richt suchte Hintz die Leute, die nicht nach seinem Wunsche die Apt- warten gaben, gewöhnlich dunch Backpfeifen zuerziehen". Ferner wurde in der Anklage ein Fall angeführt, in dem ein Untergebener eine halbe Stunde hindurch in der Kniebeuge mit vorgestreckten Händen verharren mußte. Der Vertreter der Anklage, KriegsgerichtSrat Schulze, hob hervor, daß man eine fortgesetzte Handlung, die allerdings einen recht erheblichen Umfang erreicht habe, annehmen müsse. Die AuS- schreitungen seien geeignet, den Untergebenen den Dienst zu ver- leiden. Da der Angeklagte inzwischen bereits im Zivilleben fei, so könne man d'fisen Umstand mildernd in Betracht ziehen und einen mrlden Fall annehmen. Er beantrage sechs Wochen gelinden Arrest DaS Kriegsgericht ging noch erheblich unter daZ beantragte Strafmaß herunter und erkannte auf nur drei Wochen gelinden Arrest. In der Urteils- begründung wurde hervorgehoben, daß der Angeklagte nicht als«in sog. Soldatenschinder zu bezeichnen sei und daß er die Mihhand- lungen lediglich im U e v e r e i f e r verübt habe. Ein höchst seltsamer Ucbereifer! Belgien . Ter Generalstreik im Brüsseler Gemeinderat. Man schreibt uns aus Brüssel vom 8. April: In der gestrigen Sitzung des Brüsseler Gemeinderates gab es erst eine Beschwerde des lozialistischen Gemeinderates Ge- Vossen P l a d e tniber die übertriebenen polizeilichen Vorsichts- maßregeln bei der heutigen Truppenrevue.(Es ist nämlich u. a. verboten worden, mit Zetteln und dergleichen zit Wersen ~ mit Rücksicht auf das Scheuwerden der Pferde, wie der Bürgermeister erklärte.) Genosse Huysmans beichamgte sich dann mit dem Ukas des Gemeindekollegiums, der die eventuell am General- streik teilnehmenden städtischen Arbeiter mit sofortiger Eni- lassung und Nichtwiedereinstellung bedroht. Huysmans charakterisierte diese Maßnahmen als eine Provokation der Arbeiterschaft und wies auch darauf hin, daß die Arbeiter- schaft schon seinerzeit erklärt hätte, daß bei einem Streik keinesfalls jene Dienstleistungen mit einbezogen werden würden, die die öffentliche Hygiene, Spitaldienst usw. be- treffen. Huysmans warf schließlich dem Bürgermeister eine Schwenkung nach rechts vor. Außerdem beschwerte sich Huysmans über das Verbot, Sammellisten für den General- streik in den kommunalen Werkstätten und Bureaus zirku- lieren zu lassen. Ter Gemeinderat beschloß auf Anregung eines fozialisti- schen Gemeinderats, an die Bevölkerung die Ausforderung zu richten, sich während des Generalstreiks ruhig zu verhalten, um in den nach dem Willen der Organisatoren friedlichen Streik keine Störungen hineinzutragen, und so der obersten Behörde keine Gelegenheit zum Einschreiten zu geben. Ta­gegen erklärte der Bürgermeister die Maßnahme als verfriiht und eher dazu angetan, das Publikum zu beunruhigen, die Bc- sitzer von Wirtschaften zu einem zeitigen Schluß ihrer Lokale, nämlich um 1<) Uhr, zu veranlassen. Verschiedene Pro­vinzgemeinden haben ähnliche Maßnahmen getroffen. Tie Maßnahmen der Regierung. Brüssel, 9. April. (Eig. Ber.) Im Hinblick ans den Generalstreik werden bereits große Truppenbewe- g u n g e n vorgenommen. Die Mannschaften des Jahrganges 1919 werden, obwohl ihre Dienstzeit beendet ist, unter den Waffen gehalten und lv Reservejahrgänge der Pioniere werden einberufen, um die streikenden Elektrizitäts« und Gas- arbeiter zu ersetzen. In allen größeren Ortschaften der Kohlenreviere und Jndustriebezirke wird Infanterie und Kavallerie einquartiert. Tie Gendarmen der Provinz werden nach Brüssel dirigiert und durch Militär ersetzt. Der Garnisoii-Zapfenstreich aus Anlaß des Geburtstages des Königs veranlaßt? Dienstagabend in Brüssel und in Gent große sozialistische Kundgebungen. Zehntausende Ar- beiter begleiteten die Militärkapellen unter Hochrufen auf das Wahlrecht und auf den Generalstreik. In Gent de- monstrierten die Soldaten durch Singen von Arbeiter- liedern mit. Lckxveäen. Die Finanzierung derPensionsvcrsichcrung". Stockholm , 7. April. (Eig. Ber.) Die Regierung hat nunmehr endlich auch einenFinanzplan" für ihrePensionsversicherung" ausgearbeitet und etwa 14 Tage nach der Versicherungsvorlage dem Reichstage unterbreitet. Wenn irgend ein Zweifel bestand über den Unsinn derartiger Gesetzesmacherei, erst ein Versicheruugssystem zurechthämmern und nachher die finanzielle Deckung suchen, so liefert die Finanzierungsvorlage diesen Beweis recht nachdrücklich. Denn die staatlichen Zuschüsse, die in dieserBersscherung" die Hauptrolle spielen, sollen gedeckt werden durch 1. Tabakbesteuerung, 2. verstärkten Erzexport. Bis 1830 soll der Tabak mehr als d i c H ä l f t e d e» S t a a t s- Zuschusses decken, von 1830 bleibt der Betrag etwas unter der Hälfte zurück. Noch im Jahre 1830 deckt die Tabaksteuer 12 Mil- lionen von insgesamt erforderlichen 22,13 Millionen Kronen. Man hat sich also nicht gescheut, die wesentlichsten Lasten dieserPer- sicherung" auf eine indirekte Steuer zu wälzen. An sich mag die Idee ganz genial sein, sich zu einer Alterspension zu schnupfen oder zu rauchen. Je mehr Geld der schwedische Staats« hürger in Rauch aufgehen läßt oder verschnupft, je sicherer gestaltet sich die Grundlage seiner AlterSpension! So gestaltet sich in Schwe- den eine von Sozialdemokraten unterstützte SozialversicherungS- Politik der liberalen Regierung. Damit in dieser Krähwinkelposse ein wenig Tragödie nicht fehlt, informiert das Hauptorgan der schwedischen Sozialdemokratie, der Stockholmer Socialdemokraten". seine Leser dahin, daß für die Finanzierung derVolkspensionierung"(so nennt das Blatt selbst das Mirakel)keine indirekten Steuern" herangezogen wer- den. Das Blatt scheint seine Leser recht niedrig einzuschätzen, wenn es ihnen die Tabaksteuer als keine indirekte Steuer glaubt präsentieren zu können. Die zweite Finanzqucll« ist nicht minder originell. Während bisher olle ernsthaften Volkswirte Schwedens sich gegen vermehrten Eisenerzexport entschieden gewandt haben, das nationalökonomische Problem vielmehr darin erblickten, die schwedischen Roherze im eigenen Lande zu verhütten, sollen nach dem Ab- kommen der Regierung mit dem Trust bis 1832 insgesamt 31 Mil. lionen Tonnen mehr Roheisen gefördert und exportiert werden. Der Staat soll aus dieser Transaktion 238, S Millionen Kronen ziehen, die er zur Verminderung der Auslandsschuld verwenden wird, die aber auch das an der Tabaksteuer für dieVolkspensionie- rung" fehlende Geld decken sollen. Insgesamt sollen bis 1933 jener Summe rund 30 Millionen Kronen für diesen Zweck entnommen werden, womit dann, zuzüglich der Zinsen de ? aus den Getreide- zollen aufgespeicherten Arbeiterversicherungsfonds und der Pro- gressiv steigenden Tabaksteuer, die den Hauptanteil trägt, die Finanzierung erfolgt sein würde. Und dieser vermehrte Erzexport wird vorgeschlagen und von sozialdemokratischer Seite unterstützt im selben Augenblick, wo die Presse berichtet, daß die elektrischen Hochofenwerke Schwedens bereits für eine Jahresproduktion von 80 000 Tonnen eingerichtet und Vorbereitungen für eine weitere Produltion von 38 000 Tonnen im Gange sind. So lange das Ziel der elektrischen Eisenschmelze nicht erreicht war, bekämpften Sozial- demokraten und Liberale die von den Großkapitalisten geforderte Forcierung de» Erzexport». Jetzt ist jenes Ziel erreicht: die elek- irische Eisenschmelze ist auS dem Versuchsstadium in das Stadium effektiver Produktion getreten und bedarf nun eigentlich selbst mög- lichst billiger, guter Erze. Da ist den einstigen Gegnern der Tag für vermehrten Erzexport gekommen I Begründet wird die Forde- rung damit, daß sonst der deutsche Markt verloren geht. Die Be- gründung ist ebenso genial wie die wirtschaftspolitische Tat selbst. Als blauer Dunst werden zur Beruhigung des Publikums wiederum jene phantastischen Zahlen über den nordschwedischen Erzrcichtum hervorgezaubert, die schon im Jahre 1905/06 zu einer unheilvollen Blamage des damaligen Ministeriums Staaff führten. Wenn der Trust mit dem Staat ein Geschäft machen wollte, hat er immerwissenschaftliche" Untersuchungen zur Hand gehabt, die einen fabelhaften Erzreichtum feststellten. Diesmal paßt da? Ver- fahren anscheinend mit den Wünschen der Regierung überein und so wird selbst die sozialdemokratische Arbeiterschaft mit den Riesen- crzlagern Nordschwedens getröstet. Man redet sich gar ein, daß der Staat ein famoseS Geschäft dabei macht, weil bei einer eben- tuellen Verstaatlichung der Gruben 1932 ein Abzug von»er Kauf­summe von dem auf den Trust entfallenden Teil des Mehrerports gemacht werden soll. Alan scheint nicht beachten zu wollen, daß der Wert der Gruben sich mit dem Mehrexport nicht bloß relativ, sondern absolut vermindert, weil die jetzt geförderten Erz« sozu- sagen über Tag liegen, die tieferen Schichten schwerer zugänglich sind. So ist die Finanzierung der Volkspcnsionierung auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Fehlgriff. Genau wie die Pensions- Vorlage ein Fehlgriff ist. Marokko. Anwachsen des Aufstandes im Norde» und im Süden. Paris , 9. April. Wie aus Casablanca gemeldet wird, sucht der Prätendent El Hiba im gesamten Atlasgebiet von neuem An- Hänger um sich zu scharen, indem er auf den Märkten den Heiligen Krieg verkünden läßt. Der Kaid der Anflus ist seinerseits bemüht, in der Gegend von Agadir eine Harka zu sammeln. Nach einer Blätterineldung aus T e t u a n sollen die Kaids der Rifstämme eine Harka aufgebracht haben, die dank den Verstärkungen aus dem Innern an 20 000 Mann zählen soll. Die Harka, die angeblich mit Mausergewehren ausgerüstet und mit reichlicher Munition versehen ist, plane einen nächtlichen Angriff auf Tetuan und erforderlichen- falls eine Belagerung dieser Stadt. In Teluau liegen zwar über 7000 Mann spanischer Truppen, doch sei die Bevölkerung sehr be- unruhigt, da sie befürchte, daß ein Teil der Eingeborenen im Augen- blick eines Angriffs einen Aufstand anzetteln könnte. polem!i!n!che Dörfer in kern. London , 5. April. (Eig. Ber.) Die Geschichte dcS P u t u m a h o, wo der modern« Kapitalis« mus, ungehindert durch gesetzliche Schranken, unter der indiani - schen Bevölkerung wie eine wilde Bestie hauste, ist um ein neue» Kapitel bereichert worden. Soeben hat die englische Regierung den Bericht des englischen Konsuls in Jquitos, Herrn Michells, ver- öffentlicht, der letzten Herbst den Pütumaho in Gesellschaft beä amerikanischen Konsuls bereiste, um die bestehenden, angeblich gründlich umgestalteten Verhältnisse in demParadies des TcnfelS" zu studieren. Leider hat Herr Michell nicht viel schen können. Mit. einer pyramidalen Zudringlichkeit verfolgten die Beamten und Agenten der Gummigesellschaft, die das Gebiet aus- beutet, und der peruanischen Regierung die beiden Konsuln, die natürlich in dem unwcgbaren Lande ganz auf die Transportmittel. und die Gastfreundschaft der inkriminierten Ausbcutungslxinde angewiesen waren. Senor de Lastro, der von der peruanischen Regierung auf eine Inspektionsreise in den Putumayo geschickt worden war, hatte sogar die Unverfrorenheit, den beiden Konsuln vorzuschlagen, sich seiner Expedition als Mitglieder anzuschließen und nachher seinen Jnspektionsbericht zu unterzeichnen. Von ihm und dem berüchtigten Rohling Senor Arana berichtet Herr Michell: Unter dem Vorwand, uns vollständige Bewegungsfreiheit zu lassen, gelang es ihm, uns in unseren Bewegungen in jeder Weise zu hindern und aufzuhalten. Seine Besorgnis, uns nicht aus den Augen zu verlieren, wurde in amüsanter Weise augenscheinlich. Obwohl er körperlich zu großen Strapazen gänzlich untauglich war, folgte er uns über ermüdende Wege, durch Hitze und Stürme, wohin wir auch gingen; während Senor Arana, ein schwerer Mann, der nicht mehr jung ist und sehr an Hüftweh leidet, uuS auch ohne Klagen, aber unermüdlich begleitete." In einem anderen Teil des Berichtes liest man:Mit Aus- nähme der Reise von Ultimo Retiro nach Entre RioS , einem Marsch von drei Tagen, waren wir nie frei von der Begleitung einer großen Gruppe von Beamten und Agenten der Gesellschaft, deren vestäudigc Bemühungen, alles im besten Lichte erscheinen zu lassen und sich über die befriedigende Lage der Eingeborenen zu ver- breiten, einem große Langeweile verursachten. Senor Reh de Castro schien es darauf abgesehen zu haben, mit verschwenderischer Hand alles zu übertünchen, und Senor Arana wünschte überall, von den Frauen und Kindern Papa Arana genannt zu werden. Es war unmöglich, das Volk in seiner heimischen Wildnis zu beob- achten. Wir wurden von einer Station zur anderen geführt und die Indianer wurden dann zusammenberufen. Man lud sie ein, zu tanzen; Nahrung und Kleider wurden in freigebiger Weise unter sie verteilt und zwei oder drei Tage amüsierten sie sich zweifel- loS gewaltig. ES war sehr interessant; aber dies« Dinge geben uns keinen Anhalt in bczug auf ihre normalen Beziehungen zu denen, für die sie den Gummi herbeischaffen." Unter diesen Umständen ist es begreiflich, wen» der Konsul schreibt:Wir sahen gewiß während unserer Reise keine Zeichen der Grausamkeiten, und würden gern glauben, dwß sie aufgehört haben. Aber man darf nicht vergessen, daß, selbst wenn schlimme Gepflogenheiten existierten, es uns dennoch unmöglich gewesen wäre, davon zu erfahren." Herr Michell kann die Ansicht des Ver- treterS der peruanischen Regierung, daßandauernde und tätig« Bemühungen gemacht worden sind, Ordnung iin die Lage im Putumayo zu bringen", nicht teilen. Es wird angegeben, daß sich zurzeit' 75 der Missetäter im Gefängnis zu JquitoS befinden. Aber," so führt der Konsul aus,in den 12 Monaten seit der Zeit, in der die Behörden zu JquitoS im Besitz der Tatsachen und der Namen der angeklagten Personen waren, ist di«sen jede Ge- lcgenheit zum Entkommen gegeben worden, und man hat keine Anstrengungen gemacht, sie daran zu hindern. Der VcrhaftS- beseht gegen Don Pablo Zumaeta wurde offen mißachtet, und der Richter Dr. Valcarcel, der sich vermaß, ihn auszustellen, wurde von seinem Posten entlassen. Zumaeta befindet sich nicht allein auf freiem Fuß«, sondern ist auch nacheinander zu fast allen öffent- lichen Posten und Ehrenstcllen der Stadt gewählt worden." Eine nette Gesellschaft! Der englische Konsul gibt allerdings zu, daß der neue Haupt- agent der Gesellschaft manche Reformen durchgeführt hat. Doch das ganze Verhältnis der Ausbeuter zu den Ausgebeuteten, wie es sich im Putumayo. fern von jeder Staatsgewalt, vorfindet, scheint ihm unhaltbar.Ter Putumayo," schreibt er,ist ein sehr armes Land. Ter Gummi, die einzige verkäuflich« Ware, ist von geringer Güte und sinkt beständig im Werte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er in kurzer Zeit überhaupt keinen Prosit mehr abwerfen wird. Die Kosten der Ausbeutung sind groß und der Ausfuhrzoll ist so hoch, daß der übrigbleibende Geivinn schon sehr klein ist. Selbst wenn die Perubian Amazon Company, die sich jetzt in der Liquidation befindet, die vollkommenste Körperschaft von Philanthropen wäre, würde sie der Versuchung ausgesetzt sein, die Kosten herabzusetzen und daL letzte Gramm Gummi heraus. zuwirtschaften, während es sich noch zahlte. Das Argument, daß die Zerstörung oder Vertreibung der eingeborenen Arbeiter htJ einzigen Vorteils, den sie besitzt, gegen ihr eigenes Interesse sei, ist nicht stichhaltig; denn wenn sich die Ausbeutung dcS Gummis einmal nicht mehr lohnte, würde der Existenzgrund der Eingc- borenen nicht mehr bestehen." Wie man sieht, hat der englische Konsul keine Illusionen über die AuSbcutungspolitik der Peruvian Amqzon Company. Auf Menschenleben brauchte diese Banditcngesellschaft keine Rücksicht zu nehmen; denn sie brauchte die Menschen schließlich nicht mehr. Das von dein englischen Unterhaus« eingesetzte Untcrsuchungs- komitee, das sich mit der Schuldfrage der englischen Direktoren der Peruvian Amazon Company besaßt, wird demnächst seine Ar- beiten wieder aufnehmen. Als nächster Zeuge wird der berüchtigte Aranaj, der sich zurzeit in England aufhält, verhört werden.