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' Eine Mahnung Bulgariens . Paris , 11. April. DemTemps" wird«ms Cetinje gemeldet: Ter bulgarische Gesandte habe heute die montenegrinische Regierung ersucht, die Belagerung von Skutari aufzu� heben; König Nikolaus habe ablehnend geantwortet. Eine Heldentat der Flotten-Internationale. Cetinje , 11. April. sMeldung der Sgence HavaS.) Ein «chiff der internationalen Flotte hat in den Gewässern von Anti- vari die U a ch t drS K ö n i g S N i k o l a u S, welche Mehltransporte eskortiert hatte, aufgebracht. Serbischer Boykott gegen Oesterreich . Wien , 11. April. DieNeue Freie Presse" meldet aus Belgrad : iZn einer Versammlung sämtlicher kommerzieller Kammern des Landes wurde nach kurzer Debatte ein- ü immig beschlossen, wegen der Haltung Oesterreich- Ungarns in der albanesischen Frage gegen die Monarchie den Boykott zu proklamieren und die Verbündeten aufzu- fordern, sich ihm anzuschließen. Das Elend der Mobilisierten. Immer schärfer ertönen die Hilferuf« der«ingezogenen und zum Schutz der Balkangrenzen verwendeten Reservemänner. Die Arbeiterpresse veröffentlicht trotz aller Konfiskationen immer wieder Soldatenbriefe aus den schauerlichen Barackenlagern und Wanzenburgen, die die österreichischen Truppen nach und nach dem der montenegrinischen Gegner ebenbürtig machen werden. In dem häufig von Felsstürzen heimgesuchten Hinterland von Catiaro war eine Baracke so angelegt, daß bei dem nächsten Felssturz acht Mann zu formlosen Massen zermalmt wurden, die man erst nach Sprengung des Felsens bergen konnte. Beim Feldjägerbataillon in Bojiste, Herzogewina, gab es eine Massenvergiftung infolge ver- dorbcnen Essens und von den patriotischen Sammlungen für die Grenztruppen kamen auf jeden Mann ein Schluck Likör und in mehreren Raten zusammen 2 Kronen 33 Heller. Dabei grassiert unter den Soldaten in Sarajewo der Scharlach, die Unterbringung der Syphilitiker ist skandalös, Desertionen sind häufig, die Arreste sind überfüllt. Ein WirthauSstreit zwischen angetrunkenen84ctn", Wiener Soldaten, und der Patrouille forderte zwei Todesopfer und brachte einigen Soldaten schwere Kerkcrstrafen. Und im Teplitzer Bezirk ereignete es sich dieser Tage, daß die hungernde Familie eines seit dem Dezember im Süden festgehaltenen Reservisten wegen der schuldigen Steuern gepfändet wurde.Wenn die Schwalben wieder kommen" da werden die Minister schauen, wie der Patriotismus gewachsen sein wirds Legen dk Forderungen des lUilitarisinus. Jrreude Generale. Man schreibt unS: Generalleutnant Wandel sagte im Reichstage, im Jahre 1803 fei an den bis dahin gültigen Bestimmungen über die Militärtauglichkeit nur das eine geändert worden, daß in der Körpergröße etwas heruntergegangen wurde. Hier irrt der Herr General sich. Damals wurde an den Anlagen der H e e r- ordnung, die die Bestimmungen über die Tauglichkeit enthielten, viel mehr korrigiert. Die Aenderungen waren so zahlreich, daß sie mehrere Seiten in Druckschrift ausmachten. Der Herr Kriegsminister v. H e e r i n g e n hat im Reichstage rühmend hervorgehoben, in der Friedensdienstordnung werde aus- drücktlch betont, daß die AuSbUdung der Truppen nur dann richtig fei, wenn sie so geschehe, wie der Krieg es erfordere. Er wollte auf diese Weise den Beweis dafür liefern, daß das Paradewesen in der deutschen Armee immer mehr eingeschränkt werde. Der Satz, auf den Herr v. Heeringen so stolz ist, stand aber auch schon in dem 1888, also vor 2S Jahren ausgegebenen Exerzierreglement für die Infanterie und hat dennoch verdammt wenig geholfen. Er bildete den Schluß des II., vom Gefecht handelnden Teiles des Reglements und lautete: .Ihre snämlich der Truppen) Ausbildung ist nach richtigen Gesichtspunkten erfolgt, wenn sie da« kann, was der Krieg er- fordert, und wenn sie auf dem GefechtSfeld nichts von dem wieder abzuft reifen hat, was sie auf dem Exerzierplatz erlernte." Der Satz war. sogar größtenteils sehr fett gedruckt. Dann aber kam etwas zum Schreien Komisches, nämlich der HI. Teil des Reglements, der nicht weniger als 17 Seiten hindurch von der ver Landsturm von 181). I, Wie die Landwehr ist auch der Landsturm eine Schöpfung des Jahres 1813. Mehr noch als jene drückt dieser dem genannten Jahre das Gepräge einer gewaltigen Volkserhebung auf und weniger noch als die Landwehr verleugnet der Landsturm seine Geburtsurkunde, die das Datum der großen französischen Revolution trägt. Wie die Bauernbefreiung in Preußen eine schwächliche Nachahmung der Bauernbefreiung in Frankreich , wie die Hardenbergsche Reform- -gesetzgebung eine schwächliche Nachahmung der Vorfassung des Königreichs Westfalen und diese wieder eine Vcrwäffcrung der französischen Verfassung, so war die Landwehr von 1813 ein Ab- klatsch der Ziationalgarden bon 1781 und 1792 und der Landsturm von 1813 eine Kopie derlevee cn masse", des Massenaufgebots bau 1793. Freilich sind Verschiedenheiten im einzelnen uirverkenn- bar. Während die französische Konstituante 1791 Dubois.Crauces auf die allgemeine Wehrpflicht abzielenden Borschlag glatt ver- warfen hatte, und die Nationalgarden sich überwiegend aus Frei- willigen zusammensetzten, schloß die preußische Landwehrordnung in der Tat die allgemeine Dienstpflicht in sich. Während in Frank- reich Linientruppen und Nationalgarden sehr rasch zu einer Ein- heil verschmolzen, blieben Linie und Landwehr in Preußen streng voneinander getrennt. Während das Massenaufgebot der Republik in Wirksamkeit trat, konnte die dem preußischen Landsturm zu- gedachte Rolle schon deshalb nicht erfüllt werden, weil sich die Kriegsgcwitter sehr bald aus den Grenzen der preußischen Man- archie verzogen. Aber trotz aller Unterschiede ist der revolutionäre Ursprung von Landwehr und Landsturm über allen Zweifel er- haben. Wo Scharnhorst über sein Landwehrprojekt spricht, ge- braucht er einmal geradezu den Ausdruck Natioualgardc und der Freiherr vom Stein schrieb schon 1811:»So verabscheuungöwürdig der revolutionäre Wohlfahrtsausschuß war, so sehr verdient er Nachahmung und Bewunderung bei seiner Aufstellung und Eni- Wickelung der Streitkräfte der Nation." Was der Landsturm leisten sollte, war der Volkskriegen seiner ursprünglichsten und auch in seiner wildesten Gestalt. Seit 1899 auf dem Schlachtfeld von Jena und Auerstädt der Zusammenbruch jener Armee des achtzehnten Jahrhunderts, die, aut Mietlingen Parade handelte. Hier schrieb das Reglement selbst Dinge vor, die die Truppen auf dem Gefechtsfelde wieder abstreifen müßten, wollten sie nicht furchtbare Prügel bekommen. Im Exerzier- reglement von 1996 ist die gleiche lustige Inkonsequenz zu be- wundern, nur ist der bewußte schöne Satz jetzt einfach durchschossen gedruckt. Herr bon Heeringen bestritt auch, wie sich allerdings von selbst versteht, die Richtigkeit der Bebauplung des Abgeordneten H a euS ler. daß zum Siege vor allem Schießfertigkeit und Marsch- lüchtigkeit gehören. Nach dem jetzigen KriegSminister genügt schon die Disziplin. Im Kriege muß allerdings Disziplin vorhanden fein, aber sie hilft wenig, wenn mit ihr nichr die vom Abgeordneten HaeuSler genannten Eigenschaften gepaart sind. Da Herr v. Heeringen die Marschtüchtigkeit offenbar nicht zu den ausschlaggebenden Faktoren deS Krieges rechnet, wollen wir ihm schnell erzählen, was in der F e l d d i e n st o r d n u n g der deutschen Armee vom Jahre 1999 über die Marschtüchtigkeit steht. Da heißt eS: .»Der weitaus größte Teil der KriegstStig- keit der Truppen besteht im Marschieren. Der Marsch bildet die Grundlage aller Operationen; auf seiner sicheren Ausführung beruht wesentlich der Erfolg a l l e r U n t e r n s h m u n g e n. Oft ist schon entsch eidend, daß eine Heeresabteilung zur rechten Zeit schlagfertig auf dem ihr angewiesenen Platz eintrifft." WaS sagen Sie jetzt, Exzellenz von Heeringen?" Knndgebnugeu gegen die Wehrvorlage. Die Rüstungs- und Kriegstreibereien fanden in den letzten Tagen wieder in einer großen Anzahl von Städten scharfe und einmütige Verurteilung. Protestversammlungen wurden abgehalten im Wahl- kreise Hanau 23, im Wahlkreise Wiesbaden 2l, im Wahlkreise Höchst a. M. 29, im 8. sächsischen Wahlkreise(Zwickau , Krimmitschau und Werdau ) 8, ferner im Wahlkreise Wetzlar , rm DillkreiS usw. polltircbc Qeberficbt. Berlin , den 11. April 1913. »Wer vieles nimmt, wird manchem etwas nehmen." Aus dem Reichstage. Der gegenwärtige Schatz- sekretär, Herr Kühn, ist von seiner Unersättlichkeit und Rücksichtslosigkeit als geldheischende Amtsperson abgesehen ein freundlicher alter Herr, der unnötige Aufregmigeit ver- meidet. Um so nrehr überraschte er am Freitag den Reichs- tag durch einen reellen Witz, der frei nach Goethe an Goethesche Einfachheit erinnert. Als Graf Posado wsky wieder ein- mal von der ihm nunmehr als Abgeordneten zustehenden Gedankenfreiheit Gebrauch machte und in krausen Gedanken- sprüngen über das Erbrecht des Staates der gegenwärtigen Regierung einige Streichhölzchen zwischen die Beine warf, rechtfertigte Herr Kühn die Vorlage der Regierung'mit milden Bemerkungen, die er mit dem munteren Sätzletn abschloß: »Wer vieles nimmt, wird manchem etwas nehnien." Das ist fürwahr eine Passende Inschrift für das Reichs- schatzamt. Sie eignet sich schließlich auch als Ersatz für die noch immer fehlende Inschrift des Reichstagsgebäudes. Denn vieles haben die Reichstagsmehrheiten dem deutscheu Volke, und zwar in erster Linie den arbeitenden Massen, von jeher abgenommen. Daß jetzt endlich die bürgerliche Mehrheit vor der Notwendigkeit steht, auch manchem aus ihren Kreisen, aus den Reihen der Besitzenden etwas zu nehmen, ist eine unausbleibliche Phase der Entwickelung. Wir Sozialdemo- traten werden ihre Durchsetzung beschleunigen belfen. Genosse Emmel brachte am Freitag die sozialdemo- kratische Auffassung zur Geltung. Vor ihm hatten der Volks- parteiler v. P a y e r mit kritischen Argumenten gegen die verschiedenen Steuervorschläge, der Reichsparteiler v. Gamp mit langweiligen polemischen Ausführungen gegen die Sozialdemokraten und der Graf Pofadoivskv gesprochen. Genosse Emmel wies die Angriffe gecjen die Sozialdemokratie wirksam zurück. Besonders cindringllch und schlagkräftig�ivar seine Entgegnung auf den Grafen Westarp, der am Tage vorher die Heranziehung der Gewerkschaften zu den Kosten der Wehrvorlage verlangt hatte. Tie Beiträge, die die Ge- werkschaften seit ihrem Bestehen und von Jahr zu Jahr in höherem Maße für die Wehrhaftigkeit deS deutschen Volkes leisten, sind unendlich weit höher und wertvoller als der Wehrbeitrag, zu dem jetzt endlich die Wohlbabenden, Reichen und Allerreichsten genötigt werden sollen. Ohne die Gewerk- schaften und ohne die zahlungsfreudige Opferwilligkeit der bestehend, nichiö vom Bürger und von der umgekehrt der Bürger nichts wußte, aller Welt so offenbar geworden war, hatte mehr als ein Volkskrieg durch seine Erfolge den Blick auf diesen neuen Weg zum kriegerischen Heil hingelenkt. Als Napoleon nach seinem eigenen Wort am Tajo die Engländer bekämpfte, wiesen ihm die spanischen Guerillas die Zähne und hier in einem zähen, grau- samcn und blutigen Bandenkrieg gegen ein von Pfaffen aufge- stacheltes ingrimmiges Volk verblutete sich zum erstenmal die Kraft der sieggewohnten französischen Bataillone umsonst. Dieser spa- nische Volkskrieg war in Teutschland mit nicht geringer Spannung verfolgt worden und mancher deutsche Offizier machte sich auf, um an der Seite der Spanier zu kämpfen und brauchbare Erfahrungen über die Taktik eines Volkskrieges mit heimzubringen. Größere Begeisterung noch begleitete den Aufstand der Tiroler gegen Bayern und Franzosen , der in seinem innersten Wesen ein stockreaktionärer Kampf des Mittelalters gegen das neunzehnte Jahrhundert, aber in seiner militärischen Form ein revolutionärer Volkskrieg gegen einen fremden Eindringling war."Auch unter den geweihten Fahnen der Tiroler kämpfte manch preußischer Offizier und ein junger Beamter in Hardenbergs Verwaltung, Jakob Bartholdy, sammelte hier im Tiroler Ausstand als österreichischer Landwehr- leutnant die wertvollen?lnregungen für die Organisation des Volkskrieges, die er später trefflich verwenden konnte, denn er wurde 1813 der eigentliche Verfasser des preußischen Landsturm- edittes. Schon 1899 war. eben unter dem Eindruck der spanischen und der Tiroler Erhebung, in deutschen Gauen die Hoffnung rege, daß bald ein Sturm des Volkes die fremden Eroberer aus dem Lande fegen würde, aber was von einzelnen Tollköpfen meternom. mcn wurde, diesen Sturm zu entfesseln, mußte elend und kläglich scheitern. Vergeblich suchte Oberst Dörnberg Hessen und West- falen aufzustürmen und dein»König Lustik" an den Kragen zu gehen, vergeblich unternahm es Leutnant Äatte. sich der Festung Magdeburg durch einen Handstreich zu bemächtigen, vergeblich rief Major Schill bei seinem verwegenen Loßbruch die Deutschen auf: »Ziebet die Sturmglocken! Alles greife zu den Waffen Sensen und Piken mögen die Stelle der Gewehre vertreten," vergeblich suchte auch der Herzog von Braunschweig mit seiner schwarzen Schar die Volksmassen mit fortzureißen noch war, weil die Macht der Fremdherrschaft noch allzu ungebrochen war, der Zeit- Punkt für eine Volkserhebung in Deutschland nicht gekommen. Ohne 1812 kein 1813? Was aber für die Volkskriege wie auch für die Putschversuche von 1899 kennzeichnend war, daS war zum mindesten ebenso sehr organisierten Arbeiter gäbe es keine so leisiungsfähisie In- dustrie. wie sie Deutschland hat, und keine solche geistig und körperlich aufstrebende Arbeiterschaft. Denn auch die schwachen Anfänge der Sozialgesetzgebung und des Arbeiterschutzes verdankt die deutsche Arbeiterklasse in erster Linie sich selbst. Tie letzte Rede des Tages hielt der Nationalliberale Roland. Lücke, ein praktisch und theoretisch geschulter Finanzmann, der nach interessanten Ausführungen über den Gold- und Sitberbestand des Deutschen Reiches zn den ein- zelnen Steuervorschlägen eingehend Stellung nahm. Für oie politische Lage am bedeutsamsten war seine Erklärung. daß seine Partei an einer Erbanfall- oder Reichsvermögens- steuer festhalte. Wenn gestern sein Parteifreund Paaschs er- klärt habe, daß es die eine oder die andere dieser beiden Steuern sein könne, so hätte er persönlich auch nichts dagegen, wenn beide Steuern zusammen beschlossen würden, Die Konservativen warfen dem Redner bei diesen Worten gerade keine freundlichen Blicke zu. Wie vielen Mitgliedern der nationalliberalen Partei aber daS Herz erbebte, als einer ihrer Radikaleren diese bestimmte Erklärung abgab, ließ sich äußerlich nicht erkennen. Vielleicht zeigt es sich später. Gegeu die proletarische Jugendbewegung. Die Debatten über das Kapitel.Jugendpflege" des Kultus- etatS, die sich daS Abgeordnetenhaus am Freilag leistete, bewegte sick in den gewöbnlichen Bahnen. Nur daß in diesem Jahre mit Rücksicht darauf, daß der Fonds von 1>/z Millionen auf 2>/z Millionen erböht ist, um auch die weibliche schulentlassene Jugend zu ver- blöden, viel über die Erziehung der jungen Mädchen gesprochen wurde. Im übrigen aber hielten es die Redner der beiden konser- vativen Parteien, deS Zentrums und der Nationalliberalsn wie all- jährlich für angebracht, die proletarische Jugendbewegung, wie sie sich in ihren Köpfen darstellt, in Grund und Boden zu rennen. Allerdings ohne Erfolg. Genosse Hirsch wies in l'/zstündiger Rede nach, wie verlogen die Angriffe gegen die sozialdemo- kratische Jugendbewegung im Hause und außerhalb desselben sind, mit wie vergifteten Waffen Regierung und Mehrheilsparteien die Sozialdemokratie bekämpfen und wie wohl sich unsere Partei dabei fühlt, wie unsere Jugendbewegung von Jahr zu Jahr an Boden gewinnt. Hierauf hielt unser Redner den Parteien, die so sehr in sittlicher Entrüstung über die sozialdemokratische Jugend- literatur machen, einen Spiegel vor Augen, in dem sie ihre eigene Schundliteratur, die sie der Jugend bieten, genau betrachten konnten. Die Anklagerede dcö Genossen Hirsch blieb nicht ohne Wirkung. in einer Anwandlung von Scham bat ein Vertreter der Mehrheit darum, daß gewisse Lieder in Zukunft aus einem bürgerlichen Jugendliederbuch entfernt werden, um den Sozialdemokraten keinen Anlaß zur Kritik mehr zu bieten. Angesichts der Talsache, daß der preußische Kriegsminister in der Budgetkommission deS Reichstags die Förderung der staatlichen Jugendpflege durch die Heeres» Verwaltung bestritten hat. verdient ein von dem Genossen Hirsch mitgeteilter Erlaß über den Zusammenhang zwischen Militarismus und Jugendpflege Beachtung, Nebenher gingen Angriffe auf den Ausschuß der Lehrerschaft zur Prüfung von Jugendschriften, Angriffe, deren Urheber der bc- kannte Verlag von Scholz in Mainz und sein literarischer Beirat Herr Kotzde sind. Unser Redner war in der Lage, durch Briefe zu beweisen, daß dieser Verlag noch vor wenigen Monaten daS größte Gewicht darauf gelegt hat, mit der Sozialdemokratie in Fühlung zu treten, um auf diese Weise besiere'Geschäfte machen zu können. Daß die 2V, Millionen schließlich bewilligt wurden, bedarf ebenso wenig der Erwähnung, wie daß man dem Genossen Liebknecht , der als einziger noch auf der Rednerliste stand, daS Wort abschnitt. DaS ist in der preußischen Duma selbstverständlich. Am Sonnabend hofft man. die zweite Lesung des KultuSetatZ zu beenden.__ Staat und Papstkirche. Der Papst hatte vor feiner schweren Erkrankung eine neue Enzyklika vorbereitet, die die.Freiheit der Kirche", das heißt die Unabhängigkeit der Kirche vom Staat behandeln sollte. Sein geschwächter Gesundheitszustand hat diese Absicht verhindert; doch hat Pius X. daraus vor einer Woche einen Auszug verle>cn lassen, aus dem folgende Stelle besonders interessant ist: Die Kirche, diese große religiöse Gesellschaft von Menschen. die im gleichen Glauben und in der gleichen Liebe unter der obersten Leitung deS römischen Pontifex leben, hat einen Zweck. der höher und von jenem anderer bürgerlicher Gesellschaften unter- schieden ist, denn diese suchen das zeitliche Wohl zu sichern, während wie das Interesse, das sie unter anderem bei den preußischen Militärreformern erweckten, die Abneigung, auf die sie in den Kreisen der GotteSgnadentümler stießen. Verpönt war hier der Begriff Volk, verrucht der Begriff Aufstand und wo beide in einen zusammenflössen, waren für die Versechter der Legitimität, selbst wenn der VolkSausstand für die alten Gewalten aufflammte, alle Höllenhunde entkettet. So schaute der österreichische Franz, der nicht umsonst in seinen Mußestunden Vogelbauer lackierte, war doch sein Land selbst ein großer Käfig mit engen Gitterstäben, dem Volkskrieg in Tirol mit Unbehagen zu. und lieh, sobald die Gc- legenheit kam, die für seine Sache Kämpfenden schmählich im Stich. Mehr noch sah seine Frau Maria Ludovica in dem- bayerischen König von Napoleons Gnaden einenangestammten Monarchen" und in dem Streben der Tiroler, sein Joch abzuwerfen, ein hoch- verräterisches und revolutionäres Unternehmen. Ganz entsetzt schrieb sie an den Erzherzog Johann :»Leider leben wir in einem Jahrhundert, wo unter dem Deckmantel des Patriotismus man stets die Achtung für den Monarchen und feine Gewalt zu vermindern sucht." Als der Gamaschenknopf von Dörnberg nach dem Schci- tern seines tollkühnen AufstandsversucheS vor seinem Landesherrn erschien, für den er sein Leben gewagt, dem Kurfürsten von Hessen- Kassel, dem berüchtigten Seelenverkäufer, da reichte ihm der als einzige Anerkennung für seine Tat mit verächtlicher Geringschätzung eine Tausenguldennote hin! Uich der preußische Friedrich Wtl- Helm wie könnt es anders sein! war ganz außer sich über Schills Streich und tobte wie ein Korporal über die»Jusub- ordination". In den Schillschcn hat er auch zeitlebens nie etwas anderes gesehen als Deserteure und als den elf standrechtlich er- fchossenen Offizieren in den dreißiger Jahren in Wesel ein Denkmal gesetzt werden sollte, Hot er sich nur mit dem äußersten Wider- streben die Zustimmung abgepreßt. M diese matten und niederen Seelen ahnten in einem dumpfen Selbsterhaltungstrieb den Zusammenhang der Volkserhebungen mit der großen Revolution und empfanden nichts als das Gefühl der Bestürzung darüber, daß die Völker aus eigenem zu handeln wag- ien. Aber auch höher gestimmte Seelen waren der Revolutions. ahnungen voll.Einer großen und allgemeinen Revolution kann Europa nicht entgehen, es mag Sieger bleiben, wer da will. Von dieser großen und allgemeinen Revolution würde selbst eine allge- meine Insurrektion der deutschen Völker nur ein Vorläufer sein." So der geniale Clausewitz am 21. Mai 1899 an seine Braut. Der Landsturm von 1813 sollte so etwas wie dies« Insurrektion der Völker sein.