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ergeben. Dafür ist auch'charakteristisch der Besuch des jetzigen Prinzregenten in Berlin , wobei er sich bürgerlichen Reichstags- abgeordneten vorstellen lieg und sie ermahnte, hier im Reichstage ihre Pflicht zu erfüllen.(Hört! Hört! b. d. Soz.) Das ist eine ganz neue Erscheinung für Bayern . Keiner der Vorgänger des jetzigen Prinzregenten hat sich in die politischen Angelegenheiten und die Angelegenheiten der Volksvertretung eingemischt, und es ist nur zu bedauern, daß die bürgerlichen Abgeordneten bei dieser Vorstellung nicht das rechte Wort gefunden und nicht gesagt haben: ..Hoheit, das sind unsere Sachen".(Lachen rechts.) Man fragt: was werden die Gegenleistungen won Berlin für das willfährige Verhalten der bayerischen Regierung bei den Militär- und Deckungsvorlagen sein, und man sagte, die Jesuiten Werve» dafür eingetauscht werden. Es hat infolge dieser Dinge eine gewisse Mißstimmuna in Bayern Platz gegriffen. So hat z. B. derBayerische Kurier", das führende Organ der Zentrumspublizistik, einen sehr scharfen Artikel gebracht, worin es heißt:Der Militarismus frißt uns auf, wohin soll das führen? Heute kosten uns fünf Jahre des Friedens soviel und mehr als ein verlorener Krieg von gestern." (Hört! Hört! b. d. Soz.) Aber auch bis in die höchsten Kreise in Bayern macht sich Mißstimmung bemerkbar. Das beweist ein Ar- tikel deS Reichsrats Graf v. Preysingt in derZukunft". Er schreibt:Eine solche einmalige Abgabe ist eine Äriegskontribution und muß, wie jede gewaltätige Maßnahme, durch den bloßen Schrecken, durch die Erschütterungen das Vertrauen in die Stabilität unserer Verhältnisse verwirren. Es wäre höchst bedauerlich, wenn die Impulsivität, das Spontane nun auch auf das äußerste Nüch- ternheit erfordernde Finanzwesen übertragen würde."(Hört! Hört! b. d. Soz.) Daß der Wehrbeitrag gerade freudige Aufnahme im Reichstag gefunden hat, kann ich nicht sagen. Dies Allheil- mittel gegen die Rüstungen stammt ja' von unserem Genossen David, und ich möchte die Regierung ersuchen, von dieser Mixtur ausgiebigsten Gebrauch zu machen. Der vorgeschlagene Prozent- satz ist viel zu gering. 4 Proz. wären viel wirkungsvoller. Selbst- verständlich darf daS Grundvermögen nicht bevorzugt werden, ebensowenig wie die Tote Hand, abgesehen von Wohltätigkeits- stiftungen, außer betracht bleiben könne. Graf Westarp hat sich in einem Anflug von Galgenhumor den Scherz erlaubt, es müßte auch geprüft werden, ob man die Arbeitergewerkschaften zur Vermögensabgabe heranziehen könne. Das war wohl nur ein verspäteter Äprilscherz. der nicht ernst zu nehmen ist.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Die vorgeschlagene Stempel- und Ouiktungssteuer er- fassen sämtliche versicherungsfähige Gegenstände, die es zwischen Himmel und Erde gibt.(Heiterkeit.) In dieser Beziehung hat die Regierung gründliche Arbeit geleistet. Einzuwenden ist gegen diese Steuer vor allem, daß sie nur den Teil des Volke? treffen, der so vorsichtig war, sich gegen Unglücksfälle usw. zu versichern. Eine vernünftige Regierung müßte alles tun, um daS Versiche­rungswesen zu fördern. 7b Proz. der Versicherten werden diese Steuern zu zahlen haben, und besonders fchwer wirken sie auf den.. Mittelstand. Für daS Erbrecht des FiSkuS werden wir einen anderen Ver- teilungsmaßftab beantragen, etwa den, der dem Reichswertzuwachs- l'teuergesetz entspricht, 50 Proz. für daS Reich, 10 Proz. für den Bundesstaat, und 40 Proz. für die Gemeinde. Zur Gemeinde steht der Erblaffer vielfach in so naher Beziehung, daß sie in erster Linie als Erbe mit in Betracht kommen muß. Auch werden den Gemeinden durch die neuen HeereSvorlagen erhebliche Lasten auf- gebürdet. Ein sicherer Schluß auf. die Lösung der Deckungsfragen läßt sich noch nicht ziehen, man weiß nicht, ob dieselbe Mehrheit, die die HeereSvorlagen bewilligen wird, auch die Deckung bewilligen wird, es hängt das von den Nationalliberalen ab. Herr Roland- Lücke sagte, sie werden an der Reichsvermögens- und Erbschafts - steuer festhalten. Nun, wir wollen abwarten, ob sie konsequent bleiben. Unser Hauptinteresie an der Erledigung der Deckung kon- zentriert sich in dem Bestreben, von den breiten Masien de? Volkes jede neue Belastung fernzuhalten.(Lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Arendt(Rp/): Ich habe noch das Bedürfnis, meine Meinung über die Verstärkung des Kriegsschatzes auszudrücken. Ich halte die geplante Erhöhung für dringend notwendig. Aber für bedenklich halte ich es, daß diese Mittel in der ReichSoank ab- gesondert gehalten und dem Verkehr nicht zugänglich gemacht wer- den sollen. Eine Viertelmilliarde Gold dem Verkehr zu ent- ziehen, ist nicht ratsam. In Kriegszeiten haben wir das Geld auch zur Verfügung, wenn eS in Friedenszeiten auf der Reichsbank dem Verkehr dient. Ich freue mich, wie hier über das Wertzuwachs- steuergesetz gesprochen worden ist. Es kommt nicht nur darauf an, daß Milrtar- und DeckungSvorlagen angenommen werden, son- dern vor allem darauf, daß wir sie schnell annehmen und daß daS geschieht unter Einigkeit der bürgerlichen Parteien und ohne Kon- flikt zwischen Reichstag und Verbündeten Regierungen. Der Zu- iunft möge eS dann überlassen bleiben, den Kampf um die Prin- zipien durchzuführen, die wir dieSnial nicht lösen können, weil eS iins an Zeit gebricht.(Bravo ! rechts.) Abg. Dr. Südckum(Soz.): Im Gegensatz zum Vorredner bin ich der Meinung, daß eS gerade letzt Zeit ist, die Prinzipienfragen aufzuwerfen. Wenn wir eS jetzt nicht tun, werden wir in abseh- barer Zeit keine Gelegenheit dazu haben.(Sehr wahr! bei den So- gialdemokraten.) Die Frage, ob es gelingen kann, durch die fchwarz-blauen Parteien mit einigem Zustrom aus den Reihen der Zkationaliberalen die ganzen Vorlagen unter Dach und Fach zu bringen, ist auch keineswegs neu, sondern darum hat sich die ganze bisherige Debatte gedreht.(Sehr wahr! bei den Sozial- Demokraten.) Der Reichskanzler meinte, ich hätte mich geirrt in der Annahme, seine Worte über die verhängnisvollen Folgen über Wohlleben und Luxus hätten sich auf Deutschland bezogen, in Wahrheit habe er damit eine allgemein historisch-philosophische Maxime zum besten geben wollen. Ich habe daS Stenogramm seiner Rede noch einmal nachgelesen und kann danach von dem, was ich gesagt habe, nichts zurücknehmen. Es ist ja richtig, daß der Reichskanzler in der Dunkelheit seiner Aussprüche mit Heraklit erfolgreich wetteifert (Heiterkeit), im übrigen war er ja schon einmal genötigt, seine Ans- führungen über Slawen, und Germanentum zu interpretieren. Die Hauptsache für den Reichskanzler war wohl jedenfalls gegenüber den Ausführungen von der Linken zu warnen vor dem Wege einer Reichsvermögens- und Erbschaftssteuer. Diese Warnung findet bei uns taube Ohren. Ich erkenne darin nicht den Versuch, wirklich das Reich und die Einzelstaaten vor Gefahren zu bewahren, sondern den Versuch, an dem heutigen Privilegiensystem nichts ändern zu lassen. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das System, daß Einzel- staaten Zuschläge zu Reichssteuern leisten, ist gar nichts neues. Wir haben eS allerdings in etwas anderer Form bei der Reichserb- ichaftSsteuer, bei der Reichswertzuwachssteuer, bei der Totalisator- steuer. Wir sagen im Gegensatz zum Reichskanzler, gerade, wer eS ernst und gut mit dem Reiche meint, mutz darauf bestehen, daß daS Reich zur direkten Besteuerung übergeht, damit wir aus den unhaltbaren Zuständen der heutigen Finanzwirtschaft herauskommen.(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Gewiß, der Ruf nach direkten Steuern ist schon alt, er ist schon erhoben worden bei der Gründung des Reiches im Ar- tikel 70 der Verfassung.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Bisher hat das Streben nicht zum Erfolg geführt, aber wenn man alles aufgeben wollte. waZ nicht auf den ersten Anhieb gelingt, so wäre kein großes Werk der Welt überhaupt zur Vollendung ge- kommen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Kultur. aufgaben in den Einzelstaaten werden darunter nicht leiden. Sie sind so unbedingt notwendig, daß sie gelöst werden müsien, ganz gleich wie. Es bleiben auch noch viele direkten Steuern in den Einzelstaaten übrig. Bei der Gegenüberstellung der direkten und indirekten Besteuerung in Deutschland hat der Reichskanzler unseren Standpunkt ganz unberücksichtigt gelassen, die enorme Verteuerung der. im Lande selbst gewonnenen und verzehrten Nahrungsmittel, namentlich de» Brote». Jährlich«ine Milliarde muß da» deutsche Volk für seinen Broibedarf infolge der Getreidezölle mehr auf- bringen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten. Zuruf rechts: Wie ist eS denn in Frankreich ?) In Frankreich tritt der Weizenzoll durchaus nicht ebenso im Preise in die Erscheinung wie bei uns, weil Frankreich fast keine Einfuhr aus dem Auslände braucht. Warum hat der Reichskanzler nicht das naheliegende Beispiel von England genommen, warum nimmt er ganz allein auf Frankreich Bezug?(Sehr richtig! bei de» Sozialdemokraten.) Wenn der Reichskanzler am Schluß wieder die Sammclslöie blies und die Nationalliberalen noch einmal für die Idee des Anschlusses an den schwarzblauen Block zu gewinnen sucht, mit dem Hinweis darauf, oaß der Weg zu direkten Reichssteuern verstärkt sei durch seine War- nungen, so verweise ich darauf, daß wer auf Worte vom Regicrungs- tisch, noch dazu in einer so taktisch gespannten Lage wie der jetzigen, bauen wollte, ans Sand gebaut hat. lSehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Beim Abgang des Fürsten B ü I o w hat Herr von Bethmann Hollweg sehr rasch und exakt seine Ueberzeugung gewechselt, und ich bin überzeugt, wenn die Mehrheit des Reichstags jetzt eine direkte ReichSjteuer beschließt, wird der Reichskanzler ebenso schnell wieder umlernen.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Debatte. Tie Vorlagen gehen an die Budget- kommisfion. Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung Montag 2 Uhr(Etat des Auswärtigen Amts und des Reichskanzlers). Schluß 4� Uhr._ Airtschattllchei'©ochcndcricht. Internationale Beziehungen der Waffen- und Munitions- iudustrie. Tie Ausführungen des Genossen Südekum bei Beratung der Deckungsvorlage über die Dillinger Hüttenwerke A.-Ges., in deren Aufsichtsrat Franzosen zusammen mit deutschen Mitglie- dern Panzerplatten für deutsche Kriegsschiffe kalkulieren, haben die öffentliche Aufmerksamkeit erneut auf die internationalen Be- Ziehungen in der Mordwerkzeugindustrie gelenkt. Noch heute nehmen unter dem Vorsitz Generalleutnants von Schubert, des Schwiegersohnes von Stumm zwei Franzosen an den Verwaltungs- ratssitzungen der Gesellschaft als vollberechtigte Mitglieder teil. Dieser internationalen Verbrüderungen in der Maffenindustri« gibt eS zahlreiche Beispiele. Man braucht nur irgendeine bedeu. tende Unternehmung dieses Gebietes herauszugreifen und ihre Beziehungen und Interessengemeinschaften zu verfolgen. Ansang voriger Woche fand in Berlin die Generalversamm- lung der Deutschen Waffen- und Munitions- f a b r i k e n A.-G. statt. Die Deutschen Waffen so lautet ihr Börsenname» sind im letzten Jahre bekannt geworden durch ge- waltige Kurssteigerungen an der Börse, die sich im laufenden Jahre weiter fortgesetzt haben. Zurzeit stehen die Aktien auf öS? Proz. Das wird verständlich, wenn man berücksichtigt, daß in den letzten sieben Jahren dreimal je 20 Proz., dann 22, 24, 25 und im letzten Jahre 32 Proz. Dividende gezahlt wurden. Neben diesen hohen Dividenden erlaubten aber die Ueberschüsse noch ganz be- trächtliche Abschreibungen und Rückstellungen. In den letzten acht Jahren betrugen die offenen Abschreibungen jährlich IM bis 2 Millionen, so daß die wertvollen Maschinen, Werkzeuge, Fuhrwerke, Modelle und Zeichnungen, Patente und Licenzen, Mobilien und Geräte nur noch mit je einer Mark zu Buche stehen. Von dem eigentlichen Besitz der Gesellschaft erscheinen als Aktiva in der Bilanz nur noch Grundstücke und Gebäude und auch sie mit stark abgeschriebenen Werten. DaS gleiche gilt für das Konto Beteili. gungen, die mit den Kautionen und Hypotheken zusammen auf über 3 Millionen bewertet werden. Dabei steckt in diesem Konto der Aktienbesitz an mehreren in- und ausländischen Unternehmen, so der Waffenfabrik Mauser, den Dürener Metallwerken, der Metall- gesellschaft zu BreScia (Italien ), der Nationalfabrik für Kriegs- waffen in Herstal (Belgien ), einer Kugelfabrik in Paris . Da alle diese Gesellschaften ebenfalls hohe Dividenden verteilten und die Kurse ihrer Aktien hoch stehen, repräsentiert dieser Aktienbesitz einen viel größeren Wert als ihn die Bilanz angibt. Die genannten deutschen Gesellschaften gehören ebenso wie die Deutschen Waffen selbst dem Löwe-Konzern an. Ursprünglich betrieb Ludwig Loewe in Martinikenfelde selbst eine Wassenfabrik, verkaufte sie aber im Jahre 18SS an dieDeutsche Metallpatronen. fabrikfabrik in Karlsruhe ", die darauf den NamenDeutsche Waffen- und Munitionsfabriken" annahm. Neben den Deutschen Waffen ist Loewe A.-G. an zahlreichen Waffen- und MunitionS. fabriken beteiligt, so an den Dürener Metallwerken, die Patronen- hülsen herstellen, der Wassenfabrik Mauser in Oberndorf a. N., an den Köln-Rottweiler Pulverfabriken. Durch die K ö l n- R o t t- weiler Pulverfabrik steht nun der Loewe-Konzern in Be- ziehung zu der gesamten internationalen Pulver- und Spreng- stoffindustrie. Köln -Rottweiler besitzt nämlich neben Aktien der Deutschen Waffen noch solche der Rheinisch-Westfälischen Spreng. stoff A.-G., ferner russischer, englischer und spanischer Sprengstoff- fabriken. Mit den Pulverfabriken von Cramer u. Buchholz zu Rönsahl und Hannover und der Kommanditgesellschaft von Wolfs u. Co. in Walsrode unterhält Köln-Rottweil eine enge Interessen- gemeinschaft, diePulvergruppe" innerhalb deS internationalen Pulver- und Sprengstofskartells. Zwischen den Pulverfabriken und Dynamitfabriken besteht ein Kartellvertrag zum Zwecke gemein- samer Gewinn- nnd Verlustbeteiligung. Obgleich jede dem Kartell angehörige Gesellschaft ihre besondere Organisation beibehält, be- sorgt die Gesamtgeschäftsleitung, ein aus zwölf Mitgliedern be- stehender Delegationsrat, der sich au» je sechs Mitgliedern der Pulver- und Sprengstoffgruppe zusammensetzt. Erster Vorsitzender war bisher der kürzlich verstorbene Geheime Kommerzienrat Heide- mann als Vertreter von Köln-Rottweil. Die Befugnisse des Dele- gationsrates sind recht weitgehende; er entscheidet über die AuS- führung von Neueinrichtungen, Vergrößerungen und Verbesserun- gen der Anlagen, über Bilanzaufstellung und Beteiligungen an anderen Unternehmungen. Ebenso sind Veräußerungen von Grund und Boden und von Wertpapieren an die Zustimmung des Dele- gationsrates gebunden. Der DelegationSrat beschließt an der Hand der ihm vorgelegten Vor-Bilanzen, die er auf Grund der eingefor- derten Bücher. Belege und Rechnungen selbst nachprüfen kann. über die endgültige Bilanzaufstellung und die Gesamtsumme der zu verteilenden Gewinne, von denen 60 Proz. auf die Spreng- stoffgruppe, 40 Pro. auf die Pulvergruppe entfallen. Bis je 5 Proz. des Gewinne» kann der DelegationSrat zur Auffüllung eineS Kartellfonds entnehmen. Auf Verstöße irgendwelcher Art gegen die Kartellverträge durch die beteiligten Unternehmen drohen hohe Konventionalstrafen. So verfällt das Mitglied, das trotz Beschlusses des Delegationsrates sich an einem dritten Unter- nehmen beteiligt, einer Strafe bis zu l�i Millionen. Der Kartell­vertrag, der bereits 1889 abgeschlossen wurde, läuft bis Ende 1925. Seit 1909 gehören dieser Konvention sämtliche deutsche Munitions- fabriken an. In der Sprengstoffgruppe dieser Konvention hat die Führung die englische Gesellschaft The Nobel-Dynamite Trust Company in London (Aktienkapital 4 Millionen Pfund Ster- ling). Die Gesellschaft diente seit ihrer Gründung 1856 dem Zweck, Aktien von Sprengstofffabriken zu erwerben und die inter - nationale Sprengstosfindustrie einheitlich zu finanzieren. Gegen- wärtig ist die Trust Ca. Besitzerin von Aktien zahlreicher Spreng- stosf. und Pulver- auch Waffen- Fabriken in der ganzen Welt. Mit anderen Unternehmungen der gleichen Art ist sie durch Jntercsseugemeiuschastsoerträge verbunden. Sie kontrolliert u. a. in Teutschland dir Dynamit A.-G. vorm. Alfred Nobel u. Co. in Hamburg , die Deutsche Sprengstoff A.-G. in Hamburg , die Rhei, nische Dynamitfabrik in Cöln , die Dresdener Dynamitfabrik, in England die Nobclsche Sprengstofffabrik zu Glasgow , die Explosiv» stoff-Alliance zu London , ferner die Australische Gesellschaft für Explosiv- und Chemische Waren zu London . In der Trust Co. arbeitet vornehmlich englisch-S und deutsches Kapital; in dem Vcrwaltungsrat waren im Jahre 1912 neben englischen Finan- zicrs Kommerzienrat Heidemann(Cöln ). Mar Schinckel(Hamburg ), Kommerzienrat Louis Hägen(Cöln ), Dr. S. Aufschläger(Ham- bürg) vertreten. An Dividenden wurden seit 1904 jährlich 10 Proz. gezahlt. Auch die Tochtergesellschaften strichen reichlichen Profit ein; so verteilte die Hamburger Dynamit A.-G. vorm. A. Nobel in den letzten sieben Jahren 16, 20 und 22 Proz. An den Verträgen des internationalen Sprengstoff- und Pulverkartells über die gemeinsame Gewinnbeteiligung wird eS besonders deutlich, wie das Wettrüsten, das angeblich der natio- nalen Verteidigung und Stärke eines Landes dienen soll, in Wahr- beit dem internationalen Großkapital zugute kommt. Jede neue Militärausgabe für Munitionsankäufe erhöht sofort den Prosit der beteiligten Fabriken in der ganzen Welt. So wird dem in der Mordzeugindustrie angelegten Kapital nur Gelegenheit ge- schaffen, neuen Mehrwert zu hecken und das so vergrößerte Kapital mit seiner verstärkten wirtschaftlichen Macht gewinnt auch gröhe- ren politischen Einfluß, der zu vermehrten Rüstungen treibt. Wenn schon der Rüstungswahnsinn zur Häufung von Mordwaffen treibt, dann soll wenigstens die Herstellung der Kriegsmaterialien in den Händen des Reiches selbst liegen, damit nicht daS Privat­kapital mit seinen schmutzigen internationalen Prositinteressen direkt beteiligt ist. 6mcbt3- Zeitung Hohe Strafen gegen Chauffeure. Außerordentliche Ruhe, Besonnenheit und Umsicht erfordert die Ausübung des Berufes eines Chauffeurs, insbesondere in einer so verkehrsreichen Stadt wie Berlin . Trotz aller Voreingenommenheit, die der Fußgänger den seine Ruhe störenden Fuhrwerken entgegen- bringt, wird den Chauffeuren in Berlin das Anerkenntnis nicht zu versagen sein, daß sie ihre nervenaufreibende Tätigkeit unter voller Berücksichtigung der Gefahren ausüben, mit denen ein starker Ver- kehr Fußgänger und Fahrzeuge bedroht. ES ist oft erstaunlich, wie im stärksten Gewühl Chauffeure in scheinbar gelassener Ruhe fast unvermeidlich erscheinende Zusammenstöße durch eine sachgemäße Wendung verhüten. Eine Ausnahme machen fast nur Privatauto- mobile, deren Besitzern manchmal das Bestreben, schnell vorwärts zu kommen, höher zu stehen scheint als das, auf Gesundheit und Leben der Bürger die erforderliche Rücksicht zu nehmen. Zur Regelung deS Verkehrs find polizeiliche VcrkehrSordnun- gen erforderlich. Terß Uebcrtretungen dieser VerkehrSordnungen bestraft werden, ist unvermeidlich. Völlig verkehrt und auch gegen das Interesse deS Publikums sind aber hohe Strafen wegen kleiner Kontraventionen. Denn naturgemäß wird die Besonnenheit und Ruhe der Chauffeure durch die Aussicht auf hohe Strafen für un» erhebliche Uebertretungen von Ordnungsvorschriften schwer beein» trächtigt und eine Nervosität hervorgerufen, die weit schlimmere Gefahren für das Publikum herbeiführen kann, als die Heber» tretung einer der vielen Ordnungsvorschriften. Ganz anders stellen sich einzelne Gerichte. Jüngst hat da» Schöffengericht Berlin-Tempelhof einen unbestraften Chauffeur, der von einer Straße in die andere nach link» in kurzem, statt in weitem Bogen einfuhr und das Warnungszeichen zu geben unter« ließ, mit nicht weniger als 50 Mark Geldstrafe belegt. Wie wurde die Strafhöhe gerechtfertigt? Mit folgender, der Wirklichkeit wider- sprechenden und die Chauffeure in ihrer Gesamtheit schwer beleidi» genden Ansicht:Mit Rücksicht auf die brutale Rücksichtslosigkeit, mit welcher die hiesigen Chauffeure durch die Straßen fahren, und die hieraus für da» Publikum entsprechende große Lebensgefahr erschien die erkannte Straf« angemessen." Solche Begründung läßt die Objektivität, mit der vor Gericht jeder Einzelfall abgeurteilt wer» den sollt«, durchaus vermissen. Von einerbrutalen RückstchtSlofig, keit" der hiesigen Chauffeure kann in Wahrheit nicht gesprochen werden. Und selbst wenn eine solche vorläge, darf sie doch nicht auf da» Schuldkonto des Angeklagten, dem lediglich die geschilderte Unvorsichtigkeit nachgewiesen ist. gesetzt werden. Nicht die Fahrart in Berlin , sondern die auf den Landstraßen außerhalb Berlins mag oft einerücksichtslose" genannt werden. Die in Schnelltempo z. B. auf der Potsdamer Chaussee dahersausenden, Staub aufwir- belnden Privatautomobil« erregen mit Recht den Unwillen der nach frischer Luft sich sehnenden Fußgänger. Ein gerechter Richter darf sich nicht von seiner Antipathie gegen den Angeklagten, geschweig« gegen seine Berufsgenossen leiten lassen, sondern allein von der zur Anklage gestellten Tat. Gegen /das besprochen« Urteil iftz Berufung eingelegt. Hoffentlich beherzigen die BerufungSrichter den obersten Rechtsgrundsatz mehr als das Schöffengericht. Die Bluttat eine» Eifersüchtigen beschäftigte gestern da» Schwurgericht de» Landgerichts I in einer gegen den Sljährigen Schmied Ernst Fritz gerichteten Anklage wegen versuchten Totschlages. Das Strafverfahren hat eigentümliche Wandlungen durchzumachen gehabt: eS war ursprünglich mff ver- suchten Mord gerichtet, der Angeklagte auch wegen dieses schwere» Verbrechens in Untersuchungshaft genommen worden. Der Unter- suchungsrichter kam aber nach den Vernehmungen des Angeklagten sehr bald zu der Ueberzeugung, daß höchsten» versuchter Totschlag vorliegen kÄine. Der Angeklagte wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Die EröffnungSkammer war der Ansicht, daß' nur Körper- Verletzung vorliege und verwies die Sache zur Aburteilung an da» Schöffengericht. Dieses wieder erachtete sich nach erhobenen Be- weisen nicht für zuständig und überwies die Sache unter dem Ge» sichtspunkte des versuchten Totschlages an das Schwurgericht. Der Sachoerhalt ist folgender: Der 21jährige Angeklagte, ein ordentlicher Arbeiter, der eine freudlose Jugend �durazgemacht hat, war in allen Ehren mit der Arbeiterin Ernestine Nather verlobt. Am 22. Dezember, dem Sonntag vor Weihnachten, hatte er mit Bekannten nachmittags in einem Schanklokal recht viel Bier ge- trunken und dazwischen noch einige Schnäpse verzehrt. Zum Abend ging er mit seiner Braut und seiner Mutter zu einer Vereins« weihnachtSbefcherung. die für ihn verhängnisvoll werden sollt«. Auch bei dieser Gelegenheit trank er mit Vcreinsgenossen noch ein er- heblicheS Quantum, so daß seine Mutter und seine Braut ihn wiederholt, aber vergeblich aufforderten.' mit dem Trinken auf- zuhören, da sie wußten, daß der recht nervöse Angeklagte durch den Alkohol leicht sehr erregt wird. Schließlich ging die Braut mit der Mutter in deren Wohnung in der Parochialstraße. Der Angeklagte. der seit einiger Zeit ohne jeglichen Grund aus einen bei seiner Mutter wohnenden Mieter eifersüchtig war, witterte Unrat und stürmt« auch« die Wohnung feiner Mutter, wo er seine Braut auf