Arbeiter der Nachtschicht die Arbeit nieder, die Polizei alarmierte sofort das Militär, das eine Stunde später die Käser-nen verließ, um im Verein mit der Gendarmerie und einemTeil der Bürgergarde die ausgedehnten Hafenanlagen zu be-setzen.Verhältnismäßig am wenigsten macht sich der Streik inder Landeshauptstadt Brüssel bemerkbar, wo das Straßen-bild in den Hauptstraßen sich nur wenig geändert hat, Brüsselist eben viel mehr Luxusstadt, als Industriezentrum, unddie etwa zwanzigtausend Industriearbeiter, die hier streiken,hielten sich absichtlid) und der Parole der Streikleitung sol-gend, in der Stühe der Streiklokale in den Arbeiterviertelnauf. Die Straßenbahnen und Kraftdroschken verkehren innormaler Weise; die meisten Straßenbahnwagen sind aller-dings nur sehr schwach besetzt, und es fahren viel weniger Last-fuhrwerke wie sonst. Eine Aenderung wird da allerdings ein-treten, sobald den Arbeitern der städtischen Gas- und Elektri-zitätswerke das Signal zum Streiken gegeben ist.In den w a l l o n i s ch e n I n d u st r i e b ez i r k e n istalles wie ausgestorben. Ter Straßen- und Äleinbahnverkelirwird hier morgen aus Mangel an Ikeisenden zum größtenTeil eingestellt werden, die Züge fahren alle so gut wie leer.Trotz der provokatorischen Maßregeln der Regierung undvieler Lokalbchörden haben die Arbeiter überall die Paroleder Streikleitung befolgt, keinerlei Ansammlungen zu bilden.und sich in seder Hinsicht ruhig zu Verhalten. Bis jetzt ist keineinziger Zwischenfall gemeldet worden.Die Funktionäre und der Streik.Einem Beschlüsse des nationalen Streitkomitees gemäß münensämtliche im Dienste der Arbeiterbewegung stehende besoldeten Per-sonen Einschließlich der Arbeiter und der Angestellten der Genossen-schaften) während der ganzen Dauer des Streiks wöchentlich min-bestens die Hälfte ihres Verdienstes an die Streikkasse abliefern.Die Mandatare der Arbeiterpartei, die neben ihren Diäten durchihren Privatberuf noch über andere Einkommensquellen verfügen,müssen mindesten» die Hälfte von ihrem Gesamteinkommen abgeben.Diese Abgaben bedeuten für Brüssel allein eine wöchentliche Ein-nähme von mindestens 2S0YY Frank(20000 M.Z, die der Streikkasse zufließt.Sympathiekundgebungen.Das Brüsseler Parteiblatt„Le Peuple" veröffentlicht eineReihe von Schreiben, in denen bedeutende Gelehrte, Schrift-steller und Künstler dem kampfbereiten belgischen Proletariat ihreSympathie bezeugen. Darunter erregen besonders die Briefeder Schriftsteller Maeterlinck, Lerhaeren und A n a-tole France Aufsehen. Emile Verhaeren widmet denStreikenden ein Gedicht,„I' A v e n i e r"(Die Zukunft), dasnicht nur von ttefem Verständnis für die historische Bedeutungdes proletarischen Klassenkampfes zeugt, sondern auch literarischzum Besten gehört, was dieser große Dichter geschaffen.Maurice Maeterlinck wünscht dem„heroischen Kampfederer, die zum Ansturm rüsten gegen eine Regierung, die dieganze moralische Häßlichkeit. Niedrigkeit der Gesinnungund Perfidie des alten belgischen Klerikalismus per-körpert", vollen Erfolg. Anatole France schreibt,„er verfolge den Wahlrechtskainpf der belgischen Arbeiter mitbegeisterter Teilnahme und wünsche dem französischen Prole-tariat zur Stunde der Gefahr dieselbe Entschlossenheit undEnergie und dasselbe Verständnis für die Notwendigkeiteiner intimen Verbindung der politischen mit der gcwerkschast-lichen Aktion".Die Ausbreitung des Streiks.Brüssel, 15. April.(Privattelegramm des„Vor-wärts".) Ei» grandioses Ansteige» der Zahl derStreikende« bis gegen 400000 wird heute verzeichnet. Morgenwird eiue weitere Ausdehnung erwartet. Das Kohlen-land, die Großindustrie und der Autwcrpencr Hafen liegenvöllig lahm. In Gent ans der Ausstellung ist der Streikpartiell. I« der Textil- und Metalliudostrie sowie auf denWerften ruht die Arbeit allgemein. Die Zahl der streikendenMetallarbeiter in Seraiug steigt mächtig. An VervierSschreitet sie ans 35 000, in Eharleroi auf 75 000, im Centreans 45 000 zu. Auch in der Waffeufabrik Herstal wird gestreikt.Der Großindustrielle Waroque versorgt 15 000 Kinder.Die Organisation des Streiks klappt muster-» a f t. Die Brüsseler Streiksuppen werden ab Montag gratis auchsür Unorganisierte ausgegeben. I« Gent ist eiue Zunahme von5000 zu verzeichnen. In Antwerpen bewacht ein großes Aufgebotvon Militär und Bürgergarde die Docks und Petroleumlager.In Antwerpen.Antwerhen, IS. April.(Privattelegramm des„Bor.wärt s".) Die größte Antwervener Reederri„Red Star Linie"gibt bekannt, daß sie bis»um Ende de» Streiks keine Ladungenmehr annimmt.Chauvinismus hüben und drüben.Wie sich ans Berichten der französischen Regierung, die vondem deutschen Botschafter in Paris eingefordert wurden, ergibt.scheint tatsächlich der von der deutschen Presse so gewaltig auf-gebauschte Exzeß in Nancy zu einem Duiumeujungeustreich ciuerAnzahl französischer Studenten zusammenzuschrumpfen. Diefranzösische offiziöse Darstellung lautet nämlich:Paris, 15. April. Eine Note der Agence HavaS besagt: Nachdem ersten Bericht, den der Oberkommissar von Nancy an dasMinisterium des Innern gesandt hat, soll sich der Zwischenfall,der zu einigen Kommentaren in der Presse Anlaß gab, wie folgtzugetragen haben: Drei Deutsch« wohnten, von zweiDamen begleitet, am Sonntagabend gegen 101? Uhr einer Vor-stellung im Kasino bei. Einige Studenten machten ihnengegenüber ein paar anzügliche Bemerkungen und Pfiffe ertöntenvon der Galerie. Ter Zwischenfall blieb jedoch vomPublikuni unbemerkt. Die füuf Aremoen verließendann da? Kasino kurz vor 11 Uhr und begaben sich in die Loth-ringer Bierhalle, wohin fünf oder sechs Studenten, dieihnen folgten, ebenfalls gingen. ES kam zu einem gleichenZwischenfall wie in dem Kasino, und der Wirt bat dieStudenten, sich ruhig zu verhalten, was sie auch unverzüglich�ihne Gegenrede taten. Als die Fremden jedoch das Lokal ver-ließen, folgten ihnen die Studenten wieder mit einer Schar vonetwa 50 Neugierigen bis zum Bahnhofe und machten vonneuem ihre Wide mit ihnen. ES war gegen Iii Uhr nachts. EinDutzend Manifestanten ging bis auf den Bahnsteig mit und setztedort die Kundgebungen bis zum Abgang deS Metzer Zuges fort.DiedreiDeutschensindkeineOffiziere. Die vomOberkommissar eingeleitete Untersuchung wird fort-gesetzt, aber man kann schon jetzt sagen, daß der Z w i s ch e n-fall übermäßig aufgebauscht worden ist. Es scheintsich um das Vorgehen von etwas angeheiterten jungenLe u t c n zu handeln, die sich der GeschmacklosigkeitThres Benehmens nicht bewußt waren.Wenn auch auf deutscher Seite der Borfall kolossal aufge-bauscht worden ist, so läßt sich freilich auch nicht leugnen, daß sicheine Anzahl jugendlicher Elemente in Nancy allerhand Ungezogen-Helten gegen die insultierten Deutschen herausgenommeil hat. Wirwollen mit der französischen Regierung annehmen, daß die Stu-deuten angeheitert waren und daß ihre Hänseleien nicht sehr bös-artig geineint waren. Immerhin täten auch alle einsichtigen Ele-mente in Frankreich gut, wenn sie alle radaulustigen Elementemöglichst im Zügel zu halten suchten. In Teutschland wie inFrankreich ist es hauptsächlich die Sozialdemokratie, die die Pflichterfüllt, den chauvinistischen Unfug mit gebührender Schärfe zubekämpfen.Wenn wir also den französischen Chauvinismus verurteilen,sind wir freilich doppelt verpflichtet, auch alle törichten Ver-hetzungsver suche in D e u t s ch ba n d um so schärferzu brandmarken. Zu solcher Verhetzung gehören in ersterLinie auch alle übertreibenden Berichte über Borkommnisse inFrankreich. Leider ist ein großer Teil der deutschen Press« nur zubereit, jede beiläufige Ungezogenheit einer Handvoll französischerSchreihälse jugendlichen MierS über Gebühr aufzubauschen unddem französischen Volke zur Last zu legen, das für solche Ab-geschmacktheiten ebensowenig verantwortlich istwie das deutsche Volk für die chauvinistischenDelirien etwa der„Post" und der„TäglichenRundschau".Aber auch den deutschen Behörden gebührt die An-erkennung, daß sie sich um die Schürung de» Chauvinismus außerordentlich verdient gemacht haben. Beweist doch derMagdeburger Polizei st reich und mehr noch der Aus-weisungSbefehl der Braunschweiger Polizeibehördegegenüber dem französischen Abgeordneten Compöre-Morelein täppisches und nervöses Dreinfahren. durch das die vernünftigenElemente in Frankreich ebenso vor den Kopf gestoßen werdenmüssen, wie man gerade dadurch den französischen Kriegshetzerneine helle Freude bereitet. Sind doch die foanzösischcn Sozialistenden französischen RüstungZtreibern und Revanchemaulhclden ebensoverhaßt, wie den deutschen Scharfmachern und Kriegshetzern diedeutsche Sozialdemokratie. Die abgeschmackte Behandlung, die mandem französischen Abgeordneten widerfahren ließ, ist deshalb nichtetwa ein Akt der Vergeltung sür die Vorkommnisse in Nancy, son-dern im Gegenteil ein Liebesdienst für die Chauvin!,sten hüben wie drüben. Je mehr durch politische Gewalt-alie die Stimme der Vernunft und des internationalen Kultur-gewissens zum Schweigen gebracht wird, desto leichter wirb denprofeffionsmähigen Hetzern beider Nationen ihr gemeingefährliches.Handwerk gemacht. Die Polizeiaktionen von Magdeburg und Braun-schweig haben deshalb den Chauvinistenstreich von Nancv weit über-trumpft. Je skrupelloser sich aber die Chauvinisten hüben unddrüben gebärden, desto rücksichtsloser wird da? Proletariatdie Friedensliebe und den gesunden Menschen-verstand in Frankreich wie in Deutschland zur Geltungbringen.Soalallfteuhetae.Die Generaldebatte zum Etat, die sich das Abgeordnetenhausbei der am Dienstag begonnenen dritten Lesung leistete, standvöllig unter dem Zeichen des Kampfes gegen die Szzialdemokratie.Schon der erste Redner aus dem Hause, Abg. L i p p m a n n von derfortschrittlichen Volkspartei, konnte es sich nicht verkneifen, inseiner angeblich gegen die Reaktion gerichteten Rede der Sozial-demokratie einige Geitenhiebe zu versetzen, weil sie bei den bevor-stehenden Wahlen nicht bedingungslos die fortschrittlichen Kandi-daten unterstütze. Der Fortschritt, sich seiner eigenen Schwäche be-wüßt, sucht Anschluß nach rechts und hofft, daß die Sozialdemo-kratie ihn seiner schönen Augen willen aus der Patsche reihen wird.Demgegenüber kann nicht oft und nicht deutlich genug erklärtwerden, daß die Fortschrittler nur dann auf die Unterstützung derSozialdemokraten zu rechnen haben, wenn sie beweisen, daß ihnender Kampf gegen da» Dreiklassenwahlsystem wirklich ernst ist, d. h.wenn sie sich auf den Boden begeben, der ihnen durch die Resolu-tion unseres preußischen Parteitages vorgezeichnet ist.Nach dieser pflaumenweichen Rede des Fortschrittsmannc? kamGenosse L e i n e r t zu Wort. Seine Ausführungen, in denen ereinen Rückblick auf die Politik der herrschenden Klassen in Preußenwährend der verflossenen Legislaturperiode warf und scharf dierücksichtslose Art geißelte, wie die Mehrheit die ihr durch das Drei.klassenwahlunrecht verliehen« Macht zur Unterdrückung der Massenmißbraucht, bildeten eine flammende Anklagerede gegen das heutigePreußen. Mit beißendem Spott erging sich Leinert über denneuesten Polizeistreich des Magdeburger Polizeipräsidenten, mitgroßem Geschick kennzeichnete er im weiteren Verlauf seiner Rede.die ihm wiederholte Ordnungsrufe zuzog, den unheilvollen Ein.fluß Preußen» auf das Reich, die Stagnation auf allen Gebietender Gesetzgebung und Berlvaltung, nach Gebühr brandmarkt« erdie erbärmliche Haltung der konservativ-klerikalen Mehrheit zuallen Fragen und die Feigheit des bürgerlichen Liberalismus, umschließlich mit aller Schärfe die Notwendigkeit des Sturzes desDreiklasienwahlshstems zu betonen.Dia Ausführungen Leineris waren das Signal zu einemFrontangriff der Regierung und der vereinigten bürgerlichen Par-teien gegen die Sozialdemokratie. Ten Anfang machte der Polizei-minister von Dallwitz, der, nachdem er das Vorgehen des Mag-deburger Polizeipräsidenten in jeder Beziehung unter dem Jubel-gehen! der Mehrheit gebilligt hatte, sich in den fadesten Angriffenauf die Sozialdemokratie erging, Angriffen so flacher Art, wie sienur im Junkerparlament möglich sind. Die ältesten Ladenhüterholte der Minister zu seiner wohl vorbereiteten Wahlrede hervor,selbst vor den törichtesten Angriffen schreckte er nicht zurück. Herrv. Dallwitz weife, was er d i e f e m Hause bieten darf, er weiß auch,daß seine Freunde aus Abgeordnetenkreisen ihm zu rechter Zeit zuHilfe kommen und durch Schluhanträge den Angegriffenen die Er-widerung unmöglich machen, so daß seine Behauptungen, die sichhinterher schon mehr als einmal als unwahr erwiesen haben, un-widersprochen ins Land hinausgehen.Kaum hatte der Minister geendet, da stürzten sich wie aufVerabredung Redner aller bürgerlichen Parteien auf die Sozial-demokratie. und es ist charakteristisch, daß, abgesehen von� kleinenMeinungsverschiedenheiten über die Art, wie das Wahlsystem re»formiert werden soll, zwischen den Reden der Zedlitz, Herold,Friedberg und Lippmann ein Unterschied kaum zu ent-decken war. Von dem Oberscharfmacher an bis herab zu dem rc-aktionär-fortschrittlichen Abgeordneten für Stettin waren alle dieseReden auf den gleichen Ton gestimmt.Die dankbare Aufgabe, mit der Reaktion abzurechnen, fiel demGenossen S t r ö b e l zu. der mit großem Geschick die Sozialdemo«kratie verteidigte und sich ganz besonders den Minister vorknöpfte,der trotz des Versprechens der Thronrede von einer Wahlreformnichts wissen will.Bei der Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwal-tung kani es dann nochmals zu heftigen Auseinandersetzungen-Hier war es der neu ins Haus getretene Bundesführer Dr. Rae-s i ck e, der die Führung übernahm und gegen den GenossenLeinert polemisierte. Ihm sekundierte Herr Becker vom Jen»trum, dessen Ausführungen auf denkbar tiefstem Niveau standen.Verschmähte es dieser Vorkämpfer für Wahrheit und Recht dochnicht einmal, sich in gemeinen Verleumdungen gegen unseren Partei.freund Singer zu ergehen. Das sind die„geistigen" Waffen,mit denen man im preußischen Landtage kämpft.Mittwoch: Fortsetzung.politilcde(leberlickt.Berlin, den 15. April 1913.Auswärtige Fragen.Aus dem Reichstage. In der Fortsetzung der Debatteüber auswärtige Politik spielte der Zwischenfall von Nancyeine größere Rolle als ihm eigentlich zukommt. Gleich zuBeginn der Debatte teilte der Staatssekretär des Auswar-tigen von Jag o w mit. daß er den deutschen Botschafter inParis angewiesen habe, um Aufklärung zu ersuchen und ge-gebenenfalls Vorstellungen wegen des mangelhaften Schutzesder Deutschen in Frankreich zu erheben. Die bürgerlichenRedner benutzten natürlich die Gelegenheit, um das An-wachsen des französischen Chauvinismus zu beklagen, mußtensich aber von den Genossen Ledebour und Weil! sehrdeutlich sagen lassen, daß ihnen die Klagelegitimation völligfehle. Was sie bei den Franzosen Chauvinismus nennen,preisen sie in Teutschland als nationale Gesinnung an undder Zwischenfall käme ihnen gerade recht, um die flaue Sttm-mung gegenüber der Heeresvortage ein wenig zu beleben.Genosse W e i l l, der als Elsässer die Verhältnisse an derdeutsch-französischen Grenze genau kennt, gab dabei eine inter-essante Schilderung der Stimmung in Elsaß-Lothringen so-wohl als in Frankreich und zeigte, wie gering der Einflußder Revancheidee geworden ist. Wenn erst Elsaß-Lothringendie gewünschte Autonomie erhielte, so würden die nationa-listischen Strömungen bald jeden Boden verlieren.Außer der Affäre von Nancy besprachen die bürgerlichenRedner hauptsächlich die Frage des diplomatischen Dienstes.an dessen Mängel auch Genosse Ledebour scharfe Kritikübte. Aber mit Recht wies er darauf hin, daß, auch wennder dringende Wunsch der Liberalen in Erfüllung ginge unddie diplomatische Karriere auch Nichtadeligen geöffnet würde,doch an dem System der deutschen auswärtigen Politik da-mit nicht das geringste geändert wäre. Diesem System galtdann die weitere Abrechnung Ledebours und besonders glück-lich war dabei seine Widerlegung der panslawistischen Phrase.Immer wieder durch ebenso störende wie überflüssige Ord-nungsrufe des Präsidenten K a e m p f unterbrochen, zeigteer die völkerfeindlichen Züge der zaristischen Politik auf undwies nach, daß nur die Fehler der deutschen und österreichi-schen Politik es sind, die dem Zarismus erlauben, noch immerin der Befreiungsrolle der slawischen Völker zu paradieren.Im weiteren Verlaufe der Sitzung kam es noch zu einemZusammenstoß zwischen den: Unterstaatssekretär Zimmer-mann und dem Vizepräsidenten Paasch?. Der Unter-staatssekretär erlaubte sich, Ausführungen des AbgeordnetenMiiller-Meiningen als Klatsch und Tratsch zu bezeichnen undwurde deshalb mit Recht vyn Herrn Paasche zurechtglüviesen.Der Herr Unterstaatssekretär suchte sich erst mausig zu machen,fand aber schließlich einen Zurückzieber für geratener.Zentrumsschliche.Die„Germania" präzisiert in einem längeren Artikeldie Stellung des Zenttums zu der Militär, und Steuer-Vorlage. Sie meint, die Budgetkommission werde prinzipielldie Heeresvermehrung akzeptieren, im einzelnen aber A b-st r i ch e inachen. Näheres darüber erfährt man nicht.Ausführlicher werden dagegen die Deckungsvor-i ch I ä g e behandelt. Mit dem Wehrbeitrag ist das Zentrumim ganzen und großen einverstanden. Dagegen verrät es seinereaktionäre Natur in der Haltung zu den Steuervorschlägen.Die„Germania" erklärt sich klipp und klar gegen direkteReichs steuern. Diese sollen den Privilegienlandtagenüberlassen bleiben. Das erfordert angeblich der söderalistischcCharakter des Deutschen Reichs. Also keine Erbschasts-steuern, keine Reichseinkommen- oder Reichsvermögens-steuern? Nicht einmal die fakultative Vermögenszuwachs-steuer findet vor den Zentrumsaugen Gnade. Dagegen istdiese Volkspartei mit der Beibehaltung der Zucker-steuer in alter Höhe e i n v e r st a n d e n. Für diesesfrech-reaktionäre Steuerprogramm fordert das Zentrum auchdie Stimmen der Liberalen. Die Steuervorlagen dürf-ten nur von der gleichen bürgerlichen Mehrheit angenommenwerden, die die Wehrvorlage bewillige. Fügen sich die Libe-ralen der konservativ-klerikalen Steuerdiktatur nicht, dannwird das Zentrum die Wehrvorlagc scheiternlassen.Man muß schon sagen, weiter ist politische Frechheit nochnie getrieben worden. Das„nationale" Zentrum erklärtrund und nett, daß es die Wehrvorlage, die seine Rednersoeben als für die Verteidigung des Vaterlandes unerläßlichbezeichnet hatten, zu Fall bringen werde, wenn auf dieSteuerscheu der Agrarier nicht die gebührende Rücksicht ge-nommen werde. Und den Liberalen tvill es verbieten, sür ihrSteuerprogramm einzutreten, weil es am Ende mit Hilfeder Sozialdemokratie durchgesetzt werden könnte. Und daserklärt dasselbe Zentrum, das die Hilfe der Sozialdemokratiein Anspruch genommen hat, um die Aushebung des Jesuiten-gesetzes im Reichstage zu beschließen, die Polenpolitik derRegienlng durch ein Mißtrauen der Regierung zu stigmati-sieren, und eine ganze Reibe von Beamtenstellen, die die Re-gierung gefordert hatte, mit uns zu verweigern! Die Sacheist so dumm, daß die Nationalliberalen sicher darauf hinein-fallen werden._Tie Großindustrie und die Deckungsvorlagen.Seit die Regierung ihre Deckungsvorlagen dem Relchstage eingereicht hat, bröckelt der große Patriotismus der rheinisch- wesi-fäliichen Großindustriellen mehr und mehr ab. Zwar gegen dieWehrvorlagen haben die geschäftssinnigen Eisen- und Stahlbaronenicht da? mindeste einzuwenden, denn ein grofeer Teil der Ausgabender Militärverwaltung für Mordinstrumente fließt ja in ihreTaschen, und überdies haben sie vielfach, wie wir in der letztenMontagSnummer ausführlich nachwiesen, sogen.„BerständigungS-lonzerne" gegründet, um den MililärfiskuS nach allen Regelnder Kunst zu prellen und sich patriotische„Liebesgaben" zuverschaffen— aber daß sie selbst zu den Kosten derneuen HcereSvorlagen in erheblichem Maße beisteuern sollen, paßtihnen nicht. Ihre gerühmte vaterländische Opferwilligkeit erstrecktsich nur auf das Bewilligen der Heeresvorlagen, daS Ausbringen derMittel überließen sie gern, großmütig wie sie find, der breitenPolksmasie. Sie haben deshalb sowohl in der Reichsvermögens«wie in der Erbansallsteuer ein Haar gesunden und wünschen, daßdie zur Deckung der neuen jährlichen Mehrkosten erforderlichenSummen nicht durch die sogenannten Besitzsteuern, sondern durch