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Sanierung verkrachter Rittergutsbesitzer und die Sanierung der Vor- teile der übrig gebliebenen Restgüter für adlige konservative Partei- ganger! Wir wollen malsehen, welche konservativen Staatsstiitzen eigent- lich auf die Guter gesetzt werden, die den polnischen Grundbesitzern ent- eignet worden sind!(Sehr gut! linkA) Jetzt, wo die Reichsgesetzgebung das Volk wieder gewaltig zu belasten im Begriff ist, wird erklärt, daß der Besitz die Lasten tragen soll. Aber die Belastung des Volks durch Mebreinstellung von 136 000 Soldaten ist so gewaltig, daß die Milliarde des Wehrbeitrages und die paar Millionen Besitzsteuer, die vielleicht geschaffen werden, federleicht dagegen wiegen. Und wofür diese Lasten? Zur Verteidigung Ihres Vaterlandes, das Vorrechte auf Vorrechte auf die besitzenden Klassen häuft und die Rechtlosigkeit der Arbeiterklasse permanent macht I Darüber wird die Empörung im Volk in demselben Maße wachsen, wie Sie die A u s n ü tz u n g Ihrer Macht in diesem Hause betreiben. Würde sich nur der zehnte Teil der Entrüstung, die bei den Besitzenden schon gegen die Wehr- steuer zum Ausdruck gekommen ist, gegen die Reaktion wenden, dann wäre. dieses Abgeordnetenhaus überhaupt undenkbar. Diejenigen, die heute von der Konfiskation des Vermögens sprechen, sind fortgesetzt dabei, dem Volk seine Rechte zu kon- fis zieren. sSebr ivahr! bei den Sozialdemokraten.) In den letzten 6 Jabren hat sich auch immer wieder gezeigt. daß die preußische Staatsverwaltung nichts weiter tst als eine Organisation zur Verwaltung der Interessen der besitzenden Klassen. Polizei und Militarismus, preußische Justiz und Landräte stützen die Privilegien und haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß von ihnen nichts verloren geht. Ritter und Heilige predigen dem Volke Ent- sagung und Verzicht auf seine Rechte, damit es nicht seiner Macht bewußt werde und erkenne, daß ein seiner Macht bewußtes Volk diese Wirtschaft nicht auf die Dauer dulden kann. Notwendig i st nur eines: daß das Volk einen einheitlichen Willen habe, de» Willen zur Tat und dann zerbricht Ihr Polizei- und Militärstaat, Ihr Junkerstaat, den nur Gewalt, aber kein Recht zusammenhält!(Bravo ! bei den Sozialdemo- kraten.) Die unheimliche Macht der großkapitalistischen Industrie ist auch in der Gesetzgebung noch weiter erstarkt. Längst sind die Tage Posa- dowSkhs dahin, wo die Großindustrie mit der Regierung wegen ihrer staatSsoziolistischen Ideen nicht verkehren konnte. Heute b e- herrschen Großindustrie und Junkertum die Regierung. Haben die Bergherreu nicht im Palasthotel gesagt: Wir müssen dem Minister den Daumen aufs Äuge drücken" in dem Augenblick, als die Regierung sich anschickte, die Seele der Bergarbeiter zu gewinnen. Man hat die Sicherheits- männer für die Bergherren geschaffen. Fortgesetzt unterstützt die Regierung die Bestrebungen der Großindustrie, das KoalitionS- reckt der Arbeiter zu vernichten, sie hat Partei ge- nommen gegen die Arbeiter bei dem großen Bergarbeiterstreik und hat durch Polizei, Maschinengewehre und Belagerungszustand die Entwickelung des KoalitionerechieS in Preußen v o l l st ä n d i g vernichtet. Der ungeheuere Terrorismus der Bergherren ist gebüßt worden von den Armen, die durch die preußische Justiz gesetzwidrig ins Gefängnis geschickt wurden. Der Rechtsstaat war zu der Zeit aufgelöst, eS herrschte lediglich der Gewaltstnat der Großindustrie im Ruhrrevter und daS ha. die Billigung dieserVolksvertretung" gefunden. Durch seinen Beitritt zum Kohlensyndikat hat der Staat die Kohlen- Verteuerung unterstützt und wenn die Regierung auch vor der zweiten Schröpfung austrat, so kennt die Großindustrie schon ihre Poppen- heimer und weiß, daß die Regierung ihren Interessen dient, und so hat man jetzt dem Handelsminister gnädig gestattet, einen Kommissar in den Aussichtsrai derHibernia" hineinzusetzen. Durch die brutale Rücksichtslosigkeit gegen die Arbeiter im Saargebiet hat der Minister das Vertrauen der Großindustrie restlos wiedergewonnen. Freilich, wie schlecht bat die Großindustrie den Minister noch beim Schleppmonopol behandelt? Dafür billigen Sie alle Unterdrückung der Ei senbah narbeiter, deren Koalitionsrecht mit Füßen getreten, deren wirtschaftliche Freiheit vernichtet wird, indem man ihnen verbietet, Konsumvereinen berzu- treten. Es ist doch traurig, daß der preußische Staat seine Betriebe nur mit Arbeitern aufrecht zu erhallen können glaubt, die er ihres Menschentums enteignet hat. Aber am 16. Mai werden die von Ihnen entrechteten Arbeiter und Unterbeamten zur Wahl für Sie an den Wahltisch getrieben werden. Ihnen brennt das Feuer auf den Nägeln. Sie wissen, daß Sie im Volk keine Ställe mehr haben und darum zwingen Sie die Staatsarbeiter zur Abstimmung gegen ihre eigenen Interessen. Mit Empörung und Wut werden die StaatSarbeiter und Unterbeamten für Ihre Wahlmänner stimmen und sie werden dabei auch an die Beschimpfung durch den Minister deS Innern denken, der alle Beamten, die nach ihrer Ueberzeugung sozialdemokratisch wählen, Heuchler, Lügner und Eiddrecher genannt hat. Bei dieser Wahl werden die Beamten auch der BesoldungS - ordnung gedenken, die den höheren Beamten mehr Zulagen zugewiesen hat, als die Unterbeamten überhaupt Gehalt bekommen. Damals Reinhardt bald hier, bald da. Kaum ist das neue Projekt eines von Reinhardt im Zirkus Schumann zu begrün- denden Theaters der dv00 aufgetaucht, so spukt schon wieder eine neue Reinhardt-Gründung. Diesmal soll Schöneberg dran kommen. In der Nähe des Untergrundbahnhofes wird das neueste Unternehmen geplant, dem auch der Schöneberger Magistrat hold sein soll. Der Künstler und die Mutter Erde. Albin Egger-Lienz , der Maler aus Tiroler Banernblut, erträgt die Weimaraner Stadlmauern nicht länger. Er meint, er nehme Schaden an seiner Künstlerseele und sehnt sich heim.Der Fisch am trocknen Lande-ist nicht übler dran als der Ebaratterstilist ohne die Welt der Formen, innerhalb deren er seinem Fühlen allein Ausdruck geben kann", so sagt er in dem Schreiben, in dem er um seine Entlassung aus dem professoralen Lehramt an der Kunsthochschule von Jlmathen nachsucht. Sein Wunsch wurde ihm mit einer fast auffallenden Be- reitwilligkeit erfüllt. Noch ein Filmreforinator. Alle Welt will heute daS Kino verbessern und verbessert am Ende ihre Finanzen. Die Dichter begannen und die Schauspieler mit den großen Namen folgten. Jetzt sind die Maler an der Reihe. Der deutsch « englische Maler Herkomer hat eine Filmfabrik eröffnet und arran- giert und spielt selber mit für KilmS, die»mehr Kunst" bieten sollen. Eine eigenartige Ausstellung wird vom 3. Mai bis t. Juni von drei belgischen Gesellschaften für Vogelkunde im Palast der schönen Künste in Lütlick veranstaltet werden. Der Zweck ist die Veranschaulichung der wirtschaftlichen Beziehungen der Vogel- Welt. Die Ausstellung wird außer Gegenständen der Vogelkunde selbst auch solche der Insektenkunde und der Pflanzenkunde umfassen. Wissenschaftlicher Mord". Die amerikanischen Mörder betreiben ein« neue Spezialität, den sogenannten Kobratod. Dem Opfer des Verbrechens wird auf möglichst unauffällige Weise eine Kratz- oder Stichwunde beigebracht, in die dabei eingetrocknetes �Schlangengift eingeführt wird. Nach demArchiv für Kriminal- anthropologie und Kriminalistik" ist eS für die Behörden außer- ordentlich schwer, auf diese Art verübte Verbrechen aufzudecken. Dasselbe ist der Fall bei den Morden, die mit Hilfe von Bakterien- gift ausgeführt werden. Es Hai sich jetzt ein Komitee gebildet, das sich die»Bekämpfung des wiffenschaftlichen MordeS" zur Auf« gäbe setzt. Ausgestorbene Tiere in D e u t s ch- O st a f r i k a. Die Ausgrabungen von Tendaguru haben zu überraschenden und reichen Funden versteinerter Tiere geführt, die inzwischen ins Berliner naturbistorische Museum übergeführt sind. Ein Mitglied der Leipziger Universität, Dr. S. Kränkel. plant jetzt, wie PetermannsMitteilungen" melden, gleichfalls eine Expedition nach Deutsch-Ostafrika , um an anderen Punkten nach Fossilien zu forschen. flogen die hunderte Petitionen, die das Elend der Unterbeamien schilderten, in den Papierkorb, und erst jetzt wetteifern Sie in Worten den Beamten Ihr papierneS Wohlwollen zu beweisen. Damals aber waren Ihnen drei Millionen Erziehungsbeihilfen für Geistliche nötiger als die Stillung des Hungers der Kinder der Unterbeamten. Damals haben Sie die Z i V i l l i st e um dreiein- viertel Millionen Mark erhöht, obgleich Ihnen bekannt war, daß die Krone aus ihrem sonstigen Besitz viele Millionen einnimmt. Im Landwinschaflsrat hat der Gutsherr von Cadinen erklärt, daß er glänzende Geschäfte geinacht habe. Das hindert Sie aber nicht, trotz alledem die Zivilliste aus den Steuergroschen des Volkes zu vermehren und dabei ist der Gutsherr von Cadinen auch ein Nutznießer der wucherischen Zollpolit: k. Präsident Dr. Graf v. Schwcrin-Löwitz: Die letzte Aeußerung ist unzulässig, ich rufe Sie zur Ordnung!(Bravo ! rechts.) Abg. Leinert: Die Verteuerung der Lebenshaltung scheint auch d a Not ge- bracht zu haben! Die Arbeiter und Beamten aber sollen sich nach der Decke strecken! Von einem sozialpolitischen Fortschritt ist nicht die Rede. Der Handelsminister hat ja hier erklärt, er müsse seine Beamten ent­schieden dagegen in Schutz nehmen, daß sie die Arbeiterschutz- bestimmungen rigoros anwenden! Das Prunkstück der schwarzblauen Herrschaft, die Reichsversichcrungsordnmig, hat in Preußen den L a n d r a t zum Vorsitzenden der Bersicherungsämter gemacht eine wahre Karikatur der ganzen Versicherung. Mit Begeisterung sind Sie für die grausamen Landkrankenkassen eingetreten, die eine durch- greifende Krankenfürsorge verhindern und den Wöchnerinnen den Schutz verlogen. Ein Prachtstück junkerlich-ultramontancr Nächsten- liebe! Nur gut, daß dieses Gesetz vom Reichstag abgeändert werden kann, statt etwa von diesem Hause. In dieser Legislaturperiode waren eS hundert Jahre, seitdem die unwürdige Gesindeordnung besteht und im nächsten Jahr feiern wir das 60jährige Bestehen des Kontraktbruch- gesetzes gegen die Landarbeiter, das die Freizügigkeit aufgehoben hat und den Landarbeiter bestraft, wenn er über seine Person selbst bestimmen will. Die Freiheit der AuS- beutung der Kinder in der Landwirtschast ist vollständig un- beschränkt. Was hat die staatliche Statistik darüber ergeben? So Grauenvolles, daß man die Oeffentlickkeit scheuen muß! Während die Rittergutsbesitzer in diesen fünf Jahren glänzende Gewinne ge- macht haben, leidet das Volk unter einer ungeheuren Teuerung und die geringen Abhilfemaßregeln werden wieder aufgehoben, obgleich die Hochkonjunktur bereits abflaut. Die 23 Millionen Mark für Urbarmachung von Mooren und für Ansiedelungsgesellschaften sind ein Wechiel für die Zukunft, bringen aber für die Gegenwart keine Abhilfe gegen die Fleischnot. Als ein Wall gegen jeden Fortschritt hat sich dieses Haus in den letzten 6 Jahren erwiesen und nichts ist bezeichnender, als der Aerger der Konservativen über das Wahl- urncngesetz, daS dem Reichstage vorgelegt wurde. Da spricht die agrarische Presse vonWahlklosets, Nachistühlen, Wahlkisten". lAbg. H o f fm a n n: Weil die Konservativen dabei den Durch- fall bekommen l Heiterkeit.) Welch' unglaubliche Schikanen übt die Polizei gegen das Vereins reckt aus. MitzäherAuSdauer sucht sie e? dahin zubringen. daß sozialdemokratische Vereine ihrer Größe wegen keine Vereine sein sollen. Um Versammlungen unter freiem Himmel, die nach dem Reichsvereinsgesetz genehmigt werden sollen, zu verbieten, bietet die Polizei die unglaublichste Fürsorge für die BersammlungS- besucher auf. Aus den Versainmlungsplätzeii müssen KlosetS, Trink- brunnen, gute Zugänge, dürfen keine Steine sein usw. Würde das preußische Volk sonst nur ein Zehntel dieser Fürsorge genießen, dann bälten wir andere Zustände! Die ganze staatliche Jugend« bewegung gegen die Sozialdemokratie ist nichts weiter nls eine einzige, von der Polizei geduldete Uebertretung des Bcreinsgescnes. Freilich. Erfolge werden Sie damit nicht erzielen. Das Denken können Sie nicht verbieten und wenn erst der Ernst des Lebens an die Jugend herantritt, dann beginnt sie zu denken und die Reichstagswahlen zeigen, wie sie denkt!(Bravo ! bei den Sozial- demokraten.) Bei den Wahlen von 1308 stand die Wahlreform im Bordergrund. Aber seitdem war die Haltung des Zentrums ein einziger Verrat an seiner Forderung nach dem Reichstags- Wahlrecht. Es hat sogar einen Beschluß zugunsten des geheimen und direkten Wahlrechts vereitelt, und die Nationalliberalen haben sich daran beteiligt. Diese wissen übrigens selbst nicht, was sie verlangen und streuen den Wählern in der WahlrechiSftage erst recht Sand in die Augen. Was stört es die Rechte, daß das Volk über den Weiterbestand de« Dreiklassenwahlrechts erbittert ist! Das Volk, daS sind ja die Heloten, die für Sie zu stimmen haben­den Leuten auch mach Rechte zu geben, ach nein, dazu ist das Preußische Abgeordnetenhaus nicht da. Der Gutsbesitzer läßt sich in der dritten Klasse zum Wahlmann wählen, der Inspektor in der zweiten und der Kutscher des Besitzers wird in der e r st e n Klasse Wahlmann. Die Termins- wähl ist eine politische KontroUversammlvng und Graf Mirbach hat ja im Herrenhaus dargelegt, daß der Kutscher zweckmäßig Wahlmann wird, weil er den Gutsherrn sowieso zur Wahl fahren muß! Das ist Ihre Anschauunz über das größte und böchste Reckt eines Volke«! Mit leeren Händen kommen Sie zu den Wählern zurück. In Ihrer namenlosen Angst vor dem Volk haben Sie das hohe Gitter des Dreiklasienwahlrechts errichtet. Aber täuschen Sie sich nicht über die Energie des Volkes. Gegen einen solchen Kampf, wie er jetzt in Belgien geführt wird, ist alle Ihre Macht zu Ende!(Lebhaftes Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Sie können die Ar- beiter in Kasernen. in Gefängnisse stecken, Sie können sie auf den Polizeiwachen verprügeln lassen, aber Sie können sie nicht zur Arbeit zwingen.(Erneutes lebhaftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Die zähe Energie und der feste Wille der belgi« schen Arbeiter wird die konservative Behauptung von einem Scheitern des Kampfes als niederträchtigste Lüge entlarven. Wir bringen unseren belgischen ArdcitSbröderu die herzlichsten Glückwünsche zum Gelingen ihres grandiosen Kampfes dar, wir bewundern ihre Tatkraft und haben nur den heißen Wunsch, daß sie zu- sammenstehen und sich durch nichts von ihrem Wollen und ihrem Ziel'abbringen lasten mögen, daß sie stark und geschloffen bleiben in diesem großen Kampf. Er ist auch unser Kamps, i h r S i e g i st u n s e r S t e g I In Belgien sollen die Arbeiter angeblich täglich L Millionen Mark an Lohn, die Arbeitgeber 22 Millionen an Gewinn verlieren. Da kann ick mir denken, daß Sie bei dem Gedanken eines solchen Kampfes in Preußen zittern! In der organisierten Arbeiterklaffe steckt eine Tatkraft, die Sie nicht überwinden können und die auch Ihr Polizeistaat nicht niederkämpfen kann. Darum wünschen wir unseren belgischen Ge- nosien einen glänzenden Sieg, denn auck wir nehmen Anteil an den Leiden anderer Völker, wenn sie mißbandelt werden von einer nichisnutzigen Junker- und Kapitalistentlasse!(Bravo ! beiden Sozialdemokraten.) Sie rühmen hier i.n Hause immer Ihre Königstreue. Wir haben sie beim Zolltariflampse gesehen, wo man erklärt hat: die Minister können uns sonst waS!". Als der Kaiser sagte:Brotwucher treibe ich nickt!", da sagte Ihr Führer Plötz:Es ist von Brotwucher gesprochen und unsere Agitation gemeingefährlich genannt worden. So lange diese Worte nicht zurückgenommen sind, kann von einem Zusammenarbeiten mit der Regierung nicht die Rede sein!" Dabei ertönten im Zirkus Busch lebhafte Pfui!. Ruft. Am 28. März 1897 schrieb die Korrespondenz des Bundes der Landwirte", daß der deutsche Land- Wirt geneigt sei, den Kaiser als seinen politischen Gegner an- zusehen. Und bei der englischen Jnterview-Affäre wandte sich die nationalliberale»Rheinisch- Westfälische Zeitung" w schärfster Weise gegen den Kaiser. Hierbei gaben immer die Geschäftsinteressen den Ausschlag gegen die Königstreue. Bei uns ist das nicht der Fall. Wir erinnern uns stets der Worte, daß wir eine Rotte Menschen seien, nicht wert, den Namen Deutsche zu tragen. Aber nicht, weil unsere Geschäftsinier- essen verletzt werden, sondern weil wir beleidigt sind an unserer innersten Ehre. So wie bei der Kanalvorlage, so steht auch am Ende dieser Legislaturperiode ein u nein gelöst es Königswort, ein gebrochenes Versprechen.(Zuerst vereinzelte, dann oll- gemeine mid lärmende Rufe rechts: Oho! Pfui! Mg. Hofs» mann: Sehr wahr!! Präsident Graf v. Schwerin -Löwitz: Sie haben sich zum zweiten Male einer all zu starken Ungehörigkeit schuldig gemacht, ich rufe Sie zur Ordnung!(Bravo ! rechlS.) Abg. Leinert(Soz.): DaS 1815 gegebene Versprechen einer Repräseniativberiaffung ist auch erst eingelöst worden, als das Volk 1818 auf den Plan trat. Freilich ist eS damals sehr schnell um die Früchte seiner Tälig- keit gekommen. DaS Bürgertum bekam zwar Waffen in die Hand, aber statt sie gegen die Bedrücker des Volkes anzuwenden, hat es gezittert vor dem Ansturm der Arbeiter. Heute ist das Volk zu ganz anderen Demonstrationen fähig, als 1818! Ihre Musterbeispiele von Königstreue beweisen uns, daß die Treue zwischen Fürstund Volk immer eine einseitige war. Das Volk verlangt heute nicht nur ein anderes Wahlgeletz, sondern die Teilnahme an der Regierung. Der Wahlreformkampf, die gewaltigen Demonstrationen der Masse» zeigen unS, daß das Volk sich jetzt auf seine eigene Kraft verlassen muß, wenn eS Rechte erobern will. Darum ist auch der WahlrechtSkampf nichl vorüber, sondern daS schwerste kommt noch. Sie nennen uns Umsturzpartei. Wer würde denn auch den Um- stürz mehr zu fühlen haben, als die Konservativen und die nationalliberalen Geldprotzen? Gewiß soll die heutige auS- beuterische Klassenherrschaft der Junker umgestürzt werde», damit das Volk zu Aieni kommt und damit Sie nicht mehr, wie im Zeitalter des Raubrittertums(Lachen rechts). Ihre Hände stets in den Taschen des Volkes baben und durch die Gesetzgebung den sauer verdienten Lohn wieder herausdolen können. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Auch die National- liberalen tun im Kampf gegen den Umsturz mit. Aber warum waren Sie so voreilig, in Hannover zu beschließen, daß kein National« liberaler mir der Sozialdemokratie Abmachungen treffen dürfe. Daß wir air Sie herantreten, werden Sie sich nickt einbilden. Aber sind Sie Ihrer eigenen Leute nicht sicher?(Heiterkeit.) Aus Jbrem ganzen, in allen politischen Fragen höchst widerspruchsvollem Ber - halten ergibt sich, daß Sie eine Umfallpartei der Kraftlofigkcit und Hinfälligkeit sind!(Heiterkeit.) Als einziges deutsches Parlament hat das Preußische Ab« geordnetenhaus seine Geschäftsordnung gegen die Sozialdemokratie verschlechtert, so daß einmal sogar das gewählte Präsidium die Leitung der Geschäfte dem P o l i z e i l e u t n a n t überlassen hat zur Vergewaltigung vom Volk gewählter Abgeordneter. Freilich, ivenn jemals gegen uns wieder so etwas gemacht würde, würden wir genau so handeln wie damals, denn wir können eine solche Ver- gewaltigung nicht als berechtigt anerkennen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokralen.) An das Ende dieses Hauses wird sich ein neuer Anfang schließen. Er wird kein besserer sein, denn uns steht ein Kampf mit un- gleichen Waffen bevor. Da« Wahlsystem, die Staatsgewalt, die ganze Konstellation der Parteien, alles ist gegen uns. Aber in diesem Wahlkampf wird es nicht heißen: Wehe dem Besiegten, sondern wehe de in Sieger!(Sehr wahr I ImkS Lacken recklS.) Sie siegen nickt, wie Volksgenossen über Volksgenossen siegen dürfen, in freiem Kampf der Meinungen, sondern wie fremde Eroberer über ein andere« Volk durch Unterdrückung und Gewalttat. Jede neue preußische LandtagSwahl bedeutet eine neue Unterwerfung des Volks unter ein ihm verhaßtes System. Würden Sie das Volk befragen, ob eS Sie als seine rechtmäßigen Vertreter ansieht. ein millionenfaches Nein würde die Antwort sein. Darum beneiden wir Sie nicht um Ihre sicheren Er- folge und tausendmal lieber wollen wir die Unterlegenen sein, als solche Sieger! Sie vertrauen auf Ihre Privilegien, vie Regierung, die Land- röte usw., um Ihr unwahrhaftes Scheindasein, Ihre Herrschaft für einige Zeil zu verlängern. Wir vertrauen auf uns selbst, auf die Massen, die hinter unS stehen, aus das Recklsgefühl deS Volkes, das sich immer wieder gegen Jbre Herrschaft ausbäumt! Denken Sie, Sie alle, daran, wie die Schweizer Bauern über die gepanzerten Ritter gesiegt haben. Sie kämpfen in der Rüstung Ihres mittelalterlichen Wahlrechts, wir mut den modernen Waffen der Demokratie. Wohl find Sie uns noch überlegen, ober der Tag wird kommen, an dem da« preußische Volk über Preußen genau io Herr sein wird, wie damals die Schweizer Bauern auf ihrem Grund und Boden.«Lachen rechts.) Höhnen Sie, triumphieren �sie nur, genießen Sie heule schon die Vorfreude Ihrer küusligen Siege! Wir nehmen den Kampf gegen Sie auf in der Erwartung deS Erfolges gegen die. die uns nieder» halten wollen, die uns wehrlos gemacht baben, die sich selber alle möglichen Reckte anmaßen durch Ihre Klassenherr- sckaft und Gewalipolittk hier im Abgeordnetenhaus und draußen. So sicher wie die sozialdemokratische Partei besteht, werden wir Sie einst besiegen. Das Unrecht, daS Sie mit diesem Wahlrecht hoch- halten, beantworten wir mit dem Ruf: Her mit dem Recht!(Leb- hafler Beiiall bei den Sozialdemokraten. Lacken bei der Mehrheit) Minister des Innern v. Dallwitz: Wenn die ZeitunaSnachrichten über die Ausweisung eine« französischen Genossen aus Magdeburg richtig find, so nehme ich nicht Anstand zu er- klären, daß ich das Vorgehen der Magdeburger Polizeibehörde nicht nur für durchaus berechtigt, sondern geradezu für selbstversiändlich halte.(Beiiall reckls.) Wenn du Veranstalter solcher Venamm- lungen so wenig Verständnis und sinn für da» nationale Empfinden der großen Mehrheit der Bevölkerung besaßen. da« kann man ja wohl von Sozialdemokraten nicht erwarten(Sehr gut! bei der Mehrheit.) daß sie es fertig brachten, einen Ausländer heran- zuholen zu wirksamer Agitation gegen die Wehrvorlaqe. und wenn ferner der herbeigeholte Ausländer so wenig Gefühl hur für die Ver­pflichtungen, die die Inanspruchnahme des Gastrechis j» einem ftemden Staat mit sich bringen, wenn er sich nicht gescheut hat, mttzuwirlen an der Agitation gegen eine innere Angelegenheit des Staate«, der ihm das Gastrecht gewährt, dann war eS die höchste Zeit, daß allen Beteiligten mit aller Entschiedenheit klar gemacht wurde. daß auch diedcutsche Langmut und Geduld ein Ende bat. daß sie Ausländern gegenüber Grenzen kennt, die sie nicht überschritten wissen will.(Slürmischer Beifall bei der Mehrbeil.) Der Abg. Leinert hat auch heute wieder einmal Preußen vor dem In- und Auslände zu diskreditieren versucht. Er bat lo getan, als ob die aeiamte preußische Perwaltuna>>" gebUng einseitig uiü) ausschließlich durchsetzt seien vom Grotzkapttal und Großunteruehmenum zum Naaueil der mlnoerveimuelten Schickten und namentlich der Arbeiterichan(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Die Abgeordnrren Ströbel"nd Lteb» k n e ch t haben wiederholt mit größler Emphase da« z« Recht de- stehende Dreitlassenwahlrccht verhöhnt«Abo. Hoffmann: Zu Recht bestehend?) Im Reichstage hat'Dr. Liebknecht von den schamlosen politischen Verhältnissen m Preußen" gesprochen. Dr. Südekum hat eine h i n t er l i stt g e Be- einlächtigung der Rechte der Minderbemtttellen" m Preußen konstatieren zu müssen geglaubt lHört! hört l reckt«) und der Ab- geordnet- Ströbel hat hier die preußischen Beamten und besonders die Landräte als Ä a e n t e n des Großkapitals und des Großunternehmertums stigmatisiert. Die Ab­sicht der Verzerrung ergibt sich schon aus der einen Taffache, daß die Regelung der Arbetterverhältnisie nicht Sache Preußens, sonder,: des Reiches ist.(Abg. Hoffm ann: Aber die Ausssthrung