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Kr. 93. P. Jahrgang. 1. Ifilajt des Jutiiiirte" firtlinrt lolMlatt. Aonnabend, 19. Apnl 1913. Reichstag» 143. Sitzung. Freitag, den 18. April 1913, nachmittags 1 Uhr. Am Bundesratstisch: v. H e e r i n g e n. Militär-Etat. Zweiter Tag. Der gestern eingebrachte Schlutzantrag des Abg. Graf Westarp(k.) ist zurückgezogen. Abg. Gotting inatl.) wünscht angesichts des UmstandeS, daß so viele Hauptleute an der Majorsecke scheitern müssen, bessere PensionSverhältnisse für sie. und klagt über den Mangel an Militär- ärzten. der bei der Ueberfüllung des ärztlichen Berufs nur aus dem Umstand zu erklären sei, daß die Militärärzte sozial nicht den Offi- zieren gleich geachtet werden. Abg. Sperlich<Z.) kritisiert, daß der Kriegsminister an dem noch nicht abgeschlosienen Fall KnUrel Kritik geübt habe. In ein noch schwebendes gerichtliches Versahren soll man durch öffentliche Verhandlungen nicht eingreifen; deshalb will ich mir große Reserve auferlegen. Aber in bezug auf die Maßregelung eines Reserve- offiziers wegen politischer Betätigung muß ich mich den Aeußerungen des Abg. Ablaß, mit der vom Kriegsminister gemachten Ein- schränkung, anschließen. Allerdings sehe ich in diesem Fall nur eine Einzelerscheinung. Schuld daran, daß ein Offizierkorps in eine so einseitige politische Anschauung hineinkommen kann, daß keine andere bei ihm geduldet wird, ist die bedauerliche politische Agitation so vieler verabschiedeter Generale. Man soll schon den Anfängen des Polilisierens im Offizierkorps entgegentreten.(Bravo I im Zentrum.) Abg. Stückle»(Soz.): Wir stimmen der Resolution Ablaß   zu, daß bei der Vergebung militärischer Lieferungen, die in Hausarbeit hergestellt werden, Berufsorganisationen und Genossenschaften der Hausarbeiter und Hausarbeiterinnen berücksichtigt werden sollen und daß die Liefe- ranlen den Vorzug bekomme», welche die tariflichen Löhne zahlen. Es ist merkwürdig, daß etwas so Selbstverständliches vom Reichstag erst beschlossen werden soll. Ganz dasselbe gilt auch von der Resolution Ablaß  , daß bei der Besetzung der militärischen Stellen nur die Tüchtigkeit entscheiden soll. Heule spielt in der Tat die Protektion eine große Rolle. Eine andere Resolution Ablaß   verlangt eine Reform des Militär st rafgesetzbuches. Man verweist uns darauf, wir sollen die Reform des Strafgesetzbuches abwarten. Die wird frühestens 1916 an den Reichstag kommen, dann könnten wir also bis 1920 auf zeitgemäßere Formen des Militärstrafgesetzbuches warten. So lange wollen wir aber nicht warten, um z. B. mit der barbarischen Strafe des Dunkelarrestes auf­zuräumen, die wohl bei einem Söldnerheere begreiflich war. es aber heute nicht mehr ist. Auch der Resolution Mumm, die einen Nachlragsetat verlangt, um Mittel für freie Fahrten der Soldaten in ihre Heimat zu erholten, stimmen wir zu, doch wünschen wir, daß die Soldaten ein solches Recht bekommen, denn wird die Auswahl der Urlauber dem Hauptmann überlassen, so wird da» zur Korruption führen. Der Kriegsmimster wies auf die Abnahme der Soldateumißhand- lungen hin. Bei den Militärgerichten hat sich die Uebung ein- geschlichen, leichtere Mißhandlungen auf dem Disziplinar- wege zu erledigen.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dann kommen sie nicht mehr in die Oeffentlichkeit und man kann leicht auf die Abnahme der Mißhandlungen hinweisen. Herr General v. Wachs schüttelt den Kopf, es soll mir lieb sein, wenn er mir da» Gegenteil nachweist. Der Resolution der Kommission, die eine Statistik über die Be- förderung der Einjährig-Freiwilligen zu Reserveoffizieren wünscht, stimmen wir zu. DaS Zulagewesen haben wir seit einer Reihe von Jahren bemängelt. Jetzt haben wir endlich eine Denkschrift darüber er- halten. Die Offiziere beziehen ihr Einkommen aus den ver- schiedensten Titeln des Etats, so daß man ihn vollständig durch- blättern muß, um das Einkommeir zu erkennen. Sie beziehen Gehalt. Wohnungsgeld. ServiS, Pferdegeld, Rationen, es gibt FunktionSzulagen. Stellenzulagen, Tischgeld, Ortszulagen. Ehren- Zulagen, LöhnungSzuschüsse, und da man damit immer noch nicht alles treffen kann, hat der KricgSminister einen Fonds für .sonstige Bewilligungen'. Die Denkschrift begründet sämtliche Zulagen, z. B. eine monatliche Wohnungszulage für die AbteilungschefS von 75 Mark mit den Worten.seit 1875 bezahlt'. Warum? Vielleicht herrschte vor 40 Jahren eine Teuerung. Dabei haben die Herren, die diese Zulage beziehen, Gehälter bis zu 12000 M.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Stabsoffiziere haben eine gleiche Zulage mit der Begründung. 1373 eingeführt, um sie den Ministerialräten in Preußen gleichzustellen. Mit so allgemeinen Redensarten kann man natürlich jede Zulage begründen. Auf der Burg.Hohenzollern', die gar keine strategische Bedeutung hat, wird eine Besatzung in der Stärke einer Kompagnie gehalten. Der Hauptmann hat eine Zulage von 720 M.. die Leutnants von 432 M., vielleicht als Schmerzensgeld dafür, daß sie da oben versauern und nicht wisien, lvas sie mit der Zeit ansangen sollen. Begründet wird die Zulage mit den teuren LebenSverHältnisien. Dabei müssen Soldaten den Berg hinunter, um die Lebensmittel unten einzukaufen und sie dann hinauszuschaffen. Diese Mehrleistung würde eine Zulage für die Mannschaften begründen, aber doch nicht für die Offiziere. (Sehr richtig I foi den' Sozialdemokraten.) In jeder Festung, die Einrichtungen zur Ausnahme von Stubengefangenen hat. erhält der Platzmajor 75 M. jährlich. Das ist ja nur ein kleiner Posten, aber zusammen macht es recht viel aus. Dabei hat der P l a tz m a j o r mit den Stubengesangenen gar nichts zu tun, und erhält die Zulage auch, wenn gar keine Gefangenen da sind. Aüch die M i l r t ä r g e i st l i ch k e i t geht nicht leer aus; wann wären diese Herren auch Mustervon Bescheidenheitgewesen? sHeilerk.) Auch dieKüster bekommen etwas, z. b. für das Läuten der Glocke in Ulm  29 M. 20 Pf., und weil der evangelische Küster die katholische Glocke nicht läuten kann, erhält auch dieser 29,20 M.(Heiterkeit.) Wer Sinn für Humor hat. dem empfehle ich diese Denkschrift zur Lektüre. Auf der Osfizier-Reitschule in Hannover   ist Jagdreiten hinter der Meute eingerichtet. Dabei werden die Soldaten als Sauwärter und Hundedresseure verwertet.(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Weil diese Arbeit mit Lebensgefahr verbunden ist. bekommen sie eine Zulage, wogegen ich natürlich nichts einzuwenden habe, aber es ist ein Unfug ohnegleichen, daß Soldaten, die zum Heeresdienst eingezogen werden, als Sauwärter und Hundedresseure verwendet werden.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn die Herren Offiziere solche Leute brauchen, sollen ste sie aus eigener Tasche bezahlen. Daß Lebensgefahr bei dieser Verwendung der Leute vorhanden ist. glaube ich schon und wenn lemand verunglückt, so muß er aus der Tasche der Steuerzahler leme Rente bekommen, die allerdings dann zu wenig zum Leben rst, und knapp zuviel zum Sterben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Gestern abend wurde der Versuch gemacht, die Debatte zu strangulieren. Jntercsiant war mir,, daß auch die National- liberalen, wenigstens Herr Dr. S e m I e r, den Schlußantrag unter- schrieben haben. Vielleicht loll das ei» Anzeichen dafür fem, daß die Nattonalliberalen dem Zureden der Konservativen und des Zen­trums allmählich nachgeben wollen, die neuen Steuern im Verein mit der Rechten und unter Ausschaltung der stärksten Fraktion des Reichstags zu machen. WaS würde Herr Semler ubrrgens dazu sagen, wenn man einmal Schluß beantragen würde, berm Etat von Kamerun  . ehe er seine Rede dazu gehalten hätte.(Sehr gut! bei den Sozial- demokratcn.) Wir haben es durchaus nicht so eilig, und wenn es notwendig sein sollte, über den 1. Mai hinaus zu sitzen, sind wir jedenfalls bereit dazu. Beim TitelKriegsminister" müssen die tausenderlei Klagen vorgebracht werden, die das ganze Jahr hindurch an den Abgeordneten herantreten, und wenn der Versuiv gemacht wird. uns daran zu hindern und vor allem zu antworten auf die aggressive Rede des Kriegsministers, so ist dies Vorgehen mit einem p a r l a- im e nt a r is ch e n A u s d r u ck schwer zu bezeichnen. Vielleicht waren die Herren beeinflußt von dem Artikel im gestrigen Abendblatt desBerl. Lokal-Anz.", in welchem dein Reichstag und der Budget- kommission die größten Vorwürfe gemacht werden, daß die Militär- Vorlage noch nicht beraten ist. und daß wir uns noch immer mit solckeirKleinigkeiten" beim Militärctat abgeben. Gegen einen solchen Angriff müßten alle Parteien in dieiem Hause entschieden protestieren.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Wenn derBerliner Lokal-Anzeiger". dies halbamtliche Organ des Reichs- kanzlerS, einen solchen Artikel an der Spitze des Blattes bringt, darf man jedenfalls annehmen, daß irgend eine maßgebende Stelle, die man hier leider nicht zur Veraniworiung ziehen kann, dabinlerstehi. Das Blatt sagt, da streitet sich die Kommission herum um die Adjutanten des Kaiiers und der Prinzen, um Summen von einigen zehntansend Mark. Wir haben allerdings allen Anlaß, darauf zu dringen, daß im Militäretat wesentliche Ersparnisse gemacht werden und die 10 000 M. summieren sich schließlich zu Millionen, die wir sehr gut an anderer Stelle brauchen können. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Es wird da empfohlen, den ganzen großen Militärerat mit der Menge Arbeiter, die die Armeeverwallung beschäftigt, mit all den Klagen, die im Laufe des Jahres sich anhäufen, in zwei Sitzungen durchzupeitschen. Dazu geben wir uns nicht her. Der Reichstag hat die Pflickt, die Dinge genau zu prüfen. Wenn ivir mit unseren Arbeiten im Rückstände sind, so liegt das an der Regierung, die den Reichstag früher hätte einberufen können.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten.) Es ist politische B r u n n e n v e r g i f t u n g, die das Blatt sich hier wieder einmal geleistet bat. Auf die Ausführungen des Herrn Mumm von gestern gebe ich nicht ein. Es hieße seiner Gruppe eine Bedeutung beilegen, die sie nicht bat.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Es ist nicht unsere Gewohnheit, mit Kanonen nach Spatzen zu schießen(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten). Aber soviel darf ich sagen: Die prole- tarische Jugendbeivegung hat sich durchgesetzt und wird sich durchsetzen gegen Mucker und gegen Finsterlinge und gegen alle Hindernisse, die ihr in den Weg gestellt werden(Bravo I bei den Sozialdemokraten). Und nun zum Herrn Kriegsmini st er. Verständnis für den Sozialismus haben wir bei ihm niemals erwartet. Mancher begreift den Sozialismus rasch, mancher begreift ihn schwer, und mancher nie(Heiterkeit). Der Herr Kriegsminister ist ja nicht die Armee, und wie eine ganze Menge Zuschriften aus Offizierskreisen an uns und an linksstehende bürgerliche Zeitungen beweisen, ist man auch in Offizierskreisen heute doch zum Teil so- weit, daß man den Forderungen der Neuzeit nicht mehr so ganz verständnislos gegenübersteht. Es ist klar, daß die Herren ihre Meinung nicht frei heraus sagen dürfen. Es sind keine Sozialdemo- kraten. Ihr Standpunkt entspricht vielleicht dem eines früheren württembergischen Demokraten, aber selbst das würde ihnen den HalS brechen, wenn es herauskäme, wer sie sind. Nun sagt der Kriegsminister: Eine nationale Armee kann nur nationale Führer brauchen. In einem Kriegerverein würde eine solche Rede- Wendung sicherlich st ü r m i s ch e n Beifall auslösen. Aber der Reichstag ist Gott   sei Dank noch kein Kriegerverein.(Heiter- keit und Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Was versteht denn der Kriegsminister unter national? Das Volk wird a u S g e- beutet, politisch entrechtet, man verteuert ihm das Brot, andere Schichten bereichern� sich auf Kosten der breiten Massen, die auf dem tiefsten Lebensniveau gehalten werden. Wenn wir gegen diese Klassen ankämpfen, die dem deutschen Arbeiter das Vaterland zur Hölle machen, so ist das nicht antinalional.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen nur eine gerechte Verteilung der Lasten, wir erstreben ein freies Volk auf freiem Boden. Ein freies Volk, das weiß, wofür es zu. käinpfen hat, wäre unbesiegbar.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Hat etwa die Schweiz   kein Rationalbewußtsein? Da gibt es doch nicht wenig sozialdemokratische Offiziere. Das wird dem Kriegsminister ganz unfaßbar sein, aber eS ist doch Tat fache. Der militärische Begleiter des Kaisers in der Schweiz   war ein Sozialdemokrat, der sogar sozialdemokratische Zeitungsartikel schreibt.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Was wollen Sie denn im Kriegsfalle ohne Hilfe der Sozial demokraten machen? Sie wären ja dann nicht in der Lage, die Schlachten selbst zu schlagen. Wir haben für diese Art der Bekämpfung der Sozialdemokratie nur ein heiteres Lachen; Sie sorgen dafür, daß unS der Agitationsstoff nicht ausgeht und sind damit ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft Dann sagt der Kriegsminister, Reserveoffiziere dürfen sich nur immer innerhalb der staatserhaltenden Parteien betätigen. Aber der Begriff staatserhaltende Partei ist sehr wechselnd. Auch das Zentrum hat zu den Parteien gehört, die nicht staatScrhaltend sein sollen, damals als es noch Militärvorlagen ab- lehnte.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Den Fürsten  die Adjutanten zu streichen, sei unbillig, meinte der KriegSminister. Der Deutsche Kaiser hat zwölf Adjutanten, wir haben be- antragt sechs zu streichen. Dafür könnte er vielleicht zwei Kammerherren mehr einstellen. Die Prinzen haben alle zwei Adjutanten, auch solche, die gar nicht bei der Armee stehen, sondern Referendar sind. Prinz Friedrich Leopold von Preußen   hat 5 Adjutanten(Abg. Stadthagen  : Was machen denn die?) Ja, das weiß ich auch nicht(Heiterkeit). Der Großherzog von Baden hat 4 Adjutanten, der von Hessen 3. Die mecklenburgischen Großherzöge erhalten die Adjutanten nicht in natur», sondern Geld dafür(Heiterkeit). Der Landgraf von Hessen  , ein längst depossedierter Fürst hat auch einen Adjutanten, ebenso der Statthalter von Elsaß- Lothringen  . Da wurde uns erklärt, er sei eine Art Landesherr und brauche deshalb einen Adjutanten.(Heiterkeit.) Der Reichskanzler hat auch einen; der wurde eingeführt, als Fürst Bülow   Reichskanzler wurde. Fürst Hohenlohe hatte noch keinen. Zur Erklärung für die zwei Adjutanten der Prinzen wurde uns gesagt, sie brauchen einen älteren, der einen väterlichen Einfluß aus sie ausübt(Heiterkeit), und einen jüngeren, zu dem sie mehr Vertrauen haben.(Große Heiterkeit.) Der Alle rechts, der Junge links, das Wellkind in der Milte.(Heiterkeit.) Das beste wäre, man würde die überflüssigen Adjutanten streichen. Die der Prinzen find in keinem Staats- verttag festgelegt und könnten ohne weiteres gestrichen werden. Im übrigen leben wir ja im Opferjahr, da wäre es eigenartig, wenn die Fürsten   nicht einmal auf einen Adjutanten verzichten wollten. Der Kriegsminister bestritt, daß Offiziere eine abgeschlossene Kaste bildeten. Er gab aber doch ziemlich deutlich zu, daß Leute aus dem Volk nicht Offiziere werden können. Wer hat denn 1813 danach gefragt, welche Herkunft die Offiziere halten. Die Generale Napoleons   waren zum Teil Advokatenschreiber und haben es doch fertig gebracht, die preußischen Junkergenerale zu Paaren- zu treiben.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ein baherischer General im Kriege 1870/71 war Sohn eines Tagelöhners, heute könnte er nicht einmal Leutnant werden. Ob die verweichlichten und verzärtelten Söhne des Junkertums und des GeldprotzentumS später einnial den Anforderungen gewachsen sein werden, die man an sie stellt, werden wir abwarte« müssen. Der Sohn eines ehrlichen Arbeiters kann nicht Offizier werden, wohl aber Leute, die an blutigen Gründungen beteiligt sind. Wir haben heute noch einen Generalleutnant z. D., dem in der Presse B e« teiligung an schwindelhaften Gründungen vor- geworfen worden ist, der seinen Namen unter Prospekte gesetzt hat, in denen lauter verlogene Angaben gemacht worden sind.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Da sagte der Kriegsminister, die Sanitätsoffiziere ständen den anderen gleich. Daß die Dinge ganz anders liegen, beweist eine Zuschrift, die mir vorliegt, tvorin es heißt:Wer die beschämende Stellung kennt, die Militärärzte in allen Garderegimcntern und anderen Truppenteilen einnehmen, weiß, loarum soviel Aerzte darauf verzichten, Militärarzt zu werden." Und unter diesen Zuständen leiden auch die krank e n Soldaten, weil eben der Aerztcersatz nach allen Richtungen hin zu wünschen übrig läßt. Die Kriegervereine sollen keine politischen Vereine sein. In dem Parolebuch vom 7. August 1912 ist davon die Rede, daß der Stempel der Kriegervereiue vom Minister des Innern im Einvernehmen mit dem Kriegsminister genehmigt ist.(Große Heiterkeit und Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) So abhängig sind diese Vereine von den Behörden.   Der Militärboykott soll nur verhängt werden, wenn die Disziplin gefährdet ist, sagt der KriegSminister. Man erlebt da die drolligsten Sachen. Der Redner führt mehrere Fälle an. Der Kriegsmimster wirft unS Verallgemeinerung von Einzel­fällen vor. Das überlassen wir Ihnen. Wenn irgendwo ein armer Teufel, der in emeni kleinen Nest als Gewerkschaftsangestellter ein paar Mark unterschlägt, so wird das niemand billigen, sie aber sagen, daß sind die Sozialdemokraten. Wenn ein paar betrunkene Subjekte sich skandalös anfführen, dann schreien Sie: Das ist Frankreich  !(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Der KriegSminister wirft uns wieder einmal vor, wir setzen mit unserer Kritik die Armee vor dem Ausland herab. Dabei kritlsieren wir lediglich, damit die Dinge besser werden.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Dem Vertreter einer aus- wärligen Zeitung, der mich vor einem Jahre um mein Material bat, lehnte ich es ab, wir wünschen nicht, daß die ausländische Presse es benutzt, um gegen Deutschland   zu Hetzen. Aber Sie setzen die Armee vor dem Ausland herab, wenn Sie immer darauf hinweisen, s i e h a b e z u w e n i g S o l d a t e n, sie könne sich kaum rühren und sei in einem bemitleidenswerten Zustand.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Der KriegSminister behauptet, die Offiziere treiben keine Politik. Aber schon vor der Militärvorlage er- schien imLokal-Anzeiger" ein Artikel:Die Forderungen der Armee". Irgend ein General schreibt einen konfusen Artikel und gibt ihn als Forderung der Armee auS. Zur Armee gehören doch auch die Soldaten, die sind aber nicht nach ihren Wünschen ge- fragt worden.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Mit den Redensarten: Auf die Armee könne man sich verlassen" kommt der Gegensatz zwischen Armee und Volk zunr Ausdruck. DaS Volk hat alle Ursache, die Armee nicht zu einem Staat im Staate werden zu lassen. Wenn man darauf verweist, daß sie nicht auf die Verfassung, sondern auf den Kaiser vereidigt fei, so hat auch der Kaifer die Verfassung beschworen.(Sehr richtig! bei den Soz.) Bei der Versammlung der notleidenden Agrarier im Zirkus Büsch waren viele Offiziere in Uniform zugegen, und das war doch ganz gewiß eine politische Veranstaltung.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten. Abg. O e r t e l(k.) schüttelt ver- neinend mit dem Kopf.) Noch schlimmer treiben eS manche Generale z. D., d i e i m Interesse der Rüstungsfanatiker und der Rüstungö- fabrikanten herumreisen und Reden halten. Gewiß gibt es manchen Offizier a. D., der auf einen Nebenerwerb angewiesen ist« Früher haben die Herren Kognak, Wein und Zigarren ver- kauft oder Versicherungen abgeschlossen, lauter ehrenvolle Berufe. Aber so viel Wein gibt's gar nicht zu verkaufen, wie der Kriegs- minister Offiziere absägt.(Heiterkeit links.) Jetzt reisen die Herren als Agenten des Wehrvereins, und es ist kein Wunder, wenn in einem kleinen Nest, das alle Jahre vielleicht einmal einen Soldaten auf Urlaub zu sehen bekoinmt, ihnen alles nachläuft. Der Kriegsminister sollte aber einmal sich überlegen, ob solche Rüstungshetzerei im Interesse der Rüstungslieferanten ein standesgemäßes Gewerbe für den Offizier ist. Der Fehler liegt an unserem ganzen System, durch das völlig gesunde Offiziere pensioniert werden. Der General v. Wrochem hat in einer Broschüre sehr nett geschildert, wie gerade Offiziere aus agrarischen Kreisen, die das väterliche Gut übernehmen, sich aus Gesundheitsrücksichten' pensionieren lassen, weil sie auf denr Standpunkt stehen, dem FiSkuS sollte man nichts schenken. Diesem Simulantentum würde man sehr gut begegnen können, wenn man bei der Untersuchung nur halb so rigoro» ver- fahren wollte, wie bei der Untersuchung der Mannschaften. Der Kriegsminister bestritt den K a st e n g e i st des Offizier« korps. Der Sohn eines Postsekretärs meldete sich bei 43 Truppen« teilen. Uebecall wurde er abgelehnt unter den verschiedensten Gründen. Ein Kommandeur schrieb ihm:.Was ist Ihr Vater?" Und als er antwortete:.Postsekretär", bekam er keine Antwort mehr. Postsekretär ist eben kein Vater, dessen Sohn Offizier werden könnte. (Sebr wahr! bei den Sozialdemokraten). Die Gesinnungs­schnüffelei bei der Armee ist ja bekannt. Als in einer kleinen Stadt die Reserveoffiziere nach Kaisers Geburtstagsfeier in den Ratskeller gingen, wurden sie nachher schriftlich aufgefordert, anzugeben, ob Sozialdemokraten in dem Ratskeller gewesen seien, und wer von den Reserveoffizieren davon Notiz genommen oder ihnen gar zugetrunken hätte.(Hört! Hört! bei den Sozialdemokraten.) Vor kurzem ist der Gouverneur von Straßburg  , General   v. Egloffstein  urplötzlich pensioniert worden. Das konnte doch nur im Zusammenhang mit der Köpenickiade vom Aschermittwoch stehen. Die Sache war ja harmlos. Aber eS hätte doch ebenso gut einem General in Metz   eine Depesche übergeben werden können, des Inhalts, er solle die Grenzen besetzen oder irgend ein Dorf jenseits der Grenze. In Verfolg dieses Falles sind aber keineswegs die Bestimmungen abgeändert worden, sondern man pensioniert den Gouverneur, man best rast das Volk, das die Pension von 19 000 M. zu zahlen hat. Was die Offiziere sich manchmal herausnehme», dafür ein Fall aus Braunschweig  . Als Scheidemann   dort sprach, wurden die Soldaten in den Kasernen gehalten, damit sie ihm ja nicht auf der Straße begegnen, und ein Leutnant sagte zu ihnen:.Das habt Ihr dem Lümmel zu verdanken, der heute im Konzerthaus eine Rede hält".(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Solche Unflätigkeiten nehmen wir nicht tragisch, aber sie sind bezeichnend für den bei den Offizieren herrschenden Geist.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Gerade in diesem Jahr hätten wir beim Militäretat Ersparnisse erwarten dürfen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Ich finde den Standpunkt des Generals H a e u s l e r sehr begreiflich. Aber wenn nur irgendwo ein Leutnant abgestrichen werden foll, kommen die Herren und beweisen der Kommission, daß gerade dieser Leutnant notwendig ist, oder es würde alles schief gehen.(Große Heiterkeit links.) Und die Herren vom Zentrum bewilligen ihn dann. Ich verweise auf die Kostspieligkelt der Generalswohnungen, ich verweise darauf, daß der Chef des MilitärkabinettS ein Wohn- hauS für zwei Millionen Mark bekommt(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten), das uns jährlich 120 000 M. an Zinsen kostet, in dem ein besonderer Festsaal gebaut wird. Im Militäretat herrscht also eine Verschwendung ohnegleichen (Lebhaftes Sehr richtig I), und wenn die Herren vom Zentrum das alles bewilligen, so verlieren wir jeden Glauben, daß mit ihrer