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AU4«**. Nr. 93. 30. Iahrgaug. 2. SeilM des Jonnärts" lerlinet DcksM Zonkabend, 19. ApÄ 1913. Hbgeordnetenbaue« 169. Sitzung. Freitag, den 18. April 1913, mittags 12 Uhr. Am Ministertisch: v. D a l l w i tz. Ministerium deS Innern. Abg. Schiffer(uatl.) polemisiert gegen die letzthin gemachten Ausführungen des Ministers des Innern gegen eine Wahlrefor m. Die Volksvertretung musi den Willen des Volkes unverfälscht der- treten, das preußische Volk ist reif, seine Geschicke s e l b st in d i e H a n d zu nehmen. Deshalb hat die Thronrede von 1910 die Notwendigkeit einer Wablresoim anerkannt. Zwischen der Thron- rede und der Haltung des Ministers besteht aber eine Dissonanz. Er erhält immer nur den Beifall der Wahlrcchtsgegner. aber nicht der Wahlreformfreundc. l Zustimmung links.) Auch auf anderen Gebieten verkennt der Minister die Wahrheit, daß die Freiheit ein Volk erzieht. Die Kommunen werden in unwürdiger Weise bevormundet, nur bei der F l e i s ch n o t durften sie aus eigenem Säckel die Not lindern. lHeiterkeit links.) Aber sonst bringt man ihnen kein Vertrauen entgegen, übenrägt ihnen nicht die Polizei, was auch der Wohnungsgesetzentwurf zeigt. Wann wird endlich mit dem Wust der Polizeiverordnungen aufgeräumt? Die Bürger werden als Untertanen behandelt, das ist mit einem konstitutionellen Staat unvereinbar. Die Macht der Behörden muß eingeschränkt werden, viele Verärgerung würde dann vermieden. Der Geist der inneren Verwaltung ist unmodern. Unser Volk muß Licht und Luft bekommen, so müssen wir die Jahrhundertfeier begehen!(Lebhafter, wiederholter Beifall links.) Minister v. Dallwitz: Die Regierung kann jetzt am Schluß der Legislaturperiode nicht auf alle diese interessanten theoretischen Ausführungen eingehen. Eine Verminderung der Zahl der Polizei« Verordnungen wünsche auch ich. aber ob der gesetzgeberische Weg dazu geeignet ist. ist zweifelhaft. Den Wohnungsgeletzentwurf hat das Staatsministerium noch nicht beraten. Die Wohnungspolizei ist in weitestem Umfange den Kommunen überlassen, aber das kann man nicht im ganzen Staat tun. weil die Verhältnisse zu verschieden sind. Die Sicherheitspolizei muß der Staat behalten.(Beifall rechts.) Die allgemeine Aufficht über die Kommunen ist von Jahr zu Jahr geringer geworden und wird den.Großstädten gegenüber überhaupt nicht mehr ausgeübt.(Lebhafter Widerspruch links.) Eine weitere Beschränkung läge nicht im Interesse der Kommunen selbst. Vor zwei Tagen habe ich mich gar nicht gegen jede Wahlreform und überhaupt nichl über die Wahlrefonn ausgesprochen, sondern nur, veranlaßt durch den Abg. Leinert, dargelegt, warum Preußen au einem abgestuften Wahlrecht festhalten muß. Zur Wahlreform im allgemeinen Stellung zu nehmen, hatte ich am Schluß dieser Legislaturperiode keinenAnlaß. l Lebh. Zustimmung rechts stürmischer Widerspruch und Zurufe links.) Ich hatte dazu um so weniger Anlaß, weil die Stellungnahme der Regierung von mir wiederholt in nicht mißzuverstehender Weise hier vorgetragen worden ist.(Sehr richtig! rechts.) Erst im vorigen Jahre habe ich auf eine Rede des Abg. Dr. P achnicke ausgeführt, daß die Regierung ernstlich bemüht gewesen sei, das in der Thron- rede gegebene Versprechen einer organischen Fortentwickelung des bestehenden Wahlrechts zu verwirklichen.(Lachen links.) Um einer Legendenbildung vorzubeugen, habe ich ausdrücklich festgestellt, daß die Wahlrechtsvorlage der Regierung vollkommen den Intentionen der Thronrede und den ihr vom Fürsten B L l o w gegebenen Erläuterungen entsprochen habe. Da diese Vorlage an dem Widerstreit der Meinungen in diesem Hause gescheitert ist, mstß die Regierung das» Recht für sich in Anspruch nehmen, nach eigenem pflichtmäßigen Ermessen darüber zu befinden, wann ihr der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Wahlreform geeignet zu sein erscheint.(Sehr richtig I rechts. Lebhafter Widerspruch links.) Dr. F r i e d b e r g hat diese Stellungnahme der Regierung als Zeichen der Schwäche gedeutet.(Sehr richtig! links.) Dem muß ich entschieden widersprechen. Daß diese Stellungnahme der Regierung vielmehr durchaus berechtigt ist, ergibt sich schon aus der einen Tat- fache, daß die Verhandlungen des nationalliberalen Parteitages in Hannover erst kürzlich deutlich gezeigt haben, daß-selbst innerhalb der nationalliberalen Partei die Ansichten über kleines feiulleton. Das Kino als Antreiber. Das famose Taylor- oder, wie es in Deutschland mit Recht genannt wird, daö Hetzvogt-System treibt immer tollere Blüten. Hat da eine große Fabrik in den Bereinigten Slaalen in ihren Werkstärten einen eigenen Kinemalographen an« geschafft, mit denf sie, wie kapitalistische Zeitungen freudig erzählen, bisher.bemerkenswerte Resultate" erziejtc. Der Kinematograph wird in folgender Weise für dos Unternehmen verwendet: Man Photo- graphiert den Arbeiter stiährend der Ausführung eines Werkstückes. Jede einzelne seiner Bewegungen und jeder Handgriff werden auf dem Film registriert. Bor dem Apparat ist auch eine llhr aufgestellt, die genau die Zeit abmißt, die für jede Bewegung des Arbeiters nötig ist. Diese Uhr besitzt nur einen Zeiger, der in sechs Sekunden um das Zifferblatt herumgeht. Als Modell wird natürlich I ein tüchtiger Arbeiter ver- wendet, besten Tätigkeit vorbildlich erscheint. Der Film, der auf diese Weise zustande kommt, wird dann in den Werkstätten den Arbeitern auf einer Leinenfläche vorgeführt, so daß sie aus den Bildern des Kinematographen die tüchtigste Ausnützung ihrer Arbeits- kraft ersehen können. Eine Arbeit, die früher 37 Minuten in An« spnich nahm, kann, wie der Kinematograph nachweist, in 9 Minuten ausgeführt werden. Zum Schluß der Beschreibung des Apparates und dessen Anwendung heißt es:.Dieser Zeitgewinn bedeutet für den Arbeiter«ine Erhöhung seines Lohneinkommens, denn bei der Arbeit nach dem kinematographischen Borbild erhöht sich sein Ver« dienst um zirka 20 Proz." Um wie viel schneller der Arbeiter bei dieser-Ausbeutungs« Methode verbraucht wird, zeigt der Apparat allerdings nichl an. Zwei Brücken. Aus München wird uns geschrieben: Die leb- tüchtige, arbeits« wie genußfrohe Kunst- und Bicrmetropole an der Isar , München , die geistige Zentrale des Südens, der demokra- tische starke Gegenpol gegen alle borussisch-reichsdeutsche Ilniformie. rung und Paragraphierung des Geistes und Gemü-s. steht jetzt im Zeichen der Brücke. Da ist zunächst dieBrücke" Wilhelm Ost- Wolds, der großzügig« Versuch der internationalen Organisierung der geistigen Arbeit nach dem Prinzip des geringsten Energie- Verbrauchs.«-. Die Führer der Bruck«, die eine internationale Anstalt ist, aber ihren Hauptsitz in München hat es sind Ostwald. Exner-Wien und W. Bührer haben auf der kürzlich abgehaUenen Jahresver« sammluna ihre Plane und Gedanken zur Erreichung des hohen Kulturziels: geistige Arbettsvereinigung, Organisation des Wissens �und Wirkens, entwickelt. EmBrückenwarter" Dr. S a a g e r Prä- gisiert diese Gedanken klar wie folgt:Die geistige Arbeit der Gegen- wart befindet sich am Beginn des Ucbergangs zur organischen Bin- dung. zur höheren Vergesellschaftung, die wenigstens zurzeit die erstrebenswerteste Form der Kulturentwickelung darstellt und die sich durch das bewußte Zusammenwirten hoch entwickelter Individuen 'n spezialisierter Betätigung äußert. Dieses Zusammenwirken in Zweckmäßigster Form herbeizuführen, bedarf«s einer Art von lei- tendem Gehirn, eine Funktion, die dieBrücke" zu übernehmcn haben wird. Freilich darf der Ausdruck Gehirn nicht, wie nahe uegt. Mißverstanden werden: es handelt sich dabei keineswegs etwa m eiue Bevormundung der Gesamtheit. Die.Brücke" hat nur den die bei einer Wahlreform zu verfolgenden Zwecke und Ziele in leiner Weise geklärt sind.(Stürmische Heiterkeit und Beifall rechts.) Abg. Krhr. v. Gamp(srk.) polemisiert gegen die Natioyallibe- ralen, die nicht den Mut hätten, für einen größeren Schutz der Arbeitswilligen einzutreten und kraftvoll gegen die Sozialdemokraten auszutreten. Ferner verlangt er eine Aenderung des Kommunalsteuergesetzes und wirft der Stadt Berlin vor, daß sie nichtkonservative Abgeordnete, die in Berlin wohnen, nicht zur Steuer veranlagt habe, i Unruhe liuls.) Abg. Dr. Pachnicke(Vp.) weist diese Verdächtigung zurück und bespricht die einseilige Tätigkeit der Landräle für die Konservativen. Er wendet sich weiter gegen die gesetzgeberische Un« fruchtbarkeit des Ministeriums des Innern seit der Amts- sührung deS Herrn v. Dallwitz und schildert hauptsächlich die Untätigkeit aus dem Gebiete des Wahlrechts. Von der Lösung der Wahlrechtsfrage hängt alles ab und eS wird sich bei ihr zeigen, wer in Preußen mächtiger sei, der preußische König oder der preußische Junker.(Beifall links.) Abg. v. Mizcrski(Pole) kritisiert die Schilanierung seiner Lands- leute durch preußische Behörden. Besondere Erregung habe die Auf« lösung einer Versammlung deS landwirtschaftlichen Vereins in Posen hervorgerufen. Minister». Dallwitz: Es handelte sich nicht um eine geschlostene Vereinsversammlung, sondern um eine öffentliche Versammlung und der Streit unterliegt gegenwärtig dem Oberverwaltungsgericht. Abg. Dr. Liebknecht(Soz.): Aesthetisch betrachtet, war die Rede Dr. Schiffers ein Genuß aber nationalliberale Reden und Taten! Die Nationalliberalen für Selbstverwaltung und S e l b st r e g i e r u n g, sie, die sich stolz die Väter der feudalabsolutistischen Kreis- und Provinzial« ausschüsse nennen I! lieber die Haltung der Nationalliberalen zur Wahlreform hat ja Herr Gamp ganz Richtiges gesagt, indem er ausführte, wie zersplittert die Nationalliberalen sind und daß ein großer Teil von ihnen auf dem jede Wahlreform'verneinenden Standpunkt der Freikonservativen stellt!(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Am unterhaltendsten war die Rede des Abg. v. Gamp, Er brachte hier seine Steuerreklamation vor, als ob dieses so vielbeschäftigte Haus der Steuersenat deS Oberverwaltungsgerichts wäre. Aus höchstpersönlichen Portemonnaieinteressen hat er die schärfsten Angriffe gegen den Berliner Magistrat gerichtet gestern aber haben Sie sich entrüstet, weil ich im Interesse deS Volkes, aus idealen Gründen ein Reichsgerichtsurteil kritisierte. Ihre Portemonnaieinteressen aber gestalten Ihnen, die n n- erhörtesten Verdächtigungen gegen den Berliner Magistrat zu richten. Das ist eben Ihre Auffassung vom Staat, in dem nur Ihre Geldsackinteressen maßgebend sein wollen. DaS Volk, so sagt v. Gamp, will einen besonder? verschärften Arbeitswilligenschutz. Zum Volk gehören für Sie eben nur die Junker, Scharfmacher und Getreidewncherer und ihre Werkzeuge! (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Dr. Pachnicke hat ihm ja schon erwidert, wie der Reichstag diesen.Willen des Volkes" ge wertet hat! Mit der kaninchenhaften Fruchtbarkeit des Polizeipräsidenten ». Jag»« an Polizeiverordnungen, deren er gestern wieder drei geworfen hat(Heiterkeit), mit den skandalösen Dingen bei der Kasseler Polizei, die doch die Spatzen vom Dach pfeifen, will ich mich nicht befassen. Man hat die beiden Volksbühnen in Berlin unter die Zensur gestellt der Minister sagte, daß sie nicht belästigt werden sollen, nur die junstische Akkuratesse des Ministers erforderte das! Run man hat seitdem erkannt, daß es sich nur um eine Unfreundlichkeit de§ Ministers gegen eine der Kunst für Arbeiter dienende Einrichtung handelt. Das beweist auch das Vorgehen gegen das Karsreitagskonzert des Volkschors, das den vielfach religionslosen Arbeitern geistliche, ernste Musik vor« führen wollte. Die Aufführung des Oratoriums.Der hl. Franziskus" wurde verboten das sei nicht rein geistlich! Ebenso gmg eS mit der.hl. Elisabeth" von Liszt. (Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Erst die.Seligpreisungen" von Cssar Franck konnten primitivsten und wenigst geistigen Anteil zu systematisieren und da- ourch aus dem Weg zu räumen. So wird die notwendige Gleich» machung und Bindung nicht ein Hindernis, sondern im Gegenteil eine bedeutende Erleichterung und Förderung für die höhere Geistes- arbeit herbeiführen, und die führende Einzelpersönlichkeit wird sich noch freier als bisher betätigen können, da sie nicht mehr durch den Ballast mechanischer Vorarbeit behindert lst." Die Dienstbarinachung und Freimachunghöherer Individuen" für die Gesamtheit durch Spezialisierung und mechanische Eni- lajtung der geistigen Arbeit, das ist ein haher.Kulturgedankc. Es >st vor allem ein rein demokratisches Prinzip. Einige praktische Arbeitsergebnisse derBrücke" sind bis jetzt: die Schaffung weniger Einheitsformate für Kuverts und Druck- schriften zur Erleichterung des Weltverkehrs im Austausch von Druck- und Schriftwerken; die Gründung einer zentralen Auskunftsstelle für alle wissenschaftliche, geistige und künstlerische Arbeit(in München ist ein Teil der Auskunftsstelle, dasKeller-Steiningerschc Musik- archiv" bereits benutzbar und erfüllt alle Erwartungen). Weitere Ausgaben der nächsten Zukunft werden sein: die Organisation der Reklame, Einheitlichkeit der Buchführung, fruchtbringendere Ver- Wertung der Liebhabcrtätigkeit, besonders des Sammeltriebes. Die Brücke" sucht außerdem gewisse Geldsummen aus Stiftungen usw., die bisher mir Privilegierten zuflössen, der Gesamtheit nutzbar zu machen. Dient die OstwaldscheBrücke" dem Leben, so dient die G r o ß- hesseloher Brücke dem Tode. Das ungeheure rote Ziegel- dauwerk, das in 40 Meter Höhe die blaugrüne, silbern schäumende Karwändcltochter, die Isar bei dem Vorort Großhesselohe überbrückt, ist seit einigen Monaten das gemeinsame Ziel der meisten Münchener Selbstvlördcr.Ein Sprung von dieser Brücke macht sie frei" und unten suchen die bei Tag und Nacht zumSelbstmörderdienst" ab- kommandierten Babnbeamtcn und Streckenwärter das zerschellte Gerippe auf dem bleichen Kalkgeröll, wenn nicht der mitleidige Strom die Leichen der Lebensbankerotteure bis zum Wehr am nächsten Elektrizitätswerk mitführte. Zum anderen Ufer donnern oben auf der Brücke die Eisenbahnzüge. Für die Liebespaare, De« fraudanten, gescholtenen Dienstmädchen, sitzengebliebenen Gymna- siasten, bankerotten Kleingewerbler gab es keinanderes Ufer". Für diese Gehetzten und Unklaren war die Brücke nicht der Weg zur Straffung deS geistigen Seins, nur das Sprungbrett ins Nir- wana... m. Ernste Lektüre treiben. J.i Briefen Gustave Flauberts aus den sechziger Jahren, die derMärz" in seiner neuesten Nummer veröffentlicht, finden wir den Ausspruch:Unter ernste Lektüre treiben, verstehe ich nicht Bücher lesen, die schwierige Gcgenstänve behandeln. Sondern gut gemachte und besonders gut geschriebene Bücher lesen und sich zugleich über die Darstellung Rechenschaft geben. Sind wir Romanschriftsteller oder Ackerbauer?" Der Ackerbauer ist der Sklav der Scholle, in die seine Arbeit sich einwühlt, und die Schtverc der Arbeit geht in sein Wesen und Be- wegen über; der Romanschriftsteller aber hat die Schollenschloere des Stoffes überwunden: er packt das Leben, das er spiegeln will, aus der Höbe überlegener geistiger Freiheit. Die Kunst seiner Darstellung begreisen, heißt diese freie Höhe erklimmen und als neuen Besitz des Lebens erobern. Wir frischen daS gute Wort FlaudertS für die Gegeiuvart auf. aufgeführt werden. Aber nachher hat der Polizeipräfident mitgeteilt, daß daS künftig nicht mehr stattfinden dürfe, weil auch nach Ansicht des Ministers in der.Neuen Welt" geistliche Musik nicht aufgeführt werden könne. Sie wollen also die Arbeiter verhindern an: Karfreitag geistliche Mufik zu hören, was Sie doch eigentlich wünschen müßten! In der Rotsche» der preußischen Polizei graut dem Minister vor dem Namen.'Neue Welt", weil dort schon sozialdemokratische Versammlungen stattgefunden haben und eine sozialdemokratische Zeitschrift so heißt. Nun billigen Sie nur dieses Vorgehen, dann machen Sie sich vor der ganzen Kulturwclt mit- verantwortlich mit Herrn v. Dallwitz und Herrn v. I a g o w. Die gestrigen Entladungen des Abg. v. Wenden bezöge» sich auf das Brandenburger Reichsverbandsurteil, weil dort ein« mal gesagt ist, daß der Vorwurf, wider besseres Wissen gehandelt zu haben, nicht erwiesen sei. Verschwiegen hat er, daß das Urteil dem Reichsverband Lügen, Injurien, Be- ichimpfungen..be weislose Unterstellungen atte« stiert!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Von ü Punkten des Reichsverbandsurteils hat er nur e i n e n erwähnt in der Beschränkung zeigt sich der Meister!(Heiterkeit links.) Herr V.Wenden, der wohl Mitglied des Reichsverbands ist, den man hier nicht bei seinem wahren Namen nennen darf(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten), ist bei dem Rettungsversuch selbst in den Sumpf gefallen! Statt gestern zu entkräften, daß der Pommersche Bauherren- verband ein Scharfmacherverband zur Terrorisierung der freien Arbeiterbewegung ist, hat er vom Terrorismus der Sozialdemokraüe gesprochen aber mit kläglich dürrem Reichsverbandsmaterial. (Abg. v. Wenden: 117 Urteile!) Ach, bringen Sie doch die 1000 Ruhrstreikurteile auch! Diese Urteile mit heftigen Worten der Richter gegen die Arbeiter, die nicht die Unparteilichkeit der Richter beweisen was wollen sie beweisen in unserem Klassen- staat mit unserer Klassenjustiz! Wenn wir ein Urteil unserer Gerichtshöfe vorweisen können, das den Anschauungen der Arbeiter recht gibt, ist es für uns in weitem Maß eine Autorität, weil es nicht gefällt ist unter Klassen- Vorurteilen, sondern nach ihrer Ueberwindungin schweren inneren Kämpfen l Was wollen dagegen die von Ihnen produzierten Urteile besagen, die unter dem Strom der Klassenvorurteile entstanden sind! (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr v. W e n d e n hat dem Abg. Hirsch auch Schmähwort« nachgesagt, weil Hirsch Ausdrücke gebraucht hat, die hier im Hause gang und gäbe sind.(Unruhe rechts. Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Haben wir je so kräftige Schelt- und Schimpf- Worte, solch' konzentrierte Lösungen von Schimpfereien verwendet, solches Schnellfeuer von Beschimpfungen eröffnet, wie der Minister deS Innern gegen die Bemnten, die sozialdemokratisch gewählt haben I(Sehr wahr! bei den Sozial- demokraten.) Welchen Charakter der Pommersche Bauherrenverband in Wirklichkeit hat, zeigt folgender von ihm am 6. März d. I. ver- schickte Brief: »Euer Hochwohlgeboreu I Nicht vorhersehbare Umstände haben die ersten Besprechungen über die Ziele unseres Verbandes nicht zu dem Ergebnis führen lassen, das besonders im Hinblick auf die gemdchten Erfahrungen erwartet worden war. Es ist deshalb eine neue Zusammenkunft angesetzt.... Die Vorverhandlungen zu den neuen Tarif- vertrügen nehmen nach den Pressemeldungen einen i m ni c r günstigeren Verlans, so daß mit ziemlicher Sichcrheir der Ausbruch eines großen Streiks für den 1. April z« erwarten ist. Bis dahin wird der Pommersche Bauherrenverband gerüstet dastehen." ES wird also hier als ein günstiger Verlauf der Verhandlungen bezeichnet, daß mit ziemlicher Sicherheit der Ausbruch eine« großen Streiks zu erwarten ist.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Leiwng dieses Verbandes hat also die unerhörte Frivolität (Lachen rechts), den Ausbruch eines großen Bauarbeiterstreiks als einen günstigen Verlauf hinzustellen, und daraus geht hervor, daß der Verband systematisch auf den Ausbruch de» Streiks hingearbeitet hat. Das ist nun eine Ihrer patriorischen Or- Eine Biertelmillion für Kleister. Da wundern sich die Reisenden, daß ihr ganzer Koffer mit Kleister beklext ist! Aber wo soll denn die Behörde mit all dem Zeug anders hin, als auf die schön sauber gehaltenen Gepäckstücke der Reisenden? Denn eS.wird bei den Eisenbahnen viel Kleister verschmiert und über die Menge des bei den preußisch-hesstschen Eisenbahnen gebrauchten Klebestoffes erfährt man Genaueres aus einem Bescheide deS preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten auf eine Eingabe wegen Verwendung deutscher Kartoffelfabrikate. Danach verbraucht die genannte Eisen- bahnverwaltung im Gepäck- und GüterabsertigungSverkehr alljährlich nicht weniger als 1 100 000 Kilogramm Klebestoff im Werte von 220 000 M. SV Proz. des Kleisterstoffes besteht auS Sichelleim und fast der gesamte Bedarf wird aus inländischen Fabrikatm be- stritten.__ Notizen. Gerhart Hauptmann läßt sich nunmehr mit Orden behängen. Das hat in der Sammlung seiner persönlichen Schwächen allerdings noch gefehlt. Gleich von zwei Seiten her, aus Bayern und aus Griechenland , sind den Knopflöchern seiner ManneSbrust die klimpernden Spielzeuge zugeflogen, und der Dichter der.Weber" hat sie keineswegs abgelehnt. Der Schutzverband deutscher Schriftsteller veranstaltet am 2l. April, abends 11 Uhr. im.CineS" am Rollen- dorfplatz 4 eine öffentliche Kundgebung. Es sind neun Redner vor- gemerkt. Platzkarten durch daS Bureau Linkstr. IS. AusstellungSchronik. Die Eröffnung der inter - nattonalen Baufach-AuSstellung Leipzig 191S findet am 3. Mai statt. DirektionSkrise im Münchener Lustspiel- hause. Eugen Robert , der Begründer des ach so schnell verkrachten Berliner Hebbcltheaters, hat die Direktion des Münchmer Lustspiel- Hauses, das er mit Erfolg geleitet hatte, infolge Differenzm mit den Geldgebern niedergelegt. Die Darstellung des Elends ist verboten! Der Stadtrat zu Annaberg in Sachsen hat die Aufführung von R o s e n o w s Bergarbeitertragpdie.Die im Schotten leben" untersagt. Die Gewerkschaften wollten daS Stück>il» VolkSvor< stellung im Stadttheater aufführen lassen. Ihr gutes Recht auf Volksvorstellungen hatten sie eben erst siegreich geltend gemacht. Blinde im Telephondien st. Da bei Blindm der Gehörsinn besonders scharf entwickelt ist, hat man vor einiger Zeit in Baltimore Blinde als Telephonisten angestellt. Der veftuch hat sich vollauf bewährt. Nun wird auch die Telephongesellschast New DorkS dem Beispiel folgen. Der Arbeitergesangverein Stockholm wird mit 70 Sängern ansang.Mai eine Konzertreise nach Deutschland unternehmen. Der Besuch gilt Berlin . Dresden . Bremen und Ham- bürg. Das Berliner Konzert findet am Donnerstag, dm 8. Mai, in derReuen Welt" statt. DaS Programm enthält fast ausschließ­lich skandinavische, meist schwedische Lieder. lleberreste einer altrömische»Töpferei auS dein ersten vorchristlichen Jahrhundert lourden bei Z w c i b r ü ck c n in der Rheinpfalz eindeckt. Die Namen zahlreicher Töpfer, die dort arbeiteten, und die Beziehungen der Fabrik zu den römischen Fabriken in Bergzabern und auf dem Eschweiler Höf komttm fest« gestellt werden.